Beilage Nr. 1

Vortrag über die Tendenzen der böhmischen Landstände,

gehalten am 14ten Mai 1845 von dem böhmischen Oberstlandkämmerer Josef Mathias Grafen von Thun bei der Conferenz über die Desiderien böhmischer Stände.

Die böhmischen Stände haben ihre gewählte Deputation beauftragt, bei Gelegenheit der näheren Begründung der ständischen Bitten und Desiderien, auch über die wahre Tendenz und den Sinn, der die böhmischen Stände bei ihren Vorgängen leitet, die Aufklärung zu erstatten.

Um diesem Auftrage nachzukommen, erlaubt sich die Deputation vor Allem, bevor sie nach der allergnädigsten Erlaubniß Seiner k. k. Majestät in die Aeußerungen der ständischen Wünsche eingeht, - die Tendenzen der böhmischen Stände näher vorzutragen.

Die ständische Verfassung der einzelnen Staaten Europas, wo sie als ein eigentliches Institut der Landstände und nicht als Konstitution im Sinne der neuern Zeit bestehen, sind ältesten Ursprunges.

In der grauesten Vorzeit, und zwar früher, als jedes geschriebene Staatsrecht, finden sich in Staaten, wo nicht blinde Willkühr am Throne herrschte, Berathungen des Monarchen mit Großen und Vornehmen des Landes, die entweder nach dem Staatsgrundvertrage oder nach besondern von der höchsten Staatsgewalt ertheilten Concessionen als Landesvertreter zu diesen Berathungen berufen waren.

Nach und nach bildete sich aus diesen, Anfangs nur auf gewisse höhergestellte oder intelligente Personen beschränkten Berathungen, eine Art Vertretung des Landes nach den Interessen der verschiedenen Stände, und der begüterte Adel, die Geistlichkeit und die Abgeordneten der reichern, zu einer selbständigen Verwaltung berechtigten Städte erschienen als Vertreter des Landes - als Landstände.

Die Wirksamkeit dieser Landstände besteht im Allgemeinen in der Verwilligung der, auf den vom Monarchen alljährlich ausgeschriebenen Landtagen mittelst eigener landesfürstlichen Kommissäre postulirten Steuern und sonstigen Landesprästationen, dann in der Berathung der von dem Monarchen entweder selbst bestimmten, oder von den Landesständen proponirten Landesangelegenheiten. - Die Beschlüsse der Landstände unterliegen der allerhöchsten Sanktion, werden, wenn sie sanktionirt sind, Landtagsschlüsse, Landtagsabschiede genannt, und sind als solche allgemeines Landesgesetz. So lange die auf den Landtagen gefaßten ständischen Beschlüsse landesfürstlich nicht bestätigt sind, haben sie keine vollziehende, aber in der Regel doch eine hemmende Kraft.

Bei ständischen Kollegien, nach dem eigentlichen, ursprünglichen landständischen Prinzipe, ist das aristokratische Element zwar vorherrschend, aber der höhere Adel giebt noch nicht das Recht, im Landtage zu erscheinen, sondern dieses Recht ist durch einen Patrimonialgrundbesitz im Lande bedingt; die Landstände sind daher zunächst das vertretende Organ des Grundbesitzers, und zwar nicht blos der grundherrlichen (obrigkeitlichen) sondern kraft ihrer Patrimonialverbindlichkeit, auch der grundunterthänigen Interessen, so daß bei Bestand auch geistlicher und städtischer Abgeordneten die wichtigsten Landesinteressen, nämlich die Kirche, der Grundbesitz, so wie Handel und Gewerbe ihre Vertretung finden. Die Wirksamkeit dieser alten ständischen Verfassungen hat sich bis zur zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts aufrecht erhalten. Als aber nach und nach der bureaukratische Organismus der Staatsverwaltung eingeführt worden ist, trat das ständische Element, wo es nicht unausgesetzt verfochten wurde, immermehr in den Hintergrund, bis selbes durch besondere Regierungsverfügungen neu organisirt ins Leben gerufen wurde, und endlich durch den dreizehnten Artikel der deutschen Bundesakte für jeden einzelnen Bundesstaat selbst eine allgemeine Sanktion erlangte.

Daß eine ständische Verfassung selbst vortheilhaft für die Regierung neben der bureaukratischen Verwaltung bestehen könne, dürfte nicht verkannt werden; denn abgesehen davon, daß die Landstände eine durch moralische Bedeutung kräftige Stütze des Thrones sind, so bleiben sie auch auf dem Wege der Gesetzgebung immer entsprechende Rathgeber der Regierung. Wohl könnte sich bei einer zweckmäßigen bureaukratischen Verwaltung vermuthen lassen, daß das Staatsoberhaupt, durch seine aufgestellten Regierungsorgane die genaue Kenntniß aller Bedürfnisse und Verhältnisse des Landes erhalten könne, aber nicht immer gelangt die Wahrheit im reinen Lichte an die Stufen des Thrones. Dem Beamten, der in der Regel nur theoretisch gebildet, in das Staatsgeschäft eintritt, ist oft das wahre praktische Bedürfniß unbekannt, und es bestimmen ihn selbst Umstände oder Rücksichten, die Verhältnisse anders darzustellen als sie sind. Wie anders verhält es sich dagegen mit den Landständen! - Unabhängig in ihrer Stellung durch ihr unmittelbares Interesse, vertraut mit den Verhältnissen des öffentlichen Lebens, des Verkehres, so wie mit dem Wohl und Wehe des Landes, haben sie vorzugsweise die Befähigung, ein freies, wohlerwogenes Wort darüber zu führen, was der Wohlfahrt des Landes zusagt, wo eine Abhülfe zweckmäßig, wo ein Fortschritt gedeihlich ist. Und gewiß ist es daher, daß ein Monarch, wenn er neben seinen auch noch so vollkommen bureaukratischen Organen auch die Stimme seiner Landstände hört, mit der ihm  von Gott vertrauten Macht noch immer mehr und mehr das Glück seines Volkes begründen kann.

Das Institut der Landstände ist aber auch billig und gerecht, denn wenn ein Monarch dadurch sich selbst beschränkt, daß er einen Theil seiner Regierungsgewalt einzelnen Behörden oder Beamten überträgt, warum sollten nicht auch Jene, denen nach ihrer Stellung und Geburt, nach ihrer Intelligenz oder nach ihrem Besitzthum das Interesse des Landes, des Vaterlandes vorzugsweise am Herzen liegen muß, nicht wenigstens eines solchen Vertrauens ihres Monarchen würdig sein, daß auch sie in allen wichtigen öffentlichen Landesangelegenheiten um ihre Meinung und ihre Ansicht befragt werden? -

Die ständische Verfassung Böhmens hat aber insbesondere ihren Ursprung in der Gründung des böhmischen Staates selbst, sie war und ist ein Grundelement der Regierungsform dieses Königreichs. Gleich bei Begründung dieses Staates wurden die, das ganze Land betreffenden Anordnungen und Gesetze auf Landtagen (Snìmy) beschlossen und daselbst auch in letzter Instanz entschieden.

Mitglieder des Landtages waren die Kmeten, die zum Staate des Herzogs berufenen Landesältesten, wahrscheinlich die in der Folge ernannten Landesoffiziere - die Lechen, die großen Grundbesitzer, aus welchen sich der erste hohe Adel, und in der Folge der Herrnstand (slechtici páni) bildete, und die Wladiken, die kleinern freien Grundbesitzer, aus welchen der mindere Adel, der Ritterstand Böhmens erstand. Als in der Folge das Städtewesen und mit ihm der Bürgerstand sich ausgebildet hat, trat auch dieser und später der geistliche, und zwar letzterer als der erste Stand, in den Landtag.

Welchen Einfluß die böhmischen Stände auf die öffentlichen Angelegenheiten und auf die Landesverwaltung genommen haben, hierüber liefern nicht bloß die vaterländische Geschichte, sondern selbst die alten Landesurkunden, die frühern Landes anordnungen, und die Landtagsschlüsse die nähere Aufklämng. So wurden, um nur einige Daten in die Erinnerung zurückzurufen, schon in der goldenen Bulle Kaiser Karls des IV. vom 7ten April 1356 den böhmischen Ständen für den Fall des erloschenen königlichen Stammes die Königs wähl nach ihren Privilegien und Rechten ausdrücklich vorbehalten; so wurde die sogenannte Majestas (Carolina, ein für das Königreich Böhmen, ohne Vernehmung der Stände, lateinisch verfaßtes Gesetzbuch, mittelst der königlichen Abrogationsbriefe vom Jahre 1355 widerrufen; so hatten die Stände Kraft des Majestätsbriefes Königs Wladislaus vom Jahre 1508 und Kraft Landtagsschlufses am Montage nach Francisci 1526 das Recht, in Ermangelung oder in Abwesenheit des Königs, das Königreich mittelst der Landesoffiziere verwalten zu lassen, so haben die Stände im Landtage vom Jahre 1321 die Errichtung und Organisirung der Landtafel, im Landtage vom Jahre 1502 die Regulirung der Gerichtsstellen, und im Landtage vom Jahre 1541 die Wiederherstellung der in diesem Jahre, den Donnerstag vor dem Pfingstfeste abgebrannten Landtafel;  so auf dem Landtage vom Jahre 1540, am Montage nach Maria Himmelfahrt, beschlossen, die vormals. auf den Landtagen errichteten Gesetze in eine Landesordnung zusammenzutragen, zu welchem Geschäfte Kommissäre aus allen Ständen gewählt wurden; so hat weiland Kaiser Maximilian II. im Jahre 1575 mit den böhmischen Ständen den Bergwerksvergleich, und so wurde im Jahre 1517 zwischen dem Herrn- und Ritterstande, dann den prager und den ganzen böhmischen Bürgerständen der sogenannte St. Wenzelsvertrag abgeschlossen.

