Støeda 26. èervence 1848

Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Dritte Sitzung des constituirenden Reichstages, am 26. Juli 1848.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Protokolls vom 25. Juli 

II. Ankündigung A der Eingaben: 

1. Urlaubsgesuch des Abg. Titüs D z i e d ü s z y c k i.

2.  Zuschrift des vereinten Ausschusses der Burger,

 Nationalgarde und Studenten in Wien, dessen Wirksamkeit betreffend B der Anträge:

1. Des Abg. Lohner, bezüglich der Provinzial Verfassungen der zum deutschen Bunde nicht  gehörigen Landen.

2. Desselben über die Provinzialeinthaijung u. s. w.

3. Desselben über Correspondenz und Telegraphennetz.

4. Desselben wegen der Vorfälle in Prag.

5. Desselben wegen Aufhebung der Adelsprivilegien.

6. Des Abg. Sierakowski wegen Aufhebung aller erblichen Privilegien 

7 Des Abg Hans Kudlich wegen Aufhebung des Unterethansverbandes

 III. Ausschußberichte über die Prüfung der Wahlacte 

IV. Verhandlung über die Geschäftsordnung Hofloge: leer.

Vorsitzender: Präsident Schintt

 Auf der Ministerbank: Doblhoff, Kraüß,

 Bach. Schwarzer, Latoür

 Anfang um 10 Uhr.

P r ä s. Nach der Anzeige der Herren Schriftführer ist die erforderliche Anzahl der Herren Abgeordneten sowohl für die Eröffnung der Sitzung, als für die Abstimmung vorhanden, es ist so hin die Sitzung er öffnet. Ich ersuche den Herrn Secret Wiser das Protokoll der gestrigen Sitzung zu verlesen (Secret. Weiser liest das Protokoll.)  Ist gegen die Fassung des Protokolls etwas zu erinnern? — Ich bitte so hin, wenn die hohe Versammlung mit dem Protokolle einverstanden ist, die Anerkennung desselben durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Angenommen.) Folgende Eingaben sind an die hohe Versammlung eingelangt: 1. Das in der Tagesordnung angeführte Urlaubsgesuch des noch nicht in Wien angelangten, für den Wahlbezirk Kopetzence gewählten Herrn.

Abg Titus Dzieduszycki. Derselbe ersucht um einen dreiwöchentlichen Urlaub wegen seiner geschwächten Gesundheit, welche ihm die Herreife nach Wien nicht erlaubt, und hat diesen Umstand durch das beiliegende Zeugnis des Arztes nachgewiesen. Nachdem dieses ein notwendiges Hinderniß ist, so glaube ich beantragen zu dürfen, daß die hohe Versammlung, welcher das Recht zusteht, Urlaub zu ertheilen, diesen bewillige. Wenn die hohe Versammlung damit einverstanden ist, so bitte ich es durch Aufstehen zu erkennen zu geben (Angenommen ) — Außer diesem sind heute noch folgende Urlaubsgesuche überreicht worden: des Herrn Abg. Bebar von Raiz in Mähren, er ersucht um einen fünftägigen Urlaub (Das Urlaubsgesuch wird gelesen ) Nachdem ein fünftägiger Urlaub angesucht ist, so steht ebenfalls die Bewilligung der hohen Reichsversammlung, zu und ich ersuche, falls kein Anstand obwaltet, dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Ertheilt.) Der Herr Abg. Heinrich Teltschick von Fulneck in Mähren hat folgendes Ansuchen um einen zehntägigen Urlaub gestellt (Liest das Ansuchen.) Wenn gegen das Ansuchen nichts zu erinnern ist, so bitte ich die Zustimmung dazu durch Aufstehen zu erkennen zu geben (Ertheilt) Die zweite auf der Tagesordnung erscheinende Eingabe ist eine Zuschrift des vereinigten Ausschusses der Bürger, Nationalgarden und Studierenden, welche vorzulesen ich den Herrn Sekretaar ersuche Schriftführer (Liest.)

Souveräne Reichsversarnmmlung!

Der Jubel der Volker Desterreichs am Tage der feierlichen Eröffnung der souveränen Reichsversammlung bat im Ausschüsse der Wiener Bürger, Nationalgarde und Studenten den freudigsten Wiederhall gefunden. Durchdrungen von der hohen Wichtigkeit der Aufgabe des constituirenden Reichstages, von deren Lösung die Schickseile der österreichischen Völker abhängen, erachtet es der gefertigte Ausschuß für seine heiligste Pflicht, nunmehr mit erhöhter Kraft dafür zu sorgen, daß die hohe Reichsversammlung ungestört tagen könne.

