Abendsitzung am 18. October 1848.
Vorsitzender: Präs. Smolka.
Anfang um 3/4 7 Uhr Abends.
Präs. Nach vorgenommener Zählung sind 176 Mitglieder anwesend, daher kann die Verhandlung beginnen. In Wiederaufnahme der heute früh unterbrochenen Verhandlung erlaube ich mir anzuzeigen, daß in Folge des Aufrufes der hohen Kammer drei Mitglieder von ihrem Urlaube zurückgekehrt sind, nämlich die Herren Pawlikowski, Alexander Dzieduszycki und Robert. Ich ersuche den Abg. Schuselka den heute Morgens unterbrochenen Gegenstand neuerdings wieder aufzunehmen.
Abg. Schneider. Ich bitte um's Wort. — Ich habe neulich die Ehre gehabt, dem permanenten Ausschusse anzuzeigen, laß sich die Nationalgarde von Bielitz in Schlesien zur Verfügung des hohen Reichstages gestellt hat. Diese meine wackeren Landsleute haben auch nicht lange warten lassen und haben dem Worte und Versprechen auch sogleich die That nachfolgen lassen; sie haben sich auf den Weg gemacht unter der Führung ihres Commandanten, des Fürsten Sulkowski, um den edlen Bewohnern Wiens zu Hilfe zu eilen, und die hiesige wackere Nationalgarde in ihrer Dienstleistung zu unterstützen. Leider aber konnten sie ihrem Vorhaben und guten Willen nicht nachkommen, sie wurden nämlich in Prerau von Militärmacht angehalten, entwaffnet und festgenommen. Nur einige von ihnen entkamen, und mit Einem von diesen Nationalgarden habe ich selbst gesprochen. Ich beehre mich, dieß der Kammer zur Kenntniß zu bringen, zum Theile um sie zugleich aufzuklären über die Stellung, welche die Militärmacht der Nationalgarde gegenüber einnimmt, zum Theile, um meine Landsleute, die gerne auch ihre kleinen Dienste hier dargebracht hälten, aus echtem patriotischen Gefühle, vor dem hohen Hause zu entschuldigen, daß es ihnen unmöglich geworden, weil sie der Nothwendigkeit und der Gewalt weichen mußten. (Bravo!)
Abg. Schuselka. Ich habe neulich der hohen Versammlung angezeigt, daß ein Wiener Nationalgarle, Herr Walter, zu Stein gefangen genommen und mit standrechtlicher Hinrichtung bedroht worden ist; daß wir sogleich auf diese Nachricht einen Eilboten abgesendet haben, um den Mann noch wo möglich zu retten, und es ist uns gelungen. Der abgesandte Officier der Nationalgarde hat den gefangenen Walter frei hierher gebracht. (Beifall.)
Der permanente Ausschuß hat folgende Zuschrift erhalten, welche zur öffentlichen Kenntniß zu bringen ihm eine angenehme Pflicht ist.
"Löblicher Ausschuß!"
"Der Vorstand des Stenographen-Bureau's am constituirenden Reichitage gibt sich die Ehre, Einem löblichen Reichstags-Ausschusse die Summe von neunzig Gulden C. Mze. als den Ertrag einer Sammlung im genannten Bureau zu übermitteln, welchen die Gefertigten als einen Beitrag zur Unterstützung derjenigen Wehrmänner verwendet wissen wollen, die sich an der gegenwärtigen Vertheidigung Wiens betheiligen, und zu welchem edlen Zwecke ihre physischen Kräfte anzubieten, den Gefertigten ihre Pflichten als Stenographen des Reichstages nicht gestatten."
(Folgen die Unterschriften)
Eben an diesem Abende erschienen zwei Abgeordnete des Studenten-Comités vor dem Ausschusse mit dem Anbringen, daß das Gerücht, welches die Stadt durchläuft, der Reichstag werde gesprengt werden, unwahr sei, und zugleich zu erklären, daß die Studenten-Legion jederzeit bereit sei, ihre Waffen zum Schutze des Reichstages und der Gesetzlichkeit zu gebrauchen. (Beifall). Der Ausschuß hielt sich für verpflichtet, dieses weniger in der Absicht zur Kenntniß des hohen Hauses und der Oeffentlichkeit zu bringen, als ob er seinerseits jenem Gerüchte einigen Glauben oder irgend einen Einfluß auf seine Stellung zuerkannt hätte, denn er ist von dem gesunden Sinne der Bevölkerung Wiens zu sehr überzeugt, als daß er solchen Gerüchten irgend eine besondere Bedeutung beilegen konnte; der Ausschuß benützt vielmehr diese Anzeige wesentlich dazu, um abermals einen Beleg dafür zur öffentlichen Kenntniß zu bringen, mit welcher Thatkraft, mit welcher Gesetzlichkeit, mit welcher Mäßigung die akademische Legion sich in diesen schweren Tagen der Bedrängnisse benimmt. (Beifall.)
Präs. Wir sind gegenwärtig 180 anwesend, demnach würde ich glauben, daß noch immer über den heute früh unterbrochenen Gegenstand verhandelt werden könnte, daß wir aber noch zuwarten müssen, um über diesen vorliegenden Gegenstand Beschluß fassen zu können. Es war die Debatte über die an Seine Majestät zu erlassende Adresse geschlossen. Die Debatte über die beantragte Proclamation an die Völker Oesterreichs hingegen kann noch stattfinden. Ich fordere demnach diejenigen Herren, die darüber sprechen wollen, auf, das Wort zu ergreifen.
Abg. Dylewski. Ich bitte, dieselbe vorzulesen.
Abg. Schuselka. Die Proclamation an die Völker Oesterreichs soll nach dem Antrage des permanenten Ausschusses lauten wie folgt. (Liest den Entwurf.)
Präs. Ich erlaube mir dem hohen Hause anzuzeigen, daß in diesem Augenblicke 194 Abgeordnete anwesend sind.
Abg. Sidon. Ich bin so frei, im Interesse meines Vaterlandes mich gegen diese Proclamation feierlichst auszusprechen, und besonders gegen die Worte: "Völker, erhebet euch!" Unsere Geschichte, unsere Hügel, unsere Berge sagen es uns laut, was Bauernaufstände, Bürgerkriege für schrecklose Folgen haben, und darum muß ich mich, ich sage es noch einmal, feierlichst gegen diese Proclamation aussprechen.
Abg. Ziemialkowski. So sehr ich der Ansicht des geehrten Vorredners wäre, wenn dieses im buchstäblichen Sinne des Wortes genommen wäre, so glaube ich doch, daß er im Irrthume begriffen ist, wenn er glaubt, daß hier ein Aufruf an das Landvolk gerichtet sei, damit es sich erhebe. Es ist ja ausdrücklich gesagt, es soll sich in moralischer Kraft erheben, um den Kaiser zu beschwören, daß er die Wünsche des Reichstage genehmige. So viel zur Antwort. Ich meinerseits muß mir die Bemerkung erlauben, daß mein gestriger Antrag, der von dem hohen Hause angenommen und genehmiget worden ist, hier in der Proclamation nicht vorkommt, — es ist dieser mit einigen Worten berührt worden, der Sinn ist da, allein wir müssen nicht vergessen, daß wir vorzüglich auf das Landvolk wirken sollen. Dieses versteht solche abstracte Begriffe von Reaction und Camarilla nicht, es versteht aber Robot und Zehent, und das hat auch der Hof eingesehen in jener Proclamation, welche bereits in allen Zeitungen ist, wo vorkommt: "der Kaiser wird euch die Freiheit, die er euch gegeben hat, bewahren, er wird die Aufhebung der Robot und des Zehents aufrecht erhalten." Wir müssen dieß also auch in unserer Proclamation aufnehmen, wie es der Kaiser aufgenommen hat.
Abg. Sidon. Ich muß mich dagegen verwahren, eben deßwegen, weil das Volk es nicht versteht, — und wir wissen, wenn Sätze vieldeutig sind, daß man sie in dem Sinne nimmt, in dem man sie nehmen will.
Abg. Dylewski. In diesem Manifeste sind manche Ausdrücke, deren Wichtigkeit so groß ist, daß ich sie aufzuzeichnen versuchte. Es heißt: "vergebens protestirte der Reichstag" — dieses sollen wir den Völkern mittheilen. Ich werde für alle Maßregeln sein, welche den Wienern und der Freiheit helfen; diese Maßregel würde aber in dieser Beziehung auf unser Land keine guten Früchte bringen, sondern Unglück stiften. Ferner: "Wien ist der Mittelpunct der Interessen aller Völker." — Ich spreche im Namen meiner Committenten, ich spreche nicht in meinem Namen; wenn ich in meinem Namen sprechen würde, so würde ich vielleicht keinen Unterschied machen, aber als Abgeordneter meiner Committenten, was Galizien betrifft, muß ich sagen, daß Wien noch nicht der Mittelpunct seiner Interessen ist. Wir reichen die Hand dazu, wir wollen, wir wünschen es, aber erst wenn das erfüllt ist, weßhalb wir vom Lande hieher geschickt wurden. Es ist uns aufgetragen worden, eine besondere Provinzialverwaltung, eine besondere innere Gesetzgebungsgewalt für uns zu erlangen; wenn wir dieses nicht erreichen, so werden wir von hier nicht Freiheit, sondern Knechtschaft nach Hause bringen. Dieses muß ich hier sagen. Dieses "Erheben," es ist freilich vom moralischen Erheben die Rede, aber es ist an's Landvolk gerichtet, es ist daher die Bemerkung des Herrn Abg. Ziemialkowski allerdings zu rechtfertigen. Der Ausschuß hat uns versprochen eine Erzählung, eine Rechtfertigung der Handlungen, welche der Ausschuß und der Reichstag bisher vorgenommen haben, und ich hätte geglaubt, das wäre genug, besonders für unser Land. Diese Handlungen sind richtig im Interesse der Freiheit geschehen, und sind so stark, daß sie von sich selbst genug sprechen. Ich wünsche nicht die Zerwürfnisse weiter zu führen, sondern ich wünsche, die Aufzählung unserer Handlungen den Völkern vorzuhalten, damit sie selbst darnach urtheilen; nicht wir sollen urtheilen. Ich glaube, das Urtheil wird für uns gut ausfallen. Aber diese Stelle muß ich deßwegen bestreiten, weil sie in unserem Lande nur Unglück stiften und uns hier keine Hilfe bringen wird. —
Ich habe bisher immer offen und ohne Furcht gesprochen. Meine Herren, mein Wirken und mein Leben gehört meinem Lande; sollte ich diese meine Ansicht mit meinem Leben bezahlen, so werde ich dazu bereit sein, im Interesse meines Landes und der Freiheit. Und ich glaube, wir sollen den Weg der Neutralität und Versöhnung nicht verlassen, so lange bis wir nicht die Unmöglichkeit auf diesem fortzugehen eingesehen haben. Es sind viele Rücksichten, welche bloß vertheidigend (unverständlich). — Ich sage noch dieses: es ist ein großes Bollwerk, daß der Reichstag als Reichstag hier in Wien verbleibt; das ist ein großer, ein mächtiger Schutz für Wien. Wird man dem Reichstage vorwerfen können, daß er über diese Gränze hinausgerückt ist, dann ist es um die Gewalt des Reichstages geschehen, dann kann Wien, dann kann der Reichstag um einige Feinde mehr haben. Lieber 99 Freunde weniger, als einen Feind mehr!
Abg. Goldmark. Manche der Gründe, die hier vorgebracht wurden, sind für mich so bedeutend und so überzeugend, daß ich gar nichts entgegnen kann, daher ich auf die Amendements, die beliebt werden, unbedingt eingehe; auf der andern Seite jedoch, muß ich bemerken, daß die Commission an die Befürchtungen, welche manche Worte bei einigen Abgeordneten erregten, niemals, und am allerwenigsten gegenwärtig, gedacht hat. Wenn wir die Freiheit der Stadt Wien hier mehr oder weniger mit dem Wohle und der Freiheit der Gesammtmonarchie verbinden, so war es durchaus nicht in der Absicht des Ausschusses, dadurch Centralisationsideen auszudrücken, oder auch nur denselben auf diese Weise Vorschub zu leisten. Wir haben einfach ausgesprochen, was Jeder von uns fühlt, was Jeder sich und seinen Bekannten so vielfach gesagt hat und sagen wird: "wenn das Bollwerk der Freiheit, wenn Wien fällt, wenn der Reichstag nicht mehr in Wien tagt, dann, meine Herren, sind trotz allen Versprechungen, die contrasignirt und nicht contrasignirt von Olmütz kommen mögen, dann ist die Freiheit, das Vaterland und die ganze schöne Zukunft verloren. (Beifall.) Ich bin daher bereit, und gewiß alle Mitglieder, die sich an der erneuerten Redaction betheiligt haben, mit mir, alles das abzuändern, was in irgend einer Weise zu Mißhelligkeiten und Mißverständnissen Veranlassung geben könnte. So habe ich gegen die Weglassung des Ausdruckes: "erhebet euch" nichts einzuwenden, da er von Jenen, die ihn absichtlich falsch auslegen wollen, oder nicht Verstand genug haben, ihn richtig auszulegen, jedenfalls mißdeutet werden könnte. Eben so bedauere ich, daß nur aus Versehen der Antrag des Abg. Ziemialkowski nicht so klar und deutlich ausgedrückt wurde, wie es nöthig war, und wie wir ihn von der anderen Seite (Olmütz) heute schon anticipirt sehen. Aus dem Inhalte der Proclamation jedoch folgern zu wollen, daß wir sie gar nicht erlassen sollen, oder daß wir dadurch von dem Boden, auf dem wir uns bisher bewegt haben, abweichen, das muß ich als irrthümlich bezeichnen, damit kann ich nicht übereinstimmen; nicht aus Furcht, nicht aus Zaghaftigkeit oder aus einem Gefühle der Unentschlossenheit sind wir bisher in der Art vorgegangen, wie wir es gethan haben; unser gesammtes Handeln in dieser hohen Kammer und in dem Ausschusse war streng nach Constitutions-Grundsätzen geregelt. [*) Von hier angefangen ist die Rede Goldmark's nicht im Originalmanuscript, sondern in einer von ihm späterhin eigenhändig geschriebenen Einlage vorhanden.]
Ich halte es für nothwendig, diese leitenden Grundsätze, die vom ersten Tage der Bewegung bis zu dieser Stunde zur unwandelbaren Richtschnur unserer Handlungen dienten, und die sich meiner geringen Erfahrung nach vom März bisher als richtig bewährten, mit einigen offenen Worten auseinander zu setzen. — Bei den so plötzlichen als rapiden Bewegungen unserer Zeit, bei den raschen und des Zieles oft nicht klar bewußten Handlungen unseres Volkes, bei der Unabsehbarkeit der Tragweite einzelner Handlungen ist es jedem wahrhaft freiheitliebenden Patrioten ernste und erste Pflicht, alle seine Kräfte zur Bemeisterung der Bewegung auszubieten, die überstürzenden Fluthen der aufbrausenden Volkskraft zu dämmen, dem Wellenschlage derselben Tendenz und Richtung zu geben, dieselben zu mäßigen und besänftigen, damit man nicht weiter fortgerissen und gedrängt werde, wohin Gewissen und Vernunft zu gehen verbieten. So habe ich alle Erscheinungen unserer Revolution aufgefaßt, und auf dieselben einzuwirken gesucht. Ist jedoch die hochgehende Fluth der Volksbegeisterung eingedämmt, ist die Bewegung von unten, d. h., die der Massen, in ruhigere Schwingung gerathen, dann, meine Herren, ist es die zweite aber wichtigste Pflicht des Volksmannes, den Ursachen dieser aufströmenden Volkswuth, und ihren Urhebern, d. h. den Reactionsgelüsten von oben, mit aller Entschiedenheit und Energie trotz Tausenden von Bajonneten offen entgegen zu treten. (Beifall.) In dem Sinne, meine Herren, war mein bisheriges Wirken; deßhalb habe ich am 15. März zur Mäßigung gemahnt, und am 15. Mai zur kühnen Thatkraft angespornt; darum wagte ich am 26. Mai bei den Bemühungen, den Barrikadenbau einzustellen, meinen Kopf, und trat am 8. Juni einem nicht mehr volksfreundlichen Ministerium offen entgegen; in demselben Sinne wurde der Sturm des 6. October besänftiget, die Gemüther beruhiget, und nun ist es unsere Ausgabe, den offenkundigen Reaktionstendenzen von Olmütz her die Spitze zu bieten.
Ich habe von der Bewegung des 6. October gesprochen, — ich glaube es bedarf keiner besonderen Erinnerung, daß von der politischen Würdigung derselben die gräßliche Schand- und Mordthat, die am greisen Grafen Latour verübt wurde, und für dessen Rettung ich und mehrere Abgeordnete alle unsere Kräfte aufboten, ja selbst in Lebensgefahr geriethen, ausgeschlossen werden muß. Diese ruchlosen Mörder, die unsere bisher unbefleckte Revolution geschändet, wird und muß die gerechte Strafe treffen. — Was jedoch die Partei in Olmütz betrifft, so ist es klar, daß dort die Reaction heimlich und öffentlich mit allen ihren Gelüsten auftritt, eine Reaction, die um so schädlicher erscheint, jemehr sie auf der einen Seite ihre freiheitsfeindlichen Bestrestrebungen mit lügenhaften heuchlerischen Worten zu bemänteln, auf der anderen Seite mit roher Gewalt durchzusetzen sich bemüht. — Oder ist eine Verfahrungsweise, wie sie diesem hohen Hause gegenüber, gegenüber einer Reichsversammlung, die so loyal, so ehrlich und constitutionell verfahren, bisher eingeschlagen wird, nicht reactionär zu nennen? Ueberhaupt was will man in Olmütz? Ruhe, Ordnung und Gesetzlichkeit herstellen! Hat der Reichstag nicht sein Ehrenwort verpfändet, daß diese bereits vorhanden sind? stellt man anno 1848 die Ruhe mit Kanonen her? Ja, meine Herren, man will Ruhe — die Ruhe der Gefallenen, man will Ordnung — die Ordnung der Bajonnette erreichen, man will Gesetzlichkeit — die Herrschaft der Militärgesetze und der metternich'schen Politik. Diese Reaction, meine Herren, ist nicht von gestern her, sie war kein leeres Fantom, als man vor Monaten von ihr gesprochen; vom März bis zu dieser Stunde haben die Machthaber dasselbe Ziel verfolgt, nur waren die Männer, die früher am Ruder gestanden, ehrlicher als der Greis, dem Wien jubelnd Huldigungen dargebracht, den es vertrauenvoll zu seinem Vertreter gewählt, und der es nun unter nichtigen Vorwänden zertritt und zu Grunde richtet. Indessen jemehr man die Volksfreiheit, jemehr den Reichstag zu gefährden wagt, desto größer wird die Pflicht dieser hohen Versammlung und die Pflicht eines jeden Einzelnen, dieser Reaction mit aller Kraft entgegen zu treten. Haben wir die von unten drohende Anarchie zu bekämpfen gewußt, so müssen wir auch die von oben kommende Willkürherrschaft auf constitutionellem Wege zurückzuweisen wissen. — Als ein unabweisbarer Schritt dieser unserer klar erkannten Aufgabe erscheint mir die Erlassung einer Proclamation. Was die Fassung derselben betrifft, so stimme ich dafür, daß mit Vermeidung aller mißdeutbaren Ausdrücke, Worte, Ton und Haltung der ganzen Proclamation auf eine energische und würdevolle Weise die Stellung dieses hohen Reichstages bezeichnen mögen.
Abg. Umlauft. Meine Herren! Wir alle fühlen es, daß in diesem Augenblicke der Athem der Weltgeschichte durch dieses Haus weht. Es ist ein entscheidender Moment, wo wir gedrängt von den Ereignissen den Völkern gegenüber, die wir vertreten, unser Handeln rechtfertigen wollen. Wir haben das erkannt, als gestern der Antrag der permanenten Commission in dieses Haus kam; es hat sich keine Stimme dagegen erhoben, daß es nöthig, ersprießlich sei, den Völkern zu sagen, auf welchem Standpuncte wir stehen, was wir wollen, was wir zu erreichen entschlossen sind. Es sind jetzt einzelne Bedenken gegen die gestern schon gefaßten Beschlüsse vorgebracht worden; ich glaube, diese Bedenken können gegenüber einem Beschlusse des Hauses nicht so schwer wiegen, daß wir einen so folgenreichen Beschluß aufheben könnten. Zur Vereinigung aller hier laut gewordenen und vielleicht noch nicht laut gewordenen, aber schon vorbehaltenen Wünsche würde ich mir erlauben, den Antrag zu stellen, daß eine Commission zur Prüfung dieses Manifestes, bestehend aus einem Mitgliede jeder Provinz, wo die Interessen jeder Provinz bedacht sein können, zusammengesetzt werde, um dieses Manifest heute noch zu berathen und morgen das fertige Operat dem hohen Hause zur Berathung vorzulegen.
Präs. Wollen der Herr Abgeordnete mir diesen Antrag schriftlich überreichen.
Abg. Borrosch. Den Inhalt der Adresse betreffend, muß ich vor Allem bemerken, daß er keineswegs den gestern darüber gefaßten Beschlüssen des Hauses entspreche. Der Beschluß war der, daß Folgendes der Inhalt der Adresse sein soll: eine einfache geschichtliche Darstellung des Wirkens der Reichsversammlung seit dem 6. October bis zum heutigen Tage, eine faßliche Belehrung für die Völker hinsichtlich des Rechtsbodens, welchen der Reichstag einnimmt, eine Darstellung der jetzigen Verhältnisse, wie sie bedrohlich vorliegen für die Volksfreiheit, und die daraus gefolgerte Aufforderung, durch die Antheilnahme der Völker an dem Geschicke Wiens die Volksfreiheit wahren zu helfen. Wird nun in der Adresse, wie sie hier vorliegt, von Vertretern ganzer Provinzen eher die Heraufbeschwörung des Bürgerkrieges befürchtet, als gehofft, das zu vermeiden, so glaube ich, ist es vor Allem unsere Pflicht, den Reichstag als solchen in seiner Beschlußfähigkeit zu erhalten. Er hat das Friedigungsorgan zu sein, seine Aufgabe ist das Constitutionswerk. Wird er in dieser Beziehung von den Völkern selber irgend mißdeutet, dann glaube ich, hat er seiner Aufgabe nicht vollkommen entsprochen. — Findet ein Vertreter von Provinzen hier eine solche Mißdeutung in der Adresse, so ist es ganz gewiß unsere Pflicht, bei ihrer genauen Kenntnißnahme der Völker, welche von ihnen vertreten werden, ihrem Rathe hierin Gehör zu geben und nicht ihnen die peinliche Aufgabe aufzunöthigen, entweder in einer Minorität die doch sehr bedeutend sein kann, bei unserer ohnehin der beschlußfähigen Zahl eben nur naht kommenden Anzahl von Mitgliedern, den Beschluß einem Zweifel zu unterwerfen, oder aber, wo andere wichtige Bedenken sie vielleicht abhalten, an diesen Beschlüssen Theil zu nehmen. Wir würden gerade unter den jetzt obwaltenden Umständen auf sie eine Verantwortlichkeit laden, die ich wenigstens nicht auf mein Gewissen zu nehmen wünschte. Vergessen wir in keiner Beziehung, daß wir eine constituirende Reichsversammlung find und bleiben müssen, und sorgfältig alles zu vermeiden haben, was der Reaction den willkommenen Vorwand in die Hände liefern könnte, zu sagen, daß wir den constitutionellen legalen Boden verlassen haben. Ist dieser Vorwand ein giltiger, ein beweisbarer gegen uns, dann, meine Herren, haben wir den hohen Zweck, um dessentwillen wir hier festhielten, wie ich fürchte, aus den Augen verloren. Ich bin daher dafür, alle diese Ausdrücke, welche hier irgend einen Anstoß einzelnen Mitgliedern geben, zu vermeiden, dagegen in die historische Darstellung selber alles jene Prägnante, alle jene Schärfe hineinzulegen, die dann mehr spricht, und die dann gewiß die Gemüther uns geneigter macht, als irgend einzelne Ausdrücke, welche wenig an und für sich beitragen und noch obendrein mißdeutet werden. (Beifall.)
Abg. Sadil. Ich schließe mich den Ansichten des Abgeordneten der Kleinseite von Prag vollkommen an. Ich muß meine Ueberzeugung aussprechen, daß wir in den Provinzen das Vertrauen, welches uns hier festhält, sogleich verlieren würden, wenn wir uns den Anschein geben, als übertreten wir die Mission, die wir übernommen haben. Die Mission ist nur eine versöhnliche zwischen Fürst und Volk; es sind manche Ausdrücke in dieser Adresse, die sie sehr in Zweifel stellen, in Betracht des Volkes, an das sie gerichtet sind. Ich bin vollkommen damit einverstanden und trage an, daß die Adresse noch einmal an die Commission zurück geschickt werde, um in einem versöhnlicheren, nicht aufreitzenden Tone abgefaßt zu werden.
Abg. Dylewski. Der Abg. Goldmark hat bemerkt, daß die Reactionspartei jetzt kühner geworden ist. Ich frage, warum ist sie kühner geworden? Weil leider ein unglückseliger Anlaß, nämlich das Ende des Grafen Latour — wir müssen es gestehen — dieses ungkückliche Ende die Feinde der wahren Freiheitssache gemehrt haben, und diese gerade die Reactionspartei stärker gemacht haben. Ich frage, meine Herren, wenn wir vom rechtlichen Boden weichen, werden wir nicht die Reactionspartei noch stärker machen? Dieses ist wohl zu bedenken. Ich sage Ihnen, ich bin nicht weggelaufen, ich habe mich nirgends verkrochen, ich stehe hier und werde bleiben. Ich that das der Freiheit wegen, Wiens wegen, ich weiß, daß mit Wien die Freiheit auch steht. (Bravo!) Aber gerade deßwegen, um für Wien mit wahrem Interesse, mit wahrer Theilnahme zu reden, müssen wir uns lange besinnen, ehe wir die Gränzen unseres gesetzlichen Wirkens überschreiten und dadurch unsere Gegner mehren wollen. Das sind meine Rücksichten gewesen, aus denen ich das angerathen habe. Schließlich drittens, es gibt noch einen Grundsatz, den Grundsatz der Klugheit, von dem habe ich oft gesprochen, und ich glaube, bei keiner Gelegenheit soll er ganz aus den Augen verloren werden. Es ist zwar schön, sich dieses Aeußerste vorzustellen, lieber ganz untergehen, als Etwas in Frage stellen zu lassen, aber bevor wir Alles in Frage stellen, müssen wir eher alle übrigen Wege erschöpfen und nichts unversucht lassen, ehe wir das Aeußerste wagen. Früher dürfen Wir uns nicht dem Verdachte aussetzen, den Weg der Gesetzlichkeit verlassen zu wollen.
Abg. Borrosch. Ich wollte mich dem anschließend nur bemerken, daß wir eine moralische Kraft sind, einem Heere gleich, wenn wir als constituirender Reichstag uns selber erhalten, daß diese moralische Kraft hinreichend wird, um zu verhindern, daß Niemand, wie Herr Abg. Goldmark meint, wenigstens meiner Ueberzeugung nach, uns aufzulösen wagen wird; denn dann würden die Provinzen allsogleich antworten, ich bin es fest überzeugt. Physische Kraft steht uns keine zu Gebote; geben wir aber jene Stellung auf, so sind wir als constituirender Reichstag ruinirt, und dann nur 200 unbewaffnete Individuen mehr. Ich gebe das wohl zu bedenken, und erkläre für meinen Theil, daß ich von dieser klar erkannten Pflicht, der ich den Völkern Oesterreichs gegenüber mir bewußt bin, unter keiner Bedingung abgehen kann, darf, will; und indem ich auf das früher Gesagte zurückkomme, muß ich nochmal das von mehreren Mitgliedern Gesagte unterstützen. Namentlich wenn ich auf Böhmen hinsehe, so glaube ich, würden wir unmittelbar einen Anfall der Czechen gegen die Deutschen und vice versa heraufbeschwören, was wir ja eben vermeiden wollen. Es wird bei uns nicht bei einem Bürgerkriege bleiben, sondern in einen Racenkrieg mit unabsehbarem Ende ausarten. Noch ist meine Hoffnung nicht entschwunden, daß wir die Volksfreiheit retten als constituirender Reichstag, wenn wir festhalten in dieser unserer legalen Stellung, nimmerwehr aber dürfen wir ein Convent werden.
Abg. Goldmark. Als eine der ersten und nöthigsten Bedingungen für jedes parlamentarische Wirken, insbesondere für diesen Reichstag, halte ich seine freie unbeirrte Thätigkeit; nur so lange wir frei tagen können, unbeirrt von jeder Stimmung, unbeirrt von jeder Partei, nur so lange sind wir im Stande das Vaterland und die Freiheit zu wahren und zu retten. Wir können das aber nur so lange, so lange wir auf dem legalen Boden, auf dem wir uns bisher bewegt haben, fortwirken. Ich habe das gleich Anfangs gesagt, bin daher keinem der früheren Anträge entgegen getreten, und muß das jetzt neuerdings wiederholen. Nur das muß ich hier offen erklären, nur wenn man die Existenz dieses Reichstages zu gefährden sich erkühnen würde, und möge dieser Angriff woher immer kommen, dann wäre ich einer der Ersten, der neuerdings die Fahne der Revolution aufsteckt, aber nie früher. Ich habe mich bisher durch keine Macht, nicht durch das Geschrei des Pöbels beirren und fortreißen lassen, ich spreche auch hier meine Meinung offen und unumwunden aus, mag ich auch von der Presse als taktlos beurtheilt werden, ich werde mich auch jetzt nicht von äußeren Einflüssen bestimmen lassen, und werde meine Zustimmung nur zu legalen Mitteln geben, so lange nicht wir, und in uns das Gesammtvaterland und die Freiheit, angegriffen werden. Ich glaube aber, daß in dieser Proklamation, wenn sie auch so bliebe, wie sie abgefaßt ist, kein Hinweisen oder Hervorrufen irgend eines illegalen Actes beabsichtiget wird. Wohl aber sind Ausdrücke darin, die von einer andern Seite eine falsche Deutung zulassen, und deßhalb bin ich vollkommen einverstanden mit mehreren Herren Vorrednern, die diese Wendungen geändert und durch andere Worte substituirt wissen wollen. Das aber war ich verpflichtet hier zu erklären und zu wiederholen, daß die Proklamation mit den Abänderungen, wie sie nöthig sind und gemacht werden, als ein unerläßliches und unabweisbares Erforderniß mir erscheint. Daher stimme ich vollkommen dem Antrage des Abg. Umlauft bei, sie einer neugewählten Commission zu übergeben.
Abg. Fedorowicz. Ich ergreife das Wort, weil mir mein Bewußtsein sagt, daß, wenn ich in diesem Augenblicke das nicht sagen würde, was ich mir gedacht habe, daß ich sündige; ich müßte mir dann sagen: Du bist nicht frei, denn du hast nicht den Muth, das zu sagen, was du denkst; und deßwegen ergriff ich das Wort, um frei zu sein vor Allem als Vertreter der Freiheit. Meine Herren, wir müssen den ganzen Stantpunct näher klarer und ganz frei ins Auge fassen. Wir haben Freiheit, wir haben Reaction. Ich frage, was ist Reaction? wo ist sie? wo sind die feindlichen Heere? Ich sage Ihnen, meine Herren: nein! — für mich sind die feindlichen Heere unzählig, an allen Endpuncten, wo sich Leute befinden, welche dem jetzigen Zustande der Dinge feindlich sind. (Beifall.) Meine Herren, reactionär ist nicht Derjenige, der es ausgesprochen hat, daß er nicht das will, was jetzt geschieht; reactionär ist Derjenige, der noch etwas durch die neuen Zustände zu verlieren fürchtet, oder schon verloren hat. Es gibt ewige Naturgesetze, meine Herren, die sind höher als alle Gesetze der Menschen, und da mögen wir, mögen die Völker von Europa, mag die Welt machen, was sie will, sie werden keines der Naturgesetze umstoßen, sie werden ewig sein, weil sie von Gott sind. Zu diesen Naturgesetzen gehört auch der Erhaltungstrieb, und sobald der Mensch in seinem Interesse gefährdet ist durch eine neue Ordnung, ist er mehr oder minder auch abhold derselben, wenn nicht in ihm das wahrhaft christliche Princip, das edle göttliche Princip der Aufopferung ist. Meine Herren, ich sage Ihnen, Reactionäre sind Diejenigen, die durch die bisher erlassenen Gesetze verloren haben, sie mögen sein große Gutsbesitzer, sie mögen sein Besitzer reichlicher Pfründen, sie mögen sein Beamte und dergleichen, daß sie ihre Besoldungen verloren oder sonst Auszeichnungen oder Ehrenstellen eingebüßt haben, — die sind ihrer Natur nach Reactionäre. Wir müssen nicht sagen, meine Herren, sie sind es Alle; unter ihnen sind auch edle Leute, und ich kenne viele, welche nicht nur ihr ganzes Vermögen, sondern auch ihren ganzen Besitz hergeben möchten, nur deßhalb, damit auch andere Menschen ein gleiches Recht haben. Viele solche sind auch unter Ihnen, aber viele wieder sind, welche kein Mittel unversucht lassen, um nur immer einen solchen Zustand der Dinge herbeizuführen, wo sich der eine Mensch in den Besitz alles physischen und moralischen Rechtes zu sehen trachtet, um nur von seinem Nebenmenschen Vortheil zu ziehen. Das sind Reactionäre, und diese Reactionäre sind zerstreut in allen Ländern der Welt, in allen Ecken unserer Provinzen, sie mögen sein wo immer, und von der äußersten Gränze, immer näher gegen Wien zu, verbreitet sich die große Familie der Reaction. Sie hat gemeinsame Interessen, daher auch ein gemeinsames Amt. Ich sage, meine Herren, wir sind dadie Freiheit zu vertheidigen, wo ist diese Freiheit? Ich will einmal so keck sein und sie näher betrachten. Was sind unsere Errungenschaften? wo sind sie? Hier in Wien habe ich sie gesehen, wie ich bei der Fahnenweihe war, ich habe gesehen, daß das Volk frei war, sich zu versammeln. Bei uns zu Hause sind sie nicht; alle diese Errungenschaften sind dort bloß in spe, in der Hoffnung. Ich bekomme noch immer schriftliche Belege, daß den Grundsätzen, welche das Ministerium hier selbst ausgesprochen hat, zuwider gehandelt wird. Ich will das hohe Haus in diesem Augenblicke damit nicht unterhalten. Ich will nur sagen, meiner Ueberzeugung nach ist die einzige, die wahre Freiheit, für die wir kämpfen sollen, das große Gesetz, das Gesetz der Berufung des constituirenden Reichstages. In ihm liegt die ganze Zukunft, denn hier hat der Monarch dem Volke das Recht gegeben, sich künftig selbst Gesetze zu machen (Bravo). Die Völker haben dieses Recht benützt und der Ausdruck dieses Rechtes in leiblicher Form sind wir, ist der Reichstag. So lange wir hier sitzen, so lange sitzt das Volk hier, so lange die Freiheit; ist aber der Reichstag von wem immer gesprengt, dann sitzt das Volk nicht mehr hier, es hat sich das Volk seines Rechtes begeben, sich selbst Gesetze zu machen; aber das Volk, welches sich nicht Gesetze gibt, ist nicht frei, denn es muß nehmen, was man ihm gibt, aber nicht das, was vernünftige Leute, der Staat, die Bürger eines Staates, berathen und sich selbst gemeinschaftlich mit ihrem Monarchen geben sollen. Ich verstehe so die Freiheit, und diese Freiheit sollen wir hier schützen, das ist unsere erste Aufgabe. Wir haben diese Aufgabe bisher noch sehr wenig gelöst, wir haben fast kein einziges Gesetz noch erlassen, selbst das eine, welches die Freiheit unserer Brüder, nämlich unserer Landbewohner decretirt hat, das ist nur in einem theile durchgeführt, in dem anderen harret es noch der Ergänzung, und würde es nicht in der Idee durchgeführt, in welcher es gegeben wurde, so läuft es auch noch Gefahr, geschmälert zu werden. Die wichtigsten Gesetze, die Constitution, haben wir angefangen, das wahre aber sind wir noch schuldig. Also ich frage, was ist unsere Pflicht? Unsere Pflicht ist, unseren Sitz hier, den Standpunct des Reichstages vor Allem zu schützen, nämlich die Rechte den Völkern zu wahren, auch noch fernerhin zu tagen und sich Gesetze zu geben. Hier in diesem Reichstage liegen alle Interessen vereint, die Interessen sowohl von Wien, als den Provinzen, von allen Städten, allen Märkten, allen Dörfern; denn alle Bewohner dieses großen Staates haben nur dieß einzige alleinige Recht. Ich frage, meine Herren, wie kann es uns entrissen werden? Durch physische Gewalt? Wenn die Völker einmal die Freiheit verstehen, wenn sie sie begreifen, lieben, dann ist keine Gewalt in der Welt im Stande, welche einem Volke von vierzig Millionen sein Recht entreißen könnte. Und sollten die Völker ihr Recht selbst noch nicht begreifen, sollte es sein, was ich nicht zugeben kann, noch will, daß sie diese Freiheit noch selbst nicht würdigen, dann könnten wir 383 an der Zahl unmöglich sie gegen die Uebermacht schützen. Wir könnten die Ehre der Völker wohl mit unseren Leibern schützen, aber nicht ihre Rechte. — Meine Herren, ich gehe weiter und sage: wir sind berufen, die Rechte der Völker zu schützen. Wie werden wir diese Rechte am besten schützen? Wenn wir Denjenigen, die uns das Recht gegeben haben, keinen Anlaß geben, uns dieses Recht zu nehmen. Es ist ein Vertrag, meine Herren, wie jeder Vertrag: wir haben ein Recht, hier zu sitzen und zu tagen, und so lange wir sitzen und tagen auf diesem Posten, auf welchen wir berufen sind, schützen wir die Freiheit, die Freiheit in Wien, außer Wien und überall. Ich habe mich über die Wiener Zustände, meine Herren, bei einer anderen Gelegenheit schon ausgesprochen, ich habe gesagt, das wir Vertreter der Provinzen auch die localen Interessen Wiens mit unserer Person und mit unserem Blute schützen werden — und ich wiederhole es, weil wir ihre Brüder sind, und weil wir unsere Brüder in diesem Momente der Gefahr nicht verlassen werden. (Großer Beifall.) Aber indem wir Wien schützen und vertheidigen, indem ich offen sage, ich liebe diese Wiener, dürfen wir nicht vergessen, daß dort über acht Millionen meiner Landsleute harren, sie harren schon vier Monate, sie bitten von uns: bringt uns Gesetze zum Schutz unserer Rechte! — wir haben ihnen nichts gegeben, sie sind vielleicht in diesem Augenblicke am Rande eines Abgrundes, — an diese müssen wir auch denken, denn auch sie sind unsere Brüder und Committenten. Im Interesse dieser Committenten also, wohl verstanden, muß ich auch offen aussprechen, daß diese Proclamation, so wie sie war, für unser Land sehr schädliche Folgen haben könnte, weßwegen ich auch bitte, sie möge noch zur Durchsicht und Verbesserung einer Commission zugewiesen werden.
Abg. Dzieduszycki. Ich trage auf ben Schluß der Debatte an.
Präs. Wird der Antrag auf Schluß der Debatte unterstützt? (Unterstützt.) Diejenigen Herren, welche für den Schluß der Debatte sind, wollen aufstehen. (Angenommen.) Nachdem sich kein weiterer Redner eingeschrieben vorfindet, so ersuche ich den Herrn Berichterstatter, allenfalls das Wort zu ergreifen.
Abg. Schuselka. Ich trage wirklich Bedenken, über diesen Gegenstand noch das Wort zu nehmen, denn der Gegenstand dieser langen Debatte ist selbst nur eine Sammlung von Worten; über Worte sind nun so viele Worte gewechselt worden; man kann mit Recht hier die Worte des Dichters anwenden, und sagen: "Worte, Worte, Worte." Und diese Worte auszusprechen, haben sich so ungemeine Bedenken erhoben, und aus diesen unschuldigen Worten hat ein Abgeordneter sogar die Befürchtung herausgelesen, wir könnten durch diese Adresse aus einem constituirenden österreichischen Reichstage ein Convent werden. Ich muß gestehen, wenn ich sehe, daß wir ohnehin nichts als Worte haben, zu unserer Vertheidigung und zur Vertheidigung der Volksrechte, und daß diesen Worten gegenüber Kanonen und Bajonnette aufmarschirt sind, dann muß ich gestehen, daß es mir für meinen Theil lieber wäre, wenn wir überhaupt auch unterließen, diese Worte auszusprechen; denn,