Støeda 27. èervna 1928

Das erinnert bis zu einem gewissen Grad an die Geschichte jenes Wunderrabbi, der sich an einem Freitag auf die Reise machte, das Reiseziel aber vor dem Samstag nicht erreichen konnte, am Samstag nach den Geboten Gottes nicht reisen dürfte, die Fahrt aber um jeden Preis fortsetzen wollte und dabei darauf bestand, die Gebote Gottes über die Heiligung des Samstag mit seinem profanen Reiseprogramm in Einklang zu bringen. Und siehe da: der Rabbi hat dies - da er eben ein Wunderrabi war - wirklich zuwege gebracht. Denn während er die Reise fortsetzte, war wohl inzwischen bereits Samstag geworden, links von ihm Samstag, rechts von ihm Samstag, vor ihm, hinter ihm Samstag, unter und über ihm Samstag, nur dort, wo der Rabbi mit seinem Fuhrwerk einherfuhr, ist es immer Freitag geblieben und zwar so lange, bis er sein Reiseziel erreichte. (Veselost.) Auch der an der Spitze unserer Regierung stehende Wunderprälat möchte sich seine Jubiläumsfreuden nicht verderben lassen und seine national-patriotischen Gefühle mit der ungestörten und ungetrübten Verwirklichung seines reaktionären Programmes in harmonischen Zusammenklang bringen. Und darum möchte er, daß links von ihm Jubiläum, rechts von ihm Jubiläum, vorn und hinten Jubiläum, kurz überall nichts als Jubiläum sein soll, während dabei gleichzeitig überall, wo er mit seinem èechisch-deutschen Troß einherfährt, oder besser gesagt dreinfährt, kommuner politischer Werktag sein soll, der ihm gestattet, die Rechte der Arbeiterklasse, ihre sozialpolitischen Errungenschaften niederzutrampeln, mit Hilfe deutscher Parteien durch das miserabelste aller Finanzgesetze die in jahrzehntelanger, mühsamer Aufbauarbeit geschaffenen kulturellen und sozialen Einrichtungen der deutschen Bevölkerung einfach auszutilgen, und soweit dies auf diesem Wege noch nicht gelungen sein sollte, mit Hilfe der Verwaltungsreform der Bevölkerung zu entwenden und in bürokratische Obhut zu geben. Was dem Wunderrabbi gelungen ist, wird der Wunderprälat kaum meistern können.

Doch noch ein weiteres Moment soll in diesem Zusammenhang erörtert werden. Wieder wird in jüngster Zeit mit dem Worte "Demokratie" von den Koalitionsparteien und ihrer Presse tüchtig herumjongliert. Vor einigen Wochen hat es Herr Minister Spina in seiner Karlsbader Rede getan, in der er glaubte, den sozialistischen Parteien eine Moralpauke über Demokratie halten zu können und in der er auseinandersetzte, daß derjenige, der auf dem Boden der Demokratie stehe, sich auf den Boden der Mehrheit stellen und Mehrheitsbeschlüsse anerkennen müsse. Der Herr Minister hat bei seiner Betrachtung nur eines übersehen, daß eine Mehrheit nur dann als solche respektiert werden kann, wenn sie wirklich eine ist. Daß dies aber längst nicht mehr für den deutsch èechischen Bürgerblock gelte, dem selbst der genialste Mathematiker eine Mehrheit innerhalb der Bevölkerung nicht zu errechnen vermag. Aber auch vom "Venkov" bekommen wir eine Lektion über Demokratie, als deren Quintessenz auch die Verwaltungsreformnovelle hingestellt wird. Ich will nicht längst Vergangenes wieder aufrollen. Dazu fehlt es mir heute an der nötigen Zeit. Ich werde heute auch die ungezählten Faustschläge, die der Demokratie im Laufe des letzten Jahrzehnt gerade in diesem Lande versetzt wurden und die mir die Freude an der sogenannten èechoslovakischen Demokratie gründlich ausgetrieben haben, ruhig übergeben. Auch über die Hinrichtung, die die Selbstverwaltung des Volkes durch die Aktivierung der Verwaltungsreform erfahren wird, will ich nicht sprechen, sondern nur an der Hand der Novelle, die heute zur Verhandlung steht, aufzeigen, was man alles in diesem Lande und vor allem seitens der deutsch-èechischen Blockmehrheit als Demokratie auszugeben sich getraut und was der "Venkov" als demokratische Großtat ausruft. So wird es als Ausfluß der Demokratie gepriesen, daß die Verwaltungsreform in der Slovakei durchgeführt, in den Sudetenländern nicht durchgeführt wird. Es soll Demokratie sein, wenn in den Sudetenländern die bisher ernannten Kommissionen ohne Präsidenten weiterfunktionieren, in Karpathorußland ein Präsident ohne ernannte Kommissionen, in der Slovakei ein Präsident mit einer zu ernennenden Kommission, es soll Demokratie sein, wenn in den Sudetenländern zuerst gewählt und die neue Verwaltung dann erst konstituiert, in der Slovakei zuerst konstituiert und dann erst gewählt, in Karpathorußland zuerst konstituiert, dann aber der in der Verfassung vorgesehenen Landtag überhaupt nicht eingesetzt und auch nicht gewählt wird.

Das soll alles Demokratie sein. Es wird einem direkt schon etwas zu bunt im Schädel, um das alles im harmonischen Einklang zu bringen. (Veselost na levici.) Es soll Demokratie sein, wenn bis zum 1. Dezember in den Sudetenländern die bereits ernannten Kommissionen im Amte bleiben, es ist Demokratie, wenn in der Slovakei jetzt neue Kommissionen ernannt werden und es ist Demokratie, wenn in Karpathorußland überhaupt keine Kommission ernannt wird. Da steht alles in den vier Zeilen. Es soll Demokratie sein, wenn man in den Sudetenländern die Wahlen verschiebt, weil die Bevölkerung heute schon an der Landesverwaltung beteiligt ist, in der Slovakei die Wahlen ausschreibt, weil die Bevölkerung durch Einsetzung einer neuen Kommission erst beteiligt werden wird und es ist Demokratie, weil die Bevölkerung in Karpathorußland ohnedies an der Verwaltung nicht beteiligt ist. Das wird alles mit der Marke der Demokratie präsentiert. Es soll Demokratie sein, wenn man in den Sudetenländern, wie es im Motivenbericht heißt, die Wünsche der Bevölkerung berücksichtigt, es ist aber auch Demokratie, wenn in der Slovakei und Karpathorußland die Wünsche der Bevölkerung nicht berücksichtigt werden. Das ist alles Demokratie. Ich muß förmlich den Atem anhalten, um dieses Übermaß an Demokratie Ihnen plastisch vor Augen führen zu können. (Výkøiky na levici.) Es soll Demokratie sein, wenn man, um den Bürgerblock zu retten und auf das bloße Diktat einer einzigen Koalitionspartei hin die Verwaltungsreform, deren Quintessenz doch die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verwaltung ist, einfach nicht in Wirksamkeit treten läßt und den ganzen Verwaltungs- und Staatsapparat in ein Chaos verwandelt und die Interessen des Landes und der gesamten Bevölkerung aufs schwerste schädigt. Nun fragen wir, hohes Haus, wo gäbe es außerhalb unseres Landes noch eine Bevölkerung, die in solches Gaukelspiel mit Menschenschicksal und Völkerinteressen einfach so ruhig hinnehmen würde? Das hat der Berichterstatter der "Národní Listy" sehr gut begriffen und darum seiner Verwunderung darüber Ausdruck gegeben, daß an dem Tag der Präsentierung der Novelle niemand mit den Wimpern gezuckt hat und daß auch noch dieses Husarenstück des Bürgerblocks von den beiden Kammern ruhig hingenommen wurde. Doch die Regierungsparteien und vor allem die Regierungsdeutschen sind schlecht beraten, wenn sie darin einen neuen Freibrief für die Zukunft erblicken, sie sind schlecht beraten, wenn sie daraus irgendwelche Schlüsse auf die Stimmung der Bevölkerung ziehen würden. In Wirklichkeit gährt es in der Bevölkerung ganz ungeheuer. Die fortgesetzten Attentate auf die Arbeiterklasse wurden bereits bei den letzten Gemeindewahlen von der Wählerschaft mit schwersten Stimmenrückgängen der Koalitionsparteien vor allem der deutschen christlichsozialen Partei, quittiert. Inzwischen hat sich auch noch das Gemeindefinanzgesetz ausgewirkt, das die gesamte autonome Verwaltung des Landes in einen Schutthaufen verwandelt hat. So sind es heute nicht nur die arbeitenden Schichten allein, die sich gegen die deutschen Regierungsparteien auflehnen, sondern es sind heute auch die Klassengenossen und Parteigänger der Parteien des Bürgerblocks, die nun auch zu meutern beginnen und ganz offen in den Gemeinden- und Bezirksverwaltungen an den Protestkundgebungen aller anderen Parteien teilnehmen. Wir haben das alles vorausgesehen, wir haben es vorausgesagt: von der ersten Stunde an, waren die deutschen Regierungsparteien und ihre Exponenten nichts als willenlose Werkzeuge der Machthaber dieses Staates. Aus Angst, aus dem Paradiese vertrieben zu werden, haben sie sich jedem Wunsche der èechischen Koalitionsparteien gefügt, sich jeden Wunsch zueigen gemacht und, wie ein èechisches klerikales Blatt einmal schrieb, den èechischen Koalitionsparteien jeden Wunsch von den Augen abgelesen und blindlings erfüllt. Sie haben der deutschen Bevölkerung in ihrem Ringen um die kulturelle und soziale Selbstverwaltung nicht nur keine Waffendienste geleistet, sondern sind ihr dabei immer und immer wieder in den Rücken gefallen. Sie haben ruhig zugesehen, wie die nationale Selbstverwaltung der deutschen Bevölkerung durch die Verwaltungsreform und das Gemeindefinanzgesetz nach allen Regeln der Kunst stranguliert wurde und haben die Warnungsrufe, die aus dem deutschen Lager kamen, vollständig überhört. Sie haben ruhig und müßig zugesehen, ohne daraus etwas zu lernen, ohne daraus gewisse Schlußfolgerungen für sich selbst zu ziehen, wie die Slovaken durch zähes und hartnäckiges Festhalten an ihren Forderungen, durch ihr unerschrockenes Ringen um die Landesautonomie das ganze Staatsgefüge förmlich aus den Angeln gehoben, der ganzen Staatsverwaltung, wie man es gerade bei dieser Novelle sieht, ihr Gepräge, ihren Stempel aufgedrückt haben. Sie haben nichts getan, um auch die Forderungen der deutschen Bevölkerung mit dem notwendigen Nachdruck zur Geltung zu bringen und haben zweifellos günstige politische Situationen ungenützt verstreichen lassen, anstatt sie für die deutsche Bevölkerung nutzbar zu machen. Sie, die deutschen aktivistischen Parteien, glaubten, daß es vollkommen genüge, in die Ministersessel zu gleiten und alles weitere der Entwicklung der so heiß angebeteten Atmosphäre anheimzugeben, den lieben Herrgott schalten und walten zu lassen und jeden Sonnenstrahl, der daher kam, jeden günstigen Börsenkurs und jedes freundliche Lächeln, jedes freundliche Nasenloch des Herrn Dr Kramáø auf das aktivistische Konto zu buchen. Man lese doch die Rede, die der Vorsitzende des Klubs des Bundes der Landwirte Ende Mai in Liebenau hielt, also vor ganzer kurzer Zeit. und die in einem grandiosen Hymnus auf die Koalition und auf den Aktivismus ausklingt. Es heißt dort: Durch den Eintritt der Deutschen in die Regierung habe die wirtschaftliche und politische Entwicklung einen beharrlichen Aufstieg genommen. Diesem Eintritt sei die Wirtschaftskonjunktur und die geringe Arbeitslosigkeit, die Hebung des Verkehrs und die Entwicklung des Geldmarktes, die unbedingte Wertfestigkeit der Krone, die Herabsetzung des Zinsfusses, die Aktivität der Handelsbilanz und die Verringerung der Steuerlasten zu verdanken. Welch eine herrliche Bilanz, als deren Hauptpost tatsächlich die Steuerherabsetzung hervorgehoben zu werden verdient, bei der die Herren Aktivisten der deutschen kapitalistischen Bourgeoisie einen Erfolg eingebracht haben, allerdings auf Kosten der übrigen Bevölkerungsschichten, die nun durch vermehrten Steuerdruck, durch vermehrte Steuerlasten aufzubringen bemüssigt sind, was man den deutschen aktivistischen Parteien geschenkt hat. Aber der Abg. Windirsch weiß, daß sich, seitdem er seine Rede gehalten hat, so manches in diesem Lande ereignet hat. Die Wirtschaftskonjunktur, die nach der Auffassung des Herrn Windirsch auch heute noch besteht, hat längst schon den Zenitpunkt überstiegen und ist bereits sehr wesentlich im Abflauen begriffen. Ganze Wirtschaftszweige, ich erwähne die Textilindustrie, die Flachsindustrie, die Zuckerindustrie stehen vor den schwersten Krisen. Der Zuckerexport, der Stolz der èechoslovakischen Handelsbilanz, hat von England her einen geradezu tödlichen Schlag erhalten. Kann der Schlag nicht wettgemacht werden, so bedeutet dies die schwersten Erschütterungen der Handelbilanz mit allen sich daraus für die gesamte Wirtschafts- und Währungspolitik ergebenden katastrophalen Auswirkungen. Dazu kommt noch eine ganze Reihe anderer Momente, die zusammen mit den vorangeführten für die nächste Zeit keine allzurosige Wirtschaftsprognose gestatten und die in der Beurlaubung und formgerechten Demission des Herrn Finanzministers, dieser ragenden und tragenden Säule der èechoslovakischen Finanzwirtschaft, ihren stärksten und geradezu symbolischen Ausdruck finden.

Wird der Aktivismus - fragen wir - da sich in wirtschaftlicher Hinsicht das Blattscharf gewendet hat, auch die Krisenerscheinungen der èechoslovakischen Volkswirtschaft aufs sein Konto zu setzen bereit sein? Identifiziert sich Herr Abg. Windirsch mit den in der Nummer der christlichsozialen "Deutschen Presse" vom 24. d. M. gemachten Feststellungen, daß die innerpolitischen und zum Teil auch wirtschaftlichen Verhältnisse auch unseres Landes keineswegs so konsolidiert sind, daß man sich den Luxus allzu starken Selbstbewußtseins und allzu selbstbewußten Auftretens gestatten dürfte?

So löst sich denn alles um den Aktivismus herum in leeren Dunst auf. In weiter Flur ist nichts von aktivistischen Erfolgen zu sehen und es bleibt, wenn man die von den Herren Spina und Mayr-Harting aufgetragene Tünche wegkratzt, nichts übrig als das große Verbrechen, nichts übrig als die zahllosen Attentate, die der Bürgerblock als Ganzes und seine deutschen Bestandteile im besonderen an der gesamten Bevölkerung des Landes, vor allem aber an der Arbeiterklasse begangen haben. Alle diese Verbrechen heischen ihre Sühne. Mögen sich die deutschen und èechischen Regierungsparteien heute noch an dem Strohhalm der Jubiläumsfeierlichkeiten klammern, mögen sie sich auch noch eine letzte Galgenfrist erwirken; im Endeffekt wird ihnen auch diese Kampferinjektion nichts nützen. Der Zerfall des Bürgerblocks schreitet unhaltsam fort, er ist heute schon ein lebender Leichnam und wird sehr bald der Vergangenheit angehören. Und wie anderwärts, so werden ihn auch in unserem Lande die sozialdemokratischen Parteien zu Boden werfen, als Vollstrecker des Willens aller arbeitenden Schichten dieses Landes. (Souhlas a potlesk poslancù nìm. a èsl. soc. dem. strany dìlnické.)

2. Øeè posl. dr Schollicha (viz str. 32 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Es darf Sie nicht verwundern, wenn ich mich für diesen Gegenstand auf der Pro-Seite habe eintragen lassen, aus der einfachen Erwägung heraus, daß meine Partei der Verschiebung der Verwaltungsreform zustimmt, jener Reform, die wir schon seinerzeit bei der Beratung auf das schärfste bekämpft haben, deren schwere Fehler wir damals aufzeigten, wobei wir ausführlich auseinandersetzten, daß die neue Verwaltungsreform die Demokratie, die Mitbeteiligung der Bevölkerung an der staatlichen Verwaltung durchaus einschränkt, ja, geradezu aufhebt, die ganze Macht in die Hände der Beamten legt und damit eine Bürokratie züchtet und allmächtig macht, die sich über alle Vorschriften leicht hinwegsetzen kann. Die Möglichkeit der Verwässerung des freien Willens der Bevölkerung, die durch die Wahlen schon gegeben ist, wurde ja noch weitestgehend durch die Ernennung von einem Drittel der Vertreter gegeben. Wir haben damals auch vom nationalen Standpunkte aus die Vorlage bekämpfte, u. zw. vor allem auch deshalb, weil darin Schlesien, das der Mehrheit der Bevölkerung nach doch deutsch ist, einer èechischen Mehrheit von Mähren Schlesien ausgeliefert wurde, was ja nur den Zweck haben konnte, die Èechisierung dieses Landes rascher durchzuführen.

Wenn wir also damals alle diese schweren Mängel aufzeigten und das Gesetz bekämpften, so müssen wir logischer Weise - und Koll. Keibl hat das gestern ausgeführt heute wohl auch, wenn nicht für die Vorlage, so doch für die Verschiebung der Verwaltungsreform auf einen späteren Zeitpunkt stimmen. Vorläufig soll sie bis zum 1. Dezember verschoben werden, wenn wir auch nicht wissen, warum ausgerechnet dieser Zeitpunkt gewählt wurde und warum für die Slovakei der 1. Juli vorgesehen wird. Man gewinnt unwillkürlich den Eindruck, daß die Slovaken an das Inkrafttreten der Verwaltungsreform überhaupt nicht glauben und daß sie wenigstens für die Slovakei die Vorteile des Gesetzes durchsetzen wollen, daß ihnen die Slovakei überliefert werde. Sie wollen sich hier die restlose Herrschaft sichern, was immer sonst später aus der Verwaltungsreform herauskommen möge.

Der Gedanke, daß die Regierungsparteien die Verwaltungsreform in der vorliegenden Form für undurchführbar halten und sie infolgedessen jetzt binausschieben und dadurch Zeit gewinnen wollen, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber auch dieser Gedanke hat für die deutsche Nationalpartei nichts Erschreckendes. Denn wenn wir infolge ihrer Mängel dafür sind, daß sie verschoben werde, können wir, wie Koll. Keibl gestern richtig sagte, auch gleich dafür sein, daß sie ad infinitum verschoben werde. Allerdings müssen wir uns dann fragen, was an ihre Stelle zu treten hat und ob nicht eigentlich die Regierung daran gehen sollte, ein Gesetz zu schaffen, wodurch der Einfluß der Bevölkerung auf die Verwaltung in einer weitgehenden Form, u. zw. im demokratischen Sinne gesichert wird. Die alten Landtage und die alten Bezirksverwaltungen wurden gesetzlich aufgehoben, bestehen also gesetzlich nicht mehr. An ihre Stelle trat seinerzeit die Gauverfassung. Da sie nicht durchgeführt wurde, wurden inzwischen Verwaltungskommissionen ganz willkürlich durch die Aufsichtsbehörden bestellt. Sie sollten nur als Provisorien gelten. Wie im alten Österreich ist auch hier wieder zur Wahrheit geworden, daß Provisorien gewöhnlich sehr lange dauern. So dauern auch jetzt diese Verwaltungskommissionen bereits 7 und 8 Jahre und wir wissen nicht, ob sie durch eine neue Reform endlich abgelöst werden. Denn wenn jetzt die Verwaltungsreform wieder hinausgeschoben und vielleicht zur Wahrheit wird, was behauptet wird, daß sie überhaupt nicht in dieser Reform in Wirksamkeit treten soll, müssen wir als Vertreter des Volkes endlich verlangen, daß hier Ordnung gemacht und ein vernünftiges Gesetz geschaffen werde, das wirklich demokratisch der Bevölkerung Anteil an Verwaltung und Macht gibt. Denn wir können heute mit Fug und Recht behaupten, daß wir vergleichsweise gegenüber dem alten Polizeistaate Österreich-Ungarn viel weniger demokratische Einrichtungen besitzen.

Die vorliegende Novelle, die eine Verschiebung der Verwaltungsreform vorläufig bis zum 1. Dezember vorsieht, ist ein Musterbeispiel dafür, wie hierzulande Gesetze gemacht werden. Man prüft nicht, ob dies zu diesem Zeitpunkte alles soweit vorbereitet sein wird, um das Gesetz durchführen zu können, genau so wenig, wie man die Bedenken und die Verbesserungsanträge der Opposition gelten läßt, die es gewiß nicht an Anträgen fehlen ließ. Durch die brutale Vergewaltigung der Minderheit, durch eine knechtisch ergebene Mehrheitsmaschine werden einfach die Gesetze so erzwungen, wie sie irgend ein Beamter im Ministerium ausarbeitet und wie sich die Bürokratie vornimmt, sie durchzusetzen. Die Regierungsparteien folgen blindlings den Diktaten, um gewöhnlich dann ein paar Monate später darauf zu kommen, daß es so denn doch nicht geht, daß die Opposition mit ihrem Bedenken Recht gehabt hat. Das vorliegende Gesetz ist eine vollständige Blamage für die jetzige Regierungskoalition. (Posl. Horpynka: Nicht die erste und nicht die letzte!) Ganz richtig, nicht die erste, weil wir ihrer schon mehrere erlebt haben, und nicht die letzte, weil die Herren nichts lernen und nichts lernen wollen, weil sie die wertvollen Kräfte, die in der Opposition vorhanden sind, nicht zu verwerten und zu schätzen wissen.

Die Gründe, die heute zur Verschiebung angeführt werden, sind lediglich Scheingründe. Am wahrscheinlichsten ist wohl noch der Einwand, daß sich ein Widerstand im eigenen Lager bemerkbar macht, aus der Erkenntnis über die verderblichen Wirkungen der Verwaltungsreform. Es war ja jedenfalls ein Bild für Götter, als bei der Tagung des Verbandes der deutschen Selbstverwaltungskörper in der Zeit vom 18. bis 20. Mai in Trautenau bei der Hauptversammlung am 19. Mai ausgerechnet der Obmann des Bundes der Landwirte Peterle einen Vortrag über die Auflösung der autonomen Vertretungsbezirke hielt und hier über die Verwaltungsreform eigentlich ein recht abfälliges Urteil fällte. Er sagte z. B. u. a.: "Staatsbeamte, die bisher nie etwas mit wirtschaftlicher Verwaltung zu tun hatten, werden nun Verfügungen von wirtschaftlicher und finanzieller Tragweite zu treffen haben; es ist sehr zu befürchten, daß es zu Mißgriffen und zu schwerwiegenden Unterlassungen und zur Schädigung der Landes- und Bezirksinteressen kommen muß." Genau so, wie wir dies vorausgesagt haben. Er sagt weiter: "Einen Einfluß der künftigen Landes- und Bezirksvertretungen auf die hoheitliche Verwaltung kennt das Gesetz über die Verwaltungsreform überhaupt nicht. Was darüber hie und da in der Öffentlichkeit geredet wird, ist unrichtig." (Posl. dr Lehnert: Siehe Windirsch!) Ja, Windirsch, "Landpost" "Deutsche Presse" u. a. mehr, welche von der großen Bedeutung und dem Gewichte der Persönlichkeiten, die da in diese Bezirks- und Landesvertretungen gewählt werden, so oft und so schön ihren Wählern erzählt haben. "Den Bezirksvertretungen, bzw. den Bezirksausschüssen wird künftig von ihrem bisherigen Wirkungskreise eigentlich nur die Verwaltung des Bezirksvermögens und die Aufsicht über die Gemeinden zustehen. Sonst verlieren sie jede Entscheidungs- und Verfügungsmacht und werden auch aus dem Instanzenzuge ganz ausgeschaltet, der künftig durch die staatlichen Bezirks- und Landesämter gehen wird."

Und in dieser Tonart geht es weiter, und der Mann fühlt nicht, wie er sich selbst und seine eigenen Parteigenossen abohrfeigt, die dieses Gesetz trotz den Warnungen beschlossen haben. Der Widerstand in den eigenen Reihen nimmt zu, es gibt, wie man hört, offene und geheime Revolten, u. zw. auf deutscher wie auf èechischer Seite, und weil das eben die Jubiläumsfeierlichkeiten etwas stört, weil das die Stimmung gründlich verdirbt, genau so wie die Frage der Sozialversicherung, will man vorläufig die Durchführung der Verwaltungsreform verschieben und hofft auf bessere Zeiten.

Da wirft sich unwillkürlich die Frage auf, wenn die ganze Gesetzgebungsmaschine durch die Jubiläumsfeierlichkeiten aufgehalten wird und wenn die einzelnen Parteien hier das ganze Jahr über schon unter dem Druck dieser Jubiläumsfeierlichkeiten stehen und sich dadurch wesentlich beeinflussen lassen, ob es überhaupt zweckmäßig und vom Vorteil für den Staat und die Staatsmaschinerie war, das zehnjährige Bestandfest schon jetzt zu feiern. Sie wissen, daß wir in der vorigen Woche eine Regierungsvorlage, Druck Nr. 1591, beschlossen haben, wonach für Widmungen zur Feier des zehnjährigen Bestandes der Èechoslovakischen Republik die Befreiung von Stempeln, Gebühren und der Bereicherungssteuer ausgesprochen wurde. Wenn also im Jahre 1928 Lebende aus ihrer großen patriotischen Begeisterung und zur Feier des zehnjährigen Bestandes Widmungen oder Stiftungen zu Unterrichts-, Wohltätigkeits-, und Humanitätszwecken machen, so werden diese Stiftungen von den Gebühren und der Bereicherungssteuer befreit. Das will wohl sagen, daß man seitens der Regierung erwartet, daß die patriotische Begeisterung im heurigen Jahr so überschäumen wird, daß die Vaterlandsliebe eine derartige Opferwilligkeit hervorbringen wird, daß reiche Spenden und Widmungen einfließen werden. Nun, ich glaube, die Voraussetzungen werden sich wahrscheinlich nicht erfüllen. Es wäre besser gewesen, man hätte etwas länger mit dem Staatsjubiläum zugewartet, denn 10 Jahre sind bei Gott kein Anlaß, um diese Staatsbildung festlich zu begehen. Für irgend einen humanitären Verein, für irgend einen wirtschaftlichen Verein, sei es ein Hundezucht- und Bienenzuchtverein und dgl. mehr, mag immerhin der Bestand v n 10 Jahren ein Ereignis zur Feier sein. Fabriken und wirtschaftliche Unternehmungen warten damit gewöhnlich ein Vierteljahrhundert, in der Ehe feiert man den Bestand, wie Sie wissen, erst mit 25, 50 und auch 75 Jahren. Bei Staaten allerdings ist etwas Ungewöhnliches, wenigstens war es früher so, Bestandsfeierlichkeiten schon nach 10 Jahren durchzuführen. (Výkøiky posl. dr Lehnerta.) Durch die Friedensverträge von Saint Germain und Versailles wurde auf dem Boden Europas eine Reihe von Staaten geschaffen, auf dem Boden Österreich-Ungarns die Nachfolgestaaten, welche wahrscheinlich ihre unsichere Grundlage fühlen und infolgedessen fürchten, daß sie wahrscheinlich die weiteren 10 Jahre nicht überleben werden. Zu diesen Staaten gehört ohne Zweifel auch die Èechoslovakei. Über ihre Grundlagen sind wir nachgerade durch verschiedene Veröffentlichungen über die Friedenskonferenz durch Beneš selbst hinreichend unterrichtet. Und wir wissen, daß tatsächlich diese Grundlagen außerordentlich unsicher sind, weil Verrat, Lug, Trug und Niedertracht niemals eine feste Grundlage für einen Staat bilden. Andererseits aber zeigt es sich, daß die Weltgeschichte von sittlichen Idealen beherrscht wird und daß unrecht Gut niemals gedeiht, daß das Schlechte den Kern des Verfalles in sich trägt. Es scheint also, wenn fortzeugend Böses Böses gebären muß, daß die Staaten tatsächlich ein gewisses Angstgefühl besitzen und daß sie infolgedessen diese kurze Spanne Zeit, die ja im Leben eines Volkes und eines Staates gar nichts bedeutet, schon als geeignet zu einer Feierlichkeit betrachten.


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