Úterý 9. ledna 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Achtundsechzigste (XVI.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 9. Jänner 1849.

Tages  Ordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 8. Jänner 1849.

II. Zweite Lesung der Grundrechte.

Anfang: 10  1/4 Uhr.

Vorsitzender: Präsident S t r o b a c h.

Auf der Ministerbank: Schwarzenberg, Stadion, Bach, Cordon, Thinnfeld.

P r ä s. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl von Abgeordneten ist anwesend, ich erkläre die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Herrn Schriftführer, das Protokoll über die gestrige Sitzung vorzulesen. (Schriftf. Zwickle liest es.) Hat Jemand eine Einwendung gegen das vorgelesene Protokoll vorzubringen^  Da sich Niemand meldet, so ist das Protokoll als richtig aufgenommen anzusehen. Der Abg. Dyniec hat sich krank melden lassen, der Abg. Dworzak erhielt einen Urlaub aus 1 Tag. Der Abg. Wörz hat die Anzeige erstattet, daß er zum Gubernial Registratursdirector und Archivar befördert worden sei. Aus Anlaß dieser Beförderung hätte eine Wiederwahl einzutreten, und es wird dießfalls das Ministerium angegangen, sie auszuschreiben. Es liegt eine Interpellation vor.

Schriftf. Streit (liest.)

Interpellation des Abgeordneten für Schluckenau in Böhmen, Wenzel Alexander Fleischer, an das Ministerium des Unterrichtes.

Eine große Anzahl Studierender des deutschen Theiles meines Vaterlandes und Wahlbezirkes, meistens der Medicin angehörig, sahen sich bei dem Umstande, daß ihnen Prag durch die czechischen Bestrebungen verleidet wurde, die übrigen medicinischen Facultäten des österreichischen Kaiserstaates aber. Pavia, Padua, Pesth und Wien, im heurigen Schuljahre nicht besucht werden konnten, in der bedauerlichen Lage, die Universität zu Leipzig zu beziehen. In Folge einer vorsorglichen Anfrage dieser österreichischen Studenten bei dem in Leipzig aufgestellten österreichischen Consulate, wurde denselben bedeutet, daß der Besuch ausländischer Universitäten den Österreichern derzeit durchaus noch nicht gewährleistet sei, obgleich die Studierenden aus Siebenbürgen hievon eine Ausnahme machen.  Ich weiß wohl allerdings, daß die Siebenbürger früher schon ausländische Universitäten besuchen durften, weil sie  meistens Deutsche und Protestanten  deßhalb im deutschen Auslande die Theologie studieren müssen. Doch berufen sich die, gegenwärtig in Leipzig die Medicin Studierenden (Deutschböhmen), welche sich in dieser Angelegenheit an mich gewandt haben, auf den vierten Punkt der, von Sr. Majestät dem Kaiser Ferdinand bewilligten Prager Studenten  Petition, welcher lautet: "Der Besuch ausländischer Universitäten ist gestattet."

Um nun in dieser nicht unwichtigen Angelegenheit die nothwendige Auskunft zu erhalten, und die erwähnten deutsch  böhmischen Studenten, über 20 an der Zahl, zum Theil aber auch alle Andern, welche noch ferner gesonnen sind, ausländische Lehr. Anstalten zu beziehen, vor Schaden zu bewahren, oder wenigstens aus beunruhigender Ungewißheit zu reißen, frage ich hiermit bei einem verehrten Ministerium des Unterrichtes an:

Ob überhaupt der Besuch ausländischer Universitäten, auf Grundlage der von Sr Majestät dem Kaiser Ferdinand bewilligten Prager Studentenpetition derzeit schon erlaubt sei? Und im B e j a h u n g s f a l l e:       

a) Ob das Ministerium des Äußern nicht das österreichische Consulat zu Leipzig hievon so bald als möglich in Kenntniß setzen wolle?  

 b) Ob die an ausländischen Universitäten erhaltenen Zeugnisse dieselbe Gültigkeit haben werden, wie die inländischen?

Im Verneinungsfalle: a) Wie sich die bereits im Auslande studierenden Studenten verhalten sollen? oder

 b) Ob dieselben so lange im Aus lande ohne Nachtheil verbleiben können, bis die definitive Erlaubniß erfolgt ?

Kremsier, den 8. Jänner 1849.

Med. Dr. Fleischer, Abgeordneter für Schluckenau in Böhmen. 