Die Notwendigkeit — diese Sendung zu erfüllen, glaubt der Ausschuß nach dein Charakter seines Entstehens, in seinein bisherigen Wirken und in den Verhältnissen der Gegenwart zu finden.

Die Geschichte bezeichnet ihn als ein Kind der Revolution, des ewig denkwürdigen 26. Mai, hervorgegangen ans einer Übereinkunft zwischen Volk und Ministerium.

Damals würde ihm, wie der Ministerialerlaß vom 27. Maid. I. ausdrücklich erklärt, die volle Verantwortung für öffentliche Ruhe und Ordnung, so wie für die Sicherheit der Person und des Eigenthums übertragen und das gesamte Staatseigenthum, so wie jenes des allerhöchsten Hofes, alle öffentlichen Anstalten, Sammlungen, Institute und Körperschaften in der Residenz unter seinen Schutz gestellt; — er selbst aber als unabhängige Behörde — berufen zur Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit der Stadt und zur Wahrung der Rechte des Volkes anerkannt.

Das Urtheil aller Besonnenen und billig Denkenden, die zahlreichen an ihn gesendeten Adressen und feierlichen Deputationen aus beinahe allen Provinzen, die mit jedem Tage wachsende Zahl der einkommenden Gesuche — vor Allem aber die Herstellung und Erhaltung der Ruhe, trotz der unablässigen Bemühungen und Umtriebe verbrecherischer Wühler — beweisen zu Genüge, daß er das ihm vom Volke geschenkte Vertrauen gerechtfertigt, und seine Aufgabe bis auf den heutigen Tag nach Kräften gelöst hat.

Die Last seiner großen Verantwortlichkeit wurde ihm noch von keiner Seite abgenommen, und er ist bis zur Stunde die einzige wahrhaft volkstümliche Behörde.

Als solche glaubt er sich vor Allem verpflichtet, der hohen Reichsversammlung hiermit seine tiefste Ergebenheit feierlichst auszudrücken und im Folgenden seine jüngsten Beschlüsse zur Kenntnißnahme unterbreiten zu müssen, weil darin die Momente ausgesprochen sind, welche nach seinem Erachten den Kreis seiner Verpflichtungen bestimmen.

Der Ausschuß hat einstimmig beschlossen, so lange fortzubestehen, bis die hohe Reichsversammlung dessen Auflösung verfügt, oder das Ministerium entweder eine andere volkstümliche Behörde ins Leben gerufen, oder die bestehenden in der Art reorganisiert haben würde, daß denselben die Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit mit Zuversicht anvertraut werden könne.

Bis dahin einerseits mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln für Ordnung, Ruhe und Sicherheit zu machen, andererseits aber beim Ministerium dahin zu wirken, daß die Behörden durch volksthümliche Reorganisierung im Vertrauen des Volkes gekräftigt und fähig gemacht werden, in die ihnen zugewiesene Thätigkeit wieder einzutreten, und den Rücktritt des Ausschusses zu ermöglichen. Um endlich jede eigenmächtige Selbsthilfe, welche Ordnung und Sicherheit im höchsten Grade gefährdet, hineinzuhalten, glaubt der Ausschuß seine Aufgabe als Wahrer der Volksrechte auch jetzt noch darin suchen zu müssen, daß er den in ihren Rechten Gekränkten zu jenem Schütze verhelfe, den jeder Staatsbürger unter den bestehenden Gesetzen von den hiezu verpflichteten Behörden fordern darf, und daß er zu diesem Zwecke vermittelnd und nötigenfalls beschwerend einschreiten werde.

Hiermit bat der Ausschuß zugleich das Programm seiner künftigen Wirksamkeit in allgemeinen Grundzügen dargelegt.

Im Bewusstsein redlich erfüllter Bürgerpflicht, getragen von dem Vertrauen des Volkes, ja als ein Gebot der Nothwendigkeit — der Stadt Wien ins Herz geschrieben, erlaubt sich der gefertigte Ausschuß zur Erreichung seines schönen Zieles zur Kräftigung aller Furchtsamen und Niederhaltung aller Übelgesinnten und Wühler — um die Sanction der hohen Reichsversammlung ehrsuchtsvoll zu bitten.

