Støeda 27. èervna 1928

Andererseits haben die Jubiläumsfeierlichkeiten wohl noch einen anderen Zweck, sie sollen wahrscheinlich über die Fäulnisstoffe hier in diesem Staate hinwegtäuschen und dem In- und Auslande etwas vortäuschen, was nicht besteht. Es werden Festreden gehalten werden, in denen die Demokratie und die demokratischen Eínrichtungen dieses Staates verherrlicht werden, es werden Festreden gehalten werden über die wirtschaftlich kulturell und sozial wunderbaren Zustände im Staate, alles wird aufs beste gepriesen werden und es wird nach den Worten dieser Festredner bestimmt unter all den Nachfolgestaaten keinen Staat geben, der so konsolidiert ist wie der èechische Staat. Man wird auch von der wirtschaftlichen Blüte des Staates reden, von seiner kulturell reichen Entfaltung, von seinen weitgehenden sozialen Einrichtungen, von seiner nationalen Duldsamkeit, man wird sprechen müssen von den Rechten der Minderheiten in diesem Staate, die weit über den Minderheitenschutzvertrag hinausgehen und wird sich auf die deutschen Regierungsparteien berufen, denn Beneš geht bereits heute mit ihrer Zugehörigkeit zur Koalition hausieren. Und in unzähligen Artikeln werden die glorreichen Einrichtungen des Staates gepriesen werden von deutschen und èechischen Regierungsblättern des In- und Auslandes. Dadurch wird man mit Absicht ein falsches Bild über die hiesigen Zustände erzeugen, man wird den Leichtgläubigen Glück und Zufriedenheit vortäuschen, dem Auslande, das ja ein selbständiges Urteil nicht besitzt, ein falsches Bild von den wirklichen Zuständen des Staates geben und wird in eitel Freude und Jubel aufgehen. Wir aber werden uns über die wahren Zustände im Staate nicht einen Augenblick hinwegtäuschen lassen, namentlich nicht darüber, daß wir Deutschen gar keinen Grund haben, irgendwie diese Staatsgründung zu begrüßen und festlich zu begehen. Es wäre müßig, das heute hier mit Daten belegen zu wollen. Es wäre ein Leichtes nachzuweisen, daß der Staat auch in seiner internationalen Stellung wie Koll. Kallina im Außenausschuß dargetan hat, keineswegs gefestigt ist. Und es war wohl jetzt ein Bild für Götter, als die Kleine Entente wieder einmal nach langer Zeit beisammensaß und als die Herren Außenminister dieser Nachfolgestaaten sich darüber aussprachen, wie zufrieden ihre Bevölkerung ist, als in diesem gleichen Augenblick die Revolver im Belgrader Parlament krachten und der Außenwelt klar und deutlich zum Bewußtsein brachten, daß auch in Serbokroatien die Verhältnisse nicht auf das rosigste liegen. Es würde zu weit führen, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß Beneš trotz der Zugehörigkeit der deutschen Regierungsparteien an seiner außenpolitischen Haltung noch keine Revision vorgenommen hat und noch immer nicht zu der Erkenntnis gekommen ist, daß für die Zukunft des Staates die deutsche Frage viel wichtiger ist als ein Bündnis mit Frankreich. Ich frage aber in diesem Zusammenhang die deutschen Regierungsparteien wie sie es verantworten können, wenn es der Außenminister dieses Kabinetts in den letzten Tagen z. B. wagt, den Anschluß Deutsch-Österreichs an Deutschland vom Standpunkte der Èechoslovakischen Republik aus restlos zu verbieten. Er wurde dieser Tage durch einen Zeitungsberichterstatter in Bukarest darüber gefragt. Auf die Frage nach der Haltung der Kleinen Entente zu der österreichischen Anschlußfrage erklärte Dr. Beneš, daß die Frage für ihn überhaupt nicht existiere. Auf die Zwischenfrage, daß die Frage vielleicht doch existiere und daß man selbst mit weitliegenden Möglichkeiten in der Politik rechnen müsse, antwortete der Minister, daß die Politik sich in realen Bahnen und nicht in Phantasien bewege. Das heißt also, der Anschluß Deutschösterreichs an das Deutsche Reich, was doch selbstverständlich und natürlich ist, ist für ihn eine Phantasie, die sich auf keiner realen Basis bewegt. Es wäre müßig, auch in diesem Zusammenhange klarzulegen, daß wir auch innerpolitisch keine Ursache haben, vielleicht die Zustände, die sich im Laufe dieser 10 Jahre des Bestandes dieses Staates entwickelt haben, so anzusehen, daß sie ein Jubiläum rechtfertigen. Wir stehen in der Verwaltungsreform, wir hören, wie die demokratischen Einrichtungen, die wir vom alten Österreich herübergerettet haben, durch diese Verwaltungsreform vernichtet werden, wir hörten das Gleiche durch das Gemeindefinanzgesetz, wir sehen, daß der ganze Parlamentarismus in diesem Staate eine Komödie ist, wir sehen, wie die Gesetze hier geschaffen werden und die Teilnahme an solchen Schauausstellungen, wie sie sich jetzt augenblicklich wieder zeigen, ist ja ein Beweis dafür, daß die èechische Demokratie tatsächlich bereits bis auf den Hund gekommen ist. Wir wissen, wie die Opposition hier behandelt wird, wie die Herren Minister sich über ihre Vorschriften hinwegsetzen, wie Interpellationen nicht beantwortet werden, wenn sie unbequem sind, die Herren Minister halten es nicht der Mühe wert, hier im Hause zu erscheinen, mit einem Wort, von einer Demokratie sind wir weiter entfernt als je. Dafür wird das freie Wort in ausgiebigster Weise geknechtet und geknebelt.

Ich will einzelne Proben aus der letzten Zeit vortragen, um Ihnen zu zeigen, wie lächerlich z. B. die ganze Zensurtätigkeit heute gehandhabt wird, alles aus der Furcht und Angst heraus, daß vielleicht der Staat durch unbedachte Worte in Gefahr kommen könnte. Ich zitiere aus der "Deutschen Volkswacht", dem Organ der deutschen Sozialpartei und zwar einige Stellen, die in der letzten Zeit beschlagnahmt worden sind.

In der Nummer vom 11. Februar wurde aus der Entschließung des alldeutschen Parteitages gestrichen: "Schließlich verlangen wir die von uns Alldeutschen bereits im Jahre 1925 geforderte Einrichtung eines sudetendeutschen Landtages mit dem Sitze in Eger, dem neben den Politikern auch Vertreter aller deutschen Wirtschaftsorganisationen anzugehören hätten." Gewiß gar nichts Staatsgefährliches.

Oder aus der "Deutschen Volkswacht" vom 11. Feber aus einem Artikel, der sieh mit dem Boykott beschäftigt. Sie wissen, daß die Èechen ruhig in Ihren Blättern das "svùj k svému" predigen können, ohne konfisziert zu werden.

"Unser Ruf muß daher heißen: Deutsche kauft bei deutschen Stammesgenossen, bei deutschen Kaufleuten und Handwerkern und alle anderen laßt bei Seite, sie sind unsere Feinde, ihnen gehört kein Heller unseres Nationalvermögens." Oder: "Vergesset nicht, daß in jeden deutschen Haushalt nur die deutschen Sicherheitszünder gehören, die in anerkannter Vorzüglichkeit in allen wirklich deutschen Geschäften zu gleichen Preisen, ja vielfach noch billiger zu haben sind, als andere Erzeugnisse gleicher Art."

Aus der Nummer vom 3. März wurde aus dem Anzeiger der Veranstaltungen eine Notiz über den 4. März gestrichen: "Gilt es doch jener 55 deutscher Männer und Frauen zu gedenken, welche am 4. März 1919 durch èechische Soldaten hingemordet wurden, und zwar deswegen, weil sie für deutsches Recht, für das Selbstbestimmungsrecht eintraten."

Weiters wurde konfisziert ein Artikel aus derselben Nummer: "Gedenket des 4. März 1919. Dieser Tag muß immer ein Trauertag der Sudetendeutschen bleiben. Wehr- und schuldlos haben am 4. Lenzmond 1919 für die hehre Idee des Selbstbestimmungsrechtes viele unserer deutschen Volksgenossen ihr Leben lassen müssen. An diesem Tage war die Eröffnungssitzung der Nationalversammlung in Deutsch-Österreich. Die Sudetendeutschen zogen damals zu Tausenden auf die Straße, um den Willen des Selbstbestimmungsrechtes aller Welt kundzutun. Einig und geschlossen trat das sudetendeutsche Volk auf den Plan. Männer und Frauen aus allen Volksschichten mußten dies mit ihrem Blute büßen. Zum neuntenmale jährt sich nun der 4. Lenzmond, der für uns immer einer der traurigsten und heiligsten Gedenktage sein muß. Alle rauschenden Festlichkeiten haben an diesem Tage zu unterbleiben; das ganze deutsche Volk in den Sudetenländern möge sich in schmerzlichem Dankgefühl der Opfer dieses Tages erinnern! Diese ruchlose Tat bleibt bei allen volksbewußten Deutschen unvergessen, sie schreit zum Himmel und wird das èechische Volk ewig belasten. Das deutsche Volk muß sich seiner Kraft bewußt sein, daß die Stunde kommen muß, wo es seine Freiheit wieder erreicht, dann wird es für diese vollbrachten Verbrechen reiche Sühne fordern. Sudetendeutsche! Gedenket daher in Ehrfurcht der gemordeten Opfer, die starben im Glauben an ihr Volk."

Aus der Nummer vom 16. Juni wurde ein Artikel über die Besprechung der Südtiroler Frage beschlagnahmt: "Auch die Leiden des sudetendeutschen Volkes, das mit ähnlichen Mitteln seiner Eigenart beraubt werden soll, ist ein Glied in der endlosen Kette von Entrechtungen, die uns übermütige Macht- und Gewalthaber schmiedeten." Ebenso wurde ein Bericht aus der Harzdorfer Gemeindevertretungssitzung beschlagnahmt, wo es heißt: "Des weiteren wurde von den Deutschsozialen die Wohnungsvergebung im Gemeindehause angezogen, und dabei die Tatsache festgestellt, daß um pan Pekárek einen Gefallen zu tun, die Gemeindevertretungsmitglieder der deutschen Koalitionsparteien einer Partei im Gemeindehause eine Wohnung überließen, damit die leerwerdende von einer èechischen bezogen werden konnte. Wo bleiben da die nationalen Belange?"

Das sind alles Notizen, die gewiß nicht das Maß der erlaubten Kritik überschreiten, und trotzdem verfallen sie der Beschlagnahme, genau so wie auch die Reden von Abgeordneten hier im Hause - die wir gestern hörten einfach durch das Hauspräsidium beschlagnahmt werden. So also sieht es mit der Demokratie aus. Wirtschaftlich liegen die Verhältnisse nicht besser. Sie wissen, daß dieser Tage der Handelsminister Novák darauf verwies, daß wir einer schweren wirtschaftlichen Zeit entgegengehen. Kulturell ist seit 10 Jahren gewiß kein Fortschritt zu verzeichnen, und unser hochentwickeltes Schulwesen gleicht heute einem Trümmerhaufen, die große Frage der Schulreform und a. mehr wurde nicht angeschnitten. An die soziale Frage traute man sich nicht heran, die einzige Sozialversicherung mußte in einer verhältnismäßig kurzen Zeit einer Novellierung zugeführt werden, ein Beweis, daß die erste ursprüngliche Fassung unrichtig war. In nationaler Hinsicht ist es auch in den 10 Jahren wie wir wohl behaupten können, nicht besser geworden. Den Kampf zwischen Deutschen und Èechen auf diesem Boden zu beseitigen und zu lösen, ist nicht gelungen, auch dieser Streit wurde keiner Lösung zugeführt, wenn auch deutsche Parteien heute in der Regierung sitzen. Die Methoden sind vielleicht andere geworden, das System ist das gleiche geblieben. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Slavíèek.)

Es wäre interessant, in diesem Zusammenhange einige Beispiele vorzuführen, und zu zeigen, daß in gar keiner Weise trotz der Zugehörigkeit der deutschen Parteien zur Regierung sich an dem System etwas geändert hat. Ich verweise z. B. nur darauf, daß ich im Jahre 1921 in der Sprachenfrage an die Staatsbahndirektion Olmütz herantrat mit dem Ersuchen, uns den Standpunkt bekanntzugeben und einmal festzulegen, wie den die Aufschriften in den Stationen und die Aufschriften in den Waggons zu lauten haben und in welcher Sprache sie erfolgen müssen. Damals antwortete die Staatsbahndirektion mit einem Schreiben vom 31. August: "Die sprachliche Ausstattung der Stationen und Orientierungsaufschriften richtet sich stets nach den nationalen Verhältnissen der Gemeinde, nach der die Station benannt ist. Nach dem die Gemeinde Stauding keine 20% deutscher Minorität besitzt, können dort nach Abs. 8 des § 2 des Sprachengesetzes nur einsprachige Aufschriften angebracht werden." Daraufhin gab ich der Staatsbahndirektion das Beispiel Olmütz bekannt und fragte, warum auf der Station Olmütz keine deutsche Aufschrift zu sehen sei. Man antwortete mir damals, im Jahre 1921, damit, daß rücksichtlich der doppelsprachigen Aufschriften und Orientierungstafeln in Olmütz aus dem Grunde bis nun eine Entscheidung nicht getroffen wurde, da bis nun die offiziellen Volkszählungsdaten in Groß-Olmütz nach der im Feber l. J. durchgeführten Volkszählung nicht bekannt sind. "Auf Grund der an das statistische Staatsamt in Prag gerichteten Anfrage wurde der Direktion eröffnet, daß an dem Volkszählungsmaterial gearbeitet wird und daß die Volkszählungsdaten aus Mähren und Schlesien erst im Laufe des Jahres 1922 publiziert werden. Nach dieser Publikation wird zur definitiven Entscheidung dieser Frage getreten werden." Das war im Jahre 1921. Inzwischen war die Volkszählung. Die hat aber unzweifelhaft erwiesen, daß Olmütz gegen 70% Èechen und 30% Deutsche besitzt und trotzdem wurde bis zum heutigen Tage eine Änderung in den Aufschriften nicht vorgenommen, Olmütz hat auch noch durchaus einsprachige èechische Aufschriften. Genau so wurden die Aufschriften in Lundenburg und in Bodenbach noch nicht geäedert und wir müssen erleben, daß zwar in Lundenburg eine französische Aufschrift prangt, keineswegs aber eine deutsche.

Wir mußten in der letzten Zeit erleben, daß der stellvertretende Ministerpräsident Šrámek bei der Eröffnung der Kulturausstellung in Brünn es nicht der Mühe wert fand, auch einige deutsche Worte der Begrüßung namens der Regierung zu sprechen. Ich habe in einer Interpellation weiters darauf hingewiesen, daß der Poststempel, der aus diesem festlichen Anlaß herausgegeben wurde, zwar eine französische und èechische, nicht aber eine deutsche Inschrift trägt. In den letzten Tagen wurden z. B. von Bezirksstraßenausschuß in Mähr. Weißkirchen in allen Gemeinden des Bezirkes Orientierungstafeln aufgestellt u. zw. nur in der Staatssprache, obwohl es dort eine ganze Reihe nur deutscher Gemeinden gibt. Sie sehen also, daß auch in der Sprachenpraxis sich in gar keiner Weise etwas trotz Anteilnahme der deutschen Parteien an der Regierung zum Besseren gewendet hat. Und doch finden die deutschen Regierungsparteien den Mut, ihren geduldigen Wählern immer und immer wieder einzureden, daß sie bereits weitgehende Erfolge erzielt haben und daß für die Zukunft noch weitere zu erwarten seien. Sie haben sich eine merkwürdige Taktik zurecht gelegt; sie vertuschen alles, sie beschönigen alles, was von èechischer Seite her geschieht und täuschen Erfolge vor, wo keine vorhanden sind. Damit wird die deutsche Öffentlichkeit und werden Wähler bewußt irregeführt. Ich erinnere nur daran, daß der Abg. Hodina vom Bunde der Landwirte auf dem Kreisparteitag in Freudenthal den staunenden Landbündlern Folgendes zu sagen wußte: "Der Bund der Landwirte arbeitet heute daran, daß der Entwurf über die Schulreform für uns Deutsche annehmbar gestaltet wird. Unsere Gegner scheinen es nicht zu wissen, obwohl ihnen dies bekannt sein müßte, daß schon durch das Gesetz über die Verwaltungsreform die Autonomie unseres Schulwesens garantiert wurde und der Durchführung entgegengeht." Ich weiß nicht, wieso Abg. Hodina zu dieser Ansicht kommt, denn kein Kenner der neuen Verwaltung nach dem seinerzeit angenommenen Gesetz wird irgendwie daraus den Schluß ziehen können, daß darin implicite die Autonomie unseres Schulwesen garantiert wurde und der Durchführung entgegengeht. (Posl. dr Koberg: Die Feststellung ist nichts anderes als ein ungeschicktes Täuschungsmanöver!) Im Gegenteil, ein sehr geschicktes, berechnet für die Dummen, die das glauben und die den Worten ihrer gewählten Führer vertrauen. Seit Jahr und Tag werden diese Bevölkerungskreise, die nachgerade durch die vielen Versprechungen und schönen Worte doch schon etwas ungeduldig geworden sind, durch solche Verschleierungsdaten, durch solche irreführenden Bemerkungen direkt hinters Licht geführt. Es ist gar keine Frage, daß solche Manöver von Zeit zu Zeit notwendig sind, um einen besseren Ausblick für die Zukunft zu geben und um auch diejenigen, die vielleicht doch etwas tiefer sehen und sich nicht täuschen lassen, wieder bei der Stange zu halten. So und nicht anders sind die Worte Hodinas zu verstehen. Wenn nun die Verwaltungsreform bis zum 1. Dezember verschoben wird oder wie vielleicht zu befürchten steht, sogar ad calendas graecas, so frage ich Herrn Abg. Hodina: wie sieht es dann mit der Schulautonomie aus, mit der Schulautonomie, die in der Verwaltungsreform nach seiner Meinung mitenthalten ist? Wie sieht es mit dem Wechsel aus, den Herr Minister Hodža seinerzeit in der Budgetdebatte am 9. November 1926 ausgestellt hat, damals, als die Regierungsparteien ganz kurz in der Regierung waren und man daher für die deutsche Öffentlichkeit etwas tun mußte, als damals Herr Minister Hodža davon sprach, daß die Schulautonomie mit 1. Juli 1927 bereits in die Erscheinung treten wird? Wir haben schon damals daran gezweifelt, wir haben den Herrn Minister noch mehr als an sein Versprechen erinnert. Wir konnten ihn allerdings nicht dazu bewegen, aus seiner Reserve herauszutreten und uns wenigstens ein neueres Datum zu geben. Heute allerdings wissen wir, daß es lediglich auch nur ein Versprechen war, denn es ist seit dem 1. Juli 1927 bereits ein Jahr vergangen und wir hören von der Schulautonomie auch heute gar nichts. Allerdings ein Entwurf über eine Schulautonomie tauchte im Frühjahr unvermutet auf, ein Entwurf, der einen Schrei der Entrüstung in allen deutschen Gebieten auslöste, als man seinen Inhalt kennen lernte. Allerdings erklärte damals das Ministerium, daß dieser Entwurf nicht autentisch sei, daß er lediglich auf dem Material eines Elaborates beruhe, das durch ein späteres, anfangs Dezember fertiggestelltes Elaborat gegenstandslos geworden sei. Das "Právo Lidu" wußte damals zu berichten, daß der Ministerialrat Bucek diesen Entwurf ausgearbeitet hat, daß er die Zahl 103.005/27/I trage und 149 Paragraphen umfasse, daß darin ausdrücklich geschrieben stand, daß diese Schulreform mit 1. Juli 1928 bereits in Kraft treten soll. Der Entwurf ist also vorhanden und nur wegen seiner gefährlichen Forderungen bzw. Bestimmungen, die einen Sturm der Entrüstung in der Bevölkerung auslösten, wurde er wahrscheinlich später zurückgezogen. Ich will mich mit diesem Entwurf nicht im Einzelnen beschäftigen. Aber es ist doch mehr als bezeichnend, daß dieser Entwurf nicht eine Vermehrung des Einflusses der Bevölkerung auf die Schulgestaltung und Schulverwaltung zum Ziele hatte, sondern daß damit eine weitgehende Entnationalisierung, weitgehende Bürokratisierung und schließlich eine Verklerikalisierung der Schulverwaltung ermöglicht werden sollten. Der Geist der Demokratie ist durchaus aus diesem Entwurfe verbannt. Es tritt an Stelle der freigewählten Vertretung einfach die schrankenlose Diktatur des Vorsitzenden genau so wie im Rahmen der Verwaltungsreform. Auch hier wird die Bürokratie zur Alleinherrschaft gebracht. Der Einfluß der Vertreter der Bevölkerung wird auf ein Minimum herabgesetzt, der Einfluß der Lehrerschaft, die bisher das freie Recht der Wahl hatte, vollständig ausgeschaltet, dieses Recht nunmehr aufgehoben und durch die Ernennung von Schulfachmännern durch die Regierung ersetzt. Seit dem Jahre 1870, also bereits durch ein halbes Jahrhundert, hatten die Lehrer die Möglichkeit, ihre Vertreter in die Bezirksschulbehörden nach freier Wahl zu entsenden. Nach einem halben mit dieser wichtigen Bestimmung aufzuräumen und wieder das Ernennungsrecht der Regierung an ihre Stelle zu setzen.

Aber interessant ist, daß die einzige Errungenschaft aus der Umsturzzeit im Wege der Schulreform nunmehr abgebaut wird. denn es sollen nun auch die Religionsvertreter wieder in allen Orts-, Bezirks- und Landesschulräten Sitz und Stimme haben, wobei es der Regierung überlassen bleibt, die Zahl der Religionsvertreter nach Belieben zu vermehren. Dieser Entwurf war aber auch vom nationalen Standpunkt aus restlos abzulehnen, weil darin so schwere Bestimmungen enthalten waren, daß die berechtigte Befürchtung bestand. daß in den Orts- bzw. Bezirks- und Landesschulräten u. zw. selbst in der deutschen Sektion des Landesschulrates eine èechische Mehrheit vorhanden sein wird, daß also das deutsche Schulwesen restlos ausgeliefert wird. Dazu kam noch eine Bestimmung, die von Haus aus abgelehnt werden mußte. Sämtliche Mitglieder der Landes-, Bezirks- und Ortsschulräte sollten der èechischen Sprache mächtig sein, d. h. mit anderen Worten, daß ein großer Kreis der Bevölkerung und der Lehrerschaft von Haus aus von der Betätigung in diesen Ortsschulräten und von der Wahl ausgeschlossen war. So also sah der Entwurf einer nationalen Schulautonomie, der im Ministerium Hodža ausgearbeitet worden war, in Wirklichkeit aus. Und trotzdem schämten sich die deutschen Regierungsparteien nicht, in ihren Zeitungen unter großen Überschriften zu schreiben: "Die Schulautonomie kommt". Die deutschen Regierungsparteien wollten diesen Entwurf als einen besonderen Erfolg ihrer Tätigkeit hinstellen. Es ist begreiflich, daß die Lehrerorganisation, ja die ganze deutsche Öffentlichkeit sofort gegen eine derartige Regelung der deutschen Schulverwaltung Sturm laufen mußte und daß sie auf dem Standpunkt stand, es lieber bei dem alten Zustand zu belassen, als das deutsche Schulwesen mit deutschen Stimmen einer weitergehenden Verkürzung durch eine derartige Reform zuzuführen.

In diesem Zusammenhang will ich auch mit einem anderen Erfolg der deutschen Regierungsparteien auf dem Schulgebiete aufräumen, der jetzt bei jeder Gelegenheit auch in den Versammlungen draußen den dummgläubigen Wählern vorgesetzt wird, nämlich die Behauptung, daß es auf dem Schulgebiete bedeutend besser geworden sei, seitdem die deutschen Regierungsparteien in der Regierung sitzen und zwar in der Weise, daß bereits einige hundert neue Klassen aufgemacht worden sind. Auch Minister Hodža hat ja im Budgetausschuß darauf verwiesen, daß in Böhmen 398 Schulklassen im letzten Jahre eröffnet wurden, hiervon 173 deutsche. In der "Deutschen Presse" wie in der "Landpost" ist gelegentlich sehr viel über diese Erfolge der Deutschen auf dem Schulgebiete zu lesen. Ich stelle lediglich fest, daß hier von einem Erfolge überhaupt nicht gesprochen werden kann. Zunächst hatte das deutsche Schulwesen einen Tiefstand durch die zahlreichen Drosselungen und Klassenauflassungen bereits erreicht. Es war naturgemäß, daß durch die Vermehrung der Kinderzahl - denn die Kriegsauswirkung kann jetzt bereits bezüglich der Volksschulen als überwunden gelten - eine Neuaufmachung von Schulklassen automatisch folgen mußte. Dazu kam noch, daß nach § 5, Abs. 6 des Gesetzes vom 13. Juli 1922 die Kinderzahl in den Schulklassen von 80 im Rahmen des kleinen Schulgesetzes, wie Sie wissen, bereits auf 60 herabgesetzt worden war - in diesem Jahre beträgt die Ziffer 70 - was gleichfalls automatisch dazu führt, daß eine Reihe neuer Klassen aufgemacht werden muß. Es ist also nichts damit, auf dem Schulgebiete mit großen Erfolgen zu prunken. Im Gegenteil, wir müssen mit Besorgnis der Zukunft entgegensehen, da zu befürchten steht, daß trotz der Teilnahme deutscher Regierungsparteien deutsche Bürger- und Mittelschulen in der nächsten Zeit, wie verlautet, weitgehend gedrosselt. bezw. aufgelassen werden sollen. Wir hörten bereits gestern, daß auch die sonstigen deutschen Schulforderungen auf dem Hochschulgebiete bisher nicht erfüllt worden sind. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, daß auch die deutsche Handelshochschule, die angeblich schon im Vorjahre hätte errichtet werden sollen, bis heute nicht besteht und daß auch die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen ist, daß sie auch im nächsten Jahre nicht wird aktiviert werden können.

So also, meine sehr Verehrten, sehen die Erfolge der deutschen Regierungspolitiker aus. Das bereitet allerdings dem Herrn Windirsch und Genossen kein großes Kopfzerbrechen. Denn sie machen ja nur èechoslovakische Staatspolitik. Für den nationalen Gedanken haben sie nichts mehr übrig, wie ja die Verhöhnung des sudetendeutschen Freiheitskampfes durch Windirsch klar und deutlich gezeigt hat. Wir hörten in der letzten Zeit, daß er anläßlich der berüchtigten Reise nach Belgrad für das èechische Schulwesen daselbst eine Sammlung eingeleitet hat, gewiß ein Bild für Götter, wenn wir dabei berücksichtigen und bedenken, daß er für das deutsche Schulwesen in Jugoslavien wahrscheinlich nichts unternommen hat und nichts dafür übrig hat. (Výkøiky na levici.) So also betrachten deutsche Regierungspolitiker den nationalen Gedanken, von dem Masaryk gerade jetzt in Südmähren so schöne Worte gefunden hat. "Die Liebe", sprach Masaryk, "zum angestammten Boden, zur Muttersprache und zu seinem Volke ist von Natur aus gegeben, berechtigt und wertvoll." (Výkøiky.) Ich will nicht darüber urteilen, zu welchem Zwecke Masaryk diese schönen Worte gebraucht hat, aber sie dienten lediglich dem Zwecke, die deutsche Öffentlichkeit über die wirklichen Verhältnisse hinwegzutäuschen. Aber es ist immerhin interessant, festzustellen, daß Masaryk, obwohl er Realist, obwohl über diesen Dingen stehend, doch immerhin das Bekenntnis zum nationalen Volkstum niemals verloren hat, und diese Liebe zum angestammten Boden, zur Muttersprache, zum Volke, als etwas durchaus Berechtigtes und Wertvolles ansieht. Er sprach dann weiter in diesem Zusammenhang folgenden Satz aus: "Die Rechte der nationalen Minderheiten zu hüten ist ein verdienstvolles Werk. In der Republik dürfe niemand seiner Nation beraubt werden. Dieser Grundsatz gilt für alle Nationen in gleicher Weise." (Výkøky.) Worte, schöne Worte, wenn er davon sprach, daß die Rechte der nationalen Minderheiten gehütet werden müssen. Wir fühlen uns als Hüter dieser Rechte unserer deutschen Minderheit, während auf der anderen Seite die deutschen Regierungsparteien diese wichtigen Rechte restlos preisgeben. Denn, meine Verehrten, was soll man davon halten, wenn man gegenüber diesen erhebenden Worten eines Masaryk jene Worte herausgreift und damit vergleicht, welche der Führer des deutschen Landvolkes Køepek bei der Tagung des Bundes der Landwirte in Leitmeritz, im Elbegau, gesprochen hat? Er gab damals eine Übersicht über den Entwicklungsgang des Aktivismus und wie es zum Eintritt in die Regierung kam, anläßlich seiner Auseinandersetzungen mit Švehla. Køepek sagte damals: "Die nationalen Fragen sind für den Bund der Landwirte von sekundärer Bedeutung, soferne sie nicht überhaupt aus seinem Programme verschwinden". Das heißt mit anderen Worten, daß für die Landwirte die nationale Frage nichts bedeutet, dafür haben sie nichts mehr übrig, die Standesinteressen, die Interessen der eigenen Tasche gehen ihnen über alles. Es ist bezeichnend, wie ich erst jetzt festgestellt habe, daß das Hauptorgan des Bundes der Landwirte, die "Deutsche Landpost" in ihrem Berichte vom 31. Mai diese Stelle unterschlagen hat, sie schämte sich wahrscheinlich dieser Worte ihres Führers, die ihr doch gegen den Strich gingen, bezw. die der Leserschaft die Augen geöffnet hätten.

Was sagen die deutschen Regierungsparteien dazu, wenn Kramáø in seiner letzten Rede in Laun ausdrücklich darauf verwiesen hat, daß mit der Zugehörigkeit deutscher Parteien zur Regierung in gar keiner Weise eine Änderung des Nationalstaatsgedankens gegeben ist. Er sagte: "Die Deutschen allerdings müssen wissen und wissen es auch gut, daß dieser Staat ein Nationalstaat ist und bleiben wird und daß wir von diesem grundsätzlichen Standpunkt nicht ablassen werden". Trotzdem also grundsätzlich von Koalitionsparteien festgestellt wird, daß an dem Nationalstaatsgedanken nicht zu rütteln ist, daß an den Grundlagen, auf denen der Staat aufgebaut wird, auch in Zukunft nichts geändert werden dürfe, trotzdem halten es die deutschen Regierungsparteien nicht unter ihrer Würde, diesem Staate Vorspanndienste zu leisten. Die Èechen können sich von diesem Gesichtspunkt aus, bei Gott, freuen, wenn sie ihr Jubiläum demnächst begehen, daß es ihnen gelungen ist, in dem kurzen Zeitraum von 10 Jahren die Deutschen für ihre Zwecke einzuspannen, daß ihnen gelungen ist, was sie sich vor 10 Jahren nicht einmal im Traume vorgestellt hätten, sie ohne Gewährung von Konzessionen in die Regierung hineinzubringen. Es wird ein wunderbares Bild werden, bis diese Jubiläumsfestlichkeiten nunmehr am 28. Oktober 1928 begangen werden, wenn die Deutschen als Statisten dabei stehen werden, wenn Spina und Mayr-Harting schweigen müssen, wenn das "Hrom a peklo" gespielt werden wird. Es ist ein tragisches Geschick auf der anderen Seite, wenn Deutsche bei einem solchen Henkerdienst noch selbst mithelfen. Aber vielleicht war es für unsere zukünftige Erhebung notwendig, daß wir auch durch diese tiefe Schmach und Erniedrigung hindurchgehen müssen. Die Èechen täuschen sich aber, wenn sie glauben, daß mit der Teilnahme deutsch er Parteien an der Regierung auch zugleich die deutsche Frage in diesem Staate erledigt ist. Sie bleibt nach wie vor bestehen, ja, sie ist nach wie vor die Schicksalsfrage für diesen Staat. Die Weltgeschichte geht weiter, unerbittlich und folgerichtig. Sie macht auch vor der Èechoslovakischen Republik und ihren großen Staatsmännern nicht halt. Über das Schicksal dieses Staates in der Zukunft nachzudenken, ist weder meine Aufgabe, noch die Aufgabe meiner Partei, wie überhaupt des sudetendeutschen Volkes, zumal dieser Staat gegen dieses, gegen seinen Willen geschaffen wurde. Es ist aber Sache der verantwortlichen Staatsmänner dieser Republik, dafür zu sorgen und die Voraussetzungen zu schaffen, daß dieser Staat dereinst vor dem Urteil der Weltgeschichte in Ehren bestehen kann. Die deutschen Regierungsparteien aber müssen mit der ganzen Verantwortlichkeit belastet werden, wenn unser Volk aus der vorübergehenden Zugehörigkeit zu diesem Staat durch ihre verhängnisvolle Politik an seinem Volkstum schweren Schaden erleiden sollte. (Potlesk poslancù nìm. strany národní.)