Ètvrtek 4. ledna 1849

Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Sechsundsechzigste (XIV.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 4. Jänner 1849.

Tagesordnung. 

I. Ablesung des Sitzungsprotokolls vom 3. Jänner 1849.

II. Berichte über Wahlacte.

III. Zweite Lesung der Grundrechte.

IV. Vollberathung über den Antrag des Finanzausschusses, betreffend die Optierung seiner Mitglieder und jener des ConstitutionsAusschusses

Vorsitzender: Präsident Strobach. 

Auf der Ministerbank: Stadion, Bach, Cordon, Krauß. Thinnfeld.

Anfang um 10 1/2 Uhr.

Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Herren Deputirten ist bereits anwesend. Ich erkläre daher die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Herrn Schriftführer, das Protokoll über die gestrige Sitzung abzulesen.

Schriftf. Streit. (Liest das Protokoll)

Präs. Wünscht Jemand eine Einwendung gegen das vorgelesene Protokoll zu erheben? meldet sich Niemand.) Es ist daher das Protokoll für richtig aufgenommen anzusehen. Es liegen mehrere Urlaubsgesuche vor. (Bewegung.) Dem Herrn Abg. Macieskiewicz habe ich einen Urlaub von 8 Tagen, behufs einer Besprechung mit seinen Wählern bewilligt, was ich der hohen Kammer anzeige. Ich ersuche den Herrn Schriftführer Ullepitsch, die weiteren Urlaube vorzulesen.

Schriftf. Ullepitsch. Die Zahl der bis nun angemeldeten Herren ReichstagsAbgeordneten hat sich seit der gestrigen Sitzung nicht geändert, wohl aber ist bezüglich der Zahl der anwesenden Herren Abgeordneten eine Änderung insoweit eingetreten, daß von 358 Abgeordneten 19 auf Urlaub abwesend, 3 noch nicht eingerückt, und 3 als krank gemeldet sind, daher gegenwärtig 333 Abgeordnete in Kremsier anwesend erscheinen. Es liegt nunmehr eine Einlage des Herrn Franz Sterle, Abgeordneten für den Wahlbezirk Bruck in Steiermark, vor, folgenden Inhaltes:

Hohe Reichsversammlung 

Bereits am 15. des eben verflossenen Monats Dezember fühlte ich meine Gesundheit angegriffen. Seit dem, und besonders durch die so plötzlich eingetretene rauhe Witterung auf meiner Urlaubsreise nach meiner Heimat, steigerte sich mein Übelbefinden zu einem solchen Grade, daß ich nun bemüßigt bin, das Bett zu hüten. Da ich nach dem ärztlichen Gutachten vor 6 bis 8 Wochen nicht hoffen darf, das Zimmer verlassen zu können, da ferner in den nächsten Tagen der wichtigste Gegenstand für alle Nationen der großen Monarchie, nämlich die Constitution zur Berathung kommen wird, so kann und darf ich nicht die Verantwortlichkeit auf mich laden, den Wahlbezirk Bruck, welchen ich die Ehre hatte bis jetzt zu repräsentiren, gerade in der wichtigsten Zeitperiode ohne Vertretung zu lassen. Obschon ich die Ehre eines Sitzes in der hohen Reichsversammlung als die höchste Auszeichnung eines constitutionellen Staatsbürgers ansehe, so stehe ich doch keinen Augenblick an, selbst dieses wertevollste Opfer zu bringen, zur Beförderung des allgemeinen Besten. Ich erkläre daher meinen Sitz in der hohen Reichsversammlung für vacant, und lege die Vollmacht eines Abgeordneten zum constituirenden Reichstage in die Hände der verehrten Wähler des Wahlbezirkes Bruck in Steiermark hiermit zurück, und stelle das ehrfurchtsvolle Ersuchen, die hohe Reichsversammlung wolle beschließen, durch die geeigneten Organe ehestens eine neuerliche Wahl einleiten zu lassen.

Bruck in Steirmark am 2. Jänner 1849. 

Franz Sterle.

P r ä s. Über diese Eröffnung des Abgeordneten wird von Seite des Vorstandsbureaus das Ministerium um Ausschreibung einer neuen Wahl angegangen werden.

Schriftf. U l l e p i t sch. Weiteres liegt eine Eingabe des Herrn Joseph Quitenski, Abgeordneten für den Wahlbezirk Leutomischl in Böhmen, vor, folgenden Inhaltes:

Hohes Reichstags  Präsidium!