Präs. Diese Interpellation wird dem hohen Ministerium zur Beantwortung übergeben werden. Der Hr. Abg. Hankiewicz hat bei einer Interpellation des Abg. Krainski, die hier gestern vorgetragen wurde, bezüglich eines Punktes, wo vom Lemberger Metropoliten die Rede ist, eine Art von Protest eingelegt; nachdem aber der Protest nicht in derselben Sitzung angemeldet wurde, so kann davon kein Gebrauch gemacht werden. Dann dürfte auch eine Interpellation kaum den Gegenstand eines Protestes abgeben.  Ich übergehe zum zweiten Punkt der heutigen Tagesordnung, es ist die Berathung über die Grundrechte, und zwar nachdem die Generaldebatte über die Grundrechte bereits für geschlossen erklärt wurde, handelt es sich um die Debatte über den §. 1. Als Redner ließen sich nachstehende Herren einschreiben, und zwar dafür: Borrosch, Pitteri, Hein, Klaudi, Szábel, Brestel, Löhner, Bilinski, Kánski. Purtscher, Fischhof, Schuselka, Goldmark, Zimmer, Violand. Als Redner dagegen: Ullepitsch, Selinger, Demel, Goriup, Smreker, Wildner, Fluck, Neuwall, Neumann, Machalski, Helfert, Ohoral, Lasser, Schopf, Trummer, Call, Sitka, Ingram, Thiemann, Hellrigl, Kreil, Uchatzy, Gredler, Rack, Wiesenauer, Gleispach, Kudler, Strasser, Brauner und Richter Franz. Bevor die Debatte beginnt, erlaube ich mir zwei Verbesserungsanträge, die mir bereits zum §. 1 übergeben wurden, hier vorzulesen, damit im Verlause der Debatte darauf bereits Rücksicht genommen werden könnte. Es ist der Verbesserungsantrag des Abg. Franz Schuselka zum §. 1: ,, Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus, und sind in der constitutionellen Monarchie zwischen dein Monarchen und dem Volke getheilt."  Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Der Antrag ist unterstützt. Ein zweiter Antrag ist der des Abg. Trojan, er lautet. "Die Kammer beschließe: der § 1 von den Staatsgewalten sei als in das Capitel von den Grundrechten nicht gehörig, nicht in Verhandlung zu nehmen." Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Er ist unterstützt. Es ist noch ein zweiter bedingter Antrag gestellt worden, eventuell, wenn das vorstehende Amendement nicht beliebt wird, er lautet: "Die Kammer wolle nicht über den §. 1 berathen, und daher sogleich zur Verhandlung des §. 2 des vorliegenden Entwurfes übergehen." Wird dieser Antrag unterstützt ? (Wird nicht unterstützt.) Es ist nur der erste Antrag unterstützt worden. Ich ersuche nun den Abg. Ullepitsch als ersten dagegen eingeschriebenen Redner, die Tribune zu besteigen.

Abg. Ullepitsch. Meine Herren! Wir schreiten heute zu unserer wichtigsten Aufgabe, zu einer Aufgabe, deren endlicher Lösung Millionen österreichischer Staatsbürger sehnsuchtsvoll entgegenharren, nämlich zur Berathung der Grundrechte. Eben aber, weil es sich um Grundrechte und denselben corollare Rechtspflichten handelt, so ist auch auf den Rechtsboden Rücksicht zu nehmen, auf welchem dieselben nothwendiger Weise basirt sein müssen. Von diesem Standpunkte aus, und in dieser Beziehung werde ich daher den §. I der Grundrechte in Rücksicht ziehen. Er lautet: "Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus, und werden auf die in der Constitution festgesetzte Weise ausgeübt." Was nun den ersten Theil dieses Paragraphes betrifft, nämlich den Satz: "Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus," so enthält er ein Theorem aus dem Gebiete des natürlichen Staatsrechtes, ein Theorem, das unbedingt oder nur bedingt und unter gegebenen Verhältnissen als wahr angenommen wird, je nachdem man der einen oder der andern staatsrechtlichen Theorie beipflichtet. Ich habe es nicht vor, diesen Lehrsatz dermalen als solchen zu besprechen, sondern will, wie ich es bereits sagte, lediglich darauf Rücksicht nehmen, was bei der uns gegenwärtig obliegenden Verfassung der Constitution des österreichischen Kaiserreiches der Rechtsboden sei, und sein müsse. Meine Herren! Dieser Rechtsboden ist durchaus nicht eine, aus einem doctrinären Satze abgeleitete ideale Basis, sondern dieser Rechtsboden ist ein factischer, dieser Rechtsboden ist das Jahrhunderte alte Österreich, in welchem die zwei wesentlichen Factoren eines Staatsverbandes, nämlich. Regierung und Regierte, factisch und thatkräftig vorhanden sind.

