Sobota 26. srpna 1848

nothwendig gewesen. Diesen Grundsatz fest zu halten und die Schadloshaltung zuzusichern, es geschah aber mit dem Vorbehalte, daß die hohe Versammlung das weitere zu beschließen habe. Ich glaube dadurch dürft wohl das Benehmen des früheren Ministeriums gerechtfertigt sein. Aber selbst, wenn die hohe Versammlung das Gegentheil entscheidet, so würde ich doch, so tief ich die Beschlüsse der hohen Versammlung verehre, in meinem Innern mich glücklich schätzen daß ich Theil nahm an einer Maßregel, durch welche der Bauernstand entlastet, der Anlaß zu fortwährender Zwietracht zwischen dem einen Stande, Grundbesitzer und dem andern beseitigt, und viele Familien vor dem Untergange bewahrt werden. (Beifall von der Rechten und vom Centrum, Zischen von der Linken. )

Abg. Kudlich. Der Herr Minister der Justiz hat sich während seines Sprechens in den Deputirten Bach verwandelt, und ich bitte daher nach §. 63 der Geschäftsordnung um das letzte Wort.

Präs. Ich bitte das letzte Wort hat der Herr Antragsteller bereits gehabt. (Eine Stimme von der Linken: das war nicht das letzte Wort. )

Abg. Kudlich. Ich meinte, weil der Minister Bach einen Antrag gestellt hat, daß er nicht als Minister, sondern als Deputirter gesprochen hat.

Justizminister Bach. Ich bitte, ich habe hier keinen Antrag gestellt. Ich habe das nur als Wunsch ausgesprochen. Ich scheine mißverstanden worden zu sein.

Abg. G o l d m a r k. Das ist eine Formfrage. Ich habe vollkommen beigestimmt dem §. 62, wo es heißt:,, Die Minister können ohne Unterbrechung des Redners jederzeit das Wort ergreifen. " Ebenso existirt aber von der hohen Kammer ein zweiter Beschluß im §. 64, worin es heißt:,, Wenn der Reichstag die Verhandlung für geschlossen erklärt hat, kann der Antragsteller und schließlich der Berichterstatter das Wort nehmen. " Schließlich das Wort haben, heißt das letzte Wort haben. Ich glaube, wenn man das letzte Wort hat, so kann keiner mehr über denselben Gegenstand das Wort nehmen, wenn nun der Minister über denselben Gegenstand sprechen will, so ist ja während der Debatte Zeit genüg dazu; der Antragsteller und Berichterstatter erhalten ja gerade deßhalb das letzte Wort, um die Gegengründe der einzelnen Deputirten, oder der Minister beantworten, und widerlegen zu können, man kann daher nicht das Recht des Antragstellers der Art beeinträchtigen gegen den klaren Sinn des Paragraphen, ihm das letzte Wort zu nehmen. Nach dem heutigen Vorgange hat der Abgeordnete K u d l i c h n i c h t das letzte Wort gehabt, denn es haben nach ihm zwei Herren über denselben Gegenstand noch gesprochen, ich bitte ihm daher nach dem Wortlaute des §. 64, das letzte Wort zu geben. (Bravo links, Zischen rechts. )

Präs. Wird der Antrag unterstützt.

Abg. Goldmark. Ich mache keinen Antrag, sondern ich halte mich nur an den Wortlaut des Paragraphes.

Präs Ich erlaube mir zu bemerken, daß nach meiner Auslegungsart der Vorgang, wie er bisher stattfand, den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprach, und zwar aus dem Grunde, weil im §. 64 doch wohl nur die Herren Deputirten gemeint waren. (Ruf: Nein. ) Ich bitte, habe ich das Wort (Ruf: Ja), weil ich nach meiner Überzeugung den §. 64 unmittelbar auf die Herren Deputirten beziehe. Es würde dieser Paragraph unmittelbar im Widerspruch mit dem §. 31 stehen, wenn er auch auf die Herren Minister bezogen würde, denn wenn die Minister das Wort nicht ergreifen können, wenn sie es wünschen, so würden sie es auch dann nicht haben, wenn der letzte Deputirte gesprochen hat.

H e l f e r t. Ich glaube die §. 62 und 64 müssen im Zusammenhänge mit einander erklärt werden. Im §. 64 heißt es: Daß der Antragsteller schließlich das Wort habe. Im §. 62 heißt es: Daß der Minister das Wort ergreifen könne, so oft er es wünsche. Ich stelle nun den Antrag an den Herrn Präsidenten, darüber abstimmen zu lassen, ob, wenn schließlich der Berichterstatter das Wort genommen hat, noch eine Zeit vorhanden fei, oder nicht? Wenn eine Zeit vorhanden ist, dann ist auch noch Zeit vorhanden, wo die Herren Minister sprechen können. (Gelächter. )

Abg. L ö h n e r. Ich bin der Meinung, daß hier offenbar, wie der Herr Vorredner bemerkt hat, diese §§. im Zusammenhange genommen werden. Ich bin aber der Überzeugung, daß man den Satz, wo es heißt: die Minister können jederzeit das Wort ergreifen, ganz richtig nur dann verstehen kann, wenn man den Vordersatz desselben §. mit darauf bezieht, was der Vorredner unterlassen hat; darin heißt es: über denselben einzelnen Gegenstand der Verhandlung darf ein Redner nur zwei Mal sprechen.

Dieses gilt von den Deputirten insgesamt; für die Minister aber ist eine Ausnahme gemacht, da es heißt: Die Minister können zu jeder Zeit ohne Unterbrechung des Redners das Wort ergreifen, das heißt: Die Minister sind nicht verpflichtet bloß zwei Mal zu sprechen. Wenn man ein Gesetz gibt, wenn man einen Satz herausreißt, so kann man ihn richtig verstehen, wenn man aber einzelne Worte herausreißt, so kann man den Sinn verdrehen. Ich glaube, daß dieser §. ganz deutlich ist, indem meine allgemeine Bestimmung für die Deputirten enthält, und von dieser Beschränkung für die Minister eine Ausnahme macht. Der andere §. ist eben so deutlich, er enthält keinen Unterschied gegen das, was vorhinein gesagt worden ist. Es ist dem Minister gestattet, das Wort ohne Unterbrechung des Redners jederzeit zu ergreifen. Ich glaube, daß, wenn die Herren Minister über diesen Gegenstand eine Cabinetsfrage machen wollen, daß dann noch immer Zeit sein wird, denn da ist auch eine Zeit, weil immer fort eine Zeit ist, bis die Ewigkeit eintritt. Wenn dieses Recht gegeben sein würde, so könnten die Minister, wenn sie bemerken, daß eine Abstimmung vorgenommen werden soll, die ihnen unliebsam auszufallen droht, zu jeder Zeit, also auch da das Wort ergreifen, und dadurch, daß sie eine Frage zur Cabinetsfrage machen, könnten sie die Kammer terrorisieren und das wäre eine Unzukömmlichkeit.

Präs. Ich bitte, das gehört nicht zur Sache; einen Terrorismus dem Ministerium vorzuwerfen, halte ich für eine Ordnungswidrigkeit, und ich fordere den Redner auf, zur Ordnung zurück zu kehren. Aufregung in der Versammlung, Stimme der Mißbilligung, Abg. Löhner will noch einmal das Wort ergreifen und wird unterbrochen durch den).

Präs. Sobald ich zur Ordnung rufe, hat sich der Redner nieder zu setzen und sich dann zu entschuldigen.

Abg. Violand. Ich protestiere dagegen.

Abg. Goldmark. Wir sind nicht hier, um nach Willkür (Ruf zur Ordnung!), hier ist die Ordnung! im §. 64 ist die Ordnung.

Abg. Gobbi. Meine Herren, vergessen wir nicht, daß wir im Saale des Reichstages sitzen. (Löhner verlangt das Wort. )

Präs. Ich bitte, wollen Sie sich entschuldigen? Ich habe zur Ordnung gerufen, weil ich in einer Kammer einen Terrorismus nicht kenne, sonst wäre dieß keine freie Kammer, und wir keine Vertreter des souverainen Volkes, es kann hier kein Terrorismus herrschen, ich halte dieß daher für eine Ordnungswidrigkeit.

Löhner. Ich habe das Recht, mich wegen des ersten Ordnungsrufes zu entschuldigen, und ich muß bemerken, daß ich gesagt habe, eventuell,,, wenn das wäre, so könnten die Minister", das ist keine Persönlichkeit, ich habe nicht damit die Minister gemeint, sondern deduziert für alle Zeiten, wie dieser §. der Geschäftsordnung deduziert werden könnte. Ich glaube, daß diese Darstellung eine richtige ist; ich habe die gegenwärtigen Minister nicht genannt, sondern gesagt,, das könnte einmal geschehen. " Ich frage, ob ich die gegenwärtigen Minister angegriffen habe? (Viele Stimmen: Nein!) Ich frage, ob ich den Ruf zur Ordnung verdient habe? (Viele Stimmen: Nein!) Ich habe die jetzigen Minister nicht gemeint, kann sie nicht gemeint haben; denn ich habe von einem Falle gesprochen, der jetzt nicht vorhanden ist; ich habe nur consequent durchgeführt, wohin wir kommen könnten, wenn das Recht der Minister, zu jeder Zeit das Wort zu ergreifen, als absolut verstanden würde. Das Wort hat ein jeder einzelne Deputierte, so lange eine Verhandlung nicht geschlossen ist, zwei Mal, und wenn für die Minister eine Ausnahme gemacht worden ist, so kann diese Ausnahme von der Regel nicht weit entfernt sein. Der Termin besteht, bis der letzte Redner gesprochen hat, und dann heißt es, daß der Antragsteller und Berichterstatter das Wort hat.

Die Theorie ist dadurch bestimmt, daß der Antragsteller und Berichterstatter das letzte Wort hat, und hinter diesen kann Niemand folgerichtig das Wort ergreifen, und ich behaupte, daß es gegen den Sinn der Geschäftsordnung wäre, daß, nachdem die Minister gesprochen hätten, sie das Recht hätten, nachdem sich alle Redner abgemüht haben, die Versammlung aufzuklären, die Minister bloß aufzustehen brauchen, und den Effekt eines jeden Redners erschöpfen könnten, da sie gegen den Beschluß der Geschäftsordnung das letzte Wort haben. Wenn das ist, so löschen wir lieber aus unserer Geschäftsordnung diesen Paragraph aus.

P r ä s. Erlauben sie mir für mich die Bemerkung, daß ich es um so mehr als einen Angriff ansehen mußte, der den Ruf zur Ordnung folgen hieß, weil der Vorgang gerügt wird, der hier stattfand, daher ist von einem eventuellen Falle keine Rede.

Streit. Als Mitglied des Ausschusses, welcher die Geschäftsordnung verfaßt hat, erlaube ich mir, die hohe Versammlung auf den klaren Wortlaut des §. 64 hinzulenken, er lautet: (liest. )

Man hat nicht das Wort "schließlich'' auf den Antragsteller beziehen wollen, man hat nur vermeiden wollen, daß nicht hinter dem Berichterstatter die Minister das Wort ergreifen, hinter dem Antragsteller wohl. So war der Sinn, und ich berufe mich auf alle Mitglieder der Commission und die ganze Versammlung.

Schuselka. Wir dürfen die Gesetze nicht nach dem Wortlaute auslegen, sondern nach dem Zwecke. Wenn wir nun den Zweck dieser Anträge und Reden, die darüber gehalten werden, betrachten, so kann er kein anderer sein, als daß Thatsachen angeführt werden, und Aufklärungen, auf deren Grundlage der Beschluß zu fassen ist. Es ist wünschenswerth und mit Dank anzunehmen, wenn die Minister zu jeder Zeit auftreten, um die nöthige Aufklärung zu geben, wenn sie aber in zwei ausführlichen Reden gegen den Antragsteller Sprechen und Thatsachen anführen, so muß es doch gestattet sein, auf diese Sachlage eingehen zu können, und sie zu widerlegen, oder seinen eigenen Antrag zu motivieren. Es ist gewiß, daß dem Antragsteller das Resumé der ganzen Verhandlung anvertraut und überlassen bleiben muß.

Er kann aber nicht resümieren, wenn er auf zwei so umfassende und ausführliche Reden nicht mehr antworten darf. (Bravo).

Präs. Abg. Goldmark hat das Wort.

Goldmark. Meine Herren, ich habe bei den Verhandlungen über den Kudlichschen Antrag nicht das Wort genommen, Sie werden aber aus der Abstimmung  und ich hoffe, sie wird eine öffentliche sein  ersehen, daß ich eben so gut, als irgend einer für die Entschädigung gewisser Lasten bin, eben so sehr aber gegen die Entschädigung anderer. Ich glaube daher nicht im bloßen Interesse des Antrages, sondern nur im Interesse der Geschäftsordnung, im Interesse des Beschlusses, den wir einmal gefaßt haben, und im Interesse der Gerechtigkeit neuerdings das Wort zu ergreifen; meine Herren, wenn der Herr Präsident sagt, daß das Wort "Antragsteller" im §. 64 bloß auf Deputirte Bezug habe, so wäre damit auch ausgesprochen, daß der Minister keinen Antrag stellen kann. Ich glaube aber, daß ihm dieses Recht zusteht, dann aber hätte er zweimal das letzte Wort, einmal als Antragsteller und dann als Minister. Ich glaube, das ist ein offenbarer Widerspruch. Der §. 64, nicht seinem Wortlaute, sondern seinem Sinne nach, sagt ganz einfach: dem Antragsteller, der seine Meinung vertheidigen will, steht das letzte Wort zu, um zu reassumirend, was gesagt wurde. Ich sehe nun nicht ein, warum der Berichterstatter bei Kleinigkeiten, zum Beispiele bei einem Wahlacte, das letzte Wort haben, bei einem so großen bedeutenden Antrage dagegen dem Antragsteller dieses Recht nicht zustehen soll? Das, meine Herren, ist nirgends der Fall, in keiner Kammer, und auch bei uns konnte dieß nicht die Absicht des Ausschusses sein. Ich glaube auch nicht, daß irgend ein Minister das Recht auf das Schlusswort hat, und muß, ohne es auf eine Abstimmung ankommen zu lassen, ersuchen, nach dem Wortlaute des §. 64 dem Antragsteller, wenn er es verlangt, das Wort zu geben.

Abg. Klaudi. Ich sehe mich aus denselben Gründen, die der Abg. für Berchtholdsdorf angegeben hat, genöthigt, das Verfahren des Präsidenten zu rechtfertigen, und zwar aus dem Grunde, da der Antragsteller für Schlesien gefragt hat, ob er als Minister die Rednerbühne besteige; sprechen Sie als Minister oder als Deputirter? der Minister hat erklärt, daß er als Minister zur Kammer sprechen wolle, und ich glaube auch, daß des Finanzminister als Minister sprechen wollte. (Heiterkeit. ) Der Wortlaut dieser beiden §§. ist genug erörtert worden, ich beschränke mich eben nur aus den Zweck der Rede der Minister in der Kammer. Ich habe schon bemerkt bei einer andern Gelegenheit, daß die Minister in der Kammer als solche sprechen, um das vermittelnde Organ als verantwortliche Räthe der Kammer zwischen der Staatshoheit und der Kammer als gesetzgebender Körper zu sein. Die Minister haben nicht nur das Recht, sondern in England wird es ihnen sogar zur Pflicht gemacht, bei einer jeden Gelegenheit das Wort zu ergreifen, wo sie die hohe Kammer in Zweifel glauben, oder eine Aufklärung für nöthig halten. Der Herr Justizminister hat erklärt, daß diese Frage vom Ministerium zur Cabinetsfrage gemacht worden sei, und zwar hat er die Gründe entwickelt, warum das Ministerium diese Frage zur Cabinetsfrage gemacht hat.

Der Herr Finanzminister hat bloß erklärt, was er aus dem Gesichtspuncte als Finanzminister über die Art der Entschädigung und die Frage, wer soll die Entschädigung leisten? denkt. Er hat sich persönlich über einen Vorwurf gerechtfertigt. Ich glaube, daß nach Bestimmung der Rede der Minister entschieden werden müsse, zwischen Debatte und Aufklärung, die die Minister geben; in der Debatte, wenn sich in solcher der Minister betheiligt, kann er bloß als Deputirter sich betheiligen, und dann hat allerdings der Wortlaut des §. 64 Anwendung; Spricht sich die Majorität für den Schluß aus, so soll der Antragsteller und nicht der Berichterstatter das Wort nehmen.

Weil das aber keine Debatte ist, und weil die Rede des Herrn Ministers kein Gegenstand der Debatte ist, wenn er nicht als Deputirter spricht, und bloß eine Aufklärung gibt, so finde ich den §. 62 mit dem §. 64 auch dann im vollkommensten Einklange, wenn wir die Sache erklären, wie sie der Herr Präsident heute erklärt und angewendet hat, daß die Herren Minister auch nach geschlossener Debatte der Kammer, die ihnen allein zu Gebote stehenden Momente vortragen können, die auf den Beschluß irgend einen Einfluß haben könnten.

Borrosch. Im letzteren Theile hat der Herr Abg. vor mir das Nöthige statt meiner gesagt. Es wurde hier viel Gewicht darauf gelegt, daß der Effect nicht geschwächt werde (Heiterkeit); ich bedauere, wenn man hier so großen Werth auf eine Effekthascherei legt (Beifall und Lachen) und erkläre wenigstens für meinen Theil, daß die Rede auf mich keinen Effect hervorgebracht hat und noch zehn solcher Effetreden keinen hervorbringen würden (Gelächter), ferner würden wir gerade so wie in der Robotfrage ein altes Unrecht durch eine neue Ungerechtigkeit sichern; der Herr Antragsteller würde nämlich dann zum dritten Male sprechen, und da möchte ich mir vorerst ohne allen Effect, das laut Geschäftsordnung jedem Redner zustehende Recht, ein zweites Mal zu sprechen, gewahrt haben. (Gelächter. ) Ferner ist ein Antragsteller niemals fähig, zu reassumirend, denn da müßte er eine Art Melusine sein, nicht Fisch, nicht Jungfrau, sondern etwas von Beiden. (Gelächter. ) Nur ein Kommissionsberichterstatter vermag parteilos zu reassumirend. Der letzte Antragsteller wird immer seine Partei vertreten pro oder contra, und es wäre sehr traurig, wenn die hohe Versammlung nach allen gehörten Rednern durch einen letzten Redner in ihrem Urtheile beirrbar wäre. (Beifall, links Zischen. )

Brestl. Meine Herren! Ich kann nur mein innigstes Bedauern aussprechen, daß man bei Behandlung von rein formellen Fragen, von Fragen der Geschäftsordnung stets immer von Partei  Rücksichten ausgeht, stets immer auf das Materielle des früher behandelten Gegenstandes geht. So lange wir uns nicht daran gewöhnen werden, bei formellen Fragen vollkommen abzusehen von dem Inhalte der materiellen Frage, mit der wir uns beschäftigen, so lange wird es unmöglich sein, eine passende Geschäftsordnung zu bekommen, so lange werden wir unmöglich einen wahren parlamentarischen Usus erhalten. Jede Frage der Geschäftsordnung muß ganz ohne Rücksicht auf irgend eine Partei und ohne Rücksicht auf eine vorliegende Frage behandelt werden, sonst geschieht es, wie es leider hier schon mehrmals geschehen ist, daß sich das Haus in seinen Beschlüssen widerspricht. Wir haben z. B. heute Amendements zugelassen, nachdem wir den Schluß der Debatte erklärt gehabt haben, letzthin bei der Finanzfrage, haben wir nach dem Schlusse der Debatte eingereichte Amendements, zurückgewiesen. Wir haben also in formeller Hinsicht uns in dieser ersten Frage schon zweimal entgegengehandelt. Es ist außerdem noch bei anderen Gelegenheiten geschehen, daß wir widersprechende Beschlüsse fassten, und zwar deßhalb, weil die Kammer immer bei Entscheidung der formellen Frage auch die materielle ins Auge gefaßt hat.

Was den Gegenstand selbst betrifft, mit dem wir uns beschäftigen, so glaube ich, ist der §. 64 der Geschäftsordnung in der Beziehung vollkommen klar, und wenn irgend ein Zweifel darin besteht, so liegt er wesentlich nur in der, durch das Amendement später eingeschalteten Bedingung, daß die eingeschriebenen Redner auch nach dem Schlusse der Debatte zu sprechen berechtigt sind, eine Bestimmung, der ich mich widersetzt habe, die ich jetzt noch bedauere, und von der ich herzlich wünsche, daß wir in der Geschäftsordnung wieder davon abgehen. Was den §. 64 anbelangt, so müssen wir von diesem speciellen Falle absehen, denn darin heißt es ausdrücklich: "wenn der Reichstag die Versammlung für geschlossen erklärt hat, kann des Antragsteller, und sch l i e ß l i sch der Berichterstatter das Wort nehmen",., das Wort schließlich" kann sich aber offenbar auf den Berichterstatter speciell nur in dem Sinne beziehen, daß zuerst der Antragsteller, und dann der Berichterstatter das Wort zu nehmen hat, keineswegs aber, daß damit gesagt wird, daß der Antragsteller nicht zuletzt sprechen kann, und daß am Schlusse der Verhandlung, noch in dem Sinne, als der wirkliche Schluß der Verhandlung angesehen würde. Wenn es in einem frühern Paragraphe heißt: "Die Minister können ohne Unterbrechung des Redners jederzeit das Wort ergreifen"; so hat das offenbar die Bedeutung nur während des Verhandlung. Man hat schon mit Recht vorher erwähnt, daß das theilweise im Gegensatze liegt zu dem, daß der Abg. nur zwei Mal sprechen darf, andererseits aber auch zu demjenigen im Gegensatze, daß der Abg. warten muß, bis die Tour zu sprechen an ihn kommt, der Minister an das letztere nicht gebunden fei. Aber ich glaube, der §. 64 wurde, wenn ihn einzelne Commissionsmitgliedern vielleicht in einem ändern Sinne verstanden haben, doch von einer großen Mehrzahl so verstanden, daß der Antragsteller, der speciell durch seine Subjektivität besonders betheiligt ist, das Recht haben soll, am Schlusse noch auf die gegen seinen Antrag erhobenen Gründe und Einwendungen Antwort zu geben, und aus dem Grunde hat er das letzte Wort erhalten. Man hat zu gleicher Zeit erwähnt, daß der Antragsteller nicht unparteiisch sei, wohl aber der Berichterstatter.

Ich muß sagen, das begreife ich nicht, wenn wir in irgend einen Ausschuß einen Berichterstatter wählen, so wählen wir gerade denjenigen zum Berichterstatter, der die Ansicht der Mehrzahl der Mitglieder des Ausschusses theilt, weil er eben diese Ansicht als seine bestimmte Partei Ansicht zu vertreten hat. Ich glaube daher der §. 64 ist so vollkommen klar, daß dem Antragsteller auch jetzt das Wort gebührt. Der Antragsteller hat noch nicht das letzte Wort gehabt, die Verhandlung war noch nicht geschlossen, weil noch die zwei Herren Minister in der Verhandlung gesprochen haben. Kudlich hat also noch nicht zuletzt gesprochen, und ich muß die Herren noch einmal bitten, wenn wir uns nicht in formeller Hinsicht Schwierigkeiten aller und jeder Art bereiten wollen, bei der Beurtheilung der Geschäftsordnung rein von jeder Parteifrage, rein von jedem Eingehen in das Materielle abzugehen, sondern nur die Form ohne Rücksicht auf die Sache im Auge zu haben.

Löhner. Ich frage den Herrn Präsidenten, ob der Ordnungsruf gegen mich als zurückgenommen zu betrachten ist oder nicht? Ich habe dieses aus der Erklärung des Präsidenten nicht deutlich absehen können.

Präs. Ich habe ihn nicht zurückgenommen, sondern nur die Gründe angegeben, warum ich den Ordnungsruf ergehen ließ.

Löhner. Dann melde ich meinen Protest an.

Schuselka. Ich schließe mich diesem Proteste an, indem ich mich als Abgeordneter in meinem Rechte verletzt fühle, wenn der Ordnungsruf auf eine solche Weise vorgeht. (Mehrere Abgeordnete: Ich unterstütze den Protest).

Präs. Ich bitte, die Herren Protestierenden wollen sich an die Herren Secretäre wenden. Es haben noch einige Herren das Wort.

Claudi. Ich würde bitten, die Unterstützungsfrage zu stellen.

Präs. Der Abg. Klaudi hat den Antrag gestellt, damit die Debatte über die formelle Debatte geschlossen werde. Der Antrag hat Unterstützung gefunden. Diejenigen Herren, welche sich also für den Schluß der Formulardebatte aussprechen, wollen aufstehen. (Angenommen. ) Ich erlaube mir das Wort, das ich schon früher ergreifen wollte. Die Debatte über den Kudlich'schen Antrag ist geschlossen. Nun handelt es sich darum, daß die Kammer wirklich handle.

G o l d m a r k. Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich unterbreche. Wir haben den Schlug der formellen Debatte beabsichtigt unter der Voraussetzung, daß dem §. 64 Genüge geleistet werde, und daß dem Antragsteller, wenn er darauf besteht, das Wort nochmals zu ergreifen, gewährt werde.

Präs. Es ist kein Antrag gestellt worden.

G o l d m a r k. Er bedarf keiner Abstimmung der hohen Kammer. Es soll nur dem §. 64 Genüge geleistet werden.

Klaudi. Aus den §§. 62 und 64, aus dem Geiste des Gesetzes erhellet (Tumult während dieser ganzen Rede), was auch die Minister durch ihre Anwesenheit auf der Ministerbank bewiesen haben, daß die Debatte geschlossen und der Herr Antragsteller wirklich das letzte Wort gehabt hat.

Präs. Es ist die Debatte darüber schon geschlossen worden. Ich habe meine Ansicht schon darüber ausgesprochen, daß ich nicht der Meinung bin, daß der Antragsteller nochmals das Wort ergreife. Ein Gegenantrag ist in der hohen Kammer nicht gestellt worden, und so sehe ich auch nicht ein, was weiter unterstützt, was weiter abgestimmt werden solle.

Borrosch. Der Gegenantrag ist meinerseits durch die Wahrung des Rechtes, als Redner ein zweites Mal sprechen zu können, bereits gestellt. (Gelächter. )

Abg. Kudlich. Wie wäre es, wenn wir den Wunsch des Herrn Ministers in das Bereich unserer Präs. Eben dieß wollte ich zum Gegenstande meiner Rede machen; ich habe schon zwei oder dreimal angefangen zu sprechen, bin aber immer wieder unterbrochen worden. Es handelt sich vor allem darum, sich darüber auszusprechen, wie bei der Abstimmung über den Antrag des Abg. Kudlich vorgegangen werden soll. Es scheint mir der Gegenstand zu wichtig, als daß er mit Stürm abgethan werden sollte, ich glaube, daß es jedenfalls dem Hause wünschenswerth sein muß, sich eine Mitcontrolle über das mir als Präsidenten eingeräumte Recht, die Frage zu stellen, vorzubehalten. Zu diesem Behufe habe ich schon mehrere Vorarbeiten geliefert, und beabsichtige dieselben mittelst Drück den Kammermitgliedern mitzuteilen, damit jeder sich informieren könne, wie die Fragen nacheinander folgen, und nicht Streitigkeiten entstehen, wie die einzelnen Fragen zu stellen sind, und darüber, wann eine oder die andere Frage in diesem Fragesystem vorkommt. Mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Sondierung der Anträge, welche bei der Abstimmung zur Basis zu nehmen sind, kann wohl keine Rede davon sein, daß heute schon eine Abendsitzung gehalten, und die Abstimmung vorgenommen werde. Ich glaube, daß es die Herren selbst wünschen müssen, den Antrag behufs der Prüfung des von mir zu stellenden Fragensystems und des ganzen pro und contra nochmals in Erwägung zu ziehen. Ich stelle daher den Antrag, der Abstimmung über den Antrag des Abg. K u d l i c h eine eigene Sitzung zu widmen, und zwar diese für Dienstag zu bestimmen. Ich hoffe jedenfalls morgen schon mit der Sondierung der 68 oder 70 Anträge über jeden einzelnen Punkt fertig zu werden. In logischer Beziehung ist es keine Kleinigkeit, dieß durchzuführen; ich werde sie Montag dem Drucke übergeben, damit den Mitgliedern dieselben in den Abteilungen oder im Präsidial  Bureau ausgeteilt werden, damit Dienstag aufschließend die Abstimmung über den Kudlich´schen Antrag vorgenommen werden kann; so viel habe ich als Präsident über das, was die Abstimmungsart anbelangt, zu bemerken gehabt. Was nun die Bemerkung des Herrn Ministers anbelangt, so ist es klar, da der Herr Minister erklärte, daß er die Rednerbühne nur als Minister beträte, daß darüber nicht abgestimmt werden kann, Insoferne nicht ein anderes Mitglied diesen Gegenstand zu einem eigenen Antrage macht.

Die Zeit dürfte bereits vorgerückt sein; falls die hohe Kammer mit der Verzögerung des Vorganges, den ich in dieser Angelegenheit beobachten will, einverstanden ist, werde ich so frei sein, anzutragen, da von mehreren Seiten, namentlich von mehreren Gliedern des Constitution  Ausschusses, der Wunsch geäußert wurde, um so viel als möglich Zeit zu gewinnen, um in ihren Arbeiten fortschreiten zu können, daß am Montag keine Sitzung abgehalten werde, sondern erst am Dienstag, und diese ausschließend nur der Abstimmung über den Kudlich´schen Antrag zu widmen wäre. Die Sitzung wird am Dienstag um 10 Uhr eröffnet und die heutige erkläre ich für geschlossen.

Kudlich. Herr Präsident, bevor die Sitzung geschlossen wird, bitte ich ums Wort.

Präs. Ich habe gesagt, die Sitzung ist geschlossen.

Tagesordnung für den 29. August 1848.

1 Ablesung des Sitzungsprotokolls vom 26. August.

2. Abstimmung über den Kudlich´schen Antrag.

Wir bringen heute nachträglich die Rede des Herrn Dominkusch aus der Sitzung vom 25. August, welche wegen zu großer Unruhe im Saale von den Stenographen nicht vollständig vernommen werden, und daher so lückenhaft in den offiziellen stenographischen Berichten abgedrückt werden konnte, und die uns nachträglich durch die Güte des Herrn Redners übermittelt wurde.

Die Redaction.

Mein Amendement: Das hohe Ministerium möchte die Revision des stabilen Katasters in den Provinzen Steiermark und Krain veranlassen, unterstütze ich mit Folgendem: Die Provinz Steiermark und Krain war durch den Josephinischen Kataster außerordentlich überbürdet, die kleine Provinz Steiermark zahlte allein an Grundsteuer 1, 400 000 Gulden Conv. Münze, da diese Steuern unerschwinglich waren und das Volk entmutigten: so geschah es, daß in manchen Gegenden gar keine Steuern gezahlt wurden, und diese durchaus mit Pfändungen und Abstiftungen von Grund und Boden eingebracht werden müßten. Die steiermärkischen Zeitungsblätter von den Jahren 1820 bis Ende 1840 geben hinreichende Beweise, wie die landesfürstlichen Steuern in der Steiermark in diesen Jahren eingetrieben würden. Aus diesem Gesagten wird es erklärlich, wie sehnsuchtsvoll man in Steiermark und in Krain der Einführung des neuen Katasters entgegen sah. Die Kateastralarbeiten, die in der Steiermark im Jahr 1818 in Angriff genommen wurden, haben sich so verzögert, daß der neue Kataster erst im Jahre 1843 ins Leben trat. Die Bewohner wurden aber in ihren Erwartungen um so mehr enttäuscht, als die Steuerquote für die Provinz nur um 100. 000 fl. vermindert wurde, folglich die Provinz immerhin noch 1, 300. 000 fl. zahlen muß, und als sie gewahr wurden, daß die Vertheilung in der Provinz noch ungleichmäßiger als früher geschah, so würden z. B. schon früher als überbürdet geachtete Bezirke um 100 Percent erhöht und der Bezirk Fridau der früher 9000 fl. zahlte muß jetzt eine Contribution von 19, 000 fl. zahlen. Der Cillier Kreis zahlt um 30. 000 fl. mehr als der Judenbürger und Bruckner Kreis, die doch 2 1/4 Mal größer im Flächenmaße sind.

Diese Ungleichheit in der Provinz als die Überbürdung der Provinz überhaupt, muß eine Verarmung nach sich ziehen, wenn nicht sogleich Abhilfe erfolgt, und dieser Umstand wird meinem Antrage, der nur provinzielle Angelegenheiten zu regeln beabsichtigt, vor der hohen Reichskammer entschuldigen.

Daß die Provinz Steiermark und Krain an und für sich aber überbürdet sind, dürfte aus folgenden hervorgehen: das Ackerland in der Provinz Österreich ist im Durchschnitte pr. Joch auf 5 fl. 24 kr. gestellt, obgleich in mehreren Gegenden Äcker, die 20 Metzen Korn pr. Joch geben, nur auf 34 fl. Reinertrag berechnet ist, dagegen ist das Ackerland in der Steiermark auf 6 fl. und in Krain gar auf 8 fl. gestellt. Wenn man nun annehmen will, daß in der Steiermark nur wenige fruchtbare Ebenen sind, der übrige Ackergrund auf Gebirgen, darunter so hoch gelegen ist, daß in manchen Jahren nicht der Hafer zur Reife kommt, so dürfte in der dargestellten Durchschnittsberechnung die Überbürdung klar erwiesen sein. Gegen diese meine Angaben könnte das Bedenken rege werden, wie die Schätzungscommissäre einen so hohen Ertrag ermittelten, wenn er wirklich nicht vorhanden wäre, dagegen erwidere ich, daß ursprünglich nach der vorgenommenen Schätzung, dieses Missverhältnis weder in der Provinz Steiermark und Krain, noch gegen die benachbarten Provinzen bestand, und daß diese Differenzen erst später, nachdem die Hofkanzlei ausdrücklich einen höhern Ertrag der Provinz Steiermark auszumitteln verlangte, und eine Summe von 1, 200. 000 fl. C. M., um welche der Ertrag der Steiermark erhöht werden mußte, dieses Missverhältnis herbeigeführt wurde, indem diese Summe in der Provinz nicht auf alle Kulturgattungen gleichmäßig vertheilt und der Durchschnittsertrag so sehr erhöht wurde.

Die hohe Reichsversammlung wird aus dieser Darstellung leicht ersehen, daß, wenn diesem Übelstande nicht sogleich abgeholfen wird, die Provinzen Krain und Steiermark verarmen müssen, und da die Wohlfahrt der Einzelnen im Ganzen gelegen ist, meinen Antrag: eine sogleich Revision des Katasters einzuleiten, unterstützen.

Aus der k. k. Hofhund Staats Druckerin


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP