Siebente vorberathende Sitzung.

Den 19. Juli 1848. Anfang 1/2 11 Uhr.

Vorsitzender: Herr Alters-Vice-Präsident Joseph Weiß.

Anfang um 1/2 11 Uhr.

Auf der Ministerbank: Doblhoff, Bach, Schwarzer.

Vice-Präs. Die Sitzung ist eröffnet. Herr Secretär, wollen Sie das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen. (Secretär Kudlich liest das Protokoll der 6. vorberathenden Sitzung des österr. Reichstages.)

Ein Abg. Ich bitte für das Wort Alters-Präsident, das Wort Alters-Vice-Präsident hineinzunehmen, es kommt zwei Mal vor.

Secr. Kudlich. Das ist nur aus Versehen geschehen. (Das Protokoll wird angenommen.)

Ein Abg. Bei der Wahl des Herrn Abgeordneten Franz Teufel ist keine 2. Wahl getroffen, es ist nur ein Protest eingelaufen.

Ein Abg. Als Berichterstatter bemerke ich, daß kein Protest eingelaufen ist, sondern nur eine Anzeige von Seite des Gerichtes. (Dieses wird in das Protokoll aufgenommen.)

Vice-Präs. Unter mehreren eingegangenen Schriftstücken ist jenes des Herrn Ministers von Doblhoff, welches ich Ihnen vorzutragen die Ehre habe. (Es wird das neu ernannte Ministerium proclamirt und Hr. Dr. Bach als Justiz, und Herr v. Schwarzer als Arbeitsminister mit Beifall begrüßt.)

Vice-Präs. Der Abgeordnete Goldmark hat sich das Wort erbeten.

Abg. Goldmark. Ich habe in einer ernsten und wichtigen Angelegenheit ums Wort gebeten. Es ist zwar eine triviale und sehr oft abgebrauchte, dennoch wahre Phrase, daß wir in einer Zeit der Mißverständnisse leben. So ist gestern ein Fall vorgekommen, wo zum Theile, wenn auch nicht ganz aus Mißverständniß, ein verehrtes Mitglied der hohen Kammer insultirt wurde. Der Fall ist einfach folgender: Nach aufgehobener Sitzung, als wir uns nach Hause begaben, fand auf der Gasse ein kleiner Auflauf Statt. Die Menge verfolgte das verehrte Mitglied, Herrn Abgeordneten Rieger, der auf dem Wege nach Hause war. Ich und noch einige Herren Abgeordnete Scherzer und Fischer wußten Anfangs die Ursache nicht, und befragten die Leute, warum sie hier zusammenströmen. Die Antwort war: Der Herr wäre Schuld, daß der Reichstag aufgeschoben sei (eigentlich die Eröffnung des Reichstages). Es waren mehr oder weniger Buben, auch Erwachsene darunter von den (mit einem gegenwärtig nicht gut zu brauchenden Ausdruck) niedern Classen. Die Menge war so ziemlich aufgeregt, und keine Zeit sie zu besänftigen. Ich ersuchte die andern Herren Begleiter, sich mit mir in die Nähe des Herrn Abgeordneten Rieger zu begeben, um im Falle, als Insulte vorkommen sollten, gleich zur Hand zu seyn. Am Graben stieg der Abgeordnete Rieger mit seinen Begleitern in einen Wagen, Einzelne fielen in die Zügel und wollten den Wagen aufhalten. Dabei stieg die Aufregung. Es gelang uns jedoch, den Wagen augenblicklich frei zu machen, und weiter fahren zu lassen. Der Unwille hat sich ziemlich energisch von Einzelnen gegen mich geäußert. Das das Kurze und Ganze des Vorfalls, ich glaube, so klein der Vorgang an und für sich ist (viele nein, nein!) — ich meine in Bezug auf Strenge und nicht in Bezug auf die Person, so bedarf er doch ernster Maßregeln, theils um für die Zukunft solche Vorfälle unmöglich zu machen, theils um für die Vergangenheit die nöthige Sühne zu erhalten. Der Abgeordnete steht hier im Namen des Volkes, die Kammer steht hoch, höher über alle Parteien, neben ihr kenne ich nur einen Einzigen, den Monarchen. (Beifall.) Jedes abgeordnete Mitglied der hohen Kammer muß heilig und unantastbar seyn, das muß sobald als möglich ausgesprochen werden und zur Kenntniß des ganzen Publikums gelangen. Ich habe daher den Antrag gestellt: Die hohe Kammer möge über den letzten Vorfall ihre entschiedene Mißbilligung aussprechen und dieß zur Kenntnis des Publikums durch das Bureau gelangen lassen. Ich erlaube mir gleichzeitig an den Herrn Minister von Doblhoff die Anfrage zu stellen, ob zur Hintanhaltung solcher Vorfälle in Zukunft das Ministerium einen Gesetzvorschlag einbringen wird, oder ob dieß von Seite der hohen Kammer geschehen soll.