Bei diesem Sachverhalte nun handelt es sich aber nicht sowohl um die Erörterung der Richtigkeit eines Lehrsatzes oder um die Annahme einer Rechtsfiction, sondern die Erkenntniß des ausdrücklich oder stillschweigend geäußerten Willens der zwei besagten wesentlichen, thatkräftig vorhandenen Factoren des Staatsverbandes ist es, worauf nach meiner Ansicht bei Verfassung der Constitution des österreichischen Kaiserstaates Rücksicht genommen werden muß, weil eben nur aus diesem Gesamtwillen die Constitution hervorgehen soll. Ich werde mir erlauben, dießfalls einige Daten anzuführen, aus welchen diese Willensäußerung theils ausdrücklich, und theils stillschweigend unbezweifelt entnehmbar ist. Übergehend nun auf diese mir gestellte Aufgabe, will ich zuerst auf die dießfalls kundgegebenen Willensäußerungen der Regierung als dem einen wesentlichen Factor des Staatsverbandes eingehen, und zwar von dem Zeitpunkte an, als in den Märztagen die Sonne der Freiheit über Österreich hereinbrach, und das Princip der Constitution auch bei uns zur Wahrheit und Wirklichkeit werden sollte. Bereits am 25. April 1848 erschien in Folge der vom Kaiser Ferdinand dem Gütigen verheißenen Freiheiten eine octroirte Charte, zur Verwirklichung der den Völkern Österreichs gewährten constitutionellen Verfassung Allein bald daraus nach den politischen Maiereignissen erschien eine weitere kaiserliche Proclamation am 16. Mai 1848, des wesentlichen Inhaltes, daß, um alle Anlässe zu Mißvergnügungen und zur Aufregung zu beseitigen, Se Majestät nach dem Anrathen Ihres Ministerrathes die Bestimmung festzustellen geruhten, daß die Verfassung vom 25 April 1848 vorläufig der Berathung des Reichstages unterzogen werden solle, und die Anordnungen des Wahlgesetzes, welche Bedenken hervorgerufen haben, in einer neuerlichen Prüfung zu erwägen seien. In einer späteren Proclamation vom 3 Juni 1848 erklärten Se Majestat der Kaiser, am 16. Mai keinen Anstand genommen zu haben, den nächsten Reichstag als einen constituirenden zu erklären, und auch nunmehr die Sache selbst festhalten zu wollen, weil sie die Bürgschaft gewährt, daß die Verfassung, welche dein Reiche geistige und materielle Macht verleihen soll, in ihren Grundlagen, wie in allen ihren Einzelheiten ein Werk des ausgefragten Gesamtwillens sein wird, mit welchem Hand in Hand zu gehen, Se Majestät fest entschlössen seien. Endlich enthält das Patent vom 6 Juni v. I. die Erklärung, daß das von Sr Majestat begründete Werk noch nicht vollbracht sei, sondern daß es erst durch die kluge und kräftige Mitwirkung der Abgeordneten des Reichstages eine den allgemeinen Interessen des Landes entsprechende Wirklichkeit werden könne Nach der Veröffentlichung dieser eben mitgeteilten Willensäußerungen der Regierung trat die Einberufung des constituirenden Reichstages auf Grundlage des Patentes vom 16. Mai ins Leben Derselbe wurde nach Wien einberufen, und gleichzeitig das constitutionelle verantwortliche Ministerium Wessenberg ernannt In Folge der sonach Statt gehabten Verhandlungen des Reichstages, und eigentlich in Beantwortung einer bei Gelegenheit der Sanctionsfrage gestellten Interpellation haben sonach die verantwortlichen Räthe der Krone in der Reichstagssitzung vom 7 September v. I. eine Erklärung dahin abgegeben, daß sie bezüglich des bei dieser Gelegenheit angeregten Grundsatzes in Betreff der Stellung der Krone zum Verfassungswerke selbst, nur auf das hinweisen konnen, was darüber in den betreffenden Staatsacten unzweifelhaft ausgesprochen vorliegt Die Manifeste vom 3 und 6 Juni sprechen es unzweideutig aus, daß Se. Majestät der Kaiser in der Absicht, der überwiegenden Meinung Ihrer Volker keine Schranken zu setzen, den constituirenden Reichstag zu dem Ende berufen habe, damit das Werk der Verfassung durch die kluge und kräftige Mitwirkung der Abgeordneten des Reiches eine den allgemeinen Interessen entsprechende Wirklichkeit werde. Zugleich versicherte Se. Majestät der Kaiser darin den Völkern, daß Sie an den denselben bereitwillig ertheilten freien Institutionen mit Liebe fest halten wollen, und daß Sie in der Einberufung des constituirenden Reichstagen die Burgschalst finden, daß die Verfassung, welche Ihrem Reiche geistige und materielle Macht verleihen soll, in ihren Grundlagen wie in ihren Einzelheiten ein Werk des gesetzlich ausgeprägten Gesamtwillens sein werde, mit welchem Se. Majestät Hand in Hand zu gehen, fest entschlossen sind, wonach also die Berathung und Feststellung der Verfassung durch das Wort des Monarchen dem constituirenden Reichstage anheim gegeben, und zugleich die bestimmte Versicherung ertheilt erscheint, daß Se Majestat mit dem gesetzlich ausgefragten Gesamtwillen, den Sie in den Beschlüssen der freigewählten Vertreter Ihrer Volker verkörpert erkennen, Hand in Hand gehen werden Gleichzeitig wurde auch von Seite des Ministeriums bezüglich der über das Verfassungswerk zwischen Fürst und Volk stattzufinden den Vereinbarung die erläuternde Erklärung dahin abgegeben, daß darunter die aus freier Selbstbestimmung beruhende Annahme der von dem constituiren den Reichstage festgesetzten Verfassung Urkunde durch den Monarchen verstanden werde. 