Da meine häuslichen Umstände, wie auch Sterbefälle in meiner nächsten Verwandtschaft es mir fernerhin nicht mehr gestatten, meinen Platz in der hohen Reichsversammlung noch einnehmen zu können, so sehe ich mich bemüßigt, mein Mandat als Volksvertreter ehrfurchtsvoll hiermit niederzulegen, wozu ich die geziemende Bitte beifüge, daß an meiner Statt bald möglichst eine neue Wahl veranlaßt werden möchte.

Lauterbach, am 1. Jänner 1849.

Joseph Quitenski, Abgeordneter für den Bezirk Leutomischl in Böhmen.

Präs. Hierüber wird gleichfalls das Vorstandsbureaus die erforderliche Verfügung treffen.

Schriftf. Ullepitsch. Endlich liegt noch eine Einlage des Abg. Watzl aus Hohenelbe vor, der zufolge derselbe um einen Urlaub vom 3. bis letzten Jänner aus dem Grunde bittet, weil der gegenwärtige Jahresschluss in seinem Fabrikgeschäfte seine Anwesenheit notwendig macht, um die vielfachen Abrechnungen zu pflegen und manches Versäumte nachzuholen, und dadurch das Geschäft nach einer längeren Abwesenheit im geregelten Gange zu erhalten.

Präs. Wünscht Jemand das Wort über das gelesene Gesuch?  Diejenigen Herren, welche für die Bewilligung des angesuchten Urlaubs sind, wollen dieß durch Aufstehen kund geben. (Geschieht.) Es ist die Majorität. Das Urlaubsgesuch ist bewilligt.  Von den neu eingetretenen Mitgliedern ist der Herr Deputierte Scheuchet der 1. Abteilung, der Abg. Rulitz der 2., und der Abg. Rosypal der 4. Abteilung zugelost worden. Ich habe gestern die Abteilungen ersucht, die Redaktoren der stenographischen Berichte zu wählen; ich bitte, die Wahlen bekannt zu geben.

Schriftf. Streit. Die erste Abteilung hat gewählt den Abg. Anton Mokry, die zweite Abteilung den Abgeordneten Franz Duschek; die weitern Wahlen sind mir nicht bekannt worden.

Präs. Ich fordere die übrigen Abteilungen auf, die Wahlen bekannt zu geben. (Von mehreren Seiten der Ruf: Die Abteilungen konnten aus Mangel an Beschlussfähigkeit zu keiner Wahl schreiten.) Ich muß die Herren auffordern, in den Abteilungen steiniger und zahlreicher zu erscheinen, damit die Geschäfte, die den Abteilungen zugewiesen sind, ihrer Erledigung zugeführt werden. Ich würde den Wunsch aussprechen, daß morgen die Wahlen in sämmtlichen Abteilungen, wo sie noch nicht stattgefunden haben, vollzogen werden. Was die zwei bereits gewählten Redaktoren anbelangt, so würde ich sie ersuchen, heute um 5 Uhr im Redactionsbureau zu erscheinen, um so viel als möglich die vorliegenden Protokolle zu revidieren.  Den zweiten Gegenstand bilden die Berichte über Wahlakte. Ich besorge, daß auch dießfalls keine Vorträge erstattet werden können. (Es liegen keine vor.)

Schriftf. U l l e p i t sch. Ich habe der hohen Kammer mitzuteilen, daß neuerlich einige Wahlakte eingelangt sind, und zwar der des Abg. Furek Ftodos für den Wahlbezirk Skalat in Galizien, dann der des Abgeordneten Alois Scheuchet für den Wahlbezirk Vogtsberg in Steiermark, und endlich der des Abgeordneten Rulitz für den Wahlbezirk Völkermarkt in Kärnten. Die Prüfung des ersten Wahlaktes liegt der achten, die des zweiten der zweiten, und die des dritten der dritten Abteilung ob, daher diese Akten behufs ihrer Erledigung im Vorstandsbureaus gefälligst in Empfang genommen werden wollen.

Präs. Es ist eine Interpellation an den Herrn Finanzminister überreicht worden, da aber derselbe nicht gegenwärtig ist, so kann dieselbe nicht vorgetragen werden. Den weiteren Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet die zweite Lesung der Grundrechte. Es dürfte hier, wie bei allen Beratungen, eine General und Spezialdebatte eröffnet werden. Für die Generalsdebatte haben sich schon einige Herren Redner gemeldet, und zwar: dagegen der Abg. Wilder, dafür der Abgeordnete Borrosch. Ich glaube, es wäre gut, wenn vielleicht früher die Ablesung des Antrages der Kommission Statt fände und dann die Generalsdebatte nach der hier vorliegenden Vormerkung eingeleitet würde. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, zur zweiten Lesung der Grundrechte zu schreiten. (Abg. Rieger liest den Entwurf der Grundrechte vor) Ich ersuche den Herrn Abg. Wilder, der sich für die Generalsdebatte dagegen einschreiben ließ, das Wort zu ergreifen.

Minister Stadion. Ich bitte ums Wort.

(Besteigt die Tribune.)

Indem die konstituierende Reichsversammlung zur Beratung der Grundrechte schreitet, ist es der Ministerrat dem Throne wie dem Volke schuldig, sich über die Stellung, die er bei der dielfälligen Beratung einzunehmen gedenkt, so wie vor Allem über den ersten und bedeutungsvollsten Grundsatz auszusprechen, der im §. 1. des Entwurfes der Grundrechte vorangestellt ist.

Wird der in dem erwähnten Paragraphe aufgestellte Satz von dem Ursprunge der öffentlichen Gewalt, bloß vom Standpunkte der abstrakten Theorie in Betracht gezogen, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ein solcher rein theoretischer Satz nicht geeignet sei, dort einen Platz zu finden, wo es sich darum handelt, die Verfassung für bestimmte staatliche Verhältnisse festzustellen.

Auch würde es das Ministerium weder in seinem Berufe, noch in seiner Stellung finden, sich an einer rein theoretischen Discussion in einem Augenblicke zu betheiligen, in welchem es sich um Thaten handelt, und die Völker Österreichs sehnsüchtig der Früchte dieser Beratungen, des ins Lebenstreten der Verfassung harren.

Soll aber diese Doktrin an die Spitze des Grundgesetzes des österreichischen Staates gestellt werden, so muß sich das Ministerium gegen ein Princip verwahren, welches den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen unseres Staates nicht entspricht, und durch den bloßen Versuch, demselben in dem öffentlichen Leben Geltung zu verschaffen, die Quelle beklagenswerter Irrungen und solenschwerer Unordnungen gewesen ist.

Unter dem Banner dieser Theorie, die nach dem vorliegenden Commissions  Antrage an die Spitze der Verfassung gestellt werden soll, wurden die Gesetze verletzt, den Vollzugsorganen offener Widerstand entgegengesetzt, unter ihrem Banner würden die Begriffe der Menge verwirrt, die Straßen zum Schauplatze wilder Ausschweifungen gemacht, wurde das Blut des edlen Grafen Labour vergossen.

Es besteht kein Bedürfniß, weisen praktischen Gesetzen durch allgemeine, verführerische Lehrsätze Eingang und Beliebtheit zu verschaffen. Im Gegentheile, die öffentliche Meinung verfahrt sich gegen Behauptungen, welche die Frage der Constituirung des Vaterlandes auf einen Boden stellen würden, der nicht weniger mit den Erklärungen der Krone, als mit dem Rechtsgefühle der hier vertretenen Völker in offenem Widerspruche wäre.

Das erbliche monarchische Recht erscheint in der Staatsform der constitutionellen Monarchie eine geheiligte und unveräußerliche Quelle der obersten Gewalt. Es ist innerhalb dieser Staatsform unzulässig, den Ursprung derselben neu feststellen, und das Bestehende von einer neuen Bestätigung abhängig machen zu wollen. Die Minister haben, als sie das erste Mal vor diese Versammlung traten, die Erklärung abgegeben, an den Grundsätzen der constitutionellen monarchischen Staatsform festzuhalten; sie würden ihren Pflichten, so wie diesen ihren Grundsätzen untreu werden, würden sie zugeben, daß das richtige Verhältniß der Krone zu dem Volke und dessen Vertretern verrückt werde.

Se. Majestät der Kaiser Ferdinand I. haben im März die Verleihung einer Constitution beschlössen, und darein gewilligt, die von Ihren Vorfahren unbeschränkt übernommene gesetzgebende Gewalt mit den Vertretern des Volkes zu theilen. Mit dieser kaiserlichen Bewilligung war Österreich eingetreten in die Reihe constitutionellerconstitutionell Staaten; aber mit dieser Änderung war die monarchische Staatsform weder aufgehoben, noch einen Augenblick außer Wirksamkeit getreten.

Die Unantastbarkeit des monarchischen Princips war auch in allen, seit dem Monate März ergangenen kaiserlichen Erlassen, namentlich dem Allerhöchsten Manifeste vom 16 Mai festgehalten, durch welches den Völkern Österreichs die kaiserliche Entschließung kundgegeben wurde, daß die verliehene Verfassung  Urkunde vom 25. April der Berathung der Volksvertreter unterzogen werden solle, und durch welches zu diesem Behufe der erste Reichstag zum constituirenden erklärt würde.

Das Ministerium wird sich der Thätigkeit des hohen Reichstages, die Constituirung auf einer andern, den geänderten Verhältnissen angemessenen Grundlage zu einem gedeihlichen Ziele zu führen, bereitwillig anschließen, und an den Berathungen über diese hochwichtige Angelegenheit tätigen Antheil nehmen, weil es wünscht, und von der Überzeugung durchdrungen ist, daß durch offene, gegenseitige Verständigung das Verfassungswerk am schnellsten und sichersten zu einem gedeihlichen Ende geführt werde. Allein es muß auch erklären, daß dieß nur unter der Voraussetzung und Verwahrung stattfinden kann, daß das konstitutionell  monarchische Princip nicht verletzt, und das Recht der Krone von dieser hohen Versammlung nicht in Frage gestellt werde.

Eine solche Sendung lag nicht in der Berechtigung der Wähler, und das Volk in seinem Rechtsgefühle hat sie nie in dieser Weise aufgefaßt Wir erblicken eine konstitutionelle Staatseinrichtung in der Theilung der legislativen Gewalt mit des Volks gewählten Vertretern, und es ist mit dein Rechtsbestande unserer Monarchie die Behauptung ganz unvereinbar, daß alle Gewalt vom Volke ausgehe.

Jene verfassungsmäßige Theilung der legislativen Gewalt ruht wesentlich in der Heilighaltung der wechselseitigen Grenzen, und so wie wir uns zu einem Übergriffe nie herbeilassen werden, werden wir es stets für unsere Pflicht halten, solchen mit Entschiedenheit zu begegnen.

Mit specieller Beziehung auf den im §. 1 des Commissionsentwurfes der Grundrechte ausgesprochenen Satz hegen wir die sichere Überzeugung, daß derselbe von der hohen Kammer nicht werde gebilligt werden, und wir glauben es der in allen Fragen gegenüber diesem Haufe festgehaltenen Offenheit aller unserer Entschließungen und Handlungen schuldig zu sein, zu erklären, daß wir in der ausdrücklichen oder stillschweigenden Anerkennung des obgedachten Grundsatzes einen Eingriff in die unwandelbaren Grundlagen des monarchischen Principes zu erkennen in der Lage wären.

Präs. Ich ersuche nochmals den Herrn Abg. Wildner, die Debatte zu beginnen.

Abg. Wildner. (Von der Tribune.) Ich bitte das hohe Haus, es vor Allem nicht auffallend zu finden, daß ich mich als Redner gegen die Grundrechte habe einschreiben lassen. Ich habe gelobt, die Volksrechte heilig zu wahren, und das hohe Haus wird mich in allen Diskussionen auf dem Wege finden, daß ich dieses Gelöbnis genauest erfülle. Ich bin überzeugt, daß zur Wahrung der Volksrechte die Aufstellung von Grundrechten wesentlich notwendig ist; ich hätte aber gewünscht, daß uns der Ausschuß belehrt hätte darüber, was denn eigene lich Grundrechte sind, welchen Zweck dieselben haben; denn ich bin überzeugt, daß ohne systematische Aufführung dieser Grundrechte, ohne Vollständigkeit in denselben, ohne Anpassung derselben auf die österreichischen Verhältnisse nicht viel Heil von denselben zu erwarten ist. Bei dem Mangel einer dielfälligen Belehrung von Seite des Ausschusses wird es das hohe Haus billigen, wenn ich hinsichtlich des Begriffes und Zweckes der Grundrechte mich vorläufig hier ausspreche, bevor ich mein Urteil über die vorliegenden Grundrechte in ihrer Gesammtheit hier veröffentliche. Meine Herren, wir sind in den Rechtsstaat getreten, zum Unterschiede vom Polizeistaate. Der Unterschied liegt darin, daß der Polizeistaat ein vollständig rechtsloser war; das bürgerliche Gesetzbuch mag Ihnen beweisen, wie genau man auf die angebornen Rechte des Menschen überhaupt schon Rücksicht genommen hat. Der Unterschied liegt darin, daß im Polizeistaate eine gewisse Anzahl von diesen wichtigen Grundrechten fast ganz ignoriert wurde; daß eine andere große Anzahl mit Ausnahmen so eingeschränkt wurde, daß man sie fast für Null halten konnte. Das soll nun im Rechtsstaate anders werden. Jene Rechte, welche eine gediegene Vernunftrechtswissenschaft bereits als solche unwiderleglich anerkannt hat, sollen durch unsere positiven Grundrechte ausgesprochen werden, um Gültigkeit zu haben für alle Zukunft, und dadurch das Volksrecht in seinem ganzen Umfange zu wahren. Dieß, meine Herren, ist der Begriff von den Grundrechten und ihrem Zwecke, nach meiner Ansicht. Dieselben sollen nicht an und für sich eine Rechtswissenschaft lehren, sondern sie sollen die gediegenen Resultate der Rechtswissenschaft kurz und positiv zusammenfassen, sie sollen daher uns für alle Zukunft noch obendrein verwahren, daß keines dieser Rechte ignoriert, daß auch keines durch Ausnahmen in Schranken zurückgewiesen werde, welche nur dem Polizeistaate eigen sind. Sie sollen endlich auch auf unsere. österreichischen Verhältnisse genau angepasst werden.

Es ist zu diesem Zwecke unumgänglich notwendig, daß sie österreichisch sind, daß sie systematisch, daß sie vollständig sind. Ich finde mich leider in der Lage, im Allgemeinen behaupten zu müssen, daß die vorliegenden Grundrechte eben nicht viel österreichisch sind. Ich glaube, das hohe Haus und das ganze Volk Österreichs ist damit vollkommen einverstanden, daß ein großes, freies, mächtiges Österreich begründet werden soll. Eine Grundbedingung davon ist die, daß wir uns alle als Österreicher fühlen. Ich vermisse dieses Gefühl in den Grundrechten; (Heiterkeit) denn, meine Herren, es ist in denselben wohl vom Staate und Staatsbürgern u. s. w. die Rede, aber es ist keine Rede vom Österreicher darinnen, es ist, als ob wir nicht in Österreich wären, vielleicht im Monde darin. Oh, Oh!) Was die Systematik betrifft, meine Herren, die in denselben vorschwebt, so muß ich dieselbe als durchaus misslungen erklären.

Eine jede Rechtswissenschaft an und für sich teilt ihre Rechte in ein höchstes Recht, und in abgeleitete Rechte; es teilt die abgeleiteten Rechte in materielle und formelle. Dieser Grundeinteilung folgend, finde ich alles durcheinander gemischt in unserem Entwurfe. Die Formalitätsrechte, z. B. über Strafe, über richterliche Gewalt, über Exekutivgewalt, die sind durchaus zerstreut in verschiedenen Paragraphen enthalten, sie sind nicht zusammengefasst an einem und demselben Platze. Was die nationeller Rechte betrifft, so finden Sie die angebornen gemischt mit den erworbenen Rechten. Z. B. ist das Vereinsrecht, das Recht der religiösen Gesellschaften u. dgl. mitten unter die angebornen Rechte hineingeschoben über Lehrfreiheit, Unterrichtsfreiheit u. dgl. Mir kommt es, ausdrücklich gesagt, so vor, als ob die Grundrechte einzeln in ein Sieb hineingelegt, und da durchgeschüttelt und so liegen gelassen worden wären, wie sie herausgefallen sind (Zischen.) Was die Vollständigkeit betrifft, meine Herren, so muß ich erwähnen, daß wesentliche Rechte, welche selbst der Polizeistaat teils anerkannt, teils ganz ignoriert, oder auf eine Null reduziert hat, in dem Entwurfe gar nicht vorkommen. Das höchste aller Rechte, welches der Mensch genießt, ist das Recht seiner Persönlichkeit, es ist in unserem bürgerlichen Gesetzbuche schon gewahrt, wir haben Staatsvertrage sogar, daß Sclaverei und Leibeigenschaft auf österreichischem Gebiete durchaus nicht geduldet werden darf. Davon kommt in unseren Grundrechten auch nicht eine Sylbe vor. (Allgemeines Gelächter.) Wir haben ferner gesehen, meine Herren, wie man im Polizeistaate das Recht hinsichtlich des Körpers auf seine Integrität, auf seine Ausbildung, man kann sagen, in gewisser Beziehung zu Null gemacht hat. Ich erinnere Sie daran, daß es Staaten gab, wo man die Turnanstalten verboten hat; von diesem Rechte ist in unseren Grundrechten durchaus keine Erwähnung. (Lachen.) Sie wissen, meine Herren, daß im Polizeistaate das Recht, sich Kenntnisse zu erwerben, vielfältig beschränkt war, man durfte nicht einmal über die Grunze hinaus gehen, um sich draußen Kenntnisse zu erwerben; auch von diesem Rechte findet man in unseren Grundrechten gar nichts erwähnt. Ein wesentliches Recht, meine Herren, vielfältig in unserem Polizeistaate ignoriert, ist das Recht auf Ehre:. es ist ein Recht, heiliger als das Eigenthum, welches als wohlgewährleistet in unseren Grundrechten steht. Auch von diesem Rechte weiß unser Grundrecht nichts.

Ein eben so wichtiges Recht als das Eigenthumsrecht, das in Unseren Grundrechten steht, ist das Recht der Unverletztheit des gegebenen Wortes, des Vertragsrechtes, wesentlicher, kann ich sagen, für die Gesellschaft, als noch das Eigenthumsrecht, und vielseitig verletzt selbst hohen Orts. Wir wissen, wie die deutsche Bundesachte gegenüber der Erfüllung derselben gestanden ist. Auch von diesem wesentlichen Rechte, welches ein deutscher Gelehrter sehr kurz in dem Satze zusammenfasst: "Sei Herr des zu gebenden, aber Sclave des gegebenen Wortes" auch von diesem wesentlichen Rechte, meine Herren ist in unseren Grundrechten keine Erwähnung.

Ich übergehe es, meine Herren, daß auch das Recht des freien Austrittes aus irgend einer kirchlichen Gemeinde im Polizeistaate fast aus Null reducirt war. Wir wissen Alle, was für Qualen jener, welcher einer kirchlichen Gemeinde aus Überzeugung schon längst entflohen war, auszustehen hatte, bis er aus dieser kirchlichen Gemeinde herauskam. Ich kann das hohe Haus nicht bitten, hier in diese Einzelheiten bei der Berathung einzugehen, ich kann der hohen Kammer nicht zumuthen, daß sie hier schon über die Systematisierung unserer Grundrechte sich ausspreche, daß sie sich schon über die Auslassung dieser von mir angeführten Rechte pro oder contra ausspreche; allein eine Bitte kann ich an das hohe Haus richten, und die ist, daß das hohe Haus beschließen wolle, daß meine Ansichten hinsichtlich der Systematisierung und hinsichtlich der Vervollständigung dem Ausschusse zur Prüfung und Berichterstattung übergeben werde. Ich stelle daher mit Beziehung darauf folgenden Antrag: "Das hohe Haus wolle beschließen:

E r st e n s: Daß in allen Paragraphen der Grundrechte statt des Ausdruckes "Staatsbürger" der Ausdruck "Österreicher" gefetzt werde.

Zweitens: Daß unbeschadet der Fortberatzung der einzelnen Grundrechte dem Constitution  Ausschusse der Auftrag zugehe, dem anliegenden Plane einer Systematisierung die Prüfung zu schenken, und darüber Bericht zu erstatten, und in demselben Termine bis zur Vollendung der Berathung der Grundrechte Bericht zu erstatten, ob nicht die vorliegenden, früher schon berathenen, nach meinem Dafürhalten wesentlichen Rechte in den Entwurf aufgenommen werden sollen. "

Präs. Die Reihe trifft nun den Herrn Abg. Borrosch, der sich dafür einschreiben ließ.

Abg. Szábel. Der Herr Abg. Borrosch hat mir gestattet, vor ihm das Wort zu ergreifen. Ich habe einen Antrag auf den Tisch des Hauses eben in diesem Augenblicke niedergelegt. Er bezieht sich bloß im Allgemeinen auf die Grundrechte, und ist die Folge der Erklärung, welche uns von Seite des Ministeriums eben gemacht wurde.

Meine Herren! diese Erklärung ist sehr wichtig, und es ist nothwendig, daß die Mitglieder der Kammer sich mit dem ganzen Wesen dieser Erklärung, mit ihrem Inhalte vollständig bekannt machen, denn ich muß gestehen, daß ich die Fortberatzung der Grundrechte, ohne sich mit dieser Erklärung ihrem ganzen Inhalte nach hinlänglich bekannt gemacht zu haben, für ganz unmöglich halte. (Beifall.)

Ich habe daher auf den Tisch des Hauses folgenden Antrag niedergelegt: "Die Erklärung des Ministeriums ist in Druck zu legen, ungesäumt unter den Kammermitgliedern zu vertheilen, und die Berathung der Grundrechte bis auf den 8. d. M. zu vertagen. "

Ich glaube, meine Herren, zur Begründung dieses Antrages nicht viel anführen zu dürfen, und nur dasjenige zu wiederholen, daß ich die Berathung der Grundrechte, bevor wir uns nicht mit jedem Worte dieser Ministerialerklärung hinlänglich vertraut gemacht haben, für eine Unmöglichkeit halte.

Präs Wird dieser Antrag unterstützt? (Wird hinreichend Unterstützt.) Ich erlaube mir, ihn für angenommen anzusehen. Ich glaube, in Folge dieses Beschlusses dürfte für heute wenigstens auch die General Debatte entfallen; den Herren, welche für die Generalsdebatte eingeschrieben sind, bekanntlich den Herren Abg. Borrosch und Klaudi dürfte ihr Wort für die nächste Sitzung vorbehalten bleiben. Sind die Herren damit einverstanden? (Unruhe.  Einzelne Stimmen: Nein!) Es wäre wider den Beschluß, sobald die Generalsdebatte stattfinden würde, weil es sich um die Suspension der Verhandlung handelt, bis die Erklärung des Ministeriums abgedruckt sei. Ich ersuche das Ministerium, die Erklärung dem Vorstandsbureaus übergeben zu wollen, damit sogleich die Drucklegung veranlaßt werde.

Minister Stadion. Ich habe sie nur abschreiben lassen, und werde sogleich den Vortrag mittheilen.

Präs. Ich übergehe in Folge dieses Beschlusses zu dem weiteren Gegenstande der heutigen Tagesordnung, und zwar zur Vollberathung über den Antrag des Finanzausschusses, betreffend die Optierung seiner Glieder und jener des ConstitutionsAusschusses. Dieser Antrag, wie er vorgelegt und motivirt wurde, lautet:

"Antrag des Finanzausschusses: Die Prüfung des Voranschlages macht es dem Finanz  Ausschusse wünschenswerth, daß sämmtliche Mitglieder desselben den Sitzungen regelmäßig beiwohnen; der Ausschuß trägt deßhalb darauf an, die hohe Kammer möge beschließen, daß jene Mitglieder, die zugleich in den Finanzausschuss und Constitutionsausschuß gewählt sind, zu optieren haben, welchem von Beiden sie in der Folge angehören wollen. "  Wünscht Jemand das Wort?

Abg. H e i n. Ist mein Subamendement nicht vorgelegt worden?

Präs. Es ist nicht vorgelegt worden.

Abg. H e i n. Ich habe zu diesem Hauptantrag einen Unterantrag gestellt.

Präs. Er ist nicht da, dürfte aber dem Herrn Abgeordneten noch erinnerlich sein. (Der Abg. Hein schreibt sein Subamendement.) Der Herr Abg. Hein hat nachstehenden Unterantrag auf den Tisch des Hauses niedergelegt:,, Es soll jedes Mitglied des Finanzausschusses, welches auch nur einer Sitzung dieses Ausschusses nicht beiwohnt, aus dem Finanzausschüsse als ausgetreten betrachtet, und in denselben ein neues Mitglied gewählt werden. "

Abg. Hein. Ich erlaube mir einige Worte zur Begründung. In Consequenz mit der Begründung, welche dem Finanzausschüsse beliebt hat, muß man annehmen, daß der Finanzausschuss nicht arbeiten kann, wenn auch nur Ein Mitglied einmal ausbleibt, weil dieser Antrag gegen drei Mitglieder, die höchstens ein oder zweimal, während sie bei anderweitigen Ausschüssen arbeiteten, ausbleiben mußten, directe gerichtet ist, und man doch nicht annehmen kann, daß es bloß ihren Personen gilt, sondern, daß der Finanzausschuss diese drei Personen in jeder Sitzung benöthigt hätte. Was von den dreien gilt, muß von jedem einzelnen Mitgliede gelten; wenn also diese drei gezwungen werden sollen, auszutreten, weil sie einer Sitzung nicht beigewohnt haben, während sie in einem anderen Ausschusse beschäftiget waren, so muß die Consequenz dahin ausgedehnt werden, daß jedes Mitglied, wenn es auch nur einer Sitzung nicht beiwohnt, auszuscheiden, und sich durch ein anderes Mitglied ersetzen zu lassen hat.

Übrigens bin ich mit dem ganzen Antrage nicht einverstanden, der von dem Finanzausschüsse in unserer Abwesenheit gestellt wurde, und namentlich gegen die Personen Mayer, Lasser und gegen mich gerichtet ist. 

Abg. Löhner. Ich bitte dann um's Wort!

Abg. Hein. Der §. 40 gibt zu, daß man Mitglied zweier Ausschüsse sein, und daß man durchaus nicht gezwungen werden könne, aus einem oder dem ändern Ausschusse auszutreten, wenn zufällig einmal beide Ausschüsse zugleich Sitzung haben. Diese Möglichkeit muß doch voraus angenommen werden; warum hat dieß der Paragraph in der Geschäftsordnung nicht vorausgesehen?

Halten wir uns an die Geschäftsordnung, nach welcher der in zwei Ausschüssen Gewählte gesetzlich entschuldigt ist, wenn er in einem Ausschusse fehlt, während er im andern arbeitet. Diese Abwesenheit wird nicht so häufig vorkommen, wenn von den Vorstehern der Ausschüsse Rücksicht genommen wird, und die Sitzungen so angeordnet werden, daß die Mitglieder, welche verschiedenen Ausschüssen angeboren, der Sitzung in zwei Ausschüssen an einem und demselben Tage beiwohnen konnen; es kommt also nur darauf an, daß sich die Vorsteher verschiedener Ausschüsse verständigen. Es sitzen in dem Finanzausschüsse Mitglieder auch anderer Commissionen, die nicht kommen. Warum ist nicht auch der Antrag in diesem Bezuge gestellt worden? Er war somit parteiisch, und um ihn gerecht zu machen, habe ich den allgemeinen Antrag gestellt.

Abg. Lasser. Ich muß vor Allem die Bemerkung vorausschicken, daß der Antrag des Finanz  Ausschusses direct nur gegen 3 Personen des Hauses gerichtet ist, nämlich die beantragte Maßregel soll treffen den Abgeordneten für Brünn 1. Wahlbezirk, den Abgeordneten für Troppau und den Abgeordneten für Werfen; diese 3 Mitglieder sind es, welche die Ehre haben, durch das Vertrauen ihrer Collegen berufen, im Constitutions und auch im Finanzausschüsse zu sitzen. Ich bin Einer von diesen Dreien, und erkläre, was mich betrifft, durchaus kein persönliches Gelüste zu haben, beiden Ausschüssen fortan anzugehören, weil ich sehr geneigt bin, mich für das Princip der Arbeitsteilung auszusprechen. Allein, da ich voraussetzen will, daß es sich nicht bloß um meine Person, und überhaupt nicht um eine bloße Persönlichkeit, sondern um einen Grundsatz handelt, der, wenn er consequent durchgeführt wird, nicht allein die Mitglieder des Finanz und Constitutions  Ausschusses treffen, sondern auch für jeden andern Ausschuß Anwendung finden müßte, so muß ich diesen Grundsatz selbst besprechen, und mich direct gegen denselben erklären. Schon der Herr Redner vor mir hat darauf hingewiesen, daß nach der Geschäftsordnung jedes Mitglied des Hauses berechtigt, und wenn es von dem Vertrauen seiner Collegen berufen wird, sogar verpflichtet ist, zwei Ausschüssen anzugehören. Wie verträgt sich mit diesem Ausspruche eine Maßregel, wie die jetzt beantragte, welche drei Mitglieder des Kaufes, die zwei Ausschüssen angehören, zum Austritte aus einem Ausschusse nöthigen soll? Ich kann nicht glauben, daß die Erfahrung, die bisher gemacht worden ist, für diesen Antrag spricht. Sollte es etwa die Erfahrung der letzten Tage vor den Weihnachten gewesen sein, wo fortwährend Beratungen in dem Finanzausschusse und in dem Constitutions Ausschusse gepflogen worden sind, die von hoher Dringlichkeit und Wichtigkeit waren? Es ist wahr, daß damals die Sitzungen beider Ausschüsse theilweise auf denselben Zeitraum zusammengetroffen sind; dessen ungeachtet, meine Herren, frage ich die Mitglieder der beiden Ausschüsse, wenn sie billig urtheilen wollen, ob nicht gerade wir Drei, gegen welche dieser Antrag jetzt gerichtet ist, das Möglichste gethan haben, um unseren Verpflichtungen in beiden Ausschüssen nachzukommen, und uns an deren Schlussfassungen zu betheiligen


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