Wien am 25. Juli 1848.

Der Ausschuß der Bürger, Nationalgarde und Studenten zur Augrechtshaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit und Wahrung der Volksrechte.

Freund,

 Vorsitzet  Stellvertreter.

Dr. W u r d a,

 Schriftführer  Stellvertreter. 

P r ä s i d e n t. Meine Herren! Die vorliegende Eingabe enthält die Bekantgebung des Wirkungskreises 

und am Schlüsse eine Bitte. In sofern es die darin  enthaltene Bekantgebung des Wirkungskreises betrifft, erlaube ich mit anzutragen, daß diese zur Kenntnis der hohen Versammlung genommen werde.

 Was aber die Bitte betrifft, so wäre die ganze Eingäbe nach dem Inhalte der vorliegenden Geschäftsordnung an die Petitionscommission zu verweisen. Wenn die hohe Versammlung mit diesem Antrage einverstanden ist, so bitte ich dieß durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Angenommen.)

Abg. Borrosch. Ich erlaube mir die Anfrage: wird den diese Bitte dem ungeachtet der öffentlichen Discutirung unterzogen, oder sofort von der Petitionscommission im Namen der hohen Versammlung definitiv erledigt? (Häufiges: Nein, nein!)

Präs. Die Petitionscommission hat nach dem Inhalte der Geschäftsordnung immer erst Bericht zu erstatten.

Abg. Miklositsch. Ich bitte uns um Wort. In Nr. 5 der officiellen stenographischen Berichte heißt es, daß meine und des Herrn Abg. Neumann Wahl von der hohen Versammlung als ungültig erklärt worden ist; da nun gerade das Gegentheil stattgefunden hat, so stelle ich an das Bureau die Bitte, diesen Irrthum berichtigen zu wollen und zwar in der nächsten Nummer.

Präs. Das wird veranlaßt und dem Vorkommen ähnlicher Übelstände dadurch vorgebeugt werden, daß das Bureau es sich angelegen sein lassen wird, das stenographische Institut in die gehörige Ordnung zu bringen. Es sind nun die Anträge an der Tagesordnung, wobei ich bemerke, daß die vom Herrn Abg. Löhner gestellten Anträge von 1 bis 5 von demselben in der heutigen Sitzung noch nicht begründet werden können, da er durch körperliches Unwohlsein daran verhindert ist; er stellt das Ersuchen, die ihm zustehende Begründung seiner Anträge in der nächst statthabenden Sitzung der hohen Reichsversammlung vorzubehalten. Ich glaube, daß der Entschuldigungsgrund: "Körperliches Unwohlsein" wohl eine hinreichende Unterstützung seines Ansuchens enthält. Aus demselben Grunde hat der Herr Abg. Sierakowski an mich das Ansuchen gestellt, nachdem der unter Nr. 6 enthaltene Antrag desselben, mit jenem unter Nr. 5 enthaltenen Antrage des Herrn Abg. Löhner im Zusammenhange steht, auch die Ankündigung, und Begründung seines Antrages der nächsten Reichstagssitzung vorzubehalten. Falls die hohe Versammlung mit diesem Ansuchen einverstanden ist, bitte ich es durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Wird bewilligt.) Es liegt nun noch der Antrag des Hrn. Abg. Hans Kudlich vor.

Schrifft.  Streit. (Liest.)

Hohe Reichsversammlung! 

Der Abgeordnete Hans Kudlich stellt den Antrag, die hohe Reichsversammlung möge erklären: "Von nun an ist das Untertänigkeitsverhältnis; stammt allen daraus entsprungenen Rechten und Pflichten aufgehoben; vorbehaltlich der Bestimmungen, ob und wie eine Entschädigung zu leisten sei."

Wien, 24. Juli 1848.

Hans Kudlich. m. p.

(Beifall von der Linken.) 

Präs. Ich ersuche den Herrn Antragsteller von seinem Rechte Gebrauch zu machen, denselben möglichst kurz zu begründen.

Abg. Kudlich. Meine Herren! Mein Antrag bezweckt nichts Anderes, als die so nöthige und von Jedem leicht einzusehende Gleichstellung der staatsbürgerlichen Verhältnisse des Untersthans und derjenigen, die diesen Namen nicht mehr an sich tragen.

Daß die Gesetze, welche noch in den alten Zeiten gegeben wurden, später nicht im Wesen und im Grund, sondern nur in der Ausdehnung verändert worden sind, wissen wir und können es in den Banden, in denen sie enthalten sind, nachlesen. Spätere Veränderungen haben immer nur den Umfang, das Materielle des Unterethansverhältnisses betreffen und haben nicht den Grund selbst aufgehoben. Immer hat man sich bei späteren Veränderungen nur mit dem Materiellen des ganzen Verhältnisses, mit der Größe der Robot, der Anzahl der Giebligkeiten und Lasten befaßt, nicht aber mit dem Wesentlichen, mit dem, was mir vor allem Andern der Beachtung der hohen Versammlung zu unterbreiten werth zu sein scheint. Gerade diejenigen Gesetze sind nicht erörtert worden, durch welche die persönliche Freiheit der Unterthanen noch in einer Weise beeinträchtigt werden, daß wir dieß als einen Ausnahmezustand, als einen Belagerungszustand der persönlichen Freiheit betrachten können, welchen eine hohe Versammlung, welche sich auf den Grund der Volkssouveränität stützt, nimmer dulden kann. (Beifall.) Es wird freilich eingewendet, daß die Sache von selbst aufhört, ich aber sage: das kann nicht mit Stillschweigen dem Volke gegeben werden, das muß mit feierlicher Proclamation des österreichischen Volkes geschehen (Beifall), um die Schritte zu vollenden, welche einst ein Monarch Joseph begonnen hat. Was ein Monarch seinen Unterthanen gethan hat, soll das österreichische Volk sich selbst thun, das sollen wir unsern Brüdern thun. (Beifall.) Es herrscht hier in der Versammlung eine bedeutende Anomalie: es ist eine Ironie, wenn man hört, daß ein souveränes österreichisches Volk sich selbst eine auf demokratischen Grundlagen zu erbauende Verfassung gibt, und in allen Provinzen ein Zustand herrscht, der im Wesentlichen von der alten Leibeigenschaft nicht sehr verschieden ist. (Beifall.) Wenn auch der Umfang dieser Freiheitsbeschränkung vielleicht jetzt minder ist als damals (Beifall), so ist es im Widersprüche, wenn wir Unterthanen neben Staatsbürgern sitzen haben, denn ich kann diese beiden Begriffe: "Unterthanen" und "Staatsbürger", nun und nimmermehr vereinigen. Der Staatsbürger steht unter keiner Gewalt, außer unter der gesetzlichen der Kammer, der Unterthan aber unterliegt tausendfachen Beschränkungen, die factisch und gesetzlich noch bestehen, und die in irgend einem Winkel des Landes der erste beste kleine Dorftyrann heute noch ausüben kann. (Großer Beifall.) Das Recht, hier einen Beschluß zu thun, muß der hohen Versammlung zustehen, und die Politik unterstützt dieses Recht um so mehr, als es uns hinreichend bekannt ist, daß die Augen des ganzen Volkes und der Provinzen, wo die Meinungsäußerungen so verschieden sind, auf die hohe Versammlung gerichtet sind, und wir müssen das Recht der Provinzen eben so zu ehren suchen, als das Recht eines jeden einzelnen Unterthans. Es gibt noch ein Elfaffe und eine Kaste, welche noch jetzt am meisten gedrückt ist, was erst von allen Staatsbürgerklassen gesagt werden kann. Wir wissen, meine Herren, mit welchem Mißtrauen die Bauern gekräht haben, und dieses mit Recht, Wir wissen, meine Herren, daß sich eine große Kluft zwischen Bauern und Unterthanen gezeigt, die nach meiner Ansicht noch viel gefährlicher erscheint, als in ändern Ländern das Proletariat Meine Herren! thun wir dieses nicht, befriedigen wir nicht die Erwartungen des Landvolkes, stellen wir dieses Vertrauen nicht gänzlich wieder her, so werden wir zuletzt im künftigen Reichstage statt 70 Bauern 383 sehen, und dieses mit Recht. Es ist nothwendig, daß dieser Ausspruch so schnell als möglich vor sich gehe, nach welchem die Bauern sich nicht mehr den willkürlichen Bestimmungen der Unterthansgesetze unterwerfen müssen, und die wir so lange billigen müssen, als dieselben nicht durch den Ausspruch einer hohen Versammlung eine andere Modificirung erhalten; denn es könnte zuletzt Jemanden von diesen kleinlichen Elasten einfallen, basiert auf die alten vermoderten Gesetze, welche aus dem Mittelalter herstammen, diese Gesetze nach ihrem ganzen Umfange nach ausüben zu wollen und diese auf die gedrückten Unterthanen anzuwenden. Es könnte, meine Herren, dadurch eine flamme entstehen, die wir nicht mehr zu löschen im Stande sind, weil der Zunder dazu bereits in allen Provinzen enthalten ist. Meinen Antrag werde ich also stellen. daß ihn die ganze Versammlung einstimmig annehmen kann, denn et bezweckt die Gleichstellung der Unterthanen und Staatsbürger. Auf die Art und Weise, wie diese Unterethansverhältnisse abgestellt werden sollen, habe ich mich nicht eingelassen, weil die Art und Weise nur von dem Auspruche einer hohen Reichsversammlung abhängt; ob jedoch diese Befreiung von denjenigen ausgehen soll welche befreit werden sollen; ob diese Sache auf den künftig zu constituirenden Provinziallandtag zu verweisen fei, kann ich hier nicht entscheiden, weil dazu eine lange Debatte erforderlich sein werde. Das, was ich beantragt habe, wird gewiß von allen Andern bewilligt werden, welche die Konsequenz behaupten und Willens find, daß die Gesetze auch praktisch in Unwendung kommen. Mein Antrag würde daher folgendermaßen gestellt: Die hohe Reichsversammlung möchte sich entscheiden und sobald als möglich aussprechen, um dem Volke statt verachtenswerther, achtungswerthe Gesetze zu geben, und zwar dieses so schnell als möglich, um dem Zustande in den Provinzen Einhalt zu thun, und diesen Gegenstand zur Vollberathung gerathen zu lassen. (Allgemeiner Beifall.)

Präs. Diejenigen Berten, welche bieten Antrag unterstützen, wollen dieses durch Aufstehen zu erkennen geben. (Alle stehen auf. Stimmen: Bravo!) Die hohe Versammlung wolle vorher beschließen, ob der Gegenstand nach dem Antrage des Herrn Audiich zur Vollberathung zu ziehen, oder an die Abtheilungen zu verweisen sei. (Mehrere Stimmen: Vollberathung, keine Debatten!) Ja, aber die Abstimmung ist noch nicht geschehen; ich ersuche daher diejenigen Herren, welche mit diesem Antrage einverstanden sind, aufzustehen. (Majorität.)

Abg. Strasser. Ich bitte um das Wort. Ich begrüße freudig den Antrag, welchen der Herr Abg. K u d l i c h vor mir gestellt hat, und unterstütze denselben, muß aber bemerken, daß es nicht ganz recht ist, wenn er von Unterthansverhältnissen in allen Provinzen gesprochen hat. (Mehrere Stirnen: Keine Debatte!) Ich weise hin auf Tirol und erkläre, daß hier kein Unterthansverhältniß stattfindet.

Präs Zur Ordnung! Der Antrag geht dahin, jenen Antrag sogleich zur Vollberathung zu ziehen. Ich erlaube mir somit den Antrag zu stellen, ob die Reichsversammlung sogleich zur Vollberathung übergehen wolle. (Mehrere Stimmen: nicht sogleich!) Sogleich, das heißt, ob die Versammlung mit der Vollberathung einverstanden fei. (Majorität.) Die hohe Versammlung hat vorläufig nach dem §. 49 der Geschäftsordnung zu bestimmen, ob die Vollbereitung oder Zuweisung an die Abtheilung zu geschehen habe, und nach welchem Zeitverlaufe. (Mehrere Stimmen: Vollberathung!) Der Gegenstand ist somit zur Vollberathung zu ziehen, jedoch beziehe ich mich auf den §. 49, wo es heißt, daß diese Bestimmung nicht vor drei Tagen geschehen kann. Ist die hohe Versammlung damit einverstanden, daß die Vollberathung nach drei Tagen geschehe? (Einige Stimmen! Was ist denn der Antrag?) Der Antrag ist: Die Vollberathung nach dem dritten Tage, von heute angefangen, eintreten zu lassen.

Ein Abg. Ich erlaube mir nur noch eine Frage zu stellen: Ob drei Tage nach der Annahme der Geschäftsordnung oder von heute angefangen, damit wir eine Konsequenz beobachten. Denn wir können die Debatte so lange nicht durchführen, als die Geschäftsordnung nicht begonnen ist.