Die October Ereignisse in Wien haben abermals einige Proklamationen hervorgerufen, und zwar haben Se Majestät in dem Patente vom 16 October  erklärt, daß es nach der Wiederherstellung der Ruhe die Aufgabe Ihres Ministeriums im Einklange mit den Mitgliedern des constituirenden Reichstages s e y n werde, durch gesetzliche Regelung der bisher mit zügellosem Mißbrauche gehandhabten Presse, des Vereinsrechtes und der Volkswehr, einen Zustand herbeizuführen, der, ohne der Freiheit nahe zu treten, dem Gesetze Kraft und Achtung sichern soll, so wie auch Se Majestät in dem Patente vom 19 October v I Ihre Willensmimung dahin kundgaben, daß die vom constituirenden Reichstage gefalzten, und von Sr Majestät sanctionirten Beschlusse aufrecht erhalten bleiben sollen.

Im December vorigen Jahres trat das welthistorische Ereigniß ein, daß Se Majestät Kaiser Ferdinand der Gütige zu Gunsten Ihres Neffen, Kaiser Franz Joseph I., den Thron Ihrer Vater verlieren, und in dem Antrittsmanifeste vom 2. December erklärten Se Majestat Kaiser Franz Joseph I., daß auf den Grundlagen der wahren Freiheit, auf den Grundlagen der Gleichberechtigung aller Völker des Reiches, und der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze, sowie der Theilnahme der Volksvertreter an der Gesetzgebung, das Vaterland neu erstehen werde, in alter Große, aber mit verjüngter Kraft, ein unerschütterlicher Bau in den Stürmen der Zeit, ein geräumiges Wohnhaus für die Stämme verschiedener Zunge, welche unter Habsburgs Scepter ein brüderliches Band seit Jahrhunderten umfangen hält. Fest entschlossen, den Glanz der Krone ungetrübt, und die Gesamtmonarchie ungeschmälert zu erhalten, erklären sich Se. Majestät bereit, Ihre Rechte mit den Vertretern Ihrer Völker zu theilen, damit es mit Gottes Beistand und im Einverständnisse mit den Völkern gelingen möge, alle Lande und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper zu vereinigen. Das sind die bezüglich des zu schassenden Verfassungswerkes vorliegenden, ausdrücklichen Willensmeinungen von Seite der Regierung. Was hingegen die Entnehmbahren Willenserklärungen von Seite der Regierten, von Seite der Völker Österreichs betrifft, da will ich, ohne Sie, meine Herren, mit der Mittheilung von Belegen belästigen zu wollen, lediglich hinweisen auf die zahlreichen Deputationen und loyalen Adressen, die von allen Theilen der österreichischen Monarchie in den wichtigsten politischen Momenten seit uns die Segnungen der Freiheit zu Theil worden, zu den Stufen des legitimen Thrones gelangten, und hinweisen auf den hohen Reichstag selbst, der dem Rufe des constitutionellen Kaisers folgend, sich zuerst in Folge der Proclamation vom 16. Mai 1848 in Wien, und sonach in Folge der beiden Manifeste vom 22. October und 10. November v. J. in Kremsier versammelte, und sich ebenfalls bereits durch mehrere Deputationen und Loyalitätsadressen sowohl an den Kaiser Ferdinand, als auch in neuester Zeit an den Kaiser Franz Joseph, als Österreich angestammte legitime Landesfürsten, wandte, und ich erachte mich daher berechtigt, die Überzeugung auszusprechen, daß es der Wille der Regierung und der Regierten fei, bei Schaffung der Constitution Hand in Hand zu gehen, und im Wege der Vereinbarung zwischen Fürst und Volk das neue Verfassungswerk zu begründen. Meine Herren, ich bin innigst überzeugt, in diesem auf die kaiserlichen Worte gestützten Sinne nur sind wir Volksvertreter von unseren Committenten gewählt und hierher gesandt worden, und wir werden gewiß von den Völkern Österreichs mit Jubel begrüßt, wenn das neue Staatsgebäude Österreichs durch uns in Vereinbarung mit der Krone kräftig ersteht, heilbringend nach Innen, Achtung gebietend nach Außen, als ein Tempel der Volksfreiheit für alle Nationalitäten, an dessen weitgedehnter Kuppel als Schlußstein Österreichs altehrwürdige Kaiserkrone verjüngt im Sonnenstrahle der Freiheit glänzt.

Ich erlaube mir daher zum §. 1 folgenden Antrag zu stellen: Der §. 1 des Entwurfes der Grundrechte sei als nicht hierher gehörig wegzulassen, und mit der Textirung der Bestimmungen über die Theilung und Ausübung der Staatsgewalt der mit dem Entwurfe der übrigen Theile der Constitution beschäftigte Ausschuß zu beauftragen.

Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Wird zahlreich unterstützt.)

Es ist mir ein weiterer Antrag überreicht worden, und zwar vom Abg. Vacano im Namen der Minorität des ConstitutionsAusschusses. Es ist nämlich der Antrag, der unter den gedruckten Grundrechten vorkommt:,, Die Aufgabe des Staates ist der Schütz der Rechte und die Förderung des Gesamtwohles. Die einzelnen Staatsbürger übertragen von der Gesammtheit ihrer Rechte nur so viel an den Staat, als zu diesem Zwecke nothwendig ist." Dieser Paragraph soll dem nunmehrigen §. 1 vorangehen. Wird dieser Antrag unterstützt ? (Geschieht.) Er ist hinreichend unterstützt.  Der Abg. Borrosch hat das Wort.

Abg. Borrosch. Wie früher, als die Censur noch auf uns lastete, ein Vaterlandsfreund, ein loyaler Unterthan des Monarchen einen Anstand nahm, diese seine Gefühle öffentlich zu bekennen, so hat auch eine solche Art von Censur hier in dieser Kammer gewaltet für die Einen, für die Andern hingegen die Bedrohung, als Hochverräter bezeichnet zu werden. (Zischen im Centrum.) Es wird mich nicht abhalten, hier als Volksvertreter meiner Pflicht getreu diesen Paragraph zu vertheidigen als keineswegs einen bloß theoretischen, sich von selber verstehenden Lehrsatz. O nein, es ist kein theoretischer, er ist da in die Brust eines Jeden gegraben, und praktisch gerechtfertigt durch die von Gott uns gegebene Vernunft. Hinterher sind die Professoren gekommen, und haben ein anderes Recht deduciren wollen.

Als der erste Mensch aus der Hand des Schöpfers hervorgehend die Erde betrat, sagte ihm Gott: Du bist der Souverain der Erde. Wenn nun die menschliche Unvollkommenheit als Erbsünde auf uns lastet, so muß uns auch dieses Erbrecht der freien Selbstbestimmung als moralisches Vernunftwesen unser Eigenthum bleiben, und wie ich das habe als Einzelner, so muß es mir, wenn ich in den Verband der bürgerlichen Gesellschaft eintrete, zustehen bezüglich der freien, moralischen, vernunftgemäßen Selbstbestimmung als Staatsbürger. (Bravo) Noch hat kein edler Fürst, Kaiser Joseph  (an dich denk ich jetzt!)  noch hat kein edler Fürst sich für mehr erklärt, als den ersten Beamten des Staates, noch hat kein edler Fürst gesagt, das Volk ist um meinetwillen da, sondern anerkannt und es in seinem Thun bewahrheitet, daß er da fei um des Volkes willen. (Bravo.) Die Lehre, die man jetzt einem constituirenden Reichstage, einem durch die Wahlen frei erklärter Völker freien Reichstag noch einmal als ABC der Staatswissenschaften vorbringen will, diese furchtbare Lehre lautete im Munde Louis XIV.:,, Letat cest moi!"

Dieser §. 1 soll nur ein theoretischer Lehrsatz sein, es soll sich jetzt aber darum handeln, durch "Thaten" zu bewähren, daß wir ein constituirender Reichstag sind,  wohlan denn, nehmen wir diesen Lehrsatz an, und er wird die größte That dieses Reichstages sein. (Beifall.) Er wird als ein,, verführerischer Lehrsatz" verdächtigt, und "zur Erlassung weiser Gesetze" soll es "keiner verführerischen Lehrsätze bedürfen." Daß er kein verführerischer ist, werde ich im Verlaufe meiner Rede, und zwar, wie ich hoffe, nicht durch Sophismen, sondern durch Gründe, die zum Herzen dringen, überzeugend darzuthun vermögen.

Er wird so lange ein verführerischer sein, als er da hängen wird am Baume der Erkenntniß als verbotene Frucht. Gewährt ihn den Völkern, und die verführerische Natur desselben wird sich umwandeln zu der gefunden Nahrung, wie sie Vernunftwesen geziemt. Das göttliche Recht der Fürsten und der den Völkern zugemutete blinde, leidende Gehorsam fallen in einen und denselben Lehrsatz zusammen, die Völker aber sind dankbar, wenn die Fürsten zur rechten Zeit gewähren, was ein ewiges und unveräußerliches Recht der Völker ist. Kaiser Ferdinand hat es gethan; er hat es gethan, fern vom Herd der Revolution, in voller Willensfreiheit. Was der Herr Redner vor mir in dieser Beziehung dem Hause vortrug, ist ganz genau die Anerkennung der Volksfreiheit, nicht der verkümmerten, nicht jene Anerkennung, die nur nach einem ihr beliebigen Maße zumißt, wobei man sich vorbehält, je nach Umständen das als zu viel Bereute wieder zurücknehmen zu können. Es ist hochwichtig, daß das Volk sich selber seine Gesetze gebe, weil es wahrhaft zur Freiheit nur zu reifen vermag eben in der Hochschule der Freiheit, die ja keine andere sein kann, als die freien Institutionen des Staates, sie gewähren, was sich in der directen Wahl und in mehreren ähnlichen volksfreiheitlichen Verfassungsgesetzen erst ganz herauszustellen vermag. Wir werden hier sehr oft hingewiesen auf die englische Geschichte! Gott bewahre unser geliebtes Vaterland davor, dieselbe Leidensschule durchzumachen, die dem constitutionellen England vorbehalten war, bevor es sich rühmen konnte, freie Institutionen zu haben, und England, welches bis zu dem gothischen Schnörkelbaue seiner jetzigen Verfassung über 68 Jahre voll blutiger Kämpfe durchzumachen hatte, dieses England besteht eben nur durch seinen Welthandel, eine Begünstigung, die uns nicht zu Gebote steht. Die angebliche Festigkeit dieser Verfassung, bei welcher die Volkssouveränität nicht so recht eigentlich in Sast und Blut übergegangen ist, indem diese von scheinbaren Widersprüchen strotzende Verfassung dahin einwirkte, das ganze Volk zu aristokratisiren möchte ich sagen,  hat deßhalb nicht gehindert, die Katholiken Emancipation, die Reformbild und die Abschaffung des Korneinführverbotes durchzusetzen. Würde Englands Verfassung nicht durch den Welthandel mittelbar unterstützt gegen die auch dort zunehmenden Einflüsse des immer mehr überhandnehmenden Proletariates und Pauperismus, so würde England schon längst denselben Rettungsweg haben gehen müssen, den fast alle Continentalstaaten einzuschlagen gezwungen sind, wenn sie nicht entweder durch Verarmung gänzlich zu Grunde gehen, oder endlich gegen Wissen und Willen durch eine so furchtbare Alliierte, wie die Verarmung ist, eine Freiheit herauf beschwören wollen, welche kein Menschenfreund wünschen kann.

Es ist gesagt worden, daß durch die Annahme dieses 1. §. die Monarchie als solche könne gefährdet werden;  keineswegs! Gerade die Anerkennung der Volksfreiheit ist der sicherste Bürge für den erblichen Thron. Ich selber, und gewiß die Meistzahl Jener, welche die lange Leidensschule der vergangenen Zeit durchgegangen sind, haben sich die Freiheit nie anders gedacht, als garantirt durch den erblichen Thron. Stünde ich hier vor Republikanern, um die erbliche Monarchie zu vertheidigen, so würde ich ihnen unwiderlegbare Gründe genüg angeben, um gemäß meiner innigsten, heiligsten Überzeugung zu beweisen, daß nur die erbliche Monarchie die höchsten Garantien für die Volksfreiheit und die Volkswohlfahrt gewähret, wofern die Volksfreiheit zur Grundbedingung gemacht und unantastbar gewahrt wird. In der Anerkennung dieses 1. §. liegt eben der Unterschied zwischen dem bloßen formalen Constitutionalismus und einer volkstümlichen Monarchie. Ich kann mir heut zu Tage den gesicherten Bestand der erblichen Monarchie nur denken, wenn zugleich die Volksfreiheit zur vollsten Geltung gelangt.

In der Anerkennung dieses 1. §. liegt zugleich die Anerkennung des Christus Gebotes, die Anerkennung der practischen Menschenliebe, der gegenseitigen Bruderliebe! Wo immer mehr und mehr mit der steigenden Verarmung auch die Mittel abnehmen, dem Volke wieder zu nur einigem Wohlstande zu verhelfen, da bleibt nichts Anderes übrig, als durch die gänzliche Entfesselung aller Kräfte dem Volke die Erringung jener Arbeitsfrüchte zu sichern, die es zu einem ruhigen, mit freudigen Bewußtsein seiner Freiheit die Güter der Freiheit genießenden Volke machen. Das vorige Ministerium sagte in seinem Programme: "Es will die dauerhafte Begründung der constitutionellvolksthümlichen Monarchie auf der Grundlage des gesetzlich ausgesprochenen Gesamtwillens; indem es überzeugt ist, daß eine Regierung nur kräftig ist, wenn sie im Volke wurzelt."

Das jetzige Ministerium sagte  (und es soll ja dieses Ministerium nur eine Ergänzung des früheren volkstümlichen sein): "Das Ministerium wird die Verwaltung nach den Bedürfnissen der Zeit umformen. Ein zweifaches Ziel wird ihm dabei vorschweben, ungeschmälerte Erhaltung der, den Völkern Österreichs zugesicherten Freiheit und Sicherstellung der Bedingungen ohne welche die Freiheit nicht bestehen kann." Ich habe weiter nichts zu sagen, als das Ministerium angelegentlichst als Patriot, als loyaler Freund der Monarchie und als Volksvertreter an diese seine Worte und alle die Folgerungen, die sich daraus ergeben, zu mahnen; wir aber haben die Pflicht, meine Herren, auf diesem Paragraph zu bestehen, thun wir es nicht, so haben wir aufgehört, ein constituirender Reichstag zu sein. Ich bin gegen keine octroirte Verfassung, ich wollte, sie wäre schon viel früher erfolgt; aber jetzt noch einige Worte zu Ihnen, meine Herren! Wenn wir mittelbar zu einer octrorirten Verfassung beitragen, so schaden wir in dreifacher Beziehung: wir schaden uns selber, indem wir bei dem Volke die Wirkung hervorbringen werden, ihm vielleicht auf lange Zeit hinaus alle Reichstage zu verleiden; wir schaden vielleicht dem Volke, indem es sehr leicht möglich ist, daß eine octroirte Verfassung freisinniger ausfällt, als sie unter den obwaltenden Umständen aus dem Schooße einer constituirenden Reichsversammlung hervorzugehenvermag, ja wir würden in jenem Falle selbst der Krone schaden, bezüglich des ihr alsdann gebührenden Dankes. (Große Bewegung.) Allerdings wäre es möglich, daß eine octroirte Verfassung freisinniger aussiele, aber deshalb würde ich sie nicht für eine bessere, für eine wünschenswertere anerkennen, eben weil sie nicht aus der freien Selbstbestimmung freier Volksvertreter hervorgegangen wäre, und weil selbst eine solche mangelhafte, aber einflussfrei geschossene Verfassung immer noch den naturwüchsigen Charakter eines organisch sich weiter Entfaltenden behaupten, und die gesetzlichen Mittel darbieten wird, um auf parlamentarischem Wahlfelde in steter weiterer Entwickelung zugleich jene Fehler wieder gut zu machen. (Bravo.) 

Präs. Der Herr Abg. Selinger.

Abg. Selinger. Ich eröffne meine Rede mit der kürzen einfachen Bemerkung, daß meine Ansicht über den 1. §. der Grundrechte sich nicht vom 4. Jänner datirt. Meine Herren, ich habe mich ernst bemüht, den Sinn und die tiefe Bedeutung des 1. §. richtig aufzufassen, und habe nach den Gründen geforscht, die das Dasein dieses Paragraphen an dieser Stelle zu rechtfertigen vermögen. Ich bin in Folge dieser Untersuchung und Forschung zu dem Wünsch gekommen, daß er ausgelassen werde. Ich will Rechenschaft geben von den Gedanken, die mich dabei geleitet haben. Ich fragte zuerst: was soll der Eingang zu dem Paragraphe, zu dem ersten Satze: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Soll er eine neue Wahrheit verkünden, und ist das, was er enthält, eine Wahrheit ? Wenn wir nach dem letzten Grunde aller Gewalt fragen, so kommen wir bei unbefangener Forschung auf den Urquell alles geistigen Lebens, auf den Mittelpunkt alles vernünftigen Zusammenhanges der Dinge, wir kommen auf Gott.

In solcher Beziehung ist nicht allein der unbeschränkte, sondern auch der constitutionelle Monarch "von Gottes Gnaden", sondern auch wir Vertreter des Volkes sind "von Gottes Gnaden." Nun forschen wir aber nach dem näheren rechtlichen Grunde aller Gewalten im Staate, so kommen wir auf den Gesamt  Willen des Volkes. Wir finden nämlich, daß in jeder Gesellschaft, namentlich im Staate, eine souveraine Gewalt bestehen müsse, bestimmt, die gesellschaftlichen Angelegenheiten zu leiten und zu ordnen. Diese Gewalt aber kann das Volk nicht selbst uns immer unmittelbar ausüben, es kann nicht zu gleicher Zeit herrschend und beherrscht sein, es muß die Ausübung dieser Gewalt an Andere übertragen. Von dem Augenblicke an, als diese Übertragung erfolgt ist, hat sich dieses nothwendig der Souverainität begeben, und hat sich dem Träger der Souveranität unterworfen; von diesem Augenblicke an liegt es nicht mehr in der Gewalt und in dein Belieben des Volkes, sich der anerkannten Regierung zu entziehen, oder eigenmächtig Handlungen der Regierungen zu unternehmen. Wenn es das thut, so ist dieß ein Eingriff, ein Gewaltstreich, ein Verbrechen. (Bravo.) Bei dieser kürzen Darlegung ist ersichtlich, daß die Volkssouverainität nur im beschränkten Sinne wahr ist; ist ersichtlich, daß bei Auffassung derselben leicht Irrthümer stattfinden können, und es bestehen auch in der That verschiedene Ansichten hierüber. Selbst unter geübten Denkern ist keine völlige Übereinstimmung darüber, und bei solchen Zuständen in der geistigen Welt sollen wir einen Satz aufnehmen, und in die Welt schleudern, der die Volkssouverainität an die Spitze der Grundgesetze stellt!

Meine Herren, das Jahr 1848 hat uns furchtbare Belehrungen gebracht; es hat uns gezeigt, wie weit die Massen in der Auffassung philosophischer Begriffe gekommen; es hat uns gezeigt, wie die Begriffe von Freiheit, von Gleichheit, von Volkssouverainität verstanden, und verwirklicht wurden; es hat uns gelehrt, daß die Massen nur zu geneigt sind, die Quelle der Gewalt mit der Gewalt selbst zu verwechseln, eine bedingte theoretische Wahrheit in einen unbedingten practischen Frevel umzusetzen. (Bravo.) Oder, haben Sie etwa vergessen, welche gräßlichen Schau und Trauerspiele im Namen der heiligen Freiheit, der Gleichheit und Volkssouverainität in die Scene gesetzt wurden? Ich will davon aber absehen, ich will nicht weiter in den Inhalt dieses Jahres eingehen, aber bemerken muß ich, daß man unter solchen Umständen, in so aufgeregter und geistig verworrener Zeit sich wohl besinnen müsse, einen solchen Satz in der Form eines Gesetzes in die Welt zu schicken.  Ich fragte mich weiter: Soll dieser Satz etwa den in jeder Menschenbrust ruhenden Trieb zur Herrschaft aufregen und in Spannung erhalten? Meine Herren, Europa ist krank, ist fieberhaft krank, und braucht zu seiner Erholung Ruhe und gesetzliche Ordnung.


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