Abg. Rieger. Ich bin verpflichtet, in meiner eigenen Angelegenheit, einige Worte zur Vorstellung des Sachverhaltes zu sprechen. Ich war mit mehreren Mitgliedern der Nationalversammlung aus dem Hause getreten (Mehrere Stimmen: "Reichsversammlung"), das ist wohl alles eins, ich sage aus dem Hause getreten. Auf dem Platze stand eine Menge Volks. Als wir hinaus traten, entstand plötzlich in Murren und es ließen sich die Ausdrücke vernehmen: das ist der Lump, der die Reichsversammlung unmöglich machen will, und derlei entehrende Ausdrücke mehr, mit deren weiteren Anführung ich die hohe Versammlung verschonen will; ich hörte Einen aus der Menge sagen: "ich werde gleich mit ihm anbinden, und werde schon mit ihm fertig werden." Wie ich das hörte, kehrte ich mich zu der Volksmenge, die sich um uns drängte, und fragte ganz ruhig: "Meine Herren, wünschen sie etwas von mir?" Als ich dieß sagte, traten sie zurück und ließen mich gehen; es waren noch mehrere Abgeordnete zugegen, Hauschild und Strobach. Wir gingen Arm in Arm weiter, und als wir durch die Durchfahrt getreten waren, lief uns die ganze Menge nach und begleitete uns mit Zischen und Pfeifen bis zum Graben. Mittlerweile traten mehrere Mitglieder der Nationalgarde zu mir heran, und sagten zu mir ich möchte mich gleich entfernen, da das Volk sehr aufgereizt fei, es möchte mir sonst schlecht gehen. Ich sagte ruhig, ich hätte nichts zu befürchten, da ich Nichts verbrochen habe weder gegen das Volk, noch gegen sonst Jemanden, und ging ganz ruhig weiter, da kamen noch 2 bis 3 Nationalgarden, mit der gleichen Warnung und der Bitte, uns der Wuth des Volkes zu entziehen, zu uns, das Gedränge wurde sehr groß, und als wir uns umkehrten, sahen wir die ganze Gasse bis zur Burg voller Menschen. Am Graben stiegen wir in einen Fiaker, da sielen die Leute den Pferden in die Zügel, und schreien: Laßt ihn nicht fort, haltet ihn auf! u. dgl. Ich muß einem unserer Mitglieder Herrn Goldmark das Zeugniß geben, daß wir es seiner Beredsamkeit und Energie verdanken, daß nichts Aergeres geschehen. (Mehrere Stimmen: Bravo).

Ich habe hiermit einfach den Thatbestand mitgetheilt, ich will nicht untersuchen, worin dieß seinen Grund hat, ich habe in einer Versammlung von mehreren Deputirten und Freunden erzählen gehört, sie hätten beim Schlusse der Reichsversammlung unter den Volke anständig gekleidete Leute gesehen, welche dasselbe aufgereizt und mit falschen Nachrichten, von Verschiebung des Reichstages dahin bestimmt hätten, diesen Auflauf zu veranlassen. Ich überlasse es der hohen Versammlung sich selbst darüber auszusprechen, wie hoch sie die Achtung der Versammlung und der einzelnen Mitglieder anschlage, und was für Mittel sie vorschlage, um ähnliche Beleidigungen von Abgeordneten in Zukunft zu verhindern; ich überlasse der hohen Versammlung die Beantwortung der Frage, ob die Fortsetzung des Reichstages in Wien möglich wäre, wenn sich derlei Fälle wiederholen sollten. Ich erwähne nicht aus Eitelkeit, aber um auf die Größe meiner Pflichten hinzuweisen, daß ich von 5 Bezirken meines Vaterlandes zum Vertreter gewählt worden bin. Ich glaube mit einigern Stolze darauf hinzuweisen, daß ich das Vertrauen meines Volkes besitze. Um diesem vielseitigen Vertrauen zu entsprechen, glaube ich allen diesen Bezirken schuldig zu seyn, in allen Fragen nach meinem besten Wissen und Gewissen zu sprechen und zu stimmen. Ich halte fest an dieser Pflicht, und werde meine Meinung immer aussprechen, ohne Rücksicht ob dadurch die Meinung oder das Interesse einer Person oder einzelner Communen verletzt wird. Ich halte es für meine Pflicht, meinem Vaterlande gegenüber, der ganzen Monarchie gegenüber, deren festen, souveränen Fortbestand ich auch, als die erste Bedingung für die Freiheit und das Gedeihen meines speciellen Vaterlandes Böhmen betrachte. Ich werde mich durch nichts einschüchtern lassen, meine Meinung frei aufzusprechen, ich werde sie aussprechen ohne Rücksicht aus die Folgen, die für meine Person daraus erwachsen könnten. Ich verlange aber, daß von der hohen Versammlung dafür Sorge getragen werde, daß künftig ich und jeder andere Abgeordnete seine Meinung frei aussprechen könne, ich sage frei — also nicht bloß freisinnig, sondern auch unbeirrt von dein Terrorismus der Menge.

Abg. Zöpfl. Ich stelle den Antrag, dem Herrn Dr. Goldmark dadurch, daß er durch sein energisches Einschreiten diesen Volksauslauf gedämpft hat, als einem ehrenwerthen Mitgliede der Reichskammer ein Dankvotum zu stellen.

Abg. Goldmark. Ich muß entschieden den den Antrag des geehrten Herrn Vorredners zurück zu nehmen ersuchen; denn der Dank der hohen Versammlung ist das Höchste, was die hohe Versammlung geben kann und dieses Höchste gehört nur für das Höchste.

Abg. Strobach. Wenn auch der Herr Abg. Goldmark das Dankvotum der hohen Versammlung von sich abgelehnt hat, so dürfte es doch mir unverwehrt bleiben, ihm tiefen Dank für meine Person auszusprechen, da ich mich selbst in gleicher Gefahr mit Herrn Dr. Rieger befand. Es ist höchst nothwendig, daß einem ähnlichen Attentate für die Zukunft energisch gesteuert werde. Durch die Beleidigung unserer Person ist mittelbar die Souveränität des Volkes beleidigt worden. Die Sicherstellung der persönlichen Sicherheit der Reichstagsabgeordneten ist unbedingt nothwendig; der Antrag des Herrn Abg. Goldmark ist jedoch unvollständig. Die Realisirung desselben wird uns vor ähnlichen Unbilden erst von dem Augenblicke schützen, in welchen die Vorlagen des Ministeriums Gesetzeskraft erhalten werden. Bis dahin sind wir ähnlicher Gefahr, wie Dr. Rieger ausgesetzt. Es sind bis dahin Vorkehrungen nothwendig. Meines Erachtens nach gehört die Sorge um die persönliche Sicherheit in den Bereich der Staatsadministration. Ich trage daher an: die hohe Versammlung wolle das hohe Ministerium auffordern, damit uns die erforderliche Garantie für unsere persönliche Sicherheit gewährt, und der hohen Kammer darüber Bericht erstatten werde; denn es läßt sich wohl nicht läugnen, daß, wenn uns vom gegenwärtigen Augenblicke an ein hinreichender Schutz nicht gewährt wird, es äußerst schwer wäre, hier zu tagen. Eine Auflösung der Kammer durch Terrorismus hervorgerufen, würde ich im gegenwärtigen Augenblicke für das größte Unglück halten. Den Beweggrund dieses Antrages bitte ich nicht in einer etwaigen Muthlosigkeit meiner Person zu suchen; denn ich bin nicht der Mann, der sich durch Rücksichten der persönlichen Sicherheit in seinen Meinungsäußerungen leiten ließ. Ich werde unter allen Verhältnissen meine Meinung frei und unverholen aussprechen, und mich durch keinen Terrorismus in meiner Meinung beirren lassen, wie ich dieß bisher in meinem politischen Leben noch immer that.

Ein Abg. Ich erlaube mir diesen Antrag zu unterstützen, und finde zu bemerken, daß derselbe in seinen zwei Theilen alles dasjenige enthält, wodurch uns ein hinreichender Schutz unserer persönlichen Sicherheit gewährt werden kann. Denn einmal genehmigt der erste Antrag, daß sich die hohe Reichsversammlung mißbilligend über das gestern Vorgefallene ausspreche, und daß dieser Antrag allerdings vollkommen geeignet seyn wird, das Publikum Wiens aufzuklären, daß man in dieser Beziehung mit keiner Parteilichkeit vorgehe, und ich bin auch überzeugt, daß diese Reichsversammlung auch gewiß ein Publikum finden wird, welches vollkommen begreifen wird, wie wichtig es sei, daß ein jedes Mitglied der hohen Reichsversammlung berechtigt ist, seine Meinungen unumwunden aufzusprechen. Dergleichen finde ich in Bezug des zweiten Vertrages zu bemerken, daß über das bisherige Verfahren, hinsichtlich der speziellen Stellung eines Abgeordneten eigene Bestimmungen bestehen möchten, welche durch eine eigene Sanction bestätigt werden müßten. Die Formfehler, welche sich in der älteren Gesetzgebung finden, müssen vermieden werden, denn die Stellung eines Abgeordneten muß eine ganz besondere Stellung, und der Abgeordnete selbst, müßte in dieser Stellung unantastbar seyn. Es muß daher durch eine eigene Sanction definitiv bestimmt werden, daß der Abgeordnete unverletzlich seyn soll und dadurch auf Beseitigung der bisherigen Uebelstände hingewiesen werden.

Abg. Goldmark. Ich glaube durch meinen Antrag hinlänglich bewiesen und gesagt zu haben, daß die Majestät dieser Versammlung die Unverletzlichkeit jedes einzelnen Mitgliedes verlangen muß, und glaube noch bemerken zu müssen, daß das gestrige Ereigniß durchaus nicht der Art ist, um daraus auf die Gesinnung der ganzen Bevölkerung schließen zu können; die hiesige Bevölkerung hat ja seit den Märztagen dafür gekämpft, daß der Reichstag constituirt zu Stande kam und hier gehalten werde. Die Stimmung der hiesigen Bevölkerung ist durchaus nicht der Art, daß die Abgeordneten in irgend einer Beziehung geängstigt werden dürften; die Mehrzahl der gestern zusammen geströmten Menge wußte gar nicht, was vorgefallen sei, und liefen aus bloßer Neugierde nach; ich glaube daher, daß dieser Vorfall durchaus nicht als die Gesinnungsäußerung der hiesigen Bevölkerung angesehen werden kann, und daher glaube ich vor der Hand keine so allgemein ausgesprochene Furcht zu hegen, da dazu keine Ursache vorhanden ist.

Abg. Borrosch. Ich erlaube mir in dieser Beziehung zu bemerken, daß gewiß Niemand daran zweifeln wird, daß hier so wie überall die Mehrzahl der Gutgesinnten sei; das gewährt aber an sich gar keine Sicherheit für die Mitglieder; dafür müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden, denn ich habe ja gar nichts davon, wenn mich die Gesammtheit der Bevölkerung bis etwa auf 1000tel Bruchteil derselben bedauert, wenn ich aber von diesem l000tel mißhandelt worden bin; ich habe eine Schule der Erfahrung durchgemacht, ein Beweis, daß es mir an männlichen Muth nicht gebricht, wie meinem Herrn Vorgänger, welcher ebenfalls eine solche Schule mitgemacht; es handelt sich nicht um die Geltendmachung der Persönlichkeit, sondern nur um den Reichstag. Dieser würde hier nicht stattfinden können, wenn sich ein solch spezieller Fall noch einmal wiederholen möchte. Ich glaube der Presse steht das Recht zu, die Versammlung im Ganzen zu kritisieren, denn die hohe Versammlung untersteht dem Urtheile der Presse so gut wie jeder andere Sterbliche, ebenso jeder einzelne Redner; wenn aber die Presse sich erlaubt, offenbar zum Faustrechte aufzufordern, so ist es Pflicht des Staatsanwaltes dagegen einzuschreiten, und unmittelbar dagegen einzugreifen und darzuthun, daß es ihm um die Erfüllung seiner Pflichten eifrigst gelegen sei, möge er ihr eine entsprechende Strafe dictieren. Ich habe gestern ein Blatt gekauft, worüber ich anfänglich beschloß, mich ironisch darüber zu äußern, doch finde ich es für räthlicher, auf diese Weise mit Stillschweigen fortzufahren. Dieser Vorfall belehrt mich, daß wir dieses nicht gleichagiltig übergehen dürfen; es heißt nämlich hier (liest die bezeichnete Stelle vor: Uns bleibt nichts mehr und nichts weniger zu thun übrig, als die Hoffnung zum Bessern zu haben, die ruhige Entwicklung des Reichstages abzuwarten, aber mit genauer Wachsamkeit, und wenn man sich etwa unterfangen sollte, unser Recht zu schmälern — unsere Vertrauensmänner mit gewaffneten Worten an ihre Pflicht zu mahnen, und reichen die nicht aus, die rasche That energisch gebrauchen. — Das ist doch eine wahre Aufforderung zum Faustrechte.

Abg. Trojan. Ich versichere Sie, daß keiner unter uns war, der diesen Vorfall für den Ausdruck der Wiener Bevölkerung angenommen hätte, der es für eine Nationalsache angesehen hätte; das zur Beruhigung meines werthen Herrn Collegen, da wir sehr wohl wußten, daß es nur ein kleiner Theil war, der sich von der Leidenschaft hinreißen ließ, und ich stehe Ihnen dafür, daß wir uns dadurch nicht gedrückt fühlen. Unser Vertrauen ist gefußt und begründet auf unser eigenes Bewußtseyn. Meine Herren, wir sind als Brüder zu unsern Brüdern gekommen (Beifall), um uns zu verständigen. Es ist wahr, es ist Manches vorgekommen, was minder wohlgesinnt scheint, und wenn es auch nicht der tausendste, nicht der hunderttausendste Theil ist, es sind doch welche, welchem mancher Anlaß gut genug war, um ihn auszubeuten, um die Nationen in Oesterreich gegen einander zu hetzen. Wenn solche Vorfälle sich wiederholen, dann muß ich vollkommen meinem Herrn Collegen bestimmen, daß es dann allerdings von unsern Committenten als Nationalsache ausgelegt und sehr üble Folgen haben könnte. Auch ich knüpfe daher meinen Ausspruch an, nicht bloß im Interesse des Vaterlandes, sondern im Interesse der heiligen Sache, welche wir alle hier vertreten, daß jede mögliche Wiederholung solcher Vorfälle so viel und gut als möglich hintangehalten werde.

Min. Doblhoff. Ich habe von diesen Ereignissen Kenntniß erhalten und sie nicht nur mit Bedauern, sondern auch die ernste Aufforderung anerkannt, daß von Seite der Regierung Maßregeln ergriffen werden, um die Wiederholung der selben zu vermeiden und um zu gleicher Zeit die Straffälligkeit eines solchen Attentats an den Tag zu legen. Ich habe mich daher verpflichtet gefühlt, vor allem mit dem Minister der Justiz hierüber Rücksprache zu nehmen und dabei zu berathen, was das Dringendste und Nothwendigste jetzt seyn wird. Das Resultat dieser Berathung bitte ich von dem Herrn Minister der Justiz selbst zu entnehmen.

Min. Bach. Der ernste Vorfall von gestern bedarf einer raschen, aus dem Schooße der hohen Versammlung hervorgehenden Maßregel noch nicht.

Das Ministerium ist von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die vollste Freiheit der Rede und die unbeschränkteste Meinungsäußerung in diesem Hause gesichert seyn müsse. Das Ministerium theilt den Grundsatz aller constitutioneller Staaten, daß die Person der Reichstagsabgeordneten heilig und unverletzlich ist; die Reichsversammlung, der Ausdruck des gesamten Volkswillens, ist eben so heilig, eben so unverletzlich und eben so unantastbar, wie die Majestät des Thrones; die Majestät des Volkes, wie die Majestät des Thrones steht auf gleichem Puncte (Anhaltender Beifall), und in diesem Geiste faßt das Ministerium diese Frage auf. Die Nation wird sich selbst ehren, wenn sie ihre Vertreter ehrt. Die Aufgabe eines zu erlassenden Gesetzes wird eine doppelte seyn: es soll den Grundsatz feststellen der Unverletzlichkeit, der Unantastbarkeit der Person, es soll den Grundsatz aussprechen der völligen Meinungsäußerung dieses Hauses; es soll den Grundsatz aussprechen, daß Niemand, der Mitglied der Reichsversammlung ist, während der Dauer des Reichstages in irgend einer Sache zur Verantwortung oder in Verhaft gezogen werde. Es soll ferner die Bestimmung enthalten, daß die Reichsversammlung als Körper Schutz gegen Verunglimpfung, gegen Angriffe, gegen Aufreizungen finden müsse. Es soll die Bestimmung enthalten, welche die Person jedes Einzelnen gegen ähnliche Angriffe schützt; das Ministerium hält diesen ernsten Gegenstand für nothwendig in einer reifen Berathung die Zusammensetzung dieses Gesetzes zu entwerfen. Es sind die Bestimmungen, welche den Grundsatz im Allgemeinen feststellen, so wie jene Bestimmung, welche zunächst den Schutz der einzelnen Mitglieder der Reichsversammlung betreffen, berathen. Noch sind jene Bestimmungen zu berathen, welche den Schutz der Reichsversammlung als Körper betreffen. Im Namen des Ministeriums erlaube ich mir den Antrag zu stellen, das Ministerium zu ermächtigen, in der nächsten Sitzung den Gesetzentwurf, welcher diesen Grundsatz enthält, in Kurzem zu entwickeln, und in nächster Sitzung einbringen zu dürfen.

Abg. Paul. Ich erlaube mir auf die Rede des Abg. Trojan zu bemerken: Ich glaube allerdings daß es Manchen gegeben haben mag, welcher die Nationalitäten aufgereizt hat. Von Wien aber muß ich diesen Vorwurf entschieden abwälzen, denn hier ist das nicht geschehen. Wer im März zugegen war und gesehen hat, wie die Abgeordneten aller Nationen, mit welch herzlich brüderlicher Theilnahme sie aufgenommen wurden, der wird beistimmen müssen, daß in Wien keine Nationalitäts-Frage auf diese Art gelöst werde, nämlich, daß eine Aufreizung gegen die Nationalitäten stattfände.

Abg. Neumann. Der Abg. Goldmark hat schon angeführt und als Deputirter von Wien stimme ich bei, daß die Aeußerung Einiger nicht als die Stimmung der ganzen Bevölkerung Wiens ausgelegt werde.

Abg. Rieger. Rücksichtlich des Antrages des Hrn. Justizministers muß ich bemerken, daß dieser vorzunehmende Gesetzentwurf eigentlich der Constitutions-Urkunde vorgreife. Ich glaube, der Ausspruch, daß jeder Deputirte, so wie die ganze Reichsversammlung unverletzbar sei, gehört in die Constitutions-Urkunde, ebenso wie die Bestimmung, daß ein Deputirter während der Reichstags-Sitzungen nicht verhaftet werden könne. Wir würden durch die Annahme eines Gesetzes, wie es vorgeschlagen wurde, in die Lage kommen, ein Gesetz zweimal nach einander zu votieren.

Ich glaube, es handelt sich um eine provisorische Maßregel, und zwar rücksichtlich der Stadt selbst; es ist nöthig, daß solche Maßregeln getroffen werden, damit eine Wiederholung eines solchen Falles nicht möglich werde. Ich habe die Bemerkung gemacht, daß während dieses Triumphzuges, den ich im Namen der Majorität hielt — denn ich habe für die Majorität der Reichsversammlung die Ehren des Tages getragen, weil sie mir wegen des Beschlusses rücksichtlich der Präsidentenwahl zugedacht waren — daß während dieses Triumphzuges, sage ich, Mehrere aus der Nationalgarde an meine Seite getreten waren und mich gebeten haben, mich eiligst zu entfernen, denn die Menge sei so aufgereizt, daß sie mich nicht vor derselben schützen könnten. Da glaube ich, gilt es energische Maßregeln zu ergreifen, und das Ministerium sollte sorgen, daß solche ergriffen werden, die geeignet wären, die Deputirten vor Mißhandlung zu schützen, und dieß muß unverweilt geschehen.

Abg. Neumann. Ich erkenne vollkommen an, was der Hr. Redner vor mir bemerkte, daß die Bestimmung über die Unverletzbarkeit der Deputirten in die Constitutions-Urkunde gehöre; es handelt sich aber hier nicht darum, sondern um die Strafsanction, welche auf Handlungen, die diesen Begriffen über Unverletzbarkeit der Deputirten widerstreben, gesetzt werden muß, der Zweck und Inhalt des Gesetzentwurfes kann und soll nichts anderes seyn, als die Strafsanktion gegen die dem Begriff eines Deputirten widerstreitenden Handlungen.

In dieser Beziehung wird dieß gewiß nicht mit dem Constitutions-Entwurfe collidiren. Dieser Paragraph wird gewiß in der Constitutions-Urkunde einmüthig durchgehen. Aber wir müssen jetzt schon und um vom Augenblick an solchen Vorfällen vorzubeugen, die Strafsaction erlassen; wir sind es unserer Würde als Deputirte, wir sind es der Majestät des Volkes schuldig, und da können wir nicht früh genüg ein solches Gesetz erlassen.

Ich glaube aber, nebst der Strafsanktion müssen wir noch eine zweite Maßregel treffen. Es ist nicht zu fordern, ja es ist ganz unmöglich, daß man Jedem dieß aufs Wort glaube. Ich halte es daher für nöthig und unerläßlich, daß irgend ein Erkennungszeichen gewählt würde, wenn es nothwendig ist, von diesem Erkennungszeichen Gebrauch zu machen. (Mehrere Stimmen: Ein solches Erkennungszeichen ist ja die Karte.)

Abg. Mayer. Es ist in der hohen Versammlung zu wiederholten Malen die Majestät und Unverletzlichkeit der Versammlung selbst anerkannt worden. Der Zweck derselben ist, die Constitution zu machen und ich kann daher den Redner vor mir nicht begreifen, wie er in Zweifel setzen kann, daß einzelne Bestimmungen derselben nicht jetzt schon ausgesprochen werden, um so mehr, als sie die Grundbedingungen der Constitution selbst seyn werden, und es nicht bestimmt ist, welche dieser Grundbedingungen zuerst, und welche zuletzt festgesetzt werden sollen. Ich sehe nicht ein, warum das Gesetz über die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des Abgeordneten nicht gegenwärtig schon ausgesprochen werden soll, umso mehr als es ohnehin einen Theil der zu entwerfenden Constitution bilden wird, und als es die Grundbedingung seyn muß, unter der allein wir an die Entwerfung der Constitution gehen können. — Dabei muß ich noch bemerken, daß das Ministerium, welches die Grundsätze offen an den Tag gelegt hat, wie es dieses Gesetz erlassen will, auch den Willen und die Kraft haben wird, um dem Gesetze Geltung zu verschaffen, und daß solche Vorfälle von nun an unter die Unmöglichkeiten gehören werden.

Abg. Fischhof. Der geehrte Redner aus Böhmen hat kein Gesetz; sondern Maßregeln verlangt, und ich weiß nicht, was man für Maßregeln ergreifen könnte, es wäre denn eine sauve-garde für jeden einzelnen Deputirten: das wäre aber eine Beleidigung für die Bevölkerung Wiens, das Volk von Wien steht wohl ein, daß der gestrige Vorfall ein Attentat gegen das Volk selbst und seine eigene Ehre ist. Ich kenne das Volk: von dem Augenblick an, als dieser Vorfall bekannt wird, wird ganz Wien die Ehrengarde eines jeden Abgeordneten seyn.

Abg. Borrosch. Das uns unterschobene Verlangen einer Ehrengarde war wohl nur eine Redefigur, und als solche will ich es dahingestellt seyn lassen; ich habe allerdings Maßregeln gewünscht, Gesetze haben wir in Hülle und Fülle. Die Unverletzlichkeit eines Abgeordneten versteht sich ohnehin, denn jeder constitutionelle Staatsbürger hat ganz dieselbe Unverletzlichkeit bezüglich der freien Meinungsäußerung. Ich will damit nicht einmal ein Vorrecht für den Abgeordneten beanspruchen. Das Gesetz braucht also dieses Princip hier nicht voranzustellen. Die Strafsanction kommt nach solchen Attentaten immer zu spät. Daß ich aber praktische Maßregeln meinte und ich nur schwieg, weil einmal der Vorschlag zur Einbringung eines Gesetzes von Seite des Ministeriums gemacht war, und ich es daher für unschicklich hielt, weiter zu sprechen, will ich beweisen. Es ist verlangt worden, daß eine Aufklärung an das Publikum ergehe, um dasselbe über den Vorfall zu belehren; das wird aber nur jene Schichten des Volkes betreffen, welche dergleichen Schriften lesen, von welchen durch Aufreizung solche Attentate ausgehen können. Ich würde wünschen, daß jeder Redacteur eine einfache herzliche Darstellung über diesen Vorgang in sein Blatt aufnehmen möchte, das wäre die erste Maßregel; die zweite, um die Abgeordneten zu erkennen, ist die Karte, die jeder bei sich trägt ; die dritte wäre eine Aufforderung an die hochherzige Nationalgarde Wiens. Es ist gar kein Zweifel an dem Edelsinne der Bevölkerung Wiens. Sie hat es bewiesen auf eine bewunderungswürdige Weise, und besonders in letzterer Zeit, wie unter solchen Verhältnissen die Geschichte gewiß kein zweites Beispiel aufzuweisen vermag. Ein Aufruf an die Nationalgarde also, eine Belehrung an jeden Einzelnen, wie er sich in ähnlichen Fällen zu benehmen habe, würde sehr gut seyn und eine Strafsanction ganz überflüssig machen. Es waren gestern einige Herren von der Nationalgarde dabei, welche den Abgeordneten ersucht haben, sich schleunigst zu entfernen. Wäre ich ein Nationalgarde gewesen, so hätte ich wahrscheinlich etwas muthiger gehandelt. Ich kann es nur dem zuschreiben, daß sie keine Belehrung hatten, wie sie sich in solchen Fällen zu benehmen haben. Sie befürchteten vielleicht hie und da gegen ein militärisches Gesetz zu verstoßen. Eine Verhaftung solcher Leute wäre sehr gut gewesen, um zu erfahren, wer die Aufreizer gewesen sind, ob sie von unten herauf oder möglicher Weise von oben herab kamen.

Abg. Fischhof. Ich muß gegen die geehrte Stimme, welche sich als das muthigste Mitglied der Abgeordneten aus Böhmen bekannt hat, bemerken, daß ich keineswegs eine Redefigur gebraucht habe (Ruf zur Ordnung), und will nur bemerken , daß unter Präventiv-Maßregel kein anderer Schutz als der Person gemeint ist.

Ein Abg. Mein Herr, ich führe die Verhandlung zurück um einige Momente und zwar auf jene Momente, wo der Herr Abgeordnete für Böhmen gesprochen hat. Er kam uns brüderlich entgegen und reichte uns die Hand, damit wir das versöhnende Werk beginnen, und mit solcher versöhnlicher Stimmung müssen wir auch fortan die Verhandlung führen. (Beifall.) Bezüglich der vorgeschlagenen Maßregeln zum Schutze der hohen Versammlung, muß ich sagen, daß, bevor das Ministerium in dieser Beziehung eine Vorlage macht, ich die Schlußfassung eines solchen Schutzes unter der Würde der Versammlung halte. Wenn die hohe Versammlung mit einem feirlichen Worte erklärt, einzustehen, Einer für den Andern, als Vertreter des Volkes, des Gesamtwillens des österreichischen Volkes, für jedes einzelne Mitglied einzustehen, möge es was immer für eine Aeußerung gethan haben, dann möchte ich wissen, wer aus dem Volke, dessen Vertreter hier sind, es wagte, eine solche Persönlichkeit anzutasten. Der gestrige Vorfall ist bedauerlich, und wird nicht mehr geschehen, wenn die hohe Versammlung einen solchen feierlichen Ausspruch macht. Möge der gestrige Vorfall auf einem Mißverständnis, möge er von den untern Schichten hinauf oder von den obern Schichten herab kommen, so werden alle diese Schichten zurückbeben, vor dem Gesamtwillen einer Versammlung, welche die Vertreter der gesamten Nation Oesterreichs in sich faßt. Nach dieser Erklärung schlage ich vor, daß wir nicht selbst in dieser Beziehung einen Entschluß fassen, sondern daß wir die Vorlage des Ministeriums, welche es in dieser Beziehung machen zu wollen sich erklärt hat, zuwarten.

Abg. Neumann. Ich trete dem Vorschlag des Herrn Abgeordneten Szabel vollkommen bei, und glaube, daß die Debatte reassumirt und beschlössen werden darf. Eine schwere Beleidigung ist einem Abgeordneten widerfahren; sie ist nicht von der Bevölkerung Wiens ausgegangen; im Gegentheile, ich bin überzeugt, daß die unermeßliche Mehrheit dieser Bevölkerung die tiefste Entrüstung über die Insulte mit uns empfinden wird. Darüber kann durchaus keine Meinungsverschiedenheit in dieser Versammlung herrschen. Maßregeln, wie sie von Einzelnen angeführt werden, können nicht ergriffen werden, sie sollen im Interesse der Würde dieser Versammlung nicht ergriffen werden. Das Ministerium hat seine Pflicht auf eine höchst erfreuliche Weise erfüllt, indem es die Berathung dieses wichtigen Vorfalles zum ersten Acte seines constitutionellen Lebens gemacht hat. Ich glaube demnach, daß wir den ministeriellen Maßregeln, d. h. dem Gesetze, welches das Ministerium uns vorzulegen hat, entgegen sehen dürfen. Die Commission zum Entwurfe einer Geschäftsordnung, welcher anzugehören ich die Ehre habe, hat heute in den Frühstunden ebenfalls berathen, ob diese Frage in die Geschäftsordnung nach dem Vorgange anderer constitutioneller Staaten aufgenommen werden soll; sie war einstimmig der Ansicht, daß diese der constitutionellen Urkunde angehöre, daß nichts desto weniger mit Rücksicht für die hohe Wichtigkeit des Vorfalles und die unbestreitbare Autonomie ein solches Gesetz augenblicklich erlassen werde; wir sehen demselben noch im Laufe dieser Tage entgegen. Ich glaube, daß die Beurtheilung jeden Gegenstandes um so leichter ist, je vollständiger der Thatbestand. Ich glaube, daß die Debatte hinlänglich erschöpft ist, und glaube nur zur Vervollständigung des Thatbestandes einen Umstand anführen zu sollen. Als ich gestern ans dem Hause ging, bemerkte ich in einem Haufen Männer und unter ihnen einen sehr elegant gekleideten Herrn, aus dessen Munde ich die Worte hörte: "Nun ist der Reichstag aufgeschoben, die Polen und Böhmen haben es gemacht." Für die Richtigkeit dieser Ausdrücke stehe ich. Es trägt dazu bei, um über die Aeußerung des Herrn Abgeordneten Borrosch, um über die Quelle, aus welcher die Aufreizung vielleicht kommen mag, aufzuklären. (Ruf nach Abstimmung.) Der Antrag des Herrn Abgeordneten Szábel würde sich dahin bestimmen lassen, die Interims-Maßregeln sollen nicht ergriffen, sondern der Vorschlag des Ministeriums unterstützt werden.

Abg. Strobach. Ich erlaube mir meinen Antrag zurück zu ziehen, in der festesten Ueberzeugung, daß das in Aussicht gestellte Gesetz des Ministeriums jedenfalls einen ähnlichen Vorfall hintanhalten werde. Ich bin fest überzeugt, daß die edle Bevölkerung Wiens ihr Mißfallen über diesen Vorgang an den Tag legen, daß sie, die uns als Gäste in ihre Mitte aufnahm, das Gastrecht zu wahren wissen werde.

Abg. Goldmark. Ich erlaube mir das Schlußwort zu nehmen, zum Beweis, daß der gestrige Vorfall keine nationale Bedeutung hatte, mag dienen, daß ich, der ich doch in Wien ziemlich bekannt bin, thatsächlich bin insultirt worden.

Vice-Präs. Der Antrag des Herrn Abgeordneten geht dahin (Ruf: des Ministeriums.)

Ein Abg. Ich glaube, daß die Debatte vorgerückt ist, daß sie beschlossen werden kann. Ich meine nur, daß wir nach meinem Erachten schneller zur Entscheidung kommen, wenn wir sie folgendermaßen reassumiren: Nach dem Antrage des Herrn Goldmark soll das Haus seine Mißbilligung über diesen Vorfall aussprechen, und das Ministerium auf sein Erbieten ermächtigen, diesen Gesetzvorschlag in nächster Sitzung anzubringen. Wenn wir über diese beiden Puncte abstimmen, so haben wir, glaube ich, die Debatte vollendet.

Vice-Präs. bringt diese beiden Anträge zur Abstimmung; beide werden einstimmig angenommen.

Erster Antrag: Soll das Haus seine Mißbilligung über diesen Vorfall zu erkennen geben.

Zweiter Antrag: Die hohe Versammlung wolle das Ministerium ermächtigen zur Einbringung eines Gesetzentwurfes zum Schütze der Unverletzlichkeit der Reichstags-Deputirten.

Vice-Präs. Es sind hier noch mehrere Anträge eingegangen von dem Hrn. Abg. Löhner; es sind ihrer aber so mancherlei, so wesentlich, daß sich das Bedürfniß, daß sowohl eine Commission creirt werde, als auch noch jenes Bedürfniß herausstellt, daß das Vorstands-Bureau doch recht bald organisirt werden möge. Vorläufig muß ich die Versammlung bitten, daß sie wenigstens eine Commission zuweise, welcher diese Antrage zur Bearbeitung übergeben werden mögen.

Abg. Neumann. Der Ausschuß beschäftigt sich mit dem Entwurfe einer definitiven Geschäftsordnung, und hofft, indem er in permanenter Sitzung zusammengetreten ist, selbe heute zu vollenden und morgen gedruckt unter die Mitglieder der hohen Versammlung vertheilen zu können. Nachdem es so schwer ist, einen Ausschuß zusammen zu setzen und Anträge zu vertheilen, so lange keine Geschäftsordnung bestimmt ist; so stelle ich den Antrag, diese zu hinterlegen bis eine Geschäftsordnung, wenn auch nur eine provisorische, angenommen ist.

Vice-Präs. Diejenigen Herren, welche mit diesem Antrage einverstanden sind, ersuche ich aufzustehen. (Es erhebt sich die Majorität). Unter diesen Umständen sind alle jene Angelegenheiten, welche eingegangen sind, von so verschiedenartiger Natur zurückzulegen und bis zu dem Momente zu verschieden, bis eine Geschäftsordnung bestimmt ist. (Mehrere rufen: Zur Tagesordnung.) — Es ist noch ein Antrag des Herrn Abgeordneten Gredler, betreffend die Unverletzlichkeit der Abgeordneten, welcher jedoch in der letzten Bestimmung seine Erledigung findet. (Mehrere Stimmen: Nicht nothwendig zu verlesen.)

Abg. Gredler. Ich behalte mir vor, wenn das Gesetz vorgelegt seyn wird, vielleicht nach meinem Antrage, die Ergänzung vorzubringen. Mein Antrag geht weiter, als der, welchen der Justiz-Minister der hohen Kammer vorgelegt hat; ich bitte ihn gefälligst vorzulesen. (Mehrere Stimmen: nein, nein, nicht nothwendig.) — Mein Antrag geht nicht bloß dahin, nicht nur unsere Ansichten, welche wir zur Debatte bringen, sondern auch in Beziehung auf jede Meinungsäußerung, auf jede Entwicklung der Ansichten, die wir als Deputirte vorzubringen haben, und zwar so bald wir uns in Sectionen und Abtheilungen getheilt haben, als auch bei den Deputationen, in denen wir vielleicht in die Lage kommen, gegen eine oder die andere Behörde oder gegen hoch gestellte Personen Beschwerden vornehmen zu müssen, nicht bloß auf Aeußerungen des Hauses, sondern auch auf alle Aeußerungen und Meinungsentwicklungen, die wir überhaupt vorzunehmen haben.

Vice-Präs. Wir schreiten zur Tagesordnung, und laden die Herrn Berichterstatter der einzelnen Abtheilungen ein, uns ihre Arbeiten vorzutragen und zwar zuerst die Abtheilung Nr. 1. (Beginnen die Rapporte über die geprüften Wahlen.)

Abg. Trummer. Dem Antrage der 3. Abtheilung des constituirenden Reichstages in der Majorität, daß nämlich über die vorliegende Anzeige der Wahlbestechung von Seite des Herrn Abgeordneten Smreker keine Untersuchung eingeleitet, sondern die Wahl dieses Abgeordneten von der hohen Versammlung sogleich genehmigt werden soll, kann ich nicht beistimmen. Ich kenne keinen wichtigeren Grund, aus welchem die Wahl eines Reichstags-Abgeordneten für ungiltig erklärt werden muß, als den der Bestechung der Wahlmänner, und ich halte dafür, daß die Bestechung der Wahlmänner der erste und wichtigste Grund ist, vermöge der daher die Wahl eines Reichstags-Abgeordneten immerhin für ungiltig erklärt werden muß; so bin ich auch der Meinung, daß auch selbst über eine bloße Anzeige der Wahlbestechung von der hohen Versammlung nicht mit Gleichgiltigkeit hinausgegangen werben dürfe. Die Aufgabe, welche die hohe Reichsversammlung zu lösen hat, ist von so hoher Wichtigkeit, daß diese Aufgabe nur, dann mit dem besten Erfolge gelöst werden kann, wenn das Volk in die Reichsversammlung das vollste Vertrauen setzt; das Volk kann aber nur dann das vollste Vertrauen in die Reichsversammlung setzen, wenn es überzeugt ist, daß Niemand in der hohen Reichsversammlung Sitz und Stimme hat, als der selbst vom Volke gewählt worden ist; es ist also unumgänglich nothwendig, daß selbst der bloße Schein vermieden werde, als habe hier Jemand Sitz und Stimme, der nicht vom Vertrauen des Volkes gewählt worden ist. Die Majorität der 3. Abtheilung führt als Begründung ihres Antrages an, es liege über die dem Herrn Abgeordneten Smreker vorgeworfene Wahlbestechung noch gar kein genügender Beweis vor. Die hohe Reichsversammlung hat am 15. Juli den Grundsatz aufgestellt, daß keine Behörde befugt sei, über Wahl-Proteste und Wahlbestechungen irgend eine Untersuchung einzuleiten, sondern, daß dieses Recht ausschließlich der hohen Reichsversammlung zustehe. Die steiermärkischen Behörden haben also ganz im Geiste dieses Grundsatzes gehandelt, daß sie über die vorliegende Anzeige der Wahlbestechung keine Untersuchung eingeleitet, sondern diese Anzeige einfach der hohen Versammlung zur Beschlußfassung vorlegten. Man kann die steiermärkischen Behörden durchaus nicht beschuldigen, daß über die Wahlbestechung des Abgeordneten Smreker noch seine Untersuchung eingeleitet worden ist, und daß also über die fragliche Bestechung noch kein Beweis vorliegt, denn es liegt ja in der Natur der Sache, daß erst dann ein Beweis über die fragliche Bestechung hergestellt werden kann, wenn vorerst die Untersuchung eingeleitet worden ist, und wenn die steiermärkischen Behörden keine Untersuchung einleiten dürfen, so folgt natürlich daraus, daß die hohe Versammlung selbst die Untersuchung über jene Wahlbestechung einleiten müsse; daß es aber im eigenen Interesse der hohen Reichsversammlung liege, alles einzuleiten, was nothwendig ist, damit der Beweis über die fragliche Wahlbestechung möglicherweise hergestellt werde, dürfte wohl aus dem von mir schon früher angegebenen Gründe deutlich erhellen.

Will also die hohe Reichsversammlung, daß der Beweis über die fragliche Wahlbestechung hergestellt werde, so muß sie auch den Willen haben, über die vorliegende Anzeige der Wählbestechung vorerst die Untersuchung einzuleiten, denn der Beweis der Wahrheit oder Unwahrheit der fraglichen Wahlbestechung kann nur durch die Untersuchung hergestellt werden; ich erlaube mir dann in Uebereinstimmung mit der Majorität der 3. Abtheilung, meinen Antrag dahin zu stellen, daß über die, dem Herrn Abgeordneten Smreker zur Last gelegte Wahlbestechung vorläufig die Untersuchung eingeleitet, und bis zur Einlangung der dießfälligen Acten der Beschluß der hohen Reichsversammlung über die Giltigkeit der Wahl des Herrn Abgeordneten Smreker in suspenso belassen werde. (Allgemeiner Beifall.)



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