Nicht mindern Einfluß nahmen die Stände auch auf Kriegs- und Friedensangelegenheiten, wie dieß mehrere Landtagsschlüsse, namentlich jener unter Kaiser Rudolph II. vom Jahre 1588 bewährt, der die, auch in der Landesordnung Ferdinand I. B. IV. bestätigte Bestimmung enthält, daß ohne Rath des Landes, wie es das allgemeine Landesprivilegium mit sich bringt, kein Krieg, wie aus diesem Königreiche, so aus den inkorporirten Ländern fürgenommen werden solle. Im Landtage vom Jahre 1606 wurden selbst Kommissäre gewählt, welche mit den Ungarn Frieden schließen sollten, so wie die Landtagsschlüsse in ununterbrochener Reihe bewähren, daß die Landesbegränzung immer ein Gegenstand der ständischen Berathung war. -

So bestätigte auch die Landesordnung Ferdinand I. Lit. A. 34. und B. 15., dann die maxmilianische Landesordnung A. 18., daß Niemand ohne Einwilligung der Stände zum Lande aufgenommen werden und das Indigenat erhalten könne. -

Ein vorzügliches Recht der Stände war es weiter, daß dem Lande keine weitern Steuern und andere Beiträge auferlegt werden könnten, als jene, welche die Stände im Landtage bewilligten. Einen Beweis dafür liefern alle Landtagsschlüsse bis zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts, liefern die Reverse König Johannes vom Jahre 1323 und Kaiser Karl IV. vom Jahre 1369. Insbesondere war die Verwaltung des ganzen Grundsteuerwesens, die Repartition und die EinHebung der Grundsteuer in den Händen der Stände.

Die unter Kaiser Ferdinand II. nur durch Religionsmeinung erzeugte Auflehnung eines Theiles der Stände, und die blutige Herstellung der Ordnung im Lande, hatte die erneuerte Landesordnung Kaiser Ferdinands II. vom 10ten Mai 1627 zur Folge, die in der Wirksamkeit, der Stände einen bedeutenden Abschnitt bildet, und die, wie später gezeigt werden wird, in allen Punkten, in welchen sie nicht durch spätere Gesetze aufgehoben wurde, noch als Fundamentalgesetz Böhmens gilt, zugleich aber auch die ältern Privilegien der Stände, in so weit sie dieser Landesordnung nicht widerstreiten, aufrecht erhält.

Diesem Fundamentalgesetz steht nämlich das wichtige Rescript Kaiser Ferdinands II. vom 29sten Mai 1627 zur Seite, mitttelst welchen dieser Monarch alle jene Privilegien, Begnadigungen, Freiheiten und Majestätsbriefe, welche der verneuerten Landesordnung nicht entgegenlaufen, und welche von Allerhöchst dessen Vorfahren, den Ständen insgemein, wie auch jedwedem Stande insbesondere verliehen worden sind, erneuert und bestätiget, insbesondere aber Nachstehendes erklärt wird:

"Wir wollen auch keine Kontribution oder Steuern von unsern gehorsamen Ständen auf andere Weise als auf den Landtagen, dem in unserer Landesverordnung, sub litt. A. 5. begriffenen Artikel zu Folge, fordern, und über jenes, was die Stände selbst verwilligen, ihnen keine andere Abgabe und Steuern auflegen, auch wollen wir wider Niemanden aus den Ständen dieses unsers Erbkönigreichs Böhmen in Absicht auf dessen Person oder Güter de Facto oder mit Gewalt fürgehen, sondern jedweden zuvor bei seiner Gerichtsbarkeit hören und nach Erkenntniß der Sache nach dem Rechte und der Gerechtigkeit verfahren."

Deßhalb blieben auch die Stände, wie es die Landtagsschlüsse jener Zeit bewähren, noch in einem wesentlichen Einflusse, indem in statu publico und in den allgemeinen Landeseinrichtungen des Königreichs nichts von Wesenheit vorgenommen würde, ohne die Stände darüber zu vernehmen.

Auch Kaiser Ferdinand III. bestätigte mit dem Allerhöchsten Rescripte vom 21sten März 1642 die Landesprivilegien, Freiheiten, Innunitäten, wie solche von Kaiser Ferdinand II. bestätiget wurden, und milderte noch in der Novella declaratoria A. a. q. den Artikel der Landesordnung A.6. dahin, daß den Ständen gestattet ist, über alle Seine Person, Hoheit, Autorität und Regalien nicht betreffenden Gegenstände mit Vorwissen der k. k. Kommissarien Berathungsvorschläge zu machen.

Unter der nachfolgenden Regierung Kaiser Leopolds I., Josephs I. und Karls IV. blieben die Stände gleichfalls im Genusse ihrer Gerechtsamen, wie dieß insbesondere der Krönung seid Kaiser Karls VI. bewährt.

Eines gleichen Krönungseides erfreuten sich die Stände auch unter weiland Kaiserin Maria Theresia, und beschränkte auch diese Monarchin die frühere Wirksamkeit der obersten Landesoffiziere, so blieben doch die Stände in einem ausgebreiteten Wirkungskreise bis zum Hinscheiden dieser ihrer glorreichen Königin, wofür zum Beispiele der im Jahre 1748 wegen eines bessern Militärsystems und wegen der Landesschulden im Wege einer ständischen Deputation zwischen Ihrer Majestät und den Ständen abgeschlossene Decenalrezeß den besondern Beweis liefert.

Auch noch bei dem Regierungsantritt Sr. Majestät Kaiser Josephs II. blieben die Stände in ihrer Wirksamkeit, aber bald darauf erlitten die ständischen Verfassungsformen durch die Allerhöchste Entschließung vom 27ten Oktober 1783 - 25sten September 1788 und 1sten December 1788 eine Aenderung.

So wurde, ohne übrigens in eine Erörterung der Rechtsbeständigkeit dieser Aenderungen einzugehen, der ständische Landesausschuß aufgehoben und dessen Agenda an das k. k. Gubernium übertragen, woselbst zwei ständische, im Landtage gewählte, von Sr. Majestät bestätigte Repräsentanten mit Rang und Titel eines Gubernialrathes über die ständischen Angelegenheiten referirten, so wie den Ständen, zwar noch die landesfürstlichen Postulate auf dem Landtage vorgetragen, aber außer den eigentlichen Landtagen keine weitern ständischen Versammlungen abgehalten werden durften, bis endlich laut des Hofdekrets vom 1sten December 1788 allerhöchst entschieden wurde, daß die Vernehmung der Stände künftig nur in jenen Fällen zu geschehen haben, wenn Se. Majestät solche nach Umständen und wegen Wichtigkeit des Gegenstandes eigends anordnen. Indeß so wesentlich auch diese Aenderungen in den Verfassungsformen an sich waren, so hat doch Se. Majestät weiland Kaiser Joseph II. selbst die ständische Verfassung und das wesentliche Prinzip derselben, nämlich die Einvernehmung der Stände in wichtigen Fällen noch im allgemeinen anstecht erhalten. Weiland Seiner Majestät Kaiser Leopold II. hat mit Allerhöchstem Patente vom 1sten Mai 1790 die böhmischen Stände wieder in einen Landtag einberufen, um unter andern Gegenständen auch die Wiedereinführung der ständischen Verfassung und ihre Wirksamkeit zu berathen und hierauf ihre Vorschläge gravamina und Wünsche vorzulegen.

Ueber die in dessen Folgen von den böhmischen Ständen überreichte Beschwerde ist über die zweite Abtheilung derselben - die Organisirung der Stände betreffend mit Hofdekret vom 12ten August 1791 die Allerhöchste Entschließung herabgelangt. Im Eingange dieses Fundamentalgesetzes heißt es:

Der Maßstab der künftigen Verfassung der Stände kann nur von dem Regierungsjahre der höchstseligen Kaiserin Maria Theresia 1764 hergenommen und in die ältern Zeiten nicht eingegangen werden.

Hieraus folgt zwar, daß Se. Majestät Kaiser Leopold den böhmischen Ständen nicht mehr Rechte und Freiheiten, als sie im Jahre 1764 genossen haben oder genießen konnten, einzuräumen geruhten, aber es folgt auch weiter daraus, daß alles dasjenige, was in Bezug auf die ständische Verfassung im Jahre 1764 als Gesetz, Privilegium oder verfassungsübliche Observanz aufrecht bestanden hat, wieder in volle Kraft aufgenommen worden sei.

Die ständischen Privilegien sind daher auf die Zeit der verneuerten Landesordnung um so mehr zurückzuführen, als in dem zweiten Absatze des oben erwähnten Hofdekrets vom 12ten August 1791 die besondere allerhöchste Zusicherung ertheilt wird, daß die ständischen, Privilegien auf die nämliche Art, wie unter der höchstseligen Kaiserin Maria Theresia geschehen, von Se. Majestät werden bestätiget werden, in so weit nämlich solche der verneuerten Landesordnung und der Landesverfassung nicht zuwider sind. Die verneuerte Landesordnung Kaiser Ferdinands II. vom 10ten Mai 1627 wurde daher selbst ausdrücklich als Normalbestimmung für die ständische Verfassung allerhöchst anerkannt und es besteht daher solche noch in allen jenen Punkten, in welchen sie nicht ausdrücklich aufgehoben wurde. Und da aber weiters die Landesordnung sub A. XXII. die Bestimmung enthält, daß sich Se. Majestät Kaiser Ferdinand II. der Privilegien halber gegen die Stände absonderlich erklären und resolviren wolle, und diese allerhöchste Resolution auch mit dem Rescripte vom 29sten Mai 1627 dahin erfolgte, daß das Königreich Böhmen aller derjenigen Privilegien, Begnadigungen, Freiheiten und Majestätsbriefe, so der verneuerten Landesordnung nicht zuwider sind, ungehindert genießen könne, und daß insbesondere, die den Ständen von den allerhöchsten Vorfahren gegebenen Privilegien, in so weit sie der verneuerten Landesordnung nicht zuwider sind und darüber keine andere Verordnung ergeht, bestätiget werden, so ergiebt sich als endliche Folge, daß alle früher erworbenen Privilegien und Freiheiten der Stände, in so weit sie nicht der Landesordnung zuwider sind, noch aufrecht bestehen.

Den kräftigsten Beweis liefern die alljährigen an die böhmischen Stände über die Landtagsverwilligung seither herabgelangten und herablangenden Allerhöchsten Reverse, welche die allerhöchste Zusicherung enthalten, daß die gutherzige Bezeugung der Stände an ihren Privilegien, Freiheiten, Rechten und Gewohnheiten ohne allen Nachtheil und Schaden sein soll, so wie der von Sr. Majestät unserm glorreich regierenden Könige und Herrn, bei allerhöchst dessen Krönung feierlich abgelegte Krönungseid, den Ständen die heiligste, unverbrnchligste Bürgschaft für ihre Privilegien und Gerechtsamen ist.

Im Allgemeinen besteht die ständische Verfassung in Böhmen in dem, dem begüterten, infulirten, höhern Geistlichen, dem im Lande begüterten Herrn- und Ritterstande, dann dem durch einige zum Landtage privilegirten königlichen Städte repräsentirten Bürgerstande zukommenden Rechte in von Sr. Majestät dem Könige ausgeschriebenen Landtagen oder in besondern Versammlungen, und zwar in den erstern über die Abgaben und Landesangelegenheiten mit Sr. Majestät dem Könige unmittelbar öffentlich in den besondern Versammlungen, aber über spezielle Landesangelegenheiten und über die, den ständischen Organismus und Haushalt berührenden Interesses blos einheimisch zu berathen, und es enthält insbesondere das Hofdekret vom 12ten August 1791 nachstehende allerhöchste Bestimmung: "Die Vernehmung der Stände "wird Platz greifen, wenn es um die Festsetzung oder Abänderung der Konstitution oder solcher Gesetze zu thun ist, so das ganze Land betreffen, doch bleibe den Ständen immerhin unbenommen, sowohl gegen die einzuführenden Gesetze als auch gegen alle andere Verordnungen, auch damals, wenn selbe bereits Se. Majestät Bestätigung erhalten haben, ihre geziemenden Vorstellung en zu machen, welche aber keine affeetum suspensivum haben sollen."

Ferner:

"Alles was bisher postulirt worden, wird auch künftig postulirt werden, in dringenden Fällen aber und in Kriegszeiten kann nicht gestattet werden, in die Quaestion an einzugehen, dessen ohngeachtet bleibet jedoch den Ständen die Quaestion quomodo ohnehin unbenommen."

Diese allgemeine Bezeichnung umfaßt zwar nur die wesentlichste Form der ständischen Verfassung, aber sie bezeichnet doch den Charakter und die Bestimmung der ständischen Verfassung in Böhmen, und dürfte schon den genügenden Anhaltspunkt bieten, darüber zu entscheiden, ob die böhmischen Stände bei ihrem Interesse für ihre Rechte und für öffentliche Landesangelegenheiten, die Grenzen ihrer Privilegien und ihrer verfassungsmäßigen Bestimmung überschritten haben oder überschreiten?

In dieser letztern Beziehung muß vor allen folgender Umstand herausgehoben werden. Die Wirksamkeit der ständischen Verfassung, beziehungsweise der böhmischen Stände, hat seit längern Jahren gänzlich geruht, und die Angelegenheiten der Stände wurden nur von und bei dem ständischen Landesausschusse verhandelt, der ständische Ausschuß selbst fügte sich fast unbedingt den Verfügungen und Entscheidungen der Behörden, so daß er, obgleich das Organ der Stände, beinahe zu einer Unterbehörde, selbst der Landesbehörde, herabgesunken ist. Als unter diesen Verhältnissen und bei eingetretenen einzelnen Dispositionen des Domestikalfondes zu solchen speziellen Zwecken, welche nicht in der Bestimmung des Domestikalfondes liegen, die Stände in ihre Wirksamkeit zu treten und ihrer Bestimmung nachzukommen beschlossen haben, mußte natürlich schon in dieser neuerwachten ständischen Wirksamkeit der erste Keim zu Kollisionen mit landesfürstlichen Behörden liegen, und bei dem Umstande, daß den landesfürstlichen Behörden wegen der, durch eine lange Zeit ruhenden Wirksamkeit der Stände eine genaue Kenntniß der ständischen Verfassung, der ständischen Privilegien und Rechte zu fehlen scheint, war auch bei allen jenen Gegenständen, welche neu zur Verhandlung kamen, und insbesondere der allerhöchsten Entscheidung unterlegt wurden, eine entsprechende Darstellung der verfassungsmäßigen Verhältnisse von Seite der landesfürstlichen Behörden nicht zu erwarten, und als nächste Folge hievon ein Prinzipienstreit unvermeidlich. Ein Beweis dafür dürfte schon darin liegen, daß Se. Majestät von früher ausgesprochenen Entscheidungen über allerunterthänigste Vorstellungen der Stände allergnädigst abzugehen geruhten, wie dieß namentlich bei den Gegenständen wegen Einflußnahme der Stände auf die Verwaltung des Domestikalfondes durch ein eigenes Prüfungscomité, bei der Allerhöchsten Ernennung eines bloßen Oberstburggrafen-Amtsverwesers, bei der Zuweisung der Zahlung des geistlichen Drittels für die neustädter Militärakademie an den ständischen Domestikalfond, bei der Ausschreibung der Landtage im Frühjahre, bei der Zuweisung der Kosten für die Kriminalgerichtspflege an den Domestikalfond, endlich theilweise - auch hinsichtlich der Besetzung der Oberstlandesoffiziersstellen der Fall war, so wie endlich selbst die hohe Hofkanzlei, die nicht gehörige Abhaltung der Landtage beziehungsweise Nichteinsendung der Landtagsschlüsse zu rügen fand.

Daß aber die Stände die verfassungsmäßigen Gränzen ihrer Wirksamkeit und Bestimmung vor Augen hatten, und selbst hiebei mit den lojalesten Gesinnungen vorgehen, dafür dürften ihre Vorgänge selbst den sprechendsten Beweis liefern. Die Stände haben vor allen zuerst ihre Sorgfalt ihren eigenen innern Angelegenheiten zugewendet und waren in dieser Beziehung darauf bedacht, sich eine eigene Kenntniß ihres eigenen Haushaltes, sowie überhaupt des Standes des Domestikalfondes zu verschaffen, die sorgsamste Verwaltung dieses Fondes zu erzielen, demselben mögliche Ersparnisse, so wie Rückersätze für die aus diesem Fonde ungebührlich geleisteten Zahlungen zuzuwenden, somit für diesen Fond die eigentliche Bestimmung als Landesfond geltend zu machen, insbesondere aber die für diesen Fond eintretenden Grundsteuerzuschläge unter unmittelbare ständische Controlle zu nehmen, wobei sich in Bezug der Reintegrirung des Domestikalfondes der dießfällige Beschluß der Stände selbst des allerhöchsten Wohlgefallens zu erfreuen das Glück hatte.

Die Landtage werden dermal wieder in der verfassungsmäßigen Form abgehalten, gehörigen Schlüssen zugeführt, von den Ständen contestirt und zur Publikation gebracht; eben so beabsichtigen die Stände, die gehörige instruktionsmäßige Organisirung des ständischen Ausschusses als ihres von Sr. Majestät allerhöchst selbst bezeichneten Organs, und werden in dieser Beziehung sich erlauben, den Entwurf einer Instruktion der allerhöchsten Genehmigung zu unterlegen, so wie sie auch für die Reglung der Grundsätze der Landtageinführungen, dann des Sitz- und Stimmenrechtes auf dem Landtage, welche Reglung auch der allerhöchsten Sanktion sich erfreute, gesorgt und was gemeinnützige Anstalten betrifft, ihre Sorgfalt z. B. der Reorganisirung des technischen Institutes, der Errichtung einer gimnastischen Lehranstalt, der Emporbringung des vaterländischen Musäums und des Theaters; so wie der Unterstützung wohlthätiger Institute zugewendet. Nicht minder richten auch die Stände, obgleich ihre Einvernehmung bei allgemeinen Landesgesetzen seit Jahren nicht erfolgt ist, aus eigenem Antriebe auf das Wohl des Königreichs ihr Augenmerk. So beabsichtigen sie, durch die Errichtung einer Hypothekenbank den Werth des Grundbesitzers zu erhöhen, den Geldverkehr und durch ihn die Industrie des Königreichs zu beleben, so erlauben sie sich, die höchste Regierung auf die Gebrechen der Tabularverfassung und auf die Nachtheile der Zahlenlotterie aufmerksam zu machen, so liegt hinsichtlich ihrer gestellten Bitten, hinsichtlich der Verbesserung der Kriminalgerichtspflege und hinsichtlich der Steinkohlenbaugesetze gewiß nur die reelste Absicht für das Beste des Königreichs zum Grunde, so wie sie endlich bei ihrem gefaßten, von Sr. Majestät auch mit allerhöchstem Wohlgefallen genehmigten Beschlusse wegen Linderung der durch die letzte Überschwemmung herbeigeführten Landesnoth bewiesen zu-haben glauben, daß ihnen die Wohlfahrt des Königreichs am Herzen liegt, sie daher nur nach der väterlichen Absicht Sr. Majestät zu wirken sich bemühen.

Können schon solche Vorgänge für die reelsten Gesinnungen und Absichten der böhmischen Stände bürgen, so dürften ihre sonstigen einzelnen Vorgänge auch ihre Lojalität bewähren.

Eine ihrer ersten und wesentlichsten Bitten war die Ausschreibung der Landtage im Frühjahre, um dadurch einerseits die Fassung und Publikation des Landtagsschlusses vor Ausschreibung der Steuern möglich zu machen, und andererseits auch das Ansehen und die Wirksamkeit der Stände vor dem ganzen Lande aufrecht zu erhalten. Ungeachtet dieser gerechten und billigen Bitte erfolgte im vorigen Jahre die Ausschreibung des Landtages doch noch so spät, daß die verfassungsmäßige Abhaltung des Landtages und die Fassung und Publikation des Landtagsschlusses vor der gewöhnlichen Ausschreibung der Steuern nicht möglich gewesen wäre; um nun die höchste Staatsverwaltung in ihren Zuflüssen und Deckung des Staatsaufwandes nicht zu beirren, zugleich aber die verfassungsmäßige Form in der Abhaltung der Landtage aufrecht zu erhalten, haben die Stände nicht bloß unverweilt die allerhöchsten Postulate ihrer Berathung unterzogen, sondern ihre willfährige Erklärung hierüber, so wie den Landtagsschluß selbst gleich abgefaßt, und höchsten Orts vorgelegt.

So haben die Stände bei der Berathung der für das Jahr 1846 herabgelangten Postulate, obgleich mit denselben dem Lande eine höhere Steuerschuldigkeit auferlegt wird, ohne daß die Stände die allerhöchsten Motive dieser Steuererhöhung bekannt sind, diese höhere Steuerschuldigkeit mit kindlichem Vertrauen auf die allerhöchste Sorgfalt Sr. Majestät für das Beste des Landes unbedingt übernommen. So haben die Stände, um Se. Majestät nicht auch dort, wo es nicht dringend erforderlich ist, mit Beschwerden und Bitten lästig zu fallen, die noch unausgetragenen Anstände hinsichtlich der Stellung des ständischen Körpers und seines Ausschusses gegenüber der landesfürstlichen Behörde vor der Hand so lange auf sich beruhen lassen, bis der Entwurf der Organisirung des ständischen Ausschusses und seiner Stellung der allerhöchsten Entscheidung unterlegt werden wird. So haben die Stände, so sehr sie sich auch durch das allerhöchste Mißfallen über ihre Weigerung wegen Uebernahme des geistlichen Drittels für die neustädter Militärakademie schmerzlich betroffen fühlten, und obgleich sie glaubten, bei einer allerunterthänigsten Vorstellung darstellen zu können, daß sie das allerhöchste Mißfallen nicht verdient haben, dennoch diesen Gegenstand auf sich beruhen lassen, und sich selbst mit den allerhöchst ausgesprochenen Verkürzungen des bisherigen stiftsbriefmäßig begründeten Vorschlagrechtes für die wiener neustädter Akademie zufrieden gestellt, um mit diesem Gegenstande, da die eigentlichen Landesinteressen hiebet nicht mehr bewährt erscheinen, Sr. Majestät nicht neuerlich lästig zu werden. So haben endlich die Stände in der neuesten Zeit freudig die Gelegenheit benutzt, einen schon vorlängst ausgesprochenen allerhöchsten Willen wegen Einräumung des Sitz- und Stimmenrechtes auf dem Landtage an den jeweiligen Rector Magnificus der prager Universität nachzukommen, und so begrüßen die Stände mit lautem Jubel und dankerfüllten Herzen jede Wohlthat, die aus der Vaterhand Sr. Majestät für das Königreich hervorgeht, so wie auch gewiß kein Ereigniß, keine Zeit, die Treue und Anhänglichkeit der böhmischen Stände an Se. Majestät und an das allerhöchste Kaiserhaus je zu erschüttern im Stande sein wird, wie sie solches schon in den langen schweren Kriegszeiten, selbst mit Hintansetzung ihrer speciellen und persönlichen Interessen, mit Aufopferung von Gut und Blut bewiesen zu haben glauben.

Nach dieser Darstellung erübrigt nur noch, die offene Versicherung auszusprechen, daß es den böhmischen Ständen bloß um  die Aufrechthaltung  ihrer von den Stammvätern auf die Gegenwart übergangenen althergebrachten Verfassung, keineswegs aber um eine Neuerung oder um eine Erweiterung des repräsentativen Prinzips zu thun ist.

Die, Stände suchen auch keinen behördlichen Wirkungskreis, sie wollen nur mit Liebe und Sorgfalt für das allgemeine Beste, die Regierung in ihrem väterlichen Streben unterstützen, sie wollen das Band bilden, durch welches das Volk an seinem Könige mit unerschütterlicher Treue und kindlichem Vertrauen festhält, ja sie wollen die feste Stütze des Thrones sein, wenn die politischen Zustände der Zeit auch Oestreichs Völker beirren, und die Grundfeste der bisherigen Verfassung, unter welcher insbesondere das Wohl und Glück des Königreichs immer mehr und mehr gedeihen kann, zu erschüttern drohen sollten.

Die böhmischen Stände erlauben sich aber auch zugleich, mit stolzem Gefühle und Ueberzeugung auszusprechen, daß Se. Majestät einem solchen Streben, einer solchen Gesinnung seiner treu gehorsamsten Stände das allergnädigste Vertrauen zu schenken geruht, indem Se. Majestät die Aufrechthaltung der ständischen Rechte und Privilegien nicht blos bei der Krönung feierlichst angelobt haben, sondern auch alljährlich mittelst der allerhöchsten Reverse zu bestätigen geruhen.

Wenn aber diese Aufrechthaltung selbst dem allerhöchsten Wunsche Sr. Majestät, wenn sie dem Interesse der höchsten Staatsgewalt entspricht, so möge es auch den Ständen erlaubt sein, an ihren Rechten und Privilegien festzuhalten, ihr Ansehen vor dem ganzen Königreiche, und die ihnen zukommende Stellung als Vertreter des Landes zu wahren und zu behaupten, weil sonst ihre Verfassung zu einem bloßen Schatten herabsinken müßte, der redlichste Wille der Stände für den allerhöchsten Thron und die Wohlfahrt des Landes erfolglos, und ihre moralische Thatkraft in dem Momente, wo sie sich als Stütze des Thrones bewähren wollten, gelähmt wäre.



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