Sechste vorberathende Sitzung.

Den 18. Juli 1848. Anfang um 1/4 11 Uhr.

Vorsitzer: Herr Alters-Vice-Präsident Joseph Weiß.

Vice-Präs. Der Herr Altersvorstand bat mir angezeigt, daß in seinem Unwohlseyn keine Besserung eingetreten ist und fordert mich auf, seine Stelle zu vertreten. Ich fühle mich dadurch innigst angeregt, die hohe Versammlung um jene geneigte Nachsicht zu bitten, welche vorgerücktes Alter, Mangel an Geschäftsroutine, auf diesem Ehrenpratze beansprucht. Bevor wir zur Tagesordnung übergehen, habe ich die Ehre, der hohen Versammlung anzuzeigen, daß das Postbureau zunächst dem Portier, beim Eintritte links, morgen ganz in der Ordnung seyn wird. Die Briefe und Packete werden dort empfangen, ausgeschlossen bleiben jedoch Geldbriefe; es wird darüber eine eigene Affiche veranstaltet und zunächst dem Bureau angeschlagen. Herr Secretär, wollen Sie das Protokoll von vorgestern und gestern verlesen?

Secretär Kudlich liest das Protokoll der 4. vorberathenden Sitzung vom 15. Juli, welches von der hohen Versammlung einstimmig und ohne Abänderung angenommen wird.

Secretär Brasdil liest das Protokoll der fünften vorberathenden Sitzung vom 17. Juli, welches von der hohen Versammlung, nachdem der Herr Secretär die Irrung, daß er ein Namenszeichniß vergriffen hatte, auf die von den Herren Deputirten Füster, Scherzer und Violand in Folge dessen vorgebrachte Abänderung, durch die Vorlesung des richtigen Namensverzeichnisses aufgehoben hatte, einstimmig angenommen wird.

Ein Abgeordneter. In der gestrigen Abendbeilage zur Wiener Zeitung liest man über die fünfte vorberathende Sitzung des constituirenden Reichstages Folgendes: Ein Abgeordneter klagt über die Geringschätzung der Deputirten gegen einander, so wurde einem galizischen Deputirten u. s. w. begegnet. Mir ist nichts bekannt, daß darüber gestern in der Sitzung etwas gesagt worden wäre; das ist eine in das Publikum geschleuderte Beschimpfung, welche jeder von uns mit Unwillen zurückweisen muß. Ich erlaube mir die Frage zu stellen, ob die Wiener Zeitung als offizielles Blatt des Reichstages angesehen wird? (Mehrere Rufe: Nein.)

Vice-Präs. Das ist mir unbekannt.

Deput. Welches ist denn das officielle Blatt?

Secret. Kudlich. Es gibt noch keine officiellen stenographischen Berichte; es ist noch kein Blatt gedruckt worden, aber die Einleitung ist schon getroffen.

Deput. Auf jeden Fall bleibt es unangenehm, so etwas in einer ämtlichen Zeitung gedruckt lesen zu müssen. Ich erlaube mir daher die Bitte an das Bureau zu stellen, daß dieß widerrufen wird.

Kudlich. Wir werden eine Berichtigung einsenden.

Vice-Präs. Es ist mir auch sehr aufgefallen, wie ich dieß gelesen habe, daß in der letzten Sitzung ein Verweis votirt worden sei. Ich habe die Angelegenheit, so wie es die Zartheit des Gegenstandes und die Unparteilichkeit beanspruchen, behandelt, und ich darf mir schmeicheln, daß die ganze Sache bereits beigelegt seyn wird, und ich benütze sehr gern die Gelegenheit, diese Unrichtigkeit öffentlich zu widerrufen.

Deput. Ich bitte zu besorgen, daß das in der Wiener Zeitung widerrufen wird. (Es wird abgestimmt und der Antrag allgemein angenommen.)

Vice-Präs. Ich werde es mit Freuden thun.

Ein anderer Deput. Eine ähnliche Bemerkung, wie des verehrten Mitgliedes vor mir, muß auch ich mir erlauben. Ich habe vor mir das sogenannte Reichstagsblatt Nr. 5, worin unter Anderem auch über meinen Antrag, dessen Entwickelung oder Begründung die hohe Versammlung nicht zugelassen hat, weil erklärt wurde, der Reichstag sei nicht constituirt und die Sache nicht so dringlich, und es wird ein Entwurf von dem hohen Ministerium vorgelegt werden zur Beseitigung der sich hiebei ergebenden Anstände, worin auch, sage ich, von diesem meinem Antrage Erwähnung geschieht; es heißt darin: Ich hätte das Wort nicht bloß im Interesse meiner Provinz, sondern im Namen ganz Oesterreichs ergriffen. Das zweite ist wahr, der erste ist aber ganz unrichtig, ich habe gesagt: Ich ergreife das Wort nicht im Interesse meiner Provinz, weil bei uns ein ganz anderes Conscriptions- oder eigentlich Losungs-System besteht; von Seite Tirols ist noch keine Beschwerde über das bestehende Recrutirungs-System vorgekommen. Ich möchte daher das Bureau ersuchen, daß die Anträge, die irgend ein Abgeordneter zu stellen sich erlaubt, deutlich und im richtigen Sinne aufgeführt werden in diesem oder im andern Organ der Presse. Uebrigens würde ich mir die Bemerkung erlauben: Die hohe Versammlung möge aus ihrer Mitte eine Anstalt treffen, wodurch die Verhandlungen authentisch und wirklich so, wie sie vorgekommen sind, dem Publikum und selbst auswärtigen Lesern mitgetheilt werden. Es besteht, so auch mir bekannt ist, bei allen gesetzgebenden Versammlungen ein eigenes Bureau, welches sich mit der Redaction der Vorträge befaßt, und nur diese Berichte sind auch als authentische Mittheilungen und Eröffnungen über die Verhandlungen des Reichstages zu erklären. Ich bitte daher das hohe Präsidium, es möge die hohe Versammlung auffordern, sich darüber auszusprechen, ob es nicht zweckmäßig seyn dürfte, für die Herausgabe eines ämtlichen Reichstagsblattes zu sorgen.

Fischhof. Ich bemerke hierauf, daß die Commission, welche zur Entwerfung einer Geschäftsordnung bestimmt ist, schon darauf Rücksicht genommen hat; es werden Verificatoren bestimmt werden, und es wird eine jede Rede dem Redner zur Verbesserung mitgetheilt werden; aber es muß unter Aufsicht und Controle der Verificatoren geschehen, damit der Redner nicht vielleicht seine Reden in einem ändern Sinne entstellt.

Deput. Diese Aufklärung genügt mir, aber bis die Geschäftsordnung berathen wird, können noch 6—7 Sitzungen stattfinden, und indessen können unrichtige Sachen ins Publikum verbreitet werden, was, glaube ich, der Würde der Versammlung nicht entspricht, und es wird das Publikum so getäuscht.

Vice-Präs. Es wird die Frage nothwendig, daß die hohe Versammlung durch Aufstehen zu erkennen gebe, ob eine solche Commission zur Prüfung dieser Angelegenheiten niedergesetzt werden möge.

Deput. Dieß ist nicht der Antrag.

Vice-Präs. Der Antrag war ja, glaube ich, daß eine Commission niedergesetzt werden möge.

Abg. Kudlich. Es wäre das Beste, diesen Antrag schriftlich zu formuliren.

Deput. Ich werde mir zugleich eine Bemerkung über die Protokolle erlauben, wir haben das erste Protokoll gedrückt, von dem spätern war keine Rede. Ich weiß nicht, ob sie in Druck gelegt werden; es wäre wünschenswerth, sie zu erhalten.



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