Einige Stimmen. Sie ist ja schon provisorisch angenommen.

Präs. Der Gegenstand ist somit nach Verlauf von drei Tagen zu verhandeln.

Abg. Mayer. Ich habt einen Gegenstand von nicht geringerer Wichtigkeit auf die Tagesordnung zu bringen für jene Zeitperiode, wo die Geschäftsordnung, die jetzt an der Tagesordnung ist, abdebattirt sein wird. Es ist nämlich der Antrag wegen Abänderung des Recrutirungsgesetzes, und dieser ist wegen seiner unliebsamen Folgen, die er auf die ganze Bevölkerung hat, ein so wichtiger, daß diese Frage sogleich erörtert werden muß; denn dieser Antrag ist eben so wichtig und dringend, als die Precedenz dieses Antrags, und ich stelle somit die Frage: ob man die Precedenz des ersten Antrages nicht fallen lassen sollte?

Abg. F i sch h o f. Ich glaube erinnern zu müssen, daß dieses provisorische Rekrutierungsgesetz bei weitem auf solche Wichtigkeit nicht Anspruch machen kann, wie der Antrag des Hrn. Abg. Kudlich. Es wird dieses mehr Unruhe, wenn es in die Provinzen kommt, verursachen, als dort ohnehin schon vorhanden sind. Die Geschäftsordnung ist nicht von größerer Wichtigkeit als das neue Rekrutierungsgesetz, über welches abdebattirt werden soll; denn ich muß, was diesen Antrag betrifft, bemerken, daß dieses Gesetz auf die ganze Armee Bezug hat.

Ein Abg. So will ich meine frühere Meinung als nicht gesagt ansehen.

Abg. Szabel. Meine Herren Sie sehen, daß von Tag zu Tag wichtigere Gegenstände zur Berathung auftauchen, deren Berathung aber ohne definitive Geschäftsordnung nicht möglich ist; es wird fortwährend auf Paragraphen verwiesen werden, die bloß provisorisch angenommen worden sind. Ich muß protestieren, daß ähnliche so tiefe Gegenstände zur Berathung gezogen werden, ehe die Wahl des Bureau beendet ist, und daß eingehende Gegenstande eher zur Berathung gezogen werden, bevor wir nicht eine definitive Geschäftsordnung haben. Es ist möglich, daß wir noch diese Woche mit der Geschäftsordnung fertig werden. Ich unterstütze daher den Antrag, daß die definitive Vollberathung dieses Gegenstandes auf Montag beantragt werde, indem wir bis Montag mit der Geschäftsordnung, welche so wichtig ist, fertig werden.

Mehrere Stimmen. Es ist abgestimmt.

Abg. Mußil. Ich unterstütze den Antrag, daß der Gegenstand so schleunig als möglich der Vollberathung unterzogen werde, um so mehr, als das Unterthansverhältniß faktisch bereits aufgehoben ist, denn ein Stand, aus welchem Mitglieder in der constituirenden Versammlung sitzen und in die gesetzgebenden Versammlungen gelangen werden, steht nicht mehr im Unterthansverhältnisse. Es gibt also keine Unterthanen im Sinne des Unterethanspatentes mehr. Die hohe Versammlung hat sohin dieses nur durch ihren Ausspruch festzustellen, und dazu brauchen wir keinen Aufschub.

Präs. Es liegen nun noch Interpellationen vor und zuförderst von gestern die des Abg. Borrosch. Herr Abg. Borrosch stellt nämlich die Anfrage an das Ministerium: ob bezüglich der am 21. d. M. stattgefundenen Sprengung des demokratischen Vereins und der persönlichen Sicherheitsbedrohung eines Redakteurs die geeigneten Verkehrungsregeln gegen die Wiederholung ähnlicher, die constitutionelle Freiheit Aller und somit auch möglicher Weise der zum Reichstage Abgeordneten bedrohenden widersetzlichen Eigenmacht getroffen worden sind?

Abg. B o r r o sch Ich sehe zwar den Hrn. Justizminister nicht in der Versammlung, glaube jedoch dieses werde nichts zu sagen haben. Ich habt die Anfrage an das Ministerium zu stellen. in einer deshalb hochwichtigen Angelegenheit, weil sie auf die Wirksamkeit des Reichstages von großem Einflüsse sein kann Ich meine die beklagenswerten Vorfalle am 21 d. M., welche ich als einen durch das Ereignis selber thaisächlich an das Ministerium gestellten Antrag zum Einschreiten erachtet habe, und daher die üblichen drei Tage abwartete, die mehr als genügten, um für die der Freiheit durch physische Gewalt geschlagene Wunden unverzüglich von der gesetzlichen Macht Hilfe geleistet zu sehen, wovon jedoch bis jetzt nichts zur öffentlichen Kunde gekommen ist. Dem Reichstage liegt die Verpflichtung ob, für die dauernde Wahrung der Volksfreiheit eine felsenfeste Grundlage und schirmende Gesetze vermittelst einer, diesen höchsten Zweck erfüllenden Verfassung zu schaffen. Der hoben Reichsversammlung kann es nicht gleichgültig sein, wenn, nährend sie tagt, lichtscheue Thaten der Nacht gegen das freie Versammlungsrecht verübt werden, wenn gleichsam unter den Augen der Volksvertreter die persönliche Freiheit eines Redakteurs in einer Weise bedroht wird, wie sie sogar unter der früheren polizeilichen Willkürherrschaft nicht stattfand, will wenigstens die Formen des Gesetzes beachtet wurden. (Beifall.) Ob Abgeordnete, ob Vertreter, ob Schriftsteller wegen ihrer Meinungsäußerungen einer thätlichen Mißhandlung ausgesetzt werden, gilt im Grundsatze ganz gleich, denn eine Verletzung der constitutionellen Freiheit durch eine ungezügelte Eigenmacht darf niemals von den Handhaben der gesetzlichen Ordnung geduldet werden (großer Beifall). Und wer heute ruhig zusieht, weil ein gefasster politischer Gegner das Opfer war, kann schon morgen der Märtyrer einer gleichen Gewalttätigkeit werden. (Großer Beifall.) Wie, wenn jener Versammlung des demokratischen Vereines einer von uns beigewohnt hätte, wurde man nicht vielmehr die vollste Genugthuung gewahrt haben? Zu dieser wäre man aber verpflichtet, und jene Anwesenheit hätte leicht stattfinden können; denn eine, die Gesamtheit darstellen sollende, und eben nur dadurch alle Zeitbebürfnisse genau erwägen könnende Reichsversammlung wird notwendig in ihrem eigenen Schooße Vertreter für jede politische Meinung zählen? Ich frage demnach, ob das Ministerium bezüglich jener Vorfälle bereits die geeigneten Maßregeln getroffen habe, um eine Wiederholung dieser für die staatsbürgerliche Freiheit Aller, folglich auch für das Gesamtwohl bedrohlichen Leidenschaftsausbruche zu verhüten?

Finanzmine. Krauß. Die Frage berührt zwar nicht den Geschäftskreis, der mir angewiesen ist, ich kann also auch nicht in die Frage unbedingt eingehen; allein das Ministerium hat durch seine Handlungen und Äußerungen an den Tag gelegt, daß es im Wesentlichen die Ansicht des Antragstellers theile; es hat mehrere Gesetzentwürfe vorgelegt, durch welche für die Zukunft ähnlichen Vorfällen vorgebeugt werden soll. Übrigens muß ich nur bitten, dem Ministerium der Justiz und des Innern später Gelegenheit zu geben, darauf eingehen zu können.

Abg. Borrosch. Vielleicht würde es genehmigt, daß ein Antrag von der hohen Versammlung, bezüglich der Präventiv — Maßregeln gestellt werde; dieß scheint immer zweckmäßiger, als ein Gesetz.

Finanzmine. K r a u ß. Wenn ein Antrag auf Präventiv  Maßregeln gestellt wird, so wird er wie ein anderer Antrag in Verhandlung genommen werden.

Abg. Goldmark. Ich will die Ankunft des Ministers abwarten, an den meine frühere Interpellation gerichtet war.

Präs. Wir wollen nun zur Tagesordnung schreiten, und zwar zuerst zur Prüfung der Wahlen, und ich lade daher die Herren Berichterstatter ein, die Tribune zu betreten. (Da die Berichterstatter der ersten, zweiten und dritten Abtheilung nichts vorbrachten, betritt der Berichterstatter der vierten Abtheilung, Abgeordneter Cavalcabó die Tribune und berichtet, daß die Wahlen des Dr. Anton von Madonizza für den Bezirk Capodistria und des Joseph Doliak für den Bezirk Umgebung Görz als vollkommen in Ordnung gefunden worden sind, daher die vierte Abtheilung den Antrag stellt, diese beiden Wahlen als anstandslos und gültig zu erklären. — Werden angenommen. — Der Berichterstatter der fünften Abtheilung hat ebenfalls nichts vorzubringen.)

Abg. Selinger. Die sechste Abtheilung hat bei der Prüfung der Wahl des Egid Fritsch für den Wahlbezirk Zistersdorf in Niederösterreich keine Formgebrechen aufgefunden. Die Abtheilung beschloss aber, weil ein Protest dagegen eingelegt wurde, die Untersuchung gegen den Protestführer zu beantragen.

Präs. Ich frage zuerst, ob die hohe Reichsversammlung mit der Genehmigung der Wahl des Abgeordneten einverstanden ist. (Die hohe Versammlung ist damit einverstanden.) Der zweite Theil des Antrages geht dahin: wegen der Überreichung des Protestes gegen die Wahl eine Untersuchung einzuleiten.

Abg. Goldmark. Ich glaube nicht wegen der Überreichung, sondern wegen des Inhaltes des Protestes.

Abg. Violand, Ich glaube, dieser Gegenstand wäre dem Justizminister zu übergeben. (Wird unterbrochen.)

Präs Herr Abg. Hagenauer hat das Wort.

Abg. Hagenauer. Sie haben mir das Wort aus dem Munde genommen, ich halte es nicht geeignet, die Untersuchung dem Reichstage, sondern ich glaube dieselbe dem Justizminister zu überlassen, denn ich glaube, dieß ist sein Attribut. (Wird unterstützt.)

Abg. Selinger. Es war auch bloß der Antrag auf Untersuchung schlechtweg gestellt.

Präs. Der Antrag geht dahin: eine Untersuchung über den Inhalt des gegen die Wahl erhobenen Protestes durch das hohe Ministerium zu veranlassen.

Abg. Hagenauer. Bitte um Entschuldigung, es soll das Ministerium nicht berichten, sondern bloß die Facta zur Amtshandlung an das Justizministerium verweisen.

Präs. Die Frage ist, ob der gegen die Wahl angelangte Protest an das Justizministerium zu Amtshandlung zu überweisen sei. Wenn die Herren damit einverstanden find, mögen sie dieß mit Aufstehen zu erkennen geben. (Die Versammlung ist damit einverstanden.)

Abg. Hagenauer. Ich würde mir noch eine Bemerkung erlauben, da dieß vielleicht nicht in das Fach des Ministers des Innern schlägt (nein, nein!), so glaube ich, daß es an das Ministerium im Allgemeinen zu verweisen sei.

Präs. Wenn die hohe Versammlung mit der Abänderung einverstanden ist, möge sie aufstehen. (Die Versammlung ist nicht einverstanden.) Bevor zur Berathung geschritten wird, erlaube ich mir die Mittheilung jener Wahlen, welche bereits dem Vorstande überreicht worden sind, über Bildung der Ausschüsse bekannt zu geben.

Schriftf. In der ersten Abtheilung ist Herr Placek als Mitglied der Redaction  Commission gewählt worden.

In der 2, Abtheilung Scholl.

" " 3. " Mannheimer.

" " 4. " Purtscher.

" " 5. " (Hagenauer: Hat  noch nicht gewählt, erst heute Abend.)

",, 6.,, Hein.

" " 7. " Call.

" " 8. " (Hat nicht gewählt.)

" " 9. " Podlewski.

Für den zweiten Ausschuß bezüglich des Antrages des Abg. Sierakowski in Betreff der Erwägung des Zustandes der Provinzen, hat die

1. Abtheilung noch nicht gewählt.

2. " Trojan.

3. " Smarzewski.

4. " (hat noch nicht gewählt.)

5. " (hat noch nicht gewählt.)

6. " Rieger.

7. " Bielecki.

8. " (noch nicht gewählt.)

9. " Gleispach.

Präs. Ich ersuche die Vorstände der Abtheilungen, wo die Wahlen noch nicht vorgenommen worden sind, sie so schnell als möglich zu veranlassen, damit die Geschäfte nicht aufgehalten werden. Auch ersuche ich die Mitglieder des Ausschusses,


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP