Nedìle 22. øíjna 1848

"Hohe Reichsversammlung!

"Mit Entrüstung haben wir vernommen, daß mehrere Reichstagsdeputirte aus unserer Provinz Steiermark eigenmächtig und ungesetzlich den constituirenden Reichstag in Wien verlassen haben.

"Wir stellen daher an die hohe Reichsversammlung die Bitte, die ungesetzlich Abwesenden zur augenblicklichen Rückkehr ungesäumt aufzufordern, den Nichtrückkehrenden das Mandat abzunehmen, und alsogleich neue Wahlen auszuschreiben.

"Von der heutigen Versammlung der Bürger, National-Garden und Studenten.

"Gratz am 18. October 1848"

(Folgen 106 Unterschriften.)

In Gemäßheit des vorgestern gefaßten Beschlusses, ist bereits an den Gouverneur von Steiermark das Schreiben ergangen, in welchem ihm kundgemacht wurde, welche Herren Abgeordneten von Steiermark hier anwesend und welche abwesend sind; in Bezug auf die Letzteren wurde auch Alles angeführt, was hinsichtlich der Abwesenheit der nicht gegenwärtigen Abgeordneten Steiermarks aus den Acten des Vorstands-Bureau's ersichtlich ist. —

Wollen nun der Herr Abg. Umlauft bezüglich des wegen der Reichscomissäre angeregten Gegenstandes fortfahren.

Abg. Umlauft. Ich habe mit meinem Antrage keineswegs bezweckt, den Reichstagscommissären irgend eine Vorschrift in Bezug auf ihr Benehmen zu geben, ich habe damit nur bezwecken wollen, sie aufmerksam zu machen, daß sie die unterwegs von Flüchtlingen aus Wien eingezogenen Erkundigungen nicht als authentische zu betrachten hätten, daß es ihre Pflicht sein möchte, durch persönlichen Augenschein sich von der Lage in Wien selbst zu überzeugen, und zu diesem Ende habe ich den Antrag dahin gestellt, daß es nur von Seite des Präsidiums dieses Hauses zu geschehen habe, weil sie sich nur schriftlich an dieses Präsidium gewendet haben.

Abg. Schuselka. Ich gebe gerne zu, daß die Gründe, welche den Abg. Umlauft bestimmt haben, diesen Antrag zu stellen, wirklich stichhaltig sind. Gewiß sind die Herrn Abgeordneten des Frankfurter Parlaments durch diese Gerüchte, welche sie auf der Reise von Linz bis Krems gesammelt haben, nicht über den Sachverhalt aufgeklärt worden, im Gegentheile, ich bin im voraus überzeugt, daß sie auch mit ähnlichen Schreckbildern über die hiesige Anarchie, über Mord und Todtschlag, die hier herrschen sollen, heimgesucht worden sind, wie wir es von einer anderen Seite bereits erfahren haben; allein ich glaube, daß es der Würde dieses Reichstages nicht angemessen wäre, in dieser Beziehung eine warnende Stimme gewissermaßen ergehen zu lassen; wir müssen es lediglich dem eigenen Bewußtsein, dem eigenen Pflichtgefühle der Herren Reichstagsdeputirten überlassen, ob sie sich in Betreff ihrer hohen und wichtigen Sendung, die sie selbst als eine sehr wichtige anerkennen, eben damit begnügen, unterwegs beiläufig, vielleicht bei einem Pferdewechsel oder während eines Mittagsmahles in einem Gasthofe, Notizen zu sammeln, um auf diese Notizen hin ein Friedenswerk zwischen dem Throne und den Völkern Oesterreichs zu unternehmen. Ich spreche dieß hier offen aus, obwohl ich auch Mitglied des Frankfurter Parlaments gewesen bin, — gerade weil ich es gewesen bin, spreche ich diesen Tadel öffentlich aus über diese zwei Herren Abgeordneten des Frankfurter Parlaments. Ich muß aufrichtig und offen gestehen, daß es mir einen geringen Begriff von der diplomatischen Tüchtigkeit gibt, wenn man auf diese Weise ein so wichtiges und hohes Versöhnungswerk unternehmen will, wie es hier geschieht. Haben es jene beiden Abgeordneten nicht der Mühe werth gefunden, um nach Wien zu kommen, und sich mit der hohen Reichsversammlung oder dem permanenten Ausschusse ins Einvernehmen zu setzen, so müssen wir es lediglich ihnen überlassen und anheimstellen, ob sie ihre hohe Mission zur Zufriedenheit des Frankfurter Parlamentes und des Reichsverwesers erfüllen werden, und ich glaube, daß wir es durchaus nicht dahin kommen lassen dürfen, hier im Reichstage darüber irgend einen Beschluß zu fassen. (Beifall.)

Präs. Wenn Niemand mehr das Wort verlangt, so werde ich den Herrn Antragsteller auffordern — (Mehrfacher Ruf zur Tagesordnung. — Der Antrag auf Tagesordnung wird unterstützt und beider Abstimmung angenommen.) Der Antrag des Abg. Umlauft ist daher durch den beschlossenen Uebergang zur Tagesordnung beseitiget. Ich habe noch zu bemerken, daß wir in beschlußfähiger Anzahl vorhanden sind, nämlich 193. Als nächster Gegenstand an der Tagesordnung wäre der Bericht des permanenten Ausschusses. Der Herr Berichterstatter des permanenten Ausschusses wird uns anzeigen, was seit gestern im permanenten Ausschusse vorgekommen ist.

Abg. Schuselka. Anknüpfend an das Wort des Herrn Präsidenten, daß ich Bericht erstatten solle, was im permanenten Ausschusse seit gestern vorgegangen ist, muß ich gleich einleitungsweise bemerken, daß im permanenten Ausschusse selbst wenig vorgekommen ist. Die Ereignisse werden jetzt an anderen Orten, bei anderen Versammlungen, vielleicht in andern Ausschüssen geleitet, geregelt, beschlossen. Ich habe in dieser Beziehung nebst dem, was bereits öffentlich bekannt ist, wenig zu berichten; um so größere Freude macht es mir, daß ich zunächst ankündigen kann einen durch den Herrn Abg. Schneider aus Bielitz in Schlesien für die Akademiker überreichten Betrag von 200 fl. (Beifall). Nicht minder ehrenhaft und erfreulich ist es, daß von Linz eine Abtheilung Nationalgarde und Studenten, 120 Mann ungefähr, hierher geeilt sind, um die hiesigen Akademiker und Garden zu unterstützen. Es ist dieser Handlung um so mehr rühmlich zu erwähnen, als sie wirklich mit großer Gefahr und Beschwerde verbunden war für diese ehrenhaften Männer, aus Linz hierher zu kommen. Schon in Mölk mußten sie das Dampfschiff verlassen, weil es nicht rathsam war bei Krems und Stein die Brücke zu passiren, da man dort den Auftrag gegeben hatte, wenn sich bewaffnete Männer am Bord des Dampfschiffes befänden, darauf zu schießen; sie mußten sich also von Mölk auf Umwegen nach Wien gewissermaßen durchschlagen. Sie sind glücklich hier angelangt, voll des besten Eifers für die gute Sache, Wien und die Freiheit einzuzustehen. (Bravo!)

Da ich bemerkt habe, daß in den Zeitungen Gerüchte über das Schicksal des Exministers Hornborstel ausgestreut werden, die so weit gehen, daß man erzählt, er befinde sich unter einigen Gefangenen, die auf den Spielberg abgeführt worden seien, so muß ich hier den vielen Freunden dieses ehrenhaften Volksmannes öffentlich mittheilen, daß ich einen Brief des Herrn Hornbostel habe, in welchem er mir anzeigt, daß er in Oberösterreich in stiller Zurückgezogenheit lebe. (Bravo!)

Es wurde neulich hier bei der Verhandlung über die Zuweisung von 200.000 Gulden an den Gemeinderath von einem Herrn Redner die Behauptung aufgestellt, daß jenes Comité, welches sich zur Unterstützung kleinerer Gewerbetreibender gebildet, und jene 2 Millionen zu verausgaben hatte, welche die hohe Reichsversammlung bewilliget hatte, die Verausgabung suspendirt hat. Mir ist heute von der betreffenden Behörde, von jenem Comité angezeigt und ich bin ersucht worden, jener Angabe zu widersprechen. Das Comité ist fortwährend thätig, es findet fortwährend viel zu thun, gerade in diesen Tagen ist die Zahl Jener, welchen Unterstützung geworden, größer als sie früher war, und das Comité hat vollauf Unterstützungen an jene Gewerbetreibenden zu verabreichen, welche in Folge der letzten Ereignisse in noch tiefere Noth herabgekommen sind, und nicht zu den Waffentragenden gehören.

Sowohl an den Reichstag, als an seinen permanenten Ausschuß, als an einzelne Mitglieder desselben gelangen häufig anonyme Zuschriften mit dem oft sehr kategorischen, geradezu drohenden Begehren, diese Briefe vorzulesen, und die Forderungen, die darin enthalten sind, zu erfüllen. Es kommen Drohungen vor, die mit der Freiheit, überhaupt mit der constitutionellen Freiheit, mit der Freiheit von Volksvertretern überhaupt und mit der Freiheit politischer Meinung sehr im Widerspruche stehen. Wir fühlen uns deßhalb verpflichtet, in voller Reichsversammlung öffentlich zu erklären, daß wir solche anonyme Zuschriften durchaus nicht berücksichtigen werden, und sollten sie mit noch so vielen und fürchterlichen Drohungen versehen sein. (Beifall). Dennoch, um zu zeigen, wie sehr wir dahin trachten, um im Einklange mit den Wünschen des Volkes zu streben und zu wirken, erwähnen wir, daß der größte Theil dieser anonymen Zuschriften sich mit der ungarischen Frage beschäftigt, und daß fortwährend die bittersten Vorwürfe, und wie ich sagte, die wirklich heftigsten Drohungen ausgesprochen werden, deßhalb, weil wir die Ungarn nicht zu Hilfe gerufen. Wir können in dieser Beziehung nur wiederholen, was wir bereits gesagt und erklärt haben. Allerdings sind wir in dieser Beziehung bemüht gewesen, auf dem gesetzlichen Boden zu bleiben und unsere Stellung dem Throne gegenüber nicht aufzugeben und unsererseits keinen offenen Krieg mit dem Kaiser anzufangen, — das war allerdings ein wichtiges, ein Hauptmotiv unseres Benehmens; allein nicht minder in eben so hohem Grade waren wir zu unserm Verfahren und Verhalten durch die Rücksichten aus das Wohl der Wiener Bevölkerung bewogen, und wesentlich weil wir die volle Überzeugung haben, daß eine solche That, von uns verübt, keineswegs zum Heile Wiens und Oesterreichs überhaupt ausgefallen wäre. Wesentlich deßhalb haben wir sie unterlassen, und es ist sehr zu bedauern, daß noch immer ein so großer Theil der Bevölkerung Wiens lediglich den unmittelbaren Augenblick und die nächste Gegenwart vor Augen hat, und durchaus nicht den kleinsten Blick in die Folgen eines solchen Unternehmens wirft, und sich lediglich damit begnügt, zu denken, daß durch die Hilfe der Ungarn vielleicht eine augenblickliche Entfernung der Truppen herbeigeführt würde, aber nicht bedenkt, daß dadurch die Rettung nicht nur nicht vollbracht, sondern dadurch das Uebel erst recht heraufbeschworen würde. Es wäre sehnlichst zu wünschen, daß in dieser Bevölkerung Klarheit und Besonnenheit eintreten möge, und sich nicht begnügen, einige Rettung durch Luftmachung für einige Stunden zu erwarten, sondern daß vielmehr solche Maßregeln eingeschlagen werden, welche dahin zielen, auf eine bleibende, feste, dauernde Weise den gesetzlichen Zustand und die Freiheit zu begründen und wiederherzustellen.

Das wichtigste Vorkommniß der verflossenen Nacht ist folgendes. Es kam ein Deputirter des hiesigen Gemeinderathes vor Ihren permanenten Ausschuß und berichtete, daß jene Deputation des Gemeinderathes, welche nach Olmütz an Seine Majestät abgegangen war, zurückgekehrt sei, und folgende Nachricht gebracht habe. — Die Deputation des Gemeinderathes, wurde nicht zur Audienz bei Seiner Majestät vorgelassen (Zischen), sondern sie wurde mit dem Bedeuten, daß Seine Majestät nachdem die nöthigen Verfügungen schon getroffen seien, überhaupt keine Deputation mit Vorschlägen mehr empfangen werde. (Zischen.) Mit diesem wurde die Deputation des Gemeinderathes an den Minister Wessenberg gewiesen. Der Minister gab der Deputation des Wiener Gemeinderathes die schriftliche Antwort, daß indem im Gesuche des Gemeinderathes Vorschläge und Bitten vorkommen, welche Seine Majestät unter den obwaltenden Umständen nicht erfüllen konnte, daß der Gemeinderath mit seinem Anliegen lediglich an den Fürsten Windischgrätz gewiesen sei (anhaltendes Zischen), und von diesem die weiteren Verfügungen entgegen zu nehmen hätte. Der Minister Wessenberg fügte hinzu, daß er seines Theils sich der Hoffnung hingebe, daß die Wiener Bürger durch die in dem Manifeste Seiner Majestät vom 19. October ausgesprochenen Versicherungen in ihren billigen Wünschen gewiß befriediget sein werden. (Zischen.) Die hohe Versammlung begreift, daß wir durch diesen Bericht des Gemeinderathes schmerzlich betroffen waren, und sein mußten. Wir haben, ich spreche es im Namen des Ausschusses offen aus, gerade auf diese Deputation sehr große Hoffnungen in Betreff des wiederherzustellenden Friedens gebaut, wir haben uns der sicheren Hoffnung hingegeben, daß, wenn Männer des angesehenen Bürgerstandes von Wien, die offenbar, die wirklich authentisch zu der Classe gehören, die sich an den letzten Bewegungen nicht betheiligten, wenn solche Männer zu Seiner Majestät kommen würden — mit Vermittlungsvorschlägen, wenn solche Väter der Stadt Wien kommen werden zu Seiner Majestät, daß mit ihnen ganz gewiß, weil ihnen auch zunächst obliegt, für ihre Stadt zu sorgen, daß mit ihnen das Friedenswerk vollbracht werden würde. Wir waren daher um so schmerzlicher betroffen, als wir hörten, daß dieses nicht nur nicht der Fall, sondern daß die Väter der Stadt Wien mit ihren Anliegen, die gewiß sehr loyal waren, in das Kriegslager vor den Thoren Wiens gewiesen wurden. — Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir nun zum zweiten Male, daß der Fürst Windischgrätz, mit besonderen Vollmachten ausgerüstet, auf den Schauplatz unserer Geschichte getreten war. Zum ersten Mal, wie sich die hohe Versammlung erinnern wird, erfuhren wir es durch ein Schreiben des Grafen Auersperg, der uns anzeigte, daß er die Beschlüsse des Reichstages nicht mehr berücksichtigen könne, weil er nicht mehr die oberste Gewalt in Händen habe. Er berief sich dabei auf eine am 16. d. M. erfolgte Berufung des Fürsten Windischgrätz zum Oberbefehlshaber aller k. k. Truppen; er gebrauchte dabei, wie ich die Ehre hatte anzuzeigen, den Ausdruck: "da bekanntlich Fürst Windischgrätz am 16." u. s. w. — Uns nun war von dieser Berufung nichts begannt und ist uns im eigentlichen officiellen, constitutionellen Wege bis zu dieser Stunde nichts bekannt; es müßte sich die Berufung des Fürsten Windischgrätz lediglich auf ein Manifest gründen, welches, wenn auch nicht in officieller Weise promulgirt, doch ins Publikum und in die Blätter gekommen, vom 16. datirt ist, in außerordentlich strengen Ausdrücken über die Bewegung und Stellung Wiens sich vernehmen läßt, und dabei dem Fürsten Windischgrätz unumschränkte Vollmacht ertheilt, nach seinem Ermessen für die Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit Sorge zu tragen. Wir halten uns in dieser schwierigen Stellung, in der wir uns befinden, verpflichtet, auch in dieser Beziehung offen, aufrichtig, ohne allen Rückhalt allen Parteien gegenüber, und auch dem vor den Thoren Wiens lagernden Kriegsheere gegenüber aufzutreten. Wir haben dieses Verfahren im Laufe der Zeit, als wir burch den Drang der Verhältnisse gewissermassen in die Executivgewalt hineingestellt worden sind, uns immer zur Regel gemacht, vielleicht in einem so hohen Grade, daß mancher Regierungsmann der alten Schule über unsere Naivität mitleidig gelächelt haben mag. Wir halten uns aber als Volksvertreter verpflichtet, eine Volkspolitik zu beobachten, und die Volkspolitik soll im Gegensatze zur geheimnißkrämerischen Kabinetspolitik, offen im Angesichte des ganzen Volkes zu Werke gehen. Wir machen deßwegen kein Hehl daraus, daß wir dieses Manifest vom 16. d. M., welches mit der Unterschrift Seiner Majestät, des Ministers Wessenberg und mit dem kaiserlichen Siegel versehen ist, gelesen haben; aber wir haben erfahren, daß dieses Manifest sehr häufig im Lager verbreitet ist, und draußen von Seiten der commandirenden Officiere man sich sehr wundere, daß dieses nicht schon auch in Wien promulgirt und affigirt worden ist. Wir können aber, da dasselbe auf keine officielle Weise weder uns, noch dem Reichstage, noch meines Wissens dem Ministerium zugekommen ist, dasselbe durchaus nicht für ein wirkliches, officielles, vollkräftiges und gesetzkräftiges Manifest anerkennen. Wir müssen in dieser Beziehung nun bis zu dieser Stunde durchaus die Sendung bis Fürsten Windischgrätz in officieller Weise ignoriren; denn wir wissen nicht, auf welche Vollmacht, auf welche Instruction, auf welche constitutionelle Maßregel sich sein Auftreten gründet.

Wir haben über diesen Gegenstand, obwohl wir im Ausschusse über die so eben ausgesprochene Ansicht einig waren, lange und ernste Berathung in dieser vergangenen Nacht gepflogen. Es hat sich die Frage geltend gemacht, ob wir nicht unsererseits dem hohen Reichstage den Antrag stellen sollten, sofort auf diese wiederholte Kunde, daß Fürst Windischgrätz mit außerordentlicher Vollmacht versehen, der Stadt, dem Reichstage gegenüber auftrete, ob wir nicht im Namen des Reistages sofort uns selbst an ihn wenden sollen, mit der Anfrage, auf welche Vollmacht er sein Auftreten gründet. Es hat sich aber eine überwiegende Majorität des Ausschusses dahin entschieden, daß es mit der Stellung und Würde des hohen Reichstages nicht vereinbarlich wäre, in dieser Beziehung den Fürsten Windischgrätz auszusuchen, und sich bei ihm zu erkundigen, in welcher Stellung er dem Reichstage gegenüber angewiesen zu sein bevollmächtiget wäre. Da haben wir nun für angemessen erachtet, es vor der Hand dem Gemeinderathe zu überlassen, weil er von Seiner Majestät selbst an den Fürsten Windischgrätz gewiesen worden, sich an ihn zu wenden, von ihm die Erklärung zu verlangen über das Anliegen der Stadt Wien, und uns dann sofort Mitheilungen zu machen. Wir haben aber doch nicht unterlassen können und wollen, auch unsererseits das Möglichste zu veranlassen, wir haben deßhalb den hiesigen Heren Minister Krauß ersucht, mit uns in gemeinschaftliche Berathung zu treten, und das Resultat dieser Berathung war, daß der Herr Minister Krauß, welcher versicherte, daß er von den Vollmachten des Fürsten Windischgrätz nichts wisse, daß er im Namen des Ministeriums dabei durchaus nicht betheiliget sei, sich bereit erklärte, sofort bei dem Minister Wessenberg die Anfrage zu stellen, in welcher Weise diese Vollmachten, die dem Wesen der constitutionellen Staatsform nach nicht von einem einzelnen Minister, sondern von dem ganzen Ministerium hätten ausgehen müssen, zu welchem der hier anwesende Minister Krauß auch hätte müssen beigezogen werden, — in welcher Weise diese außerordentlichen Vollmachten ausgefertiget worden seien; ferner anzufragen, welche friedlichen Maßregeln der Minister bereits ergriffen habe, und zwar erfolglos ergriffen habe — dem Anscheine nach, daß er sich berechtiget wähnt, lediglich zur Aufrechthaltung der Sicherheit militärische Maßregeln anzuwenden. Denn wir haben, obwohl wir, selbst nach dem Beispiele der Geschichte, selbst in republikanischen Staaten, nicht leugnen können, daß ja der Fall eintreten kann, daß man zur Wiederherstellung oder Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit militärische Maßregeln anzuordnen genöthiget ist, obwohl wir dieß nicht leugnen können, nicht leugnen wollen, so haben wir doch eben auch nach dem Wesen aller Staatsformen, und namentlich aller freien constitutionellen Staatsformen, auch die Ueberzeugung, daß man früher alle möglichen friedlichen Maßregeln erschöpfen muß, bevor man berechtiget ist, militärische Maßregeln anzuordnen. — Es ist uns in dieser Beziehung in den beiden Manifesten, in dem an das Ministerium officiell gelangten und in dem früheren officiell durchaus nicht Kunde geworden, daß von Seite des Ministeriums auch nur irgend ein friedliches Mittel versucht worden sei, um den Conflict der Verhältnisse, in welchem sich Wien und in Folge dessen die ganze Monarchie befindet, friedlich auszugleichen. Wir lesen lediglich darin, daß man sich gezwungen gesehen hat, militätische Maßregeln anzuwenden, und wir sind nicht im mindesten davon überzeugt, daß ein solcher Zwang vorhanden gewesen wäre; wir sehen lediglich, seit dem 6. October, eigentlich 7. October, durchaus keine Umstände, wodurch ein Zwang eingetreten wäre, zu militärischen Maßregeln und allein zu militärischen Maßregeln zu schreiten. — Wir dürfen dieses um so offener und nachdrücklicher aussprechen, da wir unsererseits durch volle 14 Tage hindurch alles Mögliche gethan haben, um friedliche Maßregeln in Vorschlag zu bringen, und dadurch eine friedliche Ausgleichung unsererseits anzubahnen. Und wir müssen daher, wie sehr wir auch erfreut sind über die Zusicherungen, welche das letzte Manifest vom 19. October gibt, daß alle unsere Errungenschaften ungeschmälert aufrecht erhalten werden, wie sehr auch das uns erfreut, so müssen wir dennoch vorläufig durch das Ministerium, und wenn dieses nicht zu einer befriedigenden Antwort führt, emch durch den Reichstag geltend machen, daß noch constitutioneller Freiheit und nach der von Seiner Majestät im letzten Manifeste, also neuerdings durch das kaiserliche Wort bekräftigten constitutionellen Freiheit, man zuerst alle friedlichen Maßregeln versuchen muß, bevor man berechtiget ist, zu kriegerischen, militätischen Zwangsmaßregeln zu schteiten. Wir werden, sobald dieser jetzt eingeleitete Schritt durch den Gemeinderath und das Ministerinm zu irgend einem Erfolg oder zu keinem Erfolg geführt hat, sofort vor der hohen Reichsversammlung den betreffenden Antrag in dieser Beziehung stellen. (Beifall.)

Präs. Als weiterer Gegenstand der Tagesordnung erscheint die Vorlesung des Sitzungs-Protokolls, — ich ersuche demnach den Herrn Secretär Wienkowski das gestrige Protokoll zu verlesen.

(Schriftf. Wienkowski liest das Protokoll vom 21. October und es wird genehmigt.)

Präs. Ich ersuche die Herren, noch einen Augenblick hier zu bleiben, nachdem der Berichterstatter des permanenten Ausschusses angezeigt hat, daß er einen dringenden Antrag vor die hohe Kammer zu bringen hat, der jedoch früher im permanenten Ausschusse der Berathung unterzogen werden muß, — sodann der hohen Kammer gleich vorgelegt werden wird. Vorläufig könnte vielleicht die Tagesordnung festgestellt werden. (Ja!)

(Kurze Unterbrechung.)

Präs. Ich bitte, meine Herren, wir wollen einstweilen die Tagesordnung festsetzen, sodann weiterhin bestimmen, wann die nächste Sitzung sein wird. Wünscht Jemand vielleicht auf die Tagesordnung einen Antrag zu stellen? — Es würde vor Allem die Vorlesung des Protokolles, dann der Bericht des permanenten Auschusses vorkommen. In der letzten Tagesordnung waren noch die Berichte über die Wahlacten, die Berichte des Petitions-Ausschusses, die Berathung über das Recrutirungsgesetz, über das Nationalgardegesetz und der Bericht über die Reichstagsrechnungen. Als ersten Gegenstand würde ich beantragen den Bericht des permanenten Ausschusses, sodann die Verlesung des Protokolls.

Abg. Löhner. Es ist neulich hier beantragt worden, das Gesetz zu berathen über die Unverletzlichkeit des Reichstages und der Abgeordneten. Es ist von einem Redner sehr hervorgehoben worden, wie rühmlich, wie großartig es sein müßte für den Reichstag, wenn er gerade in einem so kritischen Momente volles Zutrauen auf die Heiligkeit seiner Sendung läge, ohne sich durch ein specielles Gesetz befestigen zu wollen. Ich erkenne das vollkommen an, ich erkenne an, daß der Reichstag dadurch sich und der Bevölkerung von Wien das glänzendste Zeugniß gegeben hat, daß er es nicht für nothwendig gehalten hat, ein Gesetz zur Sicherung der Einzelnen seiner Mitglieder sowohl, als für ihn in seiner Zusammensetzung erst erlassen zu sollen. Die Bevölkerung Wiens hat durch ihr über alles Lob erhabenes Benehmen gezeigt, wie richtig der Reichstag sich in dieser Sache benommen hat, aber es hat sich seit dem gezeigt, daß eine Verletzung der Heiligkeit der Abgeordneten nicht inner der Stadt, sondern außer derselben zu befürchten sei. Wir haben Nachrichten bekommen, daß einzelne Mitglieder mißhandelt und verhindert worden sind, an den Ort des Reichstages zu gelangen, wie dieses ihre Pflicht war, und sogar im Manifeste von 19. gerechtfertiget erscheint, und indem darin der Kaiser den Reichstag auffordert, seine Arbeiten fortzusetzen. Ich bin also der Meinung, daß es allerdings an der Zeit wäre, daß der Reichstag jetzt einen Beschluß fasse, die Heiligkeit seiner Mission anzuerkennen, daß der Reichstag dieses Gesetz sogleich in Berathung nehme, es auf die Tagesordnung setze, und sogleich nach Olmütz zur Sanction schicken möge. Der Kaiser kann im Einklange mit dem Manifeste vom 19. nicht anders als sogleich diesem Gesetze die Sanction geben, und es scheint, daß der Reichstag sich gegen jede Verletzung seiner Unantastbarkeit, von was für einer Seite sie immer kommen möge, durch ein Gesetz verwahre.

Präs. Es wird von dem Abg. Löhner der Antrag gestellt, daß als dritter Gegenstand der Tagesordnung die Berathung über das Gesetz wegen Unverletzlichkeit der Abgeordneten bestimmt werde Wird der Antrag unterstützt? (Er wird unterstützt und angenommen.)

Schriftf. Gleispach. Ich glaube, es wird wohl dem Antrage des Abg. Löhner nicht entgegen sein, wenn als dritter Gegenstand der Tagesordnung die Berichte über geprüfte Wahlakten angenommen werden möchten. Es dürfte der eine oder der andere Wahlact einlaufen, und es ist doch von höchster Wichtigkeit, das Recht der Abgeordneten, in dieser Versammlnng zu sitzen, nicht in suspenso zu lassen; daher ich beantrage als dritten Punct die Prüfung der Wahlacte und als vierten den angeregten Gegenstand.

Präs. Hat der Abg. Löhner oder sonst Jemand dagegen etwas einzuwenden?

Abg. Löhner. Ich finde nichts einzuwenden.

Abg. Paul. Ich würde wünschen, daß der Petitions-Ausschuß mit seinen Berichten fortfahre, denn es dürften ohne Zweifel viele Gesuche vorliegen, welche dringend eine Erledigung erheischen.

Abg. Pienczykowski. Im Petitions-Ausschusse sind beiläufig 200 Nummern schon erlediget, welche zur Berichterstattung vor die hohe Kammer kommen sollten. Es sind bei 400 Nummern unter den Herren Referenten in Verhandlung, in dem Augenblicke aber die Herren Referenten abwesend. Die erledigten Referate sind wohl im Petitons Ausschüsse, ich finde mich aber veranlaßt, die hohe Kammer zu befragen, ob selbe den Stellvertretern zur Berichterstattung übergeben werden sollen, oder ob bis zur Rückkehr der Herren Referenten mit der Berichterstattung abzuwarten sei.

Präs. Es wird der Antrag gestellt, daß auf die Tagesordnung auch die Berichte des Petitions-Ausschusses kommen. Wenn die hohe Kammer nichts dagegen hat, so werde ich es als ein Zugeständniß ansehen.

Schriftf. Gleispach. Ich erlaube mir, aufmerksam zu machen, daß meines geringen Erachtens nach die Verhandlung über das Nationalgarde-Gesetz dringender sein dürfte; ich würde daher den Antrag stellen, daß wir bei der bereits beschlossenen Uebung bleiben, daß jede Woche einmal über die Petitionen referirt werde, und wir werden sodann noch immer in Ordnung kommen. Die Herren Referenten fehlen, die Substituten müssen die Arbeit von neuem beginnen, und die Acten abermals durchsehen. Ich würde daher das Nationalgarde-Gesetz vorziehen.

Abg. Pienczykowski. Nach der Geschäftsordnung ist der erste Tag der Woche für den Bericht des Petitions-Ausschusses bestimmt, und das wäre morgen.

Präs. Ich würde demnach mit Rücksicht auf die Geschäftsordnung den Bericht des Petitions-Ausschusses für morgen an die Tagesordnung bringen; es würde dieß der fünfte Gegenstand sein. Die Tagesordnung ist also folgende:

I. Bericht des permanenten Ausschusses.

II. Verlesung des Protokolls.

III. Bericht über die Wahlacte.

IV. Berathung über das Gesetz wegen Unverletzlichkeit der Abgeordneten.

V. Bericht des Petitions-Ausschusses.

Ich erlaube mir die Sitzung auf eine Viertelstunde zu unterbrechen, ersuche aber die Herren, sich aus den Räumen dieses Hauses nicht zu entfernen, damit wir jeden Augenblick wieder zusammen treten können.

(Unterbrechung von 1/4 2 bis 1/2 3 Uhr.)

Präs. Es wurde vom permanenten Ausschusse das Ansuchen gestellt, die Sitzung auf zwei Stunden bis dritthalb Stunden zu unterbrechen, da der permanente Ausschuß eine längere Berathung zu pflegen hat. — Es soll ein wichtiger Gegenstand zur Berathung kommen. — Ich fordere Sie demnach meine Herren auf — bei Ihrer Pflicht, bei der schweren Verantwortung die Sie treffen könnte, wenn Sie in einem so ernsten Augenblicke der vorzunehmenden Berathung sich entziehen würden, ersuche ich Sie nachdrücklich, sich Punct 4 Uhr hier zu versammeln. Ich erkläre die Sitzung bis 4 Uhr für unterbrochen. —


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