Auflösung des Reichstages.

Publicirt am 7. März 1849.

Wir Franz Joseph der Erste,

von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich; König von Hungarn und Böhmen, König der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Croatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Illirien, König von Jerusalem etc.; Erzherzog von Oesterreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnthen, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg, von Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst von Trient und Briren; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausit z und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark.

Als vor nahe einem Jahre Unser durchlauchtigster Herr Vorgänger im Reiche, Kaiser Ferdinand der Erste, dem allgemeinen Wunsche nach zeitgemäßen politischen Verbesserungen durch die Verheißung freier Institutionen bereitwillig entgegenkam, verbreiteten sich im ganzen Reiche die Gefühle der Dankbarkeit und freudiger Erwartung. Aber nur wenig entsprachen die späteren Erlebnisse so gerechter Hoffnung. Der Zustand, in welchem sich heute das Vaterland befindet, erfüllt Unser Herz mit tiefer Betrübniß. Der innere Friede ist von ihm gewichen. Verarmung bedroht die einst so gesegneten Lande. In der Haupt- und Residenzstadt Wien erheischen die Umtriebe einzelner Uebelwollender noch immer zu Unserem großen Leidwesen und unerachtet der trefflichen Gesinnung der überwiegenden Mehrzahl ihrer Bewohner die Aufrechthaltung des Ausnahmszustandes. Bürgerkrieg verheert einen Theil Unseres Königreiches Ungarn. In einem anderen Kronlande hindert der Kriegszustand die Einführung geordneter Verhältnisse, und wo die äußerliche Ruhe auch nicht gestört ist, wirbt um Anhang, im Finstern schleichend, der Geist des Mißtrauens und der Zwietracht.

So betrübend sind die Wirkungen, nicht der Freiheit, aber des mit ihr getriebenen Mißbrauches. Diesem Mißbrauche zu steuern, die Revolution zu schließen, ist Unsere Pflicht und Unser Wille.

In dem Manifeste vom 2. December hatten Wir die Hoffnung ausgesprochen, daß es Uns mit Gottes Beistand und im Einverständnisse mit den Völkern gelingen werde, alle Lande und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu vereinigen. Allenthalben in Unserem weiten Reiche fanden diese Worte freudigen Anklang; denn sie waren der Ausdruck eines längst gefühlten, jetzt zum allgemeinen Bewußtsein gelangten Bedürfnisses. In der Wiedergeburt der Gesammt-Monarchie, in der engeren Verbindung ihrer Bestandtheile erkennt der gesunde Sinn des Volkes die erste Bedingung für die Wiederkehr der gestörten Ordnung und des entwichenen Wohlstandes, sowie die sicherste Bürgschaft für eine gesegnete und glorreiche Zukunft.

Mittlerweile berieth zu Kremsier der von Kaiser Ferdinand dem Ersten berufene Reichstag eine Verfassung für einen Theil der Monarchie. Wir beschlossen — mit Hinblick auf die von ihm während des Octobers eingenommene, mit der Unserem Hause schuldigen Treue wenig vereinbare Stellung — allerdings nicht ohne Bedenken, ihn mit der Fortführung jenes großen Werkes betraut zu lassen. Wir gaben Uns dabei der Hoffnung hin, daß diese Versammlung die gegebenen Verhältnisse des Reiches im Auge haltend, die ihr übertragene Aufgabe ehebaldigst zu einem gedeihlichen Ergebnisse führen werde.

Leider ist diese Unsere Erwartung nicht in Erfüllung gegangen.

Nach mehrmonatlicher Verhandlung ist das Verfassungswerk zu keinem Abschlusse gediehen. Erörterungen aus dem Gebiete der Theorie, welche nicht nur mit den thatsächlichen Verhältnissen der Monarchie im entschiedenen Widerspruche stehen, sondern überhaupt der Begründung eines geordneten Rechtszustandes im Staate entgegentreten, haben die Wiederkehr der Ruhe, der Gesetzlichkeit und des öffentlichen Vertrauens in die Ferne gerückt, in den wohlgesinnten Staatsbürgern trübe Befürchtungen erzeugt, und der durch Gewalt der Waffen zu Wien eben erst geschlagenen, in einem anderen Theile Unseres Reiches noch nicht gänzlich besiegten Partei des Umsturzes neuen Muth und neue Thätigkeit verliehen. Dadurch ward auch die Hoffnung wesentlich erschüttert, daß dieser Versammlung, trotz der höchst achtbaren Elemente, die sie enthält, die Lösung ihrer Aufgabe gelingen werde.

Inzwischen ist durch die siegreichen Fortschritte Unserer Waffen in Ungarn das große Werk der Wiedergeburt eines einheitlichen Oesterreich, das Wir Uns zu Unserer Lebensaufgabe gestellt, seiner Begründung näher gerückt und die Nothwendigkeit unabweislich geworden, die Grundlagen dieses Werkes auf eine dauerhafte Weise zu sichern. Eine Verfassung, welche nicht bloß die in Kremsier vertretenen Länder, sondern das ganze Reich im Gesammtverbande umschließen soll, ist es, was die Völker Oesterreichs mit gerechter Ungeduld von Uns erwarten. Hiedurch ist das Verfassungswerk über die Gränzen des Berufes dieser Versammlung hinausgetreten.

Wir haben daher beschlossen für die Gesammtheit des Reiches: Unseren Völkern diejenigen Rechte, Freiheiten und politischen Institutionen aus freier Bewegung und eigener kaiserlicher Macht zu verleihen, welche Unser erhabener Oheim und Vorfahr Kaiser Ferdinand der Erste und Wir selbst ihnen zugesagt, und die Wir nach Unserem besten Wissen und Gewissen als die heilsamsten und förderlichsten für das Wohl Oesterreichs erkannt haben. Wir verkündigen demnach unter heutigem Tage die Verfassungs-Urkunde für das einige und untheilbare Kaiserthum Oesterreich, schließen hiedurch die Versammlung des Reichstages zu Kremsier, lösen denselben auf und verordnen, daß dessen Mitglieder sofort nach Veröffentlichung dieses Beschlusses auseinander gehen.

Die Einheit des ganzen mit der Selbstständigkeit und freien Entwickelung seiner Theile, eine starke, das Recht und die Ordnung schützende Gewalt über das gesammte Reich mit der Freiheit des Einzelnen, der Gemeinden, der Länder Unserer Krone und der verschiedenen Nationalitäten in Einklang zu bringen, — die Begründung einer kräftigen Verwaltung, welche gleich weit von beengender Centralisation und zersplitternder Auflösung, den edlen Kräften des Landes hinreichenden Spielraum gewährt und den Frieden nach Außen und Innen zu schützen weiß, — die Schaffung eines sparsamen, die Lasten der Staatsbürger möglichst erleichternden, durch Oeffentlichkeit gewährleisteten Staatshaushaltes — die vollständige Durchführung der Entlastung des Grundbesitzes gegen billige Entschädigung unter Vermittelung des Staates, — die Sicherung der echten Freiheit durch das Gesetz, dieß sind die Grundsätze, von welchen Wir Uns bei Verleihung der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde leiten ließen.

Völker Oesterreichs! Fast allenthalben in Europa ist die bürgerliche Gesellschaft erschüttert bis in ihre Grundfesten, fast allenthalben mit Auflösung bedroht durch die rastlosen Anstrengungen einer verbrecherischen Partei. Allein so groß auch die Gefahren sind, denen Oesterreich, denen Europa ausgesetzt ist, Wir zweifeln nicht an einer großen, segensreichen Zukunft des Vaterlandes.

Wir vertrauen dabei auf den Beistand des allmächtigen Gottes, der Unser Kaiserhaus nie verlassen hat. Wir vertrauen auf den guten Willen und die Treue Unserer Völker, denn unter ihnen bilden die Wohlgesinnten die unermeßliche Mehrzahl. Wir vertrauen auf die Tapferkeit und Ehre Unserer ruhmwürdigen Armee.

Völker Oesterreichs! Schaart euch um eueren Kaiser, umgebt Ihn mit euerer Anhänglichkeit und thätigen Mitwirkung, und die Reichsverfassung wird kein todter Buchstabe bleiben. Sie wird zum Bollwerke werden euerer Freiheit, zur Bürgschaft für die Macht, den Glanz, die Einheit der Monarchie. Groß ist das Werk, aber gelingen wird es den "vereinten Kräften."

So gegeben in Unserer königlichen Hauptstadt Olmütz den vierten März im Jahre des Heiles Eintausend Achthundert Neun und Vierzig. Unserer Reiche im Ersten.

Franz Joseph.

Schwarzenberg. Stadion. Krauß. Bach. Cordon. Bruck. Thinnfeld. Kulmer.



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