Støeda 21. února 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Einundneunzigste (XXXIX.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 21. Februar 1849.

Tages-Ordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 20. Februar.

II. Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte.

Vorsitzender: Präsident Smolka.

Die Ministerplätze Leer.

Anfang der Sitzung 1/2 10 Uhr.

Präs. Die zum Beginne der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist anwesend; ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftführer Cavalcabó wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen.

Schriftf. Cavalcabó (liest von der Tribune das Protokoll).

Präs. Ist in Bezug auf die Fassung des Protokolles etwas zu erinnern? (Niemand). Nachdem nichts eingewendet wird, erkläre ich das Protokoll als richtig aufgenommen. Ich habe den Herrn Abgeordneten Plaß, Prohaska und Reimershofer einen achttägigen Urlaub ertheilt. Es ist gestern im Vorstands-Bureau eine Deputation mehrerer mährischer Gemeinden erschienen, hat mir zwei Adressen übergeben, und eine Ansprache an mich gerichtet. Ich habe den, sowohl in der Adresse als in der Ansprache kundgegebenen Ausdruck der Loyalität für Se. Majestät den Kaiser und den hohen Reichstag zur wohlgefälligen Kenntniß genommen, und die Ansprache auch in diesem Sinne beantwortet. Diese Adressen liegen auf dem Tische des Vorstands-Bureau's zur Einsicht für die Herren Abgeordneten auf. In den volkswirthschaftlichen Ausschuß wurde anstatt des Herrn Abgeordneten Hagenauer aus dem Gouvernement Küstenland der Herr Abgeordnete Vidulich gewählt. Der Vorstand des Schulausschusses ersucht am 24., d. i. Samstag um 4 Uhr Nachmittags sich zu versammeln. Der Herr Schriftführer Ullepitsch wird die Gegenerklärung des Abgeordneten Wieser und anderer Abgeordneten verlesen.

Schriftf. Ullepitsch (liest).

Gegenerklärung.

"Der gestern eingebrachte Protest legt mir Irrthum zur Last, ohne meine Absicht zu verdächtigen. — Ich anerkenne dieß dankend, aber ich kann es nicht annehmen, begnadiget zu werden. — Die Oeffentlichkeit und mein Gewissen sind meine Richter, somit trete ich vor erstere, mit letzterem habe ich es allein zu thun, ich habe von ihm keinen Vorwurf zu erwarten.

1. Nur 4 Stimmen aus dem Gremium des k. k. Appellationsgerichtes zu Prag sollen die meritale Behebung des criminalgerichtlichen Eignungsbeschlusses ausgesprochen haben.

Ich antworte mit den Worten der Acten, mit den Acten. — Zwei Appellationsräthe erklärten: den Ausspruch des Criminalgerichtes über Beanzeigung nach den bisher gepflogenen Erhebungen voreilig."

Vier Appellationsräthe, denen sich ein fünfter anschloß, erklärten: durch den erhobenen Thatbestand das dem J. Kaim zur Last gelegte Verbrechen nicht für constatirt, es sei daher wegen nicht möglicher Sicherstellung des Verbrechens der Störung der innerlichen Ruhe des Staates die ausgesprochene Beanzeigung zu beheben.

Ich zahle daher 7 und nicht 4 Votanten, welche gegen den Beanzeigungsbeschluß waren. — Die Acten zeigen aber auch, daß nicht einstimmig, sondern nur durch Majoritäts-Beschluß vom obersten Gerichtshofe die Appellationsentscheidung aufgehoben wurde. — Mit der Majorität des königlich-böhmischen Appellationsgerichtes und mit der Minorität des obersten Gerichtshofes die gleiche Ansicht theilen, ist weder meine Schmach, noch meine Calamität.

2. Eilf beeidete Zeugen, heißt es im Proteste stimmen in wesenllichen Puncten zur Sicherstellung des Thatbestandes überein. Trotz des besten Willens und eifrigsten Suchens bin ich auch heute nicht so glücklich bei 11 Zeugen die Uebereinstimmung in ihren Aussagen zu finden. — Allerdings wurden 11 Zeugen beeidet, 5 davon bestätigen Thatsachen, welche möglicherweise das Verbrechen begründen könnten, wenn nicht eine andere, von ihnen angegebene Thatsache im Wege stünde, 3 andere Zeugen erwähnen einer Thatsache, die nach meiner Ueberzeugung das schuldgegebene Verbrechen nicht begründen kann und endlich 3 Zeugen, konnten weder das Eine noch das Andere bestätigen. — Wie unter diesen Umständen 11 beeidete Zeugen erstlich in den wesentlichen Puncten übereinstimmend, und wie diese 11 Zeugen weiters zur Sicherstellung des Thatbestandes übereinstimmend ausgesagt haben sollen, ist mir nicht begreiflich. — Aber etwas anderes wird mir aus den Acten klar, daß 8 der beeideten Zeugen mit den, wenn gleich unbeschworenen Aussagen zweier anderen Zeugen in einen unvereinbaren, leider in der Voruntersuchung gänzlich unerläuterten Widerspruche sich befinden. Alle 8 Zeugen bestätigen, daß sie die vernommenen Aeußerungen des J. Keim aus einem mit den 2 Zeugen unterhaltenen Gespräche gehört, und wie mehrere ausdrücklich haben, erhorcht haben, und zwar in verschiedenen Zeitabschnitten von 4 Uhr Nachmittags bis nach 6 Uhr Abends, dagegen sagen diese nicht beeidete Zeugen aus, ren den dießfälligen Aeußerungen nichts gehört zu haben und erst gegen 6 Uhr an Ort und Stelle gekommen zu seyn.

Das Nichtwissen, das Nichthören ist hier Unmöglichkeit nach Aussagen der beeideten Zeugen, aber das Hören auf Seite der Mehrzahl der beeideten Zeugen ist gleichfalls Unmöglichkeit, wenn diese beiden Gesprächsführer erst gegen 6 Uhr Abends kamen, und in den Acten ist aber durchaus nichts aufklärendes zu finden. — Diese beiden Zeugen nicht beeidigen, behebt ihren und aller übrigen Zeugen-Aussagen Widerspruch nicht, denn sie sind beide unbescholten, sie haben sich zur Beschwörung ihrer Aussagen erboten, sie sind durchaus nicht der Mitschuld verdächtig. — Wer kann es bei solcher Actenvorlage verargen, den Beanzeigungsbeschluß voreilig zu finden, wie dieß 2 Appellationsräthe des böhm. Appellationsgerichtes erklärten? — Ich wenigstens konnte und mußte von diesem Gesichtspuncte aus die Voruntersuchung, welche einen so wesentlichen Punct gänzlich unaufgeklärt ließ, für mangelhaft und unvollständig ansehen, um so mehr als es sich um die Ehre und möglicherweise Freiheit eines Mitbürgers handelte, der zugleich Abgeordneter ist.

Hierüber mich auszusprechen lag in meinem Rechte, erstlich, weil es meine Ueberzeugung war, die ich noch jetzt habe, dann aber, weil ich erst am Schlusse der Verhandlung nach vorausgegangener Berichterstattung das Wort ergriffen hatte. Von jener Seite des Hauses, welche sich vorzüglich an dem Proteste besonders betheiligt hat, wurde es gestern ausgesprochen, jeder Ausschuß, weil er aus der Wohl des Hauses hervorgegangen sei, verdiene das Vertrauen und die Achtung der hohen Versammlung.

Ich theile diese Ansicht, aber ich konnte weder bei den Verhandlungen in der geheimen Sitzung die Beobachtung dieses Grundsatzes finden, noch finde ich dieß in dem eingelegten Proteste.

Als ich das Schlußwort ergriff, war ich von der Wahrheit durchdrungen, die Selbstwahl des Reichstages sei zu ehren; die Cowmission gegen jene Angriffe zu vertheidigen, die sie nach meiner Ueberzeugung nicht verdiente, scheint mir eine gegen den Reichstag zu erfüllende Pflicht. — Könnte ich einen hierzu dienlichen Umstand oder Grund auffinden, so sah ich mich verbunden solchen vorzubringen, wenn er auch von der Commission in ihrem Berichte sollte übergangen worden seyn. Erst nach wiederholter Aufforderung habe ich nach vorausgegangener Berichterstattung den durch Unwohlseyn verhinderten Berichterstatter in Führung des Schlußwortes zu sutstituiren übernommen, als dessen Stellvertreter erhielt ich von dem fungirenden Vicepräsidenten das Wort, es wurde dieß der hohen Versammlung bekannt gegeben, ich selbst habe dieß am Eingange meines Vortrags ausdrücklich erwähnt und Niemand hat eine Berichtigung gefordert oder ein Wort der Erwiderung erhoben. Erst nach erfolgter Abstimmung wurde von der Beanständung Gebrauch gemacht. Es ist die Substituirung des Berichterstatters ohne alle Rüge in der Kammer vorgekommen, es ist ohne alle Rüge vorgekommen, daß der Berichterstatter in Vertheidigung eines Commissionsantrages nicht allein auf die Gründe des erstatteten Berichtes beschränkt blieb, sondern ihm gestattet war, nach seiner eigenen Ueberzeugung tie Begründung zu ergänzen.— Von diesem Rechte, von dieser Pflicht, möchte ich sagen, habe ich Gebrauch gemacht, und somit weder die Vorschriften der Geschäftsordnung hintangesetzt, noch die hohe Kammer durch meinen Irrthum in ihrem Beschlusse gefährdet. Wir schwebte das Gesetz, die Achtung vor demselben und den hohen Gerichtsbehörden eben so mächtig vor, als die Heiligstellung der Rechte dieses hohen Hauses und seiner Mitglieder. Unparteilichkeit, Leidenschaftslosigkeit waren mir Gebot, und ich glaube es wird die Zeit der Anerkennung kommen, daß das hohe Haus nach Antrag der Commission keinen unparteiischeren, leidenschaftsloseren, keinen Gesetz und Recht höher achtenden Beschluß fassen konnte, als es wirklich gefaßt hat, da die Gestattung der summarischen Abhörung die Gelegenheit bietet, den Thatbestand zu ergänzen, dem Beschuldigten gestattet, die Mittel seiner Vertheidigung an die Hand zu geben, somit das Gesetz achtet, und das Recht fördert." Kremsier, den 21. Februar 1849. Carl Wieser. — Diesem Proteste ist folgende Bemerkung angeschlossen: "Dieser Gegenerklärung schließen sich die Unterzeichneten mit der doppelten Bemerkung an, daß einerseits der Protest als im Wesen gegen den Reichstagsbeschluß selbst gerichtet, geschäftsordnungsmäßig gar nicht hätte zugelassen werden sollen, anderseits aber die protestirenden gar nicht befugt waren, Details aus den Verhandlungen einer geheimen Sitzung, die nicht im Protokolle erschienen, im Proteste aufzunehmen und somit der Oeffentlichkeit zu übergeben, weil dadurch und durch die daraus hervorgehende Nothwendigkeit in der Gegenerklärung auch auf solche Details einzugehen, der Zweck einer geheimen Sitzung ganz vereitelt wird."

Folgen die Unterschriften derjenigen Abgeordneten, die sich gestern gemeldet haben.

Präs. Diese Gegenerklärung wird dem heutigen Protokolle eingeschaltet werden. Nachdem nach Abgabe einer Gegenerklärung über einen Protest keine weitