Achte Sitzung vor Eröffung des Reichtages.

Den 20. Juli 1848. Anfang um 12 1/4 Uhr.

Vorsitzer: Hr. Alters-Vice-Präsident: Joseph Weiß.

Vice-Präs. Die Sitzung ist eröffnet. Herr Secretär, wollen Sie gefälligst das Protokoll von gestern vorlesen. (Secretär Demel verliest das Protokoll.) Wenn die hohe Versammlung mit der Fassung dieses Protokolls einverstanden ist, so bitte ich dieß durch Aufstehen erkennen zu geben.

Abg. Goldmark (der schon mehrmals den Präsidenten mit der Bitte um das Wort unterbrochen hatte). Ich bedaure, daß das Protokoll so unvollständig gegeben ist. Es ist hier der Antrag, den ich gestellt habe, nur theilweise gegeben, ich habe den Antrag schriftlich formulirt und im Bureau niedergelegt: die hohe Versammlung möge ihre Mißbilligung aussprechen und dieß durch das Bureau zur Kenntniß des Publikums gelangen lassen; zweitens: bei der Wahl des Hrn. Abgeordneten Martini habe ich nicht einen Antrag, sondern bloß ein Amendement gegen einen früheren Antrag auf Ungiltigkeitserklärung dieser Wahl vorgebracht; übrigens ist drittens gestern, glaube ich, der Beschluß gefaßt worden, wie die Untersuchung bei beanständeten Wahlen eingeleitet werden soll, das fehlt ebenfalls im Protokoll und dann ist das Ministerium nicht interpellirt worden, sondern ich habe bloß die Anfrage gestellt, ob es gesonnen ist, einen Gesetzvorschlag einzubringen.

Secr. Brazdil. Dann heißt es in der Aufschrift: "Siebente vorberathende Sitzung," wir sind ja nicht mehr vorberathend. (Nach den vorgebrachten Abänderungen wird das Protokoll verbessert.)

Abg. Demel. Ich erlaube mir die Anfrage, ob der Antrag des Hrn. Abg. Borrosch angenommen wurde oder nicht? (Zuruf: Wurde nicht angenommen.)

Ein Abg. Es wurde beschlossen zur Tagesordnung überzugehen.

Schriftf. Kudlich. Meine Herren, auf den Wunsch und das Verlangen der hohen Versammlung hat sich das Vorstands-Bureaus mit den Stenographen ins Einvernehmen gesetzt, damit doch einmal ordentliche und authentische Berichte von unfern Verhandlungen in die Welt geschickt werden können. Wir haben zu unserm Erstaunen gehört, daß die Stenographen nicht von der Reichsversammlung, sondern von der Regierung, von dem Ministerium angestellt, besoldet und angewiesen seien, an einen Herrn Hofsecretär, dem sie jedesmal die rein geschriebenen Berichte übergeben müßten, so daß sie also auf unsere Anordnung gar nicht hören wollten und nicht konnten. Da es aber gewiß für die Reichsversammlung viel nothwendiger ist, die authentischen Berichte zu bekommen und bekannt zu machen, als für das Ministerium, so wäre zu wünschen, daß das neu zu constituirende Bureau angegangen werde, sich mit dem Ministerium darüber ins Einvernehmen zu setzen, damit die Stenographen der Reichsversammlung dem Bureau und nicht ferner diesem Herrn Hofsekretär untergeordnet werden. Wir wollten die Berichte gleich drucken lassen nach der jedesmaligen Sitzung, aber die Stenographen sagten, sie müßten sie jedesmal dem Hofsecretär, ich glaube Seidlitz, übergeben.

Vice-Präs. Wenn die hohe Versammlung mit der Fassung des so eben abgelesenen Protokolls einverstanden ist, so bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Ruf: Ist bereits abgestimmt.)

Abg. Mayer. Ich erlaube mir den Hrn. Secretär und Sprecher vor mir, Kudlich, auf den §. 18. des uns vorliegenden Entwurfes der Geschäftsordnung zu verweisen. Er lautet so:

"Der Reichstagsvorstand (der Präsident, der Vice-Präsident und der Schriftführer) bestellt mit absoluter Stimmenmehrheit aus Nichtmitgliedern das erforderliche Archiv-, Kanzlei- und Dienstpersonale, dann die Stenographen und deren Gehilfen, weiset denselben die Geschäfte zu und überwacht deren Thätigkeit."

Ich glaube, dadurch dürfte der Antrag sich beheben.

Schriftf. Kudlich. Da ziehe ich meinen Antrag natürlich zurück.

Vice-Präs. An der heutigen Tagesordnung ist die Geschäftsordnung für die constituirende Reichsversammlung. Ich ersuche daher den Hrn. Berichterstatter uns darüber vorzutragen.

(Hr. Abg. Mayer besteigt als Berichterstatter die Tribüne. Auf die Anfrage eines der Herren Abgeordneten wird noch eine bedeutende Anzahl der Exemplare an die Herren Mitglieder der Reichsversammlung vertheilt. Hr. Berichterstatter Abg. Mayer verliest den Bericht des Ausschusses zum Entwurfe einer Geschäftsordnung.)

Von den 9 Abheilungen sind in den Ausschuß, welcher in Folge gefaßten Beschlusses zur Bearbeitung eines Geschäftsordnungs-Entwurfes gebildet war, folgende Herren Abgeordnete gewählt worden:

Aus der 1. Abtheilung Hr. Florentin Robert.

Aus der 2. Abtheilung Alois Smreker.

Aus der 3. Abtheilung Johann Feifalik.

Aus der 4. Abtheilung Alexander Bach.

Aus der 5. Abtheilung Leopold Neumann.

Aus der 6. Abtheilung Franz Smolka.

Aus der 7. Abtheilung Adolf Fischhof.

Aus der 8. Abtheilung Cajetan Mayer.

Aus der 9. Abtheilung Ignaz Streit.

Der Ausschuß wählte aus sich den Hrn. Alexander Bach zum Vorsitzenden, den Hrn. Ignaz Streit zum Schriftführer, Cajetan Mayer zum Berichterstatter, und gibt sich die Ehre, in dem bereits unter die Herren Abgeordneten verteilten gedruckten Entwurfe der Geschäftsordnung das Resultat seiner Berathungen der Beurtheilung und Schlußfassung des Reichstages zu unterziehen.

Der Ausschuß hielt als leitenden Grundsatz fest, daß durch die Geschäftsordnung die Regelung der parlamentarischen Verhandlungen die Vermöglichung der Gründlichkeit in allen Berathungen angestrebt, jede Beengung, jede Schmälerung der Autonomie der constituirenden Versammlung aber ferne gehalten werden müsse.

Der Ausschuß hat die Geschäftsordnungen der Frankfurter und der französischen Nationalversammlung nebst mehreren Anderen berücksichtiget, stets aber unsern ganz eigenthümlichen Verhältnissen und dem Umstande Rechnung getragen, daß wir unser parlamentarisches Leben erst beginnen, was auch zur Entschuldigung dienen wolle, wenn der Entwurf der Geschäftsordnung zu umständlich befunden werden sollte, denn wir haben noch kein Gewohnheitsrecht der Kammer, auf welches Bezug genommen werden könnte.

Nicht minder muß bemerkt werden, daß alle Bestimmungen als nicht in die Geschäftsordnung gehörend angesehen worden sind, deren Feststellung der Verfassungsurkunde vorbehalten bleiben muß.

Der Ausschuß möge diese nöthig erachteten Bemerkungen bei der Beurtheilung des vorgelegten Entwurfes berücksichtigen und allfällige Mängel durch die Kürze der Zeit entschuldigen wollen, in welche die ebenfalls im parlamentarischen Verfahren nicht gewiegten Aufschußglieder mit dieser so überaus wichtigen Arbeit zu Stande kommen mußten.

Um nun ohne allem Verzuge zur Wahl des Gesamt-Vorstandes schreiten und in geregelter Weise an die Debatte über diesen Entwurf der Geschäftsordnung und über andere an die Tagesordnung kommende Geschäfte gehen zu können, erlaubt sich der Ausschuß den Antrag zu stellen:

"Der Reichstag wolle beschließen, es sei die entworfene Geschäftsordnung sogleich als einstweiliges Statut anzunehmen."

Ein Abg. Ich erlaube mir die Bemerkung, daß es nothwendig sei, die Geschäftsordnung wenigstens durchzulesen, damit wir im Stande sind, beurtheilen zu können, ob wir sie annehmen können oder nicht.

Vice-Präs. Ich bitte die hohe Versammlung möge durch Aufstehen zu erkennen geben, ob dieser Antrag genehmigt werde oder nicht.

Mehrere Stimmen. Die Geschäftsordnung soll vorgelesen werden. (Der Berichterstatter des Ausschusses Abg. Mayer verliest die vom Ausschusse entworfene Geschäftsordnung des constituirenden Reichstages.)

Vice-Präs. Ich wiederhole nun den Antrag, welcher von dem Berichterstatter gestellt worden ist, nämlich: der Reichstag wolle den Beschluß fassen, daß dieser Entwurf der Geschäftsordnung sogleich als einstweiliges Statut anzunehmen sei. Wenn die hohe Versammlung mit diesem Antrage einverstanden ist, so bitte ich es durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Majorität.)

Ein Abg. Ich erlaube mir zu bemerken, daß, wenn wir diese Geschäftsordnung im Ganzen annehmen, wir von vorhinein den §. 81 aufheben müßten, wo es heißt: jeder aus mehreren Absätzen bestehende Antrag oder Gesetzentwurf muß erst nach seinen Bestandteilen und schließlich als Ganzes zur Abstimmung gebracht werden.

Abg. Mayer. Darauf muß ich erwidern, es ist bestimmt, daß die Geschäftsordnung zur Debatte kommen solle. Wenn wir debattiren sollen, so müssen wir nach bestimmten Regeln debattiren, denn sonst würden wir uns in einem ewigen Kreise bewegen; wenn dieser Entwurf der Geschäftsordnung beanständet werden möchte. Wir müssen dahin trachten, damit wir die Geschäftsordnung nach denjenigen Normen, welche darin provisorisch festgesetzt worden sind, selbst zur Debatte bringen.

Abg. Fischhof. Ich muß nur noch bemerken, daß, so lange diese nicht angenommen worden ist, alle unsere gefaßten Beschlüsse keine Geltung haben.

Abg. Mayer. Ich erlaube mir diesen Antrag noch ein Mal vorzulesen, und bitte die hohe Versammlung, über diesen Entwurf der Geschäftsordnung abzustimmen, damit wir dann zur Tagesordnung übergehen können (wird vorgelesen). Der Reichstag wolle beschließen, es sei die entworfene Geschäftsordnung sogleich als einstweiliges Status anzunehmen.

Vice-Präs. Sind Alle mit diesem Antrage einverstanden, so mögen die Herren aufstehen. (Allgemein angenommen.)

Abg. Golomark. Ich glaube bemerken zu müssen, daß es noch nothwendig seyn wird, dieß zu bestimmen, wenn die Berathung über die definitive Annahme geschehen soll, denn sonst wäre es leicht möglich, daß diese Berathungen noch länger hinausgeschoben werden könnten, und ich stelle daher den Antrag, daß die Berathungen dieser prov. Geschäftsordnung der Gegenstand für die nächste Tagesordnung seyn soll.

Abg. Mayer. Ich erlaube mir im Einklänge mit dem, was früher gesagt worden ist, meinen Antrag hinsichtlich der angenommenen Geschäftsordnung dahin bestimmt zu stellen, es sei die Debatte auf die Tagesordnung von Montag zu bringen, weil bis dahin 3 Tage verstrichen seyn werden, seit dem die Geschäftsordnung im Drucke erschienen ist. (Mehrere Abgeordnete unterstützen diesen Antrag.)

Vice-Präs. Diejenigen Herren, welche mit diesem Antrage einverstanden sind, wollen aufstehen. (Allgemein einverstanden.) Nach dem 10. Paragraph der vorgelesenen Geschäftsordnung, worin es heißt, der Reichstag wählt alsbald aus seiner Mitte in 3 abgesonderten Wahlhandlungen mit absoluter nach der Zahl der an der Wahl theilnehmenden Abgeordneten zu berechnenden Stimmenmehrheit und durch Stimmzettel einen Präsidenten, einen ersten und zweiten Vice-Präsidenten, auf die Dauer von 4 Wochen, so wäre ich der Meinung, daß es in Folge dieses Paragraphes erforderlich seyn wird, daß wir alsogleich zur Wahl eines Präsidenten schreiten mögen.

Ein Abg. Ich finde zu bemerken, daß es heißt: die Geschäftsordnung wird bloß provisorisch angenommen, und ich setze den Fall, daß dieser Paragraph bei der definitiven Abstimmung geändert werde, welches dann in eine dauerhafte Wahl verwandelt würde. Ich erlaube mir demnach die Frage zu stellen, auf wie lange diese Wahl bestimmt werden soll. (Mehrere Stimmen: auf 4 Wochen.)

Ein Abg. Ich erlaube mir dagegen zu bemerken, daß, nachdem wir unter der Giltigkeit dieser Statuten einen Präsidenten wählen, dessen Giltigkeit auf die Dauer von 4 Wochen festgesetzt wird, so glaube ich, daß keine Sitzung und kein Kammerbeschluß mehr diese Giltigkeit in Zweifel zu setzen berechtiget ist. Und eben darum, weil dieses Statut bloß auf die Dauer von 3 und 4 Wochen festgesetzt ist, so folgt daraus, daß auch die Wahl des Präsidenten auf die Dauer von 4 Wochen festgestellt werde, indem sonst diese Statuten keine Kraft haben.

Vice-Präs. Ich bitte also, wenn die hohe Versammlung damit, daß wir zum augenblicklichen Wahlvornehmen des Präsidenten schreiten sollen, einverstanden ist, durch Aufstehen dieß zu erkennen zu geben. (Es wird allgemein aufgestanden.) Darüber bedarf es wohl keiner Gegenprobe, weil Alle damit einverstanden sind. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, den Wahlmodus vorzutragen.

Berichterstatter Mayer. Am einfachsten wäre es, wenn zwei Schriftführer die Stimmzettel in die Urnen sammelten, die Mitglieder aber auf ihren Sitzen blieben.

Abg. Bilinski. Ich glaube, das Erste wäre zu zählen, wie viele Abgeordnete anwesend sind und dann erst die Zettel auszutheilen.



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