Das erinnert bis zu einem gewissen Grad an
die Geschichte jenes Wunderrabbi, der sich an einem Freitag auf
die Reise machte, das Reiseziel aber vor dem Samstag nicht erreichen
konnte, am Samstag nach den Geboten Gottes nicht reisen dürfte,
die Fahrt aber um jeden Preis fortsetzen wollte und dabei darauf
bestand, die Gebote Gottes über die Heiligung des Samstag
mit seinem profanen Reiseprogramm in Einklang zu bringen. Und
siehe da: der Rabbi hat dies - da er eben ein Wunderrabi war -
wirklich zuwege gebracht. Denn während er die Reise fortsetzte,
war wohl inzwischen bereits Samstag geworden, links von ihm Samstag,
rechts von ihm Samstag, vor ihm, hinter ihm Samstag, unter und
über ihm Samstag, nur dort, wo der Rabbi mit seinem Fuhrwerk
einherfuhr, ist es immer Freitag geblieben und zwar so lange,
bis er sein Reiseziel erreichte. (Veselost.)
Auch der an der Spitze unserer Regierung
stehende Wunderprälat möchte sich seine Jubiläumsfreuden
nicht verderben lassen und seine national-patriotischen Gefühle
mit der ungestörten und ungetrübten Verwirklichung seines
reaktionären Programmes in harmonischen Zusammenklang bringen.
Und darum möchte er, daß links von ihm Jubiläum,
rechts von ihm Jubiläum, vorn und hinten Jubiläum, kurz
überall nichts als Jubiläum sein soll, während
dabei gleichzeitig überall, wo er mit seinem èechisch-deutschen
Troß einherfährt, oder besser gesagt dreinfährt,
kommuner politischer Werktag sein soll, der ihm gestattet, die
Rechte der Arbeiterklasse, ihre sozialpolitischen Errungenschaften
niederzutrampeln, mit Hilfe deutscher Parteien durch das miserabelste
aller Finanzgesetze die in jahrzehntelanger, mühsamer Aufbauarbeit
geschaffenen kulturellen und sozialen Einrichtungen der deutschen
Bevölkerung einfach auszutilgen, und soweit dies auf diesem
Wege noch nicht gelungen sein sollte, mit Hilfe der Verwaltungsreform
der Bevölkerung zu entwenden und in bürokratische Obhut
zu geben. Was dem Wunderrabbi gelungen ist, wird der Wunderprälat
kaum meistern können.
Doch noch ein weiteres Moment soll in diesem
Zusammenhang erörtert werden. Wieder wird in jüngster
Zeit mit dem Worte "Demokratie" von den Koalitionsparteien
und ihrer Presse tüchtig herumjongliert. Vor einigen Wochen
hat es Herr Minister Spina in seiner Karlsbader Rede getan,
in der er glaubte, den sozialistischen Parteien eine Moralpauke
über Demokratie halten zu können und in der er auseinandersetzte,
daß derjenige, der auf dem Boden der Demokratie stehe, sich
auf den Boden der Mehrheit stellen und Mehrheitsbeschlüsse
anerkennen müsse. Der Herr Minister hat bei seiner Betrachtung
nur eines übersehen, daß eine Mehrheit nur dann als
solche respektiert werden kann, wenn sie wirklich eine
ist. Daß dies aber längst nicht mehr für den deutsch
èechischen Bürgerblock gelte, dem selbst der genialste
Mathematiker eine Mehrheit innerhalb der Bevölkerung nicht
zu errechnen vermag. Aber auch vom "Venkov" bekommen
wir eine Lektion über Demokratie, als
deren Quintessenz auch die Verwaltungsreformnovelle hingestellt
wird. Ich will nicht längst Vergangenes wieder aufrollen.
Dazu fehlt es mir heute an der nötigen Zeit. Ich werde heute
auch die ungezählten Faustschläge, die der Demokratie
im Laufe des letzten Jahrzehnt gerade in diesem Lande versetzt
wurden und die mir die Freude an der sogenannten èechoslovakischen
Demokratie gründlich ausgetrieben haben, ruhig übergeben.
Auch über die Hinrichtung, die die Selbstverwaltung des Volkes
durch die Aktivierung der Verwaltungsreform erfahren wird, will
ich nicht sprechen, sondern nur an der Hand der Novelle, die heute
zur Verhandlung steht, aufzeigen, was man alles in diesem Lande
und vor allem seitens der deutsch-èechischen Blockmehrheit
als Demokratie auszugeben sich getraut und was der "Venkov"
als demokratische Großtat ausruft. So wird es als Ausfluß
der Demokratie gepriesen, daß die Verwaltungsreform in der
Slovakei durchgeführt, in den Sudetenländern nicht durchgeführt
wird. Es soll Demokratie sein, wenn in den Sudetenländern
die bisher ernannten Kommissionen ohne Präsidenten weiterfunktionieren,
in Karpathorußland ein Präsident ohne ernannte Kommissionen,
in der Slovakei ein Präsident mit einer zu ernennenden Kommission,
es soll Demokratie sein, wenn in den Sudetenländern zuerst
gewählt und die neue Verwaltung dann erst konstituiert, in
der Slovakei zuerst konstituiert und dann erst gewählt, in
Karpathorußland zuerst konstituiert, dann aber der in der
Verfassung vorgesehenen Landtag überhaupt nicht eingesetzt
und auch nicht gewählt wird.
Das soll alles Demokratie sein. Es wird einem
direkt schon etwas zu bunt im Schädel, um das alles im harmonischen
Einklang zu bringen. (Veselost na levici.)
Es soll Demokratie sein, wenn bis
zum 1. Dezember in den Sudetenländern die bereits ernannten
Kommissionen im Amte bleiben, es ist Demokratie, wenn in der Slovakei
jetzt neue Kommissionen ernannt werden und es ist Demokratie,
wenn in Karpathorußland überhaupt keine Kommission
ernannt wird. Da steht alles in den vier Zeilen. Es soll Demokratie
sein, wenn man in den Sudetenländern die Wahlen verschiebt,
weil die Bevölkerung heute schon an der Landesverwaltung
beteiligt ist, in der Slovakei die Wahlen ausschreibt, weil die
Bevölkerung durch Einsetzung einer neuen Kommission erst
beteiligt werden wird und es ist Demokratie, weil die Bevölkerung
in Karpathorußland ohnedies an der Verwaltung nicht beteiligt
ist. Das wird alles mit der Marke der Demokratie präsentiert.
Es soll Demokratie sein, wenn man in den Sudetenländern,
wie es im Motivenbericht heißt, die Wünsche der Bevölkerung
berücksichtigt, es ist aber auch Demokratie, wenn in der
Slovakei und Karpathorußland die Wünsche der Bevölkerung
nicht berücksichtigt werden. Das ist alles Demokratie. Ich
muß förmlich den Atem anhalten, um dieses Übermaß
an Demokratie Ihnen plastisch vor Augen führen zu können.
(Výkøiky na levici.)
Es soll Demokratie sein, wenn man,
um den Bürgerblock zu retten und auf das bloße Diktat
einer einzigen Koalitionspartei hin die Verwaltungsreform, deren
Quintessenz doch die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verwaltung
ist, einfach nicht in Wirksamkeit treten läßt und den
ganzen Verwaltungs- und Staatsapparat in ein Chaos verwandelt
und die Interessen des Landes und der gesamten Bevölkerung
aufs schwerste schädigt. Nun fragen wir, hohes Haus, wo gäbe
es außerhalb unseres Landes noch eine Bevölkerung,
die in solches Gaukelspiel mit Menschenschicksal und Völkerinteressen
einfach so ruhig hinnehmen würde? Das hat der Berichterstatter
der "Národní Listy"
sehr gut begriffen und darum seiner Verwunderung darüber
Ausdruck gegeben, daß an dem Tag der Präsentierung
der Novelle niemand mit den Wimpern gezuckt hat und daß
auch noch dieses Husarenstück des Bürgerblocks von den
beiden Kammern ruhig hingenommen wurde. Doch die Regierungsparteien
und vor allem die Regierungsdeutschen sind schlecht beraten, wenn
sie darin einen neuen Freibrief für die Zukunft erblicken,
sie sind schlecht beraten, wenn sie daraus irgendwelche Schlüsse
auf die Stimmung der Bevölkerung ziehen würden. In Wirklichkeit
gährt es in der Bevölkerung ganz ungeheuer. Die fortgesetzten
Attentate auf die Arbeiterklasse wurden bereits bei den letzten
Gemeindewahlen von der Wählerschaft mit schwersten Stimmenrückgängen
der Koalitionsparteien vor allem der deutschen christlichsozialen
Partei, quittiert. Inzwischen hat sich auch noch das Gemeindefinanzgesetz
ausgewirkt, das die gesamte autonome Verwaltung des Landes in
einen Schutthaufen verwandelt hat. So sind es heute nicht nur
die arbeitenden Schichten allein, die sich gegen die deutschen
Regierungsparteien auflehnen, sondern es sind heute auch die Klassengenossen
und Parteigänger der Parteien des Bürgerblocks, die
nun auch zu meutern beginnen und ganz offen in den Gemeinden-
und Bezirksverwaltungen an den Protestkundgebungen aller anderen
Parteien teilnehmen. Wir haben das alles vorausgesehen, wir haben
es vorausgesagt: von der ersten Stunde an, waren die deutschen
Regierungsparteien und ihre Exponenten nichts als willenlose Werkzeuge
der Machthaber dieses Staates. Aus Angst, aus dem Paradiese vertrieben
zu werden, haben sie sich jedem Wunsche der èechischen
Koalitionsparteien gefügt, sich jeden Wunsch zueigen gemacht
und, wie ein èechisches klerikales Blatt einmal schrieb,
den èechischen Koalitionsparteien
jeden Wunsch von den Augen abgelesen und blindlings erfüllt.
Sie haben der deutschen Bevölkerung in ihrem Ringen um die
kulturelle und soziale Selbstverwaltung nicht nur keine Waffendienste
geleistet, sondern sind ihr dabei immer und
immer wieder in den Rücken gefallen. Sie haben ruhig zugesehen,
wie die nationale Selbstverwaltung der deutschen Bevölkerung
durch die Verwaltungsreform und das Gemeindefinanzgesetz nach
allen Regeln der Kunst stranguliert wurde und haben die Warnungsrufe,
die aus dem deutschen Lager kamen, vollständig überhört.
Sie haben ruhig und müßig zugesehen, ohne daraus etwas
zu lernen, ohne daraus gewisse Schlußfolgerungen für
sich selbst zu ziehen, wie die Slovaken durch zähes und hartnäckiges
Festhalten an ihren Forderungen, durch ihr unerschrockenes Ringen
um die Landesautonomie das ganze Staatsgefüge förmlich
aus den Angeln gehoben, der ganzen Staatsverwaltung, wie man es
gerade bei dieser Novelle sieht, ihr Gepräge, ihren Stempel
aufgedrückt haben. Sie haben nichts getan, um auch die Forderungen
der deutschen Bevölkerung mit dem notwendigen Nachdruck zur
Geltung zu bringen und haben zweifellos günstige politische
Situationen ungenützt verstreichen lassen, anstatt sie für
die deutsche Bevölkerung nutzbar zu machen. Sie, die deutschen
aktivistischen Parteien, glaubten, daß es vollkommen genüge,
in die Ministersessel zu gleiten und alles weitere der Entwicklung
der so heiß angebeteten Atmosphäre anheimzugeben, den
lieben Herrgott schalten und walten zu lassen und jeden Sonnenstrahl,
der daher kam, jeden günstigen Börsenkurs und jedes
freundliche Lächeln, jedes freundliche Nasenloch des Herrn
Dr Kramáø auf das
aktivistische Konto zu buchen. Man lese doch die Rede, die der
Vorsitzende des Klubs des Bundes der Landwirte Ende Mai in Liebenau
hielt, also vor ganzer kurzer Zeit. und die in einem grandiosen
Hymnus auf die Koalition und auf den Aktivismus ausklingt. Es
heißt dort: Durch den Eintritt der Deutschen in die Regierung
habe die wirtschaftliche und politische Entwicklung einen beharrlichen
Aufstieg genommen. Diesem Eintritt sei die Wirtschaftskonjunktur
und die geringe Arbeitslosigkeit, die Hebung des Verkehrs und
die Entwicklung des Geldmarktes, die unbedingte Wertfestigkeit
der Krone, die Herabsetzung des Zinsfusses, die Aktivität
der Handelsbilanz und die Verringerung der Steuerlasten zu verdanken.
Welch eine herrliche Bilanz, als deren Hauptpost tatsächlich
die Steuerherabsetzung hervorgehoben zu werden verdient, bei der
die Herren Aktivisten der deutschen kapitalistischen Bourgeoisie
einen Erfolg eingebracht haben, allerdings auf Kosten der übrigen
Bevölkerungsschichten, die nun durch vermehrten Steuerdruck,
durch vermehrte Steuerlasten aufzubringen bemüssigt sind,
was man den deutschen aktivistischen Parteien geschenkt hat. Aber
der Abg. Windirsch weiß, daß sich, seitdem
er seine Rede gehalten hat, so manches in diesem Lande ereignet
hat. Die Wirtschaftskonjunktur, die nach der Auffassung des Herrn
Windirsch auch heute noch besteht, hat längst schon
den Zenitpunkt überstiegen und ist bereits sehr wesentlich
im Abflauen begriffen. Ganze Wirtschaftszweige, ich erwähne
die Textilindustrie, die Flachsindustrie, die Zuckerindustrie
stehen vor den schwersten Krisen. Der Zuckerexport, der Stolz
der èechoslovakischen Handelsbilanz,
hat von England her einen geradezu tödlichen Schlag erhalten.
Kann der Schlag nicht wettgemacht werden, so bedeutet dies die
schwersten Erschütterungen der Handelbilanz mit allen sich
daraus für die gesamte Wirtschafts- und Währungspolitik
ergebenden katastrophalen Auswirkungen. Dazu kommt noch eine ganze
Reihe anderer Momente, die zusammen mit den vorangeführten
für die nächste Zeit keine allzurosige Wirtschaftsprognose
gestatten und die in der Beurlaubung und formgerechten Demission
des Herrn Finanzministers, dieser ragenden und tragenden
Säule der èechoslovakischen Finanzwirtschaft, ihren
stärksten und geradezu symbolischen Ausdruck finden.
Wird der Aktivismus - fragen wir - da sich
in wirtschaftlicher Hinsicht das Blattscharf gewendet hat,
auch die Krisenerscheinungen der èechoslovakischen Volkswirtschaft
aufs sein Konto zu setzen bereit sein? Identifiziert sich Herr
Abg. Windirsch
mit den in der Nummer der christlichsozialen "Deutschen Presse"
vom 24. d. M. gemachten Feststellungen, daß die innerpolitischen
und zum Teil auch wirtschaftlichen Verhältnisse auch unseres
Landes keineswegs so konsolidiert sind, daß man sich den
Luxus allzu starken Selbstbewußtseins und allzu selbstbewußten
Auftretens gestatten dürfte?
So löst sich denn alles um den Aktivismus
herum in leeren Dunst auf. In weiter Flur ist nichts von aktivistischen
Erfolgen zu sehen und es bleibt, wenn man die von den Herren Spina
und Mayr-Harting aufgetragene Tünche wegkratzt, nichts
übrig als das große Verbrechen, nichts übrig als
die zahllosen Attentate, die der Bürgerblock als Ganzes und
seine deutschen Bestandteile im besonderen an der gesamten Bevölkerung
des Landes, vor allem aber an der Arbeiterklasse begangen haben.
Alle diese Verbrechen heischen ihre Sühne. Mögen sich
die deutschen und èechischen Regierungsparteien heute noch
an dem Strohhalm der Jubiläumsfeierlichkeiten klammern, mögen
sie sich auch noch eine letzte Galgenfrist erwirken; im Endeffekt
wird ihnen auch diese Kampferinjektion nichts nützen. Der
Zerfall des Bürgerblocks schreitet unhaltsam
fort, er ist heute schon ein lebender Leichnam und wird sehr bald
der Vergangenheit angehören. Und wie anderwärts, so
werden ihn auch in unserem Lande die sozialdemokratischen Parteien
zu Boden werfen, als Vollstrecker des Willens aller arbeitenden
Schichten dieses Landes. (Souhlas a potlesk poslancù
nìm. a èsl. soc. dem. strany dìlnické.)
Meine Damen und Herren! Es darf Sie nicht verwundern,
wenn ich mich für diesen Gegenstand auf der Pro-Seite habe
eintragen lassen, aus der einfachen Erwägung heraus, daß
meine Partei der Verschiebung der Verwaltungsreform zustimmt,
jener Reform, die wir schon seinerzeit bei der Beratung auf das
schärfste bekämpft haben, deren schwere Fehler wir damals
aufzeigten, wobei wir ausführlich auseinandersetzten, daß
die neue Verwaltungsreform die Demokratie, die Mitbeteiligung
der Bevölkerung an der staatlichen Verwaltung durchaus einschränkt,
ja, geradezu aufhebt, die ganze Macht in die Hände der Beamten
legt und damit eine Bürokratie züchtet und allmächtig
macht, die sich über alle Vorschriften leicht hinwegsetzen
kann. Die Möglichkeit der Verwässerung des freien Willens
der Bevölkerung, die durch die Wahlen schon gegeben ist,
wurde ja noch weitestgehend durch die Ernennung von einem Drittel
der Vertreter gegeben. Wir haben damals auch vom nationalen Standpunkte
aus die Vorlage bekämpfte, u. zw. vor allem auch deshalb,
weil darin Schlesien, das der Mehrheit der Bevölkerung nach
doch deutsch ist, einer èechischen Mehrheit von
Mähren Schlesien ausgeliefert wurde, was ja nur den Zweck
haben konnte, die Èechisierung dieses Landes rascher durchzuführen.
Wenn wir also damals alle diese schweren Mängel
aufzeigten und das Gesetz bekämpften, so müssen wir
logischer Weise - und Koll. Keibl hat das gestern ausgeführt
heute wohl auch, wenn nicht für die Vorlage, so doch für
die Verschiebung der Verwaltungsreform auf einen späteren
Zeitpunkt stimmen. Vorläufig soll sie bis zum 1. Dezember
verschoben werden, wenn wir auch nicht wissen, warum ausgerechnet
dieser Zeitpunkt gewählt wurde und warum für die Slovakei
der 1. Juli vorgesehen wird. Man gewinnt unwillkürlich den
Eindruck, daß die Slovaken an das Inkrafttreten der Verwaltungsreform
überhaupt nicht glauben und daß sie wenigstens für
die Slovakei die Vorteile des Gesetzes durchsetzen wollen, daß
ihnen die Slovakei überliefert werde. Sie wollen sich hier
die restlose Herrschaft sichern, was immer sonst später aus
der Verwaltungsreform herauskommen möge.
Der Gedanke, daß die Regierungsparteien
die Verwaltungsreform in der vorliegenden Form für undurchführbar
halten und sie infolgedessen jetzt binausschieben und dadurch
Zeit gewinnen wollen, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber auch
dieser Gedanke hat für die deutsche Nationalpartei nichts
Erschreckendes. Denn wenn wir infolge ihrer Mängel dafür
sind, daß sie verschoben werde, können wir, wie Koll.
Keibl gestern richtig sagte, auch gleich dafür sein,
daß sie ad infinitum verschoben werde. Allerdings müssen
wir uns dann fragen, was an ihre Stelle zu treten hat und ob nicht
eigentlich die Regierung daran gehen sollte, ein Gesetz zu schaffen,
wodurch der Einfluß der Bevölkerung auf die Verwaltung
in einer weitgehenden Form, u. zw. im demokratischen Sinne gesichert
wird. Die alten Landtage und die alten Bezirksverwaltungen wurden
gesetzlich aufgehoben, bestehen also gesetzlich nicht mehr. An
ihre Stelle trat seinerzeit die Gauverfassung. Da sie nicht durchgeführt
wurde, wurden inzwischen Verwaltungskommissionen ganz willkürlich
durch die Aufsichtsbehörden bestellt. Sie sollten nur als
Provisorien gelten. Wie im alten Österreich ist auch hier
wieder zur Wahrheit geworden, daß Provisorien gewöhnlich
sehr lange dauern. So dauern auch jetzt diese Verwaltungskommissionen
bereits 7 und 8 Jahre und wir wissen nicht, ob sie durch eine
neue Reform endlich abgelöst werden. Denn wenn jetzt die
Verwaltungsreform wieder hinausgeschoben und vielleicht zur Wahrheit
wird, was behauptet wird, daß sie überhaupt nicht in
dieser Reform in Wirksamkeit treten soll, müssen wir als
Vertreter des Volkes endlich verlangen, daß hier Ordnung
gemacht und ein vernünftiges Gesetz geschaffen werde, das
wirklich demokratisch der Bevölkerung Anteil an Verwaltung
und Macht gibt. Denn wir können heute mit Fug und Recht behaupten,
daß wir vergleichsweise gegenüber dem alten Polizeistaate
Österreich-Ungarn viel weniger demokratische Einrichtungen
besitzen.
Die vorliegende Novelle, die eine Verschiebung
der Verwaltungsreform vorläufig bis zum 1. Dezember vorsieht,
ist ein Musterbeispiel dafür, wie hierzulande Gesetze gemacht
werden. Man prüft nicht, ob dies zu diesem Zeitpunkte alles
soweit vorbereitet sein wird, um das Gesetz durchführen zu
können, genau so wenig, wie man die Bedenken und die Verbesserungsanträge
der Opposition gelten läßt, die es gewiß nicht
an Anträgen fehlen ließ. Durch die brutale Vergewaltigung
der Minderheit, durch eine knechtisch ergebene Mehrheitsmaschine
werden einfach die Gesetze so erzwungen, wie sie irgend ein Beamter
im Ministerium ausarbeitet und wie sich die Bürokratie vornimmt,
sie durchzusetzen. Die Regierungsparteien folgen blindlings den
Diktaten, um gewöhnlich dann ein paar Monate später
darauf zu kommen, daß es so denn doch nicht geht, daß
die Opposition mit ihrem Bedenken Recht gehabt hat. Das vorliegende
Gesetz ist eine vollständige Blamage für die jetzige
Regierungskoalition. (Posl. Horpynka: Nicht die erste und nicht
die letzte!) Ganz richtig, nicht die erste, weil wir ihrer
schon mehrere erlebt haben, und nicht die letzte, weil die Herren
nichts lernen und nichts lernen wollen, weil sie die wertvollen
Kräfte, die in der Opposition vorhanden sind, nicht zu verwerten
und zu schätzen wissen.
Die Gründe, die heute zur Verschiebung
angeführt werden, sind lediglich Scheingründe. Am wahrscheinlichsten
ist wohl noch der Einwand, daß sich ein Widerstand im eigenen
Lager bemerkbar macht, aus der Erkenntnis über die verderblichen
Wirkungen der Verwaltungsreform. Es war ja jedenfalls ein Bild
für Götter, als bei der Tagung des Verbandes der deutschen
Selbstverwaltungskörper in der Zeit vom 18. bis 20. Mai in
Trautenau bei der Hauptversammlung am 19. Mai ausgerechnet der
Obmann des Bundes der Landwirte Peterle einen Vortrag über
die Auflösung der autonomen Vertretungsbezirke hielt und
hier über die Verwaltungsreform eigentlich ein recht abfälliges
Urteil fällte. Er sagte z. B. u. a.: "Staatsbeamte,
die bisher nie etwas mit wirtschaftlicher Verwaltung zu tun hatten,
werden nun Verfügungen von wirtschaftlicher und finanzieller
Tragweite zu treffen haben; es ist sehr zu befürchten, daß
es zu Mißgriffen und zu schwerwiegenden Unterlassungen und
zur Schädigung der Landes- und Bezirksinteressen kommen muß."
Genau so, wie wir dies vorausgesagt haben. Er sagt weiter: "Einen
Einfluß der künftigen Landes- und Bezirksvertretungen
auf die hoheitliche Verwaltung kennt das Gesetz über die
Verwaltungsreform überhaupt nicht. Was darüber hie und
da in der Öffentlichkeit geredet wird, ist unrichtig."
(Posl. dr Lehnert: Siehe Windirsch!) Ja, Windirsch,
"Landpost" "Deutsche Presse" u. a. mehr, welche
von der großen Bedeutung und dem Gewichte der Persönlichkeiten,
die da in diese Bezirks- und Landesvertretungen gewählt werden,
so oft und so schön ihren Wählern erzählt haben.
"Den Bezirksvertretungen, bzw. den Bezirksausschüssen
wird künftig von ihrem bisherigen Wirkungskreise eigentlich
nur die Verwaltung des Bezirksvermögens und die Aufsicht
über die Gemeinden zustehen. Sonst verlieren sie jede Entscheidungs-
und Verfügungsmacht und werden auch aus dem Instanzenzuge
ganz ausgeschaltet, der künftig durch die staatlichen Bezirks-
und Landesämter gehen wird."
Und in dieser Tonart geht es weiter, und der
Mann fühlt nicht, wie er sich selbst und seine eigenen Parteigenossen
abohrfeigt, die dieses Gesetz trotz den Warnungen beschlossen
haben. Der Widerstand in den eigenen Reihen nimmt zu, es gibt,
wie man hört, offene und geheime Revolten, u. zw. auf deutscher
wie auf èechischer Seite, und weil das eben die Jubiläumsfeierlichkeiten
etwas stört, weil das die Stimmung gründlich
verdirbt, genau so wie die Frage der Sozialversicherung, will
man vorläufig die Durchführung der Verwaltungsreform
verschieben und hofft auf bessere Zeiten.
Da wirft sich unwillkürlich die Frage
auf, wenn die ganze Gesetzgebungsmaschine durch die Jubiläumsfeierlichkeiten
aufgehalten wird und wenn die einzelnen Parteien hier das ganze
Jahr über schon unter dem Druck dieser Jubiläumsfeierlichkeiten
stehen und sich dadurch wesentlich beeinflussen lassen, ob es
überhaupt zweckmäßig und vom Vorteil für
den Staat und die Staatsmaschinerie war, das zehnjährige
Bestandfest schon jetzt zu feiern. Sie wissen, daß wir in
der vorigen Woche eine Regierungsvorlage, Druck Nr. 1591, beschlossen
haben, wonach für Widmungen zur Feier des zehnjährigen
Bestandes der Èechoslovakischen Republik die Befreiung
von Stempeln, Gebühren und der Bereicherungssteuer ausgesprochen
wurde. Wenn also im Jahre 1928 Lebende aus ihrer großen
patriotischen Begeisterung und zur Feier des
zehnjährigen Bestandes Widmungen oder Stiftungen zu Unterrichts-,
Wohltätigkeits-, und Humanitätszwecken machen, so werden
diese Stiftungen von den Gebühren und der Bereicherungssteuer
befreit. Das will wohl sagen, daß man seitens der Regierung
erwartet, daß die patriotische Begeisterung im heurigen
Jahr so überschäumen wird, daß die Vaterlandsliebe
eine derartige Opferwilligkeit hervorbringen wird, daß reiche
Spenden und Widmungen einfließen werden. Nun, ich glaube,
die Voraussetzungen werden sich wahrscheinlich nicht erfüllen.
Es wäre besser gewesen, man hätte etwas länger
mit dem Staatsjubiläum zugewartet, denn 10 Jahre sind bei
Gott kein Anlaß, um diese Staatsbildung festlich zu begehen.
Für irgend einen humanitären Verein, für irgend
einen wirtschaftlichen Verein, sei es ein Hundezucht- und Bienenzuchtverein
und dgl. mehr, mag immerhin der Bestand v n 10 Jahren ein Ereignis
zur Feier sein. Fabriken und wirtschaftliche Unternehmungen warten
damit gewöhnlich ein Vierteljahrhundert, in der Ehe feiert
man den Bestand, wie Sie wissen, erst mit 25, 50 und auch 75 Jahren.
Bei Staaten allerdings ist etwas Ungewöhnliches, wenigstens
war es früher so, Bestandsfeierlichkeiten schon nach 10 Jahren
durchzuführen. (Výkøiky posl. dr
Lehnerta.) Durch die Friedensverträge
von Saint Germain und Versailles wurde auf dem Boden Europas eine
Reihe von Staaten geschaffen, auf dem Boden Österreich-Ungarns
die Nachfolgestaaten, welche wahrscheinlich ihre unsichere Grundlage
fühlen und infolgedessen fürchten, daß sie
wahrscheinlich die weiteren 10 Jahre nicht überleben werden.
Zu diesen Staaten gehört ohne Zweifel auch die Èechoslovakei.
Über ihre Grundlagen sind wir nachgerade durch verschiedene
Veröffentlichungen über die Friedenskonferenz durch
Beneš
selbst hinreichend unterrichtet. Und wir wissen, daß tatsächlich
diese Grundlagen außerordentlich unsicher sind, weil Verrat,
Lug, Trug und Niedertracht niemals eine feste Grundlage für
einen Staat bilden. Andererseits aber zeigt es sich, daß
die Weltgeschichte von sittlichen Idealen beherrscht wird und
daß unrecht Gut niemals gedeiht, daß das Schlechte
den Kern des Verfalles in sich trägt. Es scheint also, wenn
fortzeugend Böses Böses gebären muß, daß
die Staaten tatsächlich ein gewisses Angstgefühl besitzen
und daß sie infolgedessen diese kurze Spanne Zeit, die ja
im Leben eines Volkes und eines Staates gar nichts bedeutet, schon
als geeignet zu einer Feierlichkeit betrachten.