Beilage Nr. 7,1/2

Vortrag,

gehalten in der ersten Sitzung der zusammengetretenen ständischen Kommission "zur Wahrung der ständischen Gerechtsamen."

Von Friedrich Grafen Deym.

Wahrung der ständischen Rechte, bezüglich des Inhalts der allerhöchsten Entschließung vom 18ten Juli 1845, resp. der Auslegung des in der Landesordnung vorkommenden Vorbehaltes und Verbescheidung des ständischen Petitums hinsichtlich der Besetzung der obersten Landesofficiersstellen.

Was die Hauptfrage betrifft, nämlich die in der angezogenen allerhöchsten Entschließung enthaltene Auslegung des, in der Landesordnung vorkommenden Vorbehalts, bin ich des unvorgreiflichen Dafürhaltens, daß die Comité zu beschließen hätte:

1) die Abfassung einer staatsrechtlichen Deduction über den Ursprung und das Wesen der ständischen Privilegien, die Natur und Bedeutung des Krönungseides, und der alljährlichen königlichen Reverse, so wie endlich nicht minder über die verfassungsmäßigen und staatsrechtlichen Mittel, von welchen die Stände Gebrauch machen können, ihre bedrohten, oder schon wirklich verletzten Rechte zu wahren und wieder herzustellen.

Dieser Deduktion wären ferner die, in der ständischen Versammlung vom 9ten und 10ten December 1845 geäußerten Ansichten, und zwar insonderheit die meines damaligen Vortrages, nebst dem Wortlaute aller auf die Frage Bezug nehmenden Urkunden, worunter auch die deutsche Bundesakte, namentlich Heren art. 13 und die Wiener Schlußakte art. 54. 55. 56., so wie die merkwürdige Erklärung des östreichischen präsidirenden Gesandten in der Bundestagsitzung vom 6ten April 1818 gehören, dann die hierauf anwendbaren Grundsätze aus dem öffentlich gelehrt werdenden Staatsrechte, wie nicht minder die katholische Lehre vom Eide, endlich die allgemeinen Principien des Rechts und der Hermeneutik - zu Grunde zu legen.

Deren Endresultat wäre meines unvorgreiflichen Dafürhaltens:

a) der bündige Beweis, daß die ständischen Rechte und Privilegien nicht in der verneuerten Landesordnung, sondern in bis in das graueste Alterthum zurückgehenden staatsrechtlichen Akten und faktischen Zuständen wurzeln, deren feierliche Anerkennung in dem Majestätsbrief König Ferdinands II. ddto. Wien 29sten Mai 1627, so wie in allen hierauf folgenden Krönungseiden und Reversen ausgesprochen worden ist.

Daß ferner, selbst von der problematischen Voraussetzung ausgehend, es sei die gegenwärtige böhmische Landesverfassung von dem sich als Eroberer betrachtenden Landesherrn octroyirt worden, jedenfalls die werthvollsten ständischen Privilegien durch den Inhalt der verneuerten Landesordnung nicht geschmälert oder verändert werden können, da dieselben in dem anbezogenen nach der verneuerten Landesordnung erlassenen Majestätsbrief ausdrücklich und unbedingt denen Ständen zuerkannt worden sind, sofort denn auch für diese Privilegien, worunter das wichtige Steuerverwilligungsrecht enthalten ist, schlechterdings in gar keiner Art, weder unmittelbar noch mittelbar, der in der verneuerten Landesordnung vorkommende Vorbehalt von Einfluß sein könne, wie denn überhaupt die Landesordnung mit den ständischen Privilegien nur in jener Beziehung steht, die der mehrangezogene Majestätsbrief mit den Worten bezeichnet hat: "so obgedachter Unserer verneuerten Landesordnung nicht zuwider" - woraus denn folgt, daß nur dasjenige, was dem Inhalt der verneuerten Landesordnung vom 10ten Mai 1627 zuwider gewesen, nicht anerkannt worden sei, aber keineswegs das Sophisma, daß, weil die Mehrung und Aenderung der Landesordnung vorbehalten, auch jede Veränderung in der Landesordnung die ständischen Privilegien implicite zu modificiren vermöge, was nicht nur aller Logik, sondern auch allen Rechtsprincipien und allen Grundsätzen der Hermeneutik zuwider läuft.

b) daß die Natur eines, nach katholischen Grundsätzen geschworenen Eides  die Annahme schlechterdings nicht zuläßt, die Abänderung des vor Gott gegebenen Versprechens, in die alleinige Willkühr des Schwörenden zu legen; endlich

c) die nähere Bezeichnung der verfassungsmäßigen Mittel, wodurch die Stände die Integrität ihrer Gerechtsamen zu schützen, und ihren, von dem Regenten abweichenden Ansichten in wirksamer Weise Geltung zu verschaffen vermögen, wobei meines Erachtens, vorzugsweise darauf hinzudeuten wäre, daß nur in der Wiedererringung einer politischen Geltung, welche leider dem Lande sowohl als der Regierung gegenüber fast ganz erloschen ist, die Gewähr des Erfolges der ständischen Maßnahmen, in welche Form sie sich immer kleiden mögen, gefunden werden könne.

2) Den Schlußantrag an die Herren Stände ohngefähr in folgender Weise zu stellen: daß, nachdem die ständischen Privilegien und Gerechtsame durch die allerhöchste Entschließung nur mittelbar gefährdet erscheinen, der Augenblick noch nicht eingetreten fei, die den Ständen verfassungsmäßig zu Gebote stehenden Maßnahmen zu ergreifen, wovon sie bei wirklicher faktischer Verletzung ihrer Rechte Gebrauch zu machen verpflichtet wären, und es somit im vorliegenden Falle genügen dürfte, auf eine ehrerbietige und würdevolle Art, Nachstehendes zur Kenntniß des Staatsoberhauptes zu bringen, nämlich:

1) daß sich die Stände von dem Gewicht und Umfange ihrer Gerechtsame vollkommen Rechenschaft zu geben vermögen, und

2) den ernsten Entschluß hätten, dieselben in vorkommenden Fällen pflichtgetreu, durch jedes verfassungsmäßige Mittel zu schützen und aufrecht zu erhalten.

Zu dem Ende wäre daher vorzuschlagen, der bezüglichen Protokolls-Partialabschrift der ständischen Versammlung vom 9ten und 10ten December 1845, und jener der künftigen Versammlung, in welcher das Comité-Gutachten zur Schlußfassung gelangen wird, Sr. Majestät im gewöhnlichen Dienstwege, sammt allen Beilagen lediglich zur allerhöchsten Kenntnißnahme zu unterbreiten.

In Betreff der vergleichungsweise minder wichtigen Frage, nämlich, was über die allerhöchst abweisliche Verbescheidung des ständischen Petitums, wegen Anstellung der obersten Landesoffiziere durch die Comité zu veranlassen wäre, beschränkt sich mein Dafürhalten lediglich darauf, die Comité möge die Ansicht aussprechen, daß, nachdem dieser Gegenstand in den vielfach, wenn auch erfolglos gepflogenen Verhandlungen bereits so erschöpfend beleuchtet worden sei, die Comité sich veranlaßt finde, lediglich auf jene Verhandlungen hinzuweisen, und bloß den Antrag stellen könne, Stände wollen beschließen, die Anstellung eines im Lande nicht angesessenen obersten Landesofficiers, wenn solche jemals noch vorkommen sollte, ihrerseits, gestutzt auf den klaren Wortlaut der Artikel IX. und XXIV. der Landesordnung, dann des den ersteren interpretirenden Absatzes ad 29 und 30 des Hofdekrets vom litten August 1792 - nicht anzuerkennen, und hievon mittels Protokollauszugs im gewöhnlichen Dienstwege Sr. Majestät Kenntniß zu geben.



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