Andererseits haben die Jubiläumsfeierlichkeiten
wohl noch einen anderen Zweck, sie sollen wahrscheinlich über
die Fäulnisstoffe hier in diesem Staate hinwegtäuschen
und dem In- und Auslande etwas vortäuschen, was nicht besteht.
Es werden Festreden gehalten werden, in denen die Demokratie und
die demokratischen Eínrichtungen dieses Staates verherrlicht
werden, es werden Festreden gehalten werden über die wirtschaftlich
kulturell und sozial wunderbaren Zustände im Staate, alles
wird aufs beste gepriesen werden und es wird nach den Worten dieser
Festredner bestimmt unter all den Nachfolgestaaten keinen
Staat geben, der so konsolidiert ist wie der èechische
Staat. Man wird auch von der wirtschaftlichen Blüte des Staates
reden, von seiner kulturell reichen Entfaltung, von seinen weitgehenden
sozialen Einrichtungen, von seiner nationalen Duldsamkeit, man
wird sprechen müssen von den Rechten der Minderheiten in
diesem Staate, die weit über den Minderheitenschutzvertrag
hinausgehen und wird sich auf die deutschen Regierungsparteien
berufen, denn Beneš geht bereits heute mit ihrer Zugehörigkeit
zur Koalition hausieren. Und in unzähligen Artikeln
werden die glorreichen Einrichtungen des Staates gepriesen werden
von deutschen und èechischen Regierungsblättern des
In- und Auslandes. Dadurch wird man mit Absicht ein falsches Bild
über die hiesigen Zustände erzeugen,
man wird den Leichtgläubigen Glück und Zufriedenheit
vortäuschen, dem Auslande, das ja ein selbständiges
Urteil nicht besitzt, ein falsches Bild von den wirklichen Zuständen
des Staates geben und wird in eitel Freude und Jubel aufgehen.
Wir aber werden uns über die wahren Zustände im Staate
nicht einen Augenblick hinwegtäuschen lassen, namentlich
nicht darüber, daß wir Deutschen gar keinen Grund haben,
irgendwie diese Staatsgründung zu begrüßen und
festlich zu begehen. Es wäre müßig, das heute
hier mit Daten belegen zu wollen. Es wäre ein Leichtes nachzuweisen,
daß der Staat auch in seiner internationalen Stellung wie
Koll. Kallina im Außenausschuß dargetan hat,
keineswegs gefestigt ist. Und es war wohl jetzt ein Bild für
Götter, als die Kleine Entente wieder einmal nach langer
Zeit beisammensaß und als die Herren Außenminister
dieser Nachfolgestaaten sich darüber aussprachen, wie zufrieden
ihre Bevölkerung ist, als in diesem gleichen Augenblick die
Revolver im Belgrader Parlament krachten und der Außenwelt
klar und deutlich zum Bewußtsein brachten, daß auch
in Serbokroatien die Verhältnisse nicht auf das rosigste
liegen. Es würde zu weit führen, in diesem Zusammenhang
darauf hinzuweisen, daß Beneš trotz der Zugehörigkeit
der deutschen Regierungsparteien an seiner außenpolitischen
Haltung noch keine Revision vorgenommen hat und noch immer nicht
zu der Erkenntnis gekommen ist, daß für die Zukunft
des Staates die deutsche Frage viel wichtiger ist als ein Bündnis
mit Frankreich. Ich frage aber in diesem Zusammenhang die
deutschen Regierungsparteien wie sie es verantworten können,
wenn es der Außenminister dieses Kabinetts in den letzten
Tagen z. B. wagt, den Anschluß Deutsch-Österreichs
an Deutschland vom Standpunkte der Èechoslovakischen Republik
aus restlos zu verbieten. Er wurde dieser Tage
durch einen Zeitungsberichterstatter in Bukarest darüber
gefragt. Auf die Frage nach der Haltung der Kleinen Entente zu
der österreichischen Anschlußfrage erklärte Dr.
Beneš, daß die Frage für ihn überhaupt
nicht existiere. Auf die Zwischenfrage, daß die Frage vielleicht
doch existiere und daß man selbst mit weitliegenden Möglichkeiten
in der Politik rechnen müsse, antwortete der Minister, daß
die Politik sich in realen Bahnen und nicht in Phantasien bewege.
Das heißt also, der Anschluß Deutschösterreichs
an das Deutsche Reich, was doch selbstverständlich und natürlich
ist, ist für ihn eine Phantasie, die sich auf keiner realen
Basis bewegt. Es wäre müßig, auch in diesem Zusammenhange
klarzulegen, daß wir auch innerpolitisch keine Ursache haben,
vielleicht die Zustände, die sich im Laufe dieser 10 Jahre
des Bestandes dieses Staates entwickelt haben, so anzusehen, daß
sie ein Jubiläum rechtfertigen. Wir stehen in der Verwaltungsreform,
wir hören, wie die demokratischen Einrichtungen, die wir
vom alten Österreich herübergerettet haben, durch diese
Verwaltungsreform vernichtet werden, wir hörten das Gleiche
durch das Gemeindefinanzgesetz, wir sehen, daß der ganze
Parlamentarismus in diesem Staate eine Komödie ist, wir sehen,
wie die Gesetze hier geschaffen werden und die Teilnahme
an solchen Schauausstellungen, wie sie sich jetzt augenblicklich
wieder zeigen, ist ja ein Beweis dafür, daß die èechische
Demokratie tatsächlich bereits bis auf den Hund gekommen
ist. Wir wissen, wie die Opposition hier behandelt
wird, wie die Herren Minister sich über ihre Vorschriften
hinwegsetzen, wie Interpellationen nicht beantwortet werden, wenn
sie unbequem sind, die Herren Minister halten es nicht der Mühe
wert, hier im Hause zu erscheinen, mit einem Wort, von einer Demokratie
sind wir weiter entfernt als je. Dafür wird das freie Wort
in ausgiebigster Weise geknechtet und geknebelt.
Ich will einzelne Proben aus der letzten Zeit
vortragen, um Ihnen zu zeigen, wie lächerlich z. B. die ganze
Zensurtätigkeit heute gehandhabt wird, alles aus der Furcht
und Angst heraus, daß vielleicht der Staat durch unbedachte
Worte in Gefahr kommen könnte. Ich zitiere aus der "Deutschen
Volkswacht", dem Organ der deutschen Sozialpartei und zwar
einige Stellen, die in der letzten Zeit beschlagnahmt worden sind.
In der Nummer vom 11. Februar wurde aus der
Entschließung des alldeutschen Parteitages gestrichen: "Schließlich
verlangen wir die von uns Alldeutschen bereits im Jahre 1925 geforderte
Einrichtung eines sudetendeutschen Landtages mit dem Sitze in
Eger, dem neben den Politikern auch Vertreter aller deutschen
Wirtschaftsorganisationen anzugehören hätten."
Gewiß gar nichts Staatsgefährliches.
Oder aus der "Deutschen Volkswacht"
vom 11. Feber aus einem Artikel, der sieh mit dem Boykott
beschäftigt. Sie wissen, daß die Èechen ruhig
in Ihren Blättern das "svùj k svému"
predigen können, ohne konfisziert zu werden.
"Unser Ruf muß daher heißen:
Deutsche kauft bei deutschen Stammesgenossen, bei deutschen Kaufleuten
und Handwerkern und alle anderen laßt bei Seite, sie sind
unsere Feinde, ihnen gehört kein Heller unseres Nationalvermögens."
Oder: "Vergesset nicht, daß in jeden deutschen Haushalt
nur die deutschen Sicherheitszünder gehören, die in
anerkannter Vorzüglichkeit in allen wirklich deutschen Geschäften
zu gleichen Preisen, ja vielfach noch billiger zu haben sind,
als andere Erzeugnisse gleicher Art."
Aus der Nummer vom 3. März wurde aus dem
Anzeiger der Veranstaltungen eine Notiz über den 4. März
gestrichen: "Gilt es doch jener 55 deutscher Männer
und Frauen zu gedenken, welche am 4. März 1919 durch èechische
Soldaten hingemordet wurden, und zwar deswegen, weil sie für
deutsches Recht, für das Selbstbestimmungsrecht eintraten."
Weiters wurde konfisziert ein Artikel aus derselben
Nummer: "Gedenket des 4. März 1919. Dieser Tag muß
immer ein Trauertag der Sudetendeutschen bleiben. Wehr- und schuldlos
haben am 4. Lenzmond 1919 für die hehre Idee des Selbstbestimmungsrechtes
viele unserer deutschen Volksgenossen ihr Leben lassen müssen.
An diesem Tage war die Eröffnungssitzung der Nationalversammlung
in Deutsch-Österreich. Die Sudetendeutschen zogen damals
zu Tausenden auf die Straße, um den Willen des Selbstbestimmungsrechtes
aller Welt kundzutun. Einig und geschlossen trat das sudetendeutsche
Volk auf den Plan. Männer und Frauen aus allen Volksschichten
mußten dies mit ihrem Blute büßen. Zum neuntenmale
jährt sich nun der 4. Lenzmond, der für uns immer einer
der traurigsten und heiligsten Gedenktage sein muß. Alle
rauschenden Festlichkeiten haben an diesem Tage zu unterbleiben;
das ganze deutsche Volk in den Sudetenländern möge sich
in schmerzlichem Dankgefühl der Opfer dieses Tages erinnern!
Diese ruchlose Tat bleibt bei allen volksbewußten Deutschen
unvergessen, sie schreit zum Himmel und wird das èechische
Volk ewig belasten. Das deutsche Volk muß sich seiner Kraft
bewußt sein, daß die Stunde kommen muß, wo es
seine Freiheit wieder erreicht, dann wird es für diese vollbrachten
Verbrechen reiche Sühne fordern. Sudetendeutsche!
Gedenket daher in Ehrfurcht der gemordeten Opfer, die starben
im Glauben an ihr Volk."
Aus der Nummer vom 16. Juni wurde ein Artikel
über die Besprechung der Südtiroler Frage beschlagnahmt:
"Auch die Leiden des sudetendeutschen Volkes, das mit ähnlichen
Mitteln seiner Eigenart beraubt werden soll, ist ein Glied in
der endlosen Kette von Entrechtungen, die uns übermütige
Macht- und Gewalthaber schmiedeten." Ebenso wurde ein Bericht
aus der Harzdorfer Gemeindevertretungssitzung beschlagnahmt, wo
es heißt: "Des weiteren wurde von den Deutschsozialen
die Wohnungsvergebung im Gemeindehause angezogen, und dabei die
Tatsache festgestellt, daß um pan Pekárek
einen Gefallen zu tun, die Gemeindevertretungsmitglieder der deutschen
Koalitionsparteien einer Partei im Gemeindehause eine Wohnung
überließen, damit die leerwerdende von einer èechischen
bezogen werden konnte. Wo bleiben da die nationalen Belange?"
Das sind alles Notizen, die gewiß nicht
das Maß der erlaubten Kritik überschreiten, und trotzdem
verfallen sie der Beschlagnahme, genau so wie auch die Reden von
Abgeordneten hier im Hause - die wir gestern hörten einfach
durch das Hauspräsidium beschlagnahmt werden. So also sieht
es mit der Demokratie aus. Wirtschaftlich liegen die Verhältnisse
nicht besser. Sie wissen, daß dieser Tage der Handelsminister
Novák darauf verwies, daß wir einer schweren
wirtschaftlichen Zeit entgegengehen. Kulturell ist seit 10 Jahren
gewiß kein Fortschritt zu verzeichnen, und unser hochentwickeltes
Schulwesen gleicht heute einem Trümmerhaufen, die große
Frage der Schulreform und a. mehr wurde nicht angeschnitten. An
die soziale Frage traute man sich nicht heran, die einzige Sozialversicherung
mußte in einer verhältnismäßig kurzen Zeit
einer Novellierung zugeführt werden, ein Beweis, daß
die erste ursprüngliche Fassung unrichtig war. In nationaler
Hinsicht ist es auch in den 10 Jahren wie wir wohl behaupten können,
nicht besser geworden. Den Kampf zwischen Deutschen und Èechen
auf diesem Boden zu beseitigen und zu lösen, ist nicht
gelungen, auch dieser Streit wurde keiner Lösung zugeführt,
wenn auch deutsche Parteien heute in der Regierung sitzen. Die
Methoden sind vielleicht andere geworden, das System ist das gleiche
geblieben. (Pøedsednictví pøevzal
místopøedseda Slavíèek.)
Es wäre interessant, in diesem Zusammenhange
einige Beispiele vorzuführen, und zu zeigen, daß in
gar keiner Weise trotz der Zugehörigkeit der deutschen Parteien
zur Regierung sich an dem System etwas geändert hat. Ich
verweise z. B. nur darauf, daß ich im Jahre 1921 in der
Sprachenfrage an die Staatsbahndirektion Olmütz herantrat
mit dem Ersuchen, uns den Standpunkt bekanntzugeben und einmal
festzulegen, wie den die Aufschriften in den Stationen und die
Aufschriften in den Waggons zu lauten haben und in welcher Sprache
sie erfolgen müssen. Damals antwortete die Staatsbahndirektion
mit einem Schreiben vom 31. August: "Die sprachliche Ausstattung
der Stationen und Orientierungsaufschriften richtet sich stets
nach den nationalen Verhältnissen der Gemeinde, nach der
die Station benannt ist. Nach dem die Gemeinde Stauding keine
20% deutscher Minorität besitzt, können dort nach Abs.
8 des § 2 des Sprachengesetzes nur einsprachige Aufschriften
angebracht werden." Daraufhin gab ich der Staatsbahndirektion
das Beispiel Olmütz bekannt und fragte, warum auf der Station
Olmütz keine deutsche Aufschrift zu sehen sei. Man antwortete
mir damals, im Jahre 1921, damit, daß rücksichtlich
der doppelsprachigen Aufschriften und Orientierungstafeln in Olmütz
aus dem Grunde bis nun eine Entscheidung nicht getroffen wurde,
da bis nun die offiziellen Volkszählungsdaten in Groß-Olmütz
nach der im Feber l. J. durchgeführten Volkszählung
nicht bekannt sind. "Auf Grund der an das statistische Staatsamt
in Prag gerichteten Anfrage wurde der Direktion eröffnet,
daß an dem Volkszählungsmaterial gearbeitet wird und
daß die Volkszählungsdaten aus Mähren und Schlesien
erst im Laufe des Jahres 1922 publiziert werden. Nach dieser Publikation
wird zur definitiven Entscheidung dieser Frage getreten werden."
Das war im Jahre 1921. Inzwischen war die Volkszählung. Die
hat aber unzweifelhaft erwiesen, daß Olmütz gegen 70%
Èechen und 30% Deutsche besitzt und trotzdem wurde bis
zum heutigen Tage eine Änderung in den Aufschriften nicht
vorgenommen, Olmütz hat auch noch
durchaus einsprachige èechische Aufschriften. Genau so
wurden die Aufschriften in Lundenburg und in Bodenbach noch nicht
geäedert und wir müssen erleben, daß zwar in Lundenburg
eine französische Aufschrift prangt, keineswegs aber eine
deutsche.
Wir mußten in der letzten Zeit erleben,
daß der stellvertretende Ministerpräsident Šrámek
bei der Eröffnung der Kulturausstellung in Brünn es
nicht der Mühe wert fand, auch einige deutsche Worte der
Begrüßung namens der Regierung zu sprechen. Ich habe
in einer Interpellation weiters darauf hingewiesen, daß
der Poststempel, der aus diesem festlichen Anlaß herausgegeben
wurde, zwar eine französische und èechische, nicht
aber eine deutsche Inschrift trägt. In den letzten Tagen
wurden z. B. von Bezirksstraßenausschuß
in Mähr. Weißkirchen in allen Gemeinden des Bezirkes
Orientierungstafeln aufgestellt u. zw. nur in der Staatssprache,
obwohl es dort eine ganze Reihe nur deutscher Gemeinden gibt.
Sie sehen also, daß auch in der Sprachenpraxis sich in gar
keiner Weise etwas trotz Anteilnahme der deutschen Parteien an
der Regierung zum Besseren gewendet hat. Und doch finden die deutschen
Regierungsparteien den Mut, ihren geduldigen Wählern immer
und immer wieder einzureden, daß sie bereits weitgehende
Erfolge erzielt haben und daß für die Zukunft
noch weitere zu erwarten seien. Sie haben sich eine merkwürdige
Taktik zurecht gelegt; sie vertuschen alles, sie beschönigen
alles, was von èechischer Seite her geschieht und täuschen
Erfolge vor, wo keine vorhanden sind. Damit
wird die deutsche Öffentlichkeit und werden Wähler bewußt
irregeführt. Ich erinnere nur daran, daß der Abg. Hodina
vom Bunde der Landwirte auf dem Kreisparteitag in Freudenthal
den staunenden Landbündlern Folgendes zu sagen wußte:
"Der Bund der Landwirte arbeitet heute daran, daß der
Entwurf über die Schulreform für uns Deutsche annehmbar
gestaltet wird. Unsere Gegner scheinen es nicht zu wissen, obwohl
ihnen dies bekannt sein müßte, daß schon durch
das Gesetz über die Verwaltungsreform die Autonomie unseres
Schulwesens garantiert wurde und der Durchführung entgegengeht."
Ich weiß nicht, wieso Abg. Hodina zu dieser Ansicht
kommt, denn kein Kenner der neuen Verwaltung nach dem seinerzeit
angenommenen Gesetz wird irgendwie daraus den Schluß ziehen
können, daß darin implicite die Autonomie unseres Schulwesen
garantiert wurde und der Durchführung entgegengeht. (Posl.
dr Koberg: Die Feststellung ist nichts anderes als ein ungeschicktes
Täuschungsmanöver!) Im Gegenteil, ein sehr geschicktes,
berechnet für die Dummen, die das glauben und die den Worten
ihrer gewählten Führer vertrauen. Seit Jahr und Tag
werden diese Bevölkerungskreise, die nachgerade durch die
vielen Versprechungen und schönen Worte doch schon etwas
ungeduldig geworden sind, durch solche Verschleierungsdaten, durch
solche irreführenden Bemerkungen direkt hinters Licht geführt.
Es ist gar keine Frage, daß solche Manöver von Zeit
zu Zeit notwendig sind, um einen besseren Ausblick für die
Zukunft zu geben und um auch diejenigen, die vielleicht doch etwas
tiefer sehen und sich nicht täuschen lassen, wieder bei der
Stange zu halten. So und nicht anders sind die Worte Hodinas
zu verstehen. Wenn nun die Verwaltungsreform bis zum 1. Dezember
verschoben wird oder wie vielleicht zu befürchten steht,
sogar ad calendas graecas, so frage ich Herrn Abg. Hodina:
wie sieht es dann mit der Schulautonomie aus, mit der Schulautonomie,
die in der Verwaltungsreform nach seiner Meinung mitenthalten
ist? Wie sieht es mit dem Wechsel aus, den Herr Minister Hodža
seinerzeit in der Budgetdebatte am 9. November 1926 ausgestellt
hat, damals, als die Regierungsparteien ganz kurz in der Regierung
waren und man daher für die deutsche Öffentlichkeit
etwas tun mußte, als damals Herr Minister Hodža
davon sprach, daß die Schulautonomie mit 1. Juli 1927 bereits
in die Erscheinung treten wird? Wir haben schon damals daran gezweifelt,
wir haben den Herrn Minister noch mehr als an sein Versprechen
erinnert. Wir konnten ihn allerdings nicht dazu bewegen, aus seiner
Reserve herauszutreten und uns wenigstens ein neueres Datum zu
geben. Heute allerdings wissen wir, daß es lediglich auch
nur ein Versprechen war, denn es ist seit dem 1. Juli 1927 bereits
ein Jahr vergangen und wir hören von der Schulautonomie auch
heute gar nichts. Allerdings ein Entwurf über eine Schulautonomie
tauchte im Frühjahr unvermutet auf, ein Entwurf, der einen
Schrei der Entrüstung in allen deutschen Gebieten auslöste,
als man seinen Inhalt kennen lernte. Allerdings erklärte
damals das Ministerium, daß dieser Entwurf nicht autentisch
sei, daß er lediglich auf dem Material eines Elaborates
beruhe, das durch ein späteres, anfangs Dezember fertiggestelltes
Elaborat gegenstandslos geworden sei. Das "Právo
Lidu" wußte damals zu berichten,
daß der Ministerialrat Bucek diesen Entwurf ausgearbeitet
hat, daß er die Zahl 103.005/27/I trage und 149 Paragraphen
umfasse, daß darin ausdrücklich geschrieben stand,
daß diese Schulreform mit 1. Juli 1928 bereits in Kraft
treten soll. Der Entwurf ist also vorhanden und nur wegen seiner
gefährlichen Forderungen bzw. Bestimmungen, die einen Sturm
der Entrüstung in der Bevölkerung auslösten, wurde
er wahrscheinlich später zurückgezogen. Ich will mich
mit diesem Entwurf nicht im Einzelnen beschäftigen. Aber
es ist doch mehr als bezeichnend, daß dieser Entwurf nicht
eine Vermehrung des Einflusses der Bevölkerung auf die Schulgestaltung
und Schulverwaltung zum Ziele hatte, sondern daß damit eine
weitgehende Entnationalisierung, weitgehende Bürokratisierung
und schließlich eine Verklerikalisierung der Schulverwaltung
ermöglicht werden sollten. Der Geist der Demokratie ist durchaus
aus diesem Entwurfe verbannt. Es tritt an Stelle der freigewählten
Vertretung einfach die schrankenlose Diktatur des Vorsitzenden
genau so wie im Rahmen der Verwaltungsreform. Auch hier wird die
Bürokratie zur Alleinherrschaft gebracht. Der Einfluß
der Vertreter der Bevölkerung wird auf ein Minimum herabgesetzt,
der Einfluß der Lehrerschaft, die bisher das freie Recht
der Wahl hatte, vollständig ausgeschaltet, dieses Recht nunmehr
aufgehoben und durch die Ernennung von Schulfachmännern durch
die Regierung ersetzt. Seit dem Jahre 1870, also bereits durch
ein halbes Jahrhundert, hatten die Lehrer die Möglichkeit,
ihre Vertreter in die Bezirksschulbehörden nach freier Wahl
zu entsenden. Nach einem halben mit dieser wichtigen Bestimmung
aufzuräumen und wieder das Ernennungsrecht der Regierung
an ihre Stelle zu setzen.
Aber interessant ist, daß die einzige
Errungenschaft aus der Umsturzzeit im Wege der Schulreform nunmehr
abgebaut wird. denn es sollen nun auch die Religionsvertreter
wieder in allen Orts-, Bezirks- und Landesschulräten Sitz
und Stimme haben, wobei es der Regierung überlassen bleibt,
die Zahl der Religionsvertreter nach Belieben zu vermehren. Dieser
Entwurf war aber auch vom nationalen Standpunkt aus restlos abzulehnen,
weil darin so schwere Bestimmungen enthalten waren, daß
die berechtigte Befürchtung bestand. daß in den Orts-
bzw. Bezirks- und Landesschulräten u. zw. selbst in der deutschen
Sektion des Landesschulrates eine èechische Mehrheit
vorhanden sein wird, daß also das deutsche Schulwesen restlos
ausgeliefert wird. Dazu kam noch eine Bestimmung, die von Haus
aus abgelehnt werden mußte. Sämtliche Mitglieder der
Landes-, Bezirks- und Ortsschulräte
sollten der èechischen Sprache mächtig sein, d. h.
mit anderen Worten, daß ein großer Kreis der Bevölkerung
und der Lehrerschaft von Haus aus von der Betätigung in diesen
Ortsschulräten und von der Wahl ausgeschlossen war. So also
sah der Entwurf einer nationalen Schulautonomie,
der im Ministerium Hodža
ausgearbeitet worden war, in Wirklichkeit aus. Und trotzdem schämten
sich die deutschen Regierungsparteien nicht, in ihren Zeitungen
unter großen Überschriften zu schreiben: "Die
Schulautonomie kommt". Die deutschen Regierungsparteien wollten
diesen Entwurf als einen besonderen Erfolg ihrer Tätigkeit
hinstellen. Es ist begreiflich, daß die Lehrerorganisation,
ja die ganze deutsche Öffentlichkeit sofort gegen eine derartige
Regelung der deutschen Schulverwaltung Sturm laufen mußte
und daß sie auf dem Standpunkt stand, es lieber bei dem
alten Zustand zu belassen, als das deutsche Schulwesen mit deutschen
Stimmen einer weitergehenden Verkürzung durch eine derartige
Reform zuzuführen.
In diesem Zusammenhang will ich auch mit einem
anderen Erfolg der deutschen Regierungsparteien auf dem Schulgebiete
aufräumen, der jetzt bei jeder Gelegenheit auch in den Versammlungen
draußen den dummgläubigen Wählern vorgesetzt wird,
nämlich die Behauptung, daß es auf dem Schulgebiete
bedeutend besser geworden sei, seitdem die deutschen Regierungsparteien
in der Regierung sitzen und zwar in der Weise, daß bereits
einige hundert neue Klassen aufgemacht worden sind. Auch Minister
Hodža hat ja im Budgetausschuß
darauf verwiesen, daß in Böhmen 398 Schulklassen im
letzten Jahre eröffnet wurden, hiervon 173 deutsche. In der
"Deutschen Presse" wie in der "Landpost" ist
gelegentlich sehr viel über diese Erfolge der Deutschen auf
dem Schulgebiete zu lesen. Ich stelle lediglich fest, daß
hier von einem Erfolge überhaupt nicht gesprochen werden
kann. Zunächst hatte das deutsche Schulwesen einen Tiefstand
durch die zahlreichen Drosselungen und Klassenauflassungen bereits
erreicht. Es war naturgemäß, daß durch die Vermehrung
der Kinderzahl - denn die Kriegsauswirkung kann jetzt bereits
bezüglich der Volksschulen als überwunden gelten - eine
Neuaufmachung von Schulklassen automatisch folgen mußte.
Dazu kam noch, daß nach § 5, Abs. 6 des Gesetzes vom
13. Juli 1922 die Kinderzahl in den Schulklassen von 80 im Rahmen
des kleinen Schulgesetzes, wie Sie wissen, bereits auf 60 herabgesetzt
worden war - in diesem Jahre beträgt die Ziffer 70 - was
gleichfalls automatisch dazu führt, daß eine Reihe
neuer Klassen aufgemacht werden muß. Es ist also nichts
damit, auf dem Schulgebiete mit großen Erfolgen zu prunken.
Im Gegenteil, wir müssen mit Besorgnis der Zukunft entgegensehen,
da zu befürchten steht, daß trotz der Teilnahme deutscher
Regierungsparteien deutsche Bürger- und Mittelschulen in
der nächsten Zeit, wie verlautet, weitgehend gedrosselt.
bezw. aufgelassen werden sollen. Wir hörten bereits gestern,
daß auch die sonstigen deutschen Schulforderungen auf dem
Hochschulgebiete bisher nicht erfüllt worden sind. Ich erinnere
in diesem Zusammenhang nur daran, daß auch die deutsche
Handelshochschule, die angeblich schon im Vorjahre hätte
errichtet werden sollen, bis heute nicht besteht und daß
auch die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen ist, daß
sie auch im nächsten Jahre nicht wird aktiviert werden können.
So also, meine sehr Verehrten, sehen die Erfolge
der deutschen Regierungspolitiker aus. Das bereitet allerdings
dem Herrn Windirsch und Genossen kein großes
Kopfzerbrechen. Denn sie machen ja nur èechoslovakische
Staatspolitik. Für den nationalen Gedanken
haben sie nichts mehr übrig, wie ja die Verhöhnung des
sudetendeutschen Freiheitskampfes durch Windirsch
klar und deutlich gezeigt hat. Wir hörten in der letzten
Zeit, daß er anläßlich der berüchtigten
Reise nach Belgrad für das èechische Schulwesen daselbst
eine Sammlung eingeleitet hat, gewiß ein Bild für Götter,
wenn wir dabei berücksichtigen und bedenken, daß er
für das deutsche Schulwesen in Jugoslavien wahrscheinlich
nichts unternommen hat und nichts dafür übrig hat. (Výkøiky
na levici.) So
also betrachten deutsche Regierungspolitiker den nationalen Gedanken,
von dem Masaryk gerade jetzt in Südmähren so
schöne Worte gefunden hat. "Die Liebe", sprach
Masaryk, "zum angestammten Boden, zur Muttersprache
und zu seinem Volke ist von Natur aus gegeben, berechtigt und
wertvoll." (Výkøiky.)
Ich will nicht darüber urteilen,
zu welchem Zwecke Masaryk diese schönen Worte gebraucht
hat, aber sie dienten lediglich dem Zwecke, die deutsche Öffentlichkeit
über die wirklichen Verhältnisse hinwegzutäuschen.
Aber es ist immerhin interessant, festzustellen, daß Masaryk,
obwohl er Realist, obwohl über diesen Dingen stehend, doch
immerhin das Bekenntnis zum nationalen Volkstum niemals verloren
hat, und diese Liebe zum angestammten Boden, zur Muttersprache,
zum Volke, als etwas durchaus Berechtigtes und Wertvolles ansieht.
Er sprach dann weiter in diesem Zusammenhang folgenden Satz aus:
"Die Rechte der nationalen Minderheiten zu hüten ist
ein verdienstvolles Werk. In der Republik dürfe niemand seiner
Nation beraubt werden. Dieser Grundsatz gilt für alle Nationen
in gleicher Weise." (Výkøky.) Worte,
schöne Worte, wenn er davon sprach, daß die Rechte
der nationalen Minderheiten gehütet werden müssen.
Wir fühlen uns als Hüter dieser Rechte unserer deutschen
Minderheit, während auf der anderen Seite die deutschen Regierungsparteien
diese wichtigen Rechte restlos preisgeben. Denn, meine Verehrten,
was soll man davon halten, wenn man gegenüber diesen erhebenden
Worten eines Masaryk jene Worte herausgreift und damit
vergleicht, welche der Führer des deutschen Landvolkes Køepek
bei der Tagung des Bundes der Landwirte in Leitmeritz, im Elbegau,
gesprochen hat? Er gab damals eine Übersicht über den
Entwicklungsgang des Aktivismus und wie es zum Eintritt in die
Regierung kam, anläßlich seiner Auseinandersetzungen
mit Švehla. Køepek
sagte damals: "Die nationalen Fragen sind für den Bund
der Landwirte von sekundärer Bedeutung, soferne sie nicht
überhaupt aus seinem Programme verschwinden". Das heißt
mit anderen Worten, daß für die Landwirte die nationale
Frage nichts bedeutet, dafür haben sie nichts mehr übrig,
die Standesinteressen, die Interessen der eigenen Tasche gehen
ihnen über alles. Es ist bezeichnend, wie ich erst jetzt
festgestellt habe, daß das Hauptorgan des Bundes der Landwirte,
die "Deutsche Landpost" in ihrem Berichte vom 31. Mai
diese Stelle unterschlagen hat, sie schämte sich wahrscheinlich
dieser Worte ihres Führers, die ihr doch gegen den Strich
gingen, bezw. die der Leserschaft die Augen geöffnet hätten.
Was sagen die deutschen Regierungsparteien
dazu, wenn Kramáø
in seiner letzten Rede in Laun ausdrücklich darauf verwiesen
hat, daß mit der Zugehörigkeit deutscher Parteien zur
Regierung in gar keiner Weise eine Änderung des Nationalstaatsgedankens
gegeben ist. Er sagte: "Die Deutschen allerdings müssen
wissen und wissen es auch gut, daß dieser Staat ein Nationalstaat
ist und bleiben wird und daß wir von diesem grundsätzlichen
Standpunkt nicht ablassen werden". Trotzdem also grundsätzlich
von Koalitionsparteien festgestellt wird, daß an dem Nationalstaatsgedanken
nicht zu rütteln ist, daß an den Grundlagen, auf denen
der Staat aufgebaut wird, auch in Zukunft nichts geändert
werden dürfe, trotzdem halten es die deutschen Regierungsparteien
nicht unter ihrer Würde, diesem Staate Vorspanndienste
zu leisten. Die Èechen können sich von diesem Gesichtspunkt
aus, bei Gott, freuen, wenn sie ihr Jubiläum demnächst
begehen, daß es ihnen gelungen ist, in dem kurzen Zeitraum
von 10 Jahren die Deutschen für ihre Zwecke einzuspannen,
daß ihnen gelungen ist, was sie sich vor 10 Jahren nicht
einmal im Traume vorgestellt hätten, sie ohne Gewährung
von Konzessionen in die Regierung hineinzubringen. Es wird ein
wunderbares Bild werden, bis diese Jubiläumsfestlichkeiten
nunmehr am 28. Oktober 1928 begangen werden, wenn die Deutschen
als Statisten dabei stehen werden, wenn Spina und Mayr-Harting
schweigen müssen, wenn das "Hrom a peklo"
gespielt werden wird. Es ist ein tragisches Geschick auf der anderen
Seite, wenn Deutsche bei einem solchen Henkerdienst noch
selbst mithelfen. Aber vielleicht war es für unsere zukünftige
Erhebung notwendig, daß wir auch durch diese tiefe Schmach
und Erniedrigung hindurchgehen müssen. Die Èechen
täuschen sich aber, wenn sie glauben, daß mit der Teilnahme
deutsch er Parteien an der Regierung auch zugleich die deutsche
Frage in diesem Staate erledigt ist. Sie bleibt nach wie vor bestehen,
ja, sie ist nach wie vor die Schicksalsfrage für diesen Staat.
Die Weltgeschichte geht weiter, unerbittlich und folgerichtig.
Sie macht auch vor der Èechoslovakischen Republik und ihren
großen Staatsmännern nicht halt. Über das Schicksal
dieses Staates in der Zukunft nachzudenken, ist weder meine Aufgabe,
noch die Aufgabe meiner Partei, wie überhaupt des sudetendeutschen
Volkes, zumal dieser Staat gegen dieses, gegen seinen Willen geschaffen
wurde. Es ist aber Sache der verantwortlichen Staatsmänner
dieser Republik, dafür zu sorgen und die Voraussetzungen
zu schaffen, daß dieser Staat dereinst vor dem Urteil der
Weltgeschichte in Ehren bestehen kann. Die deutschen Regierungsparteien
aber müssen mit der ganzen Verantwortlichkeit belastet werden,
wenn unser Volk aus der vorübergehenden Zugehörigkeit
zu diesem Staat durch ihre verhängnisvolle Politik an seinem
Volkstum schweren Schaden erleiden sollte. (Potlesk
poslancù nìm. strany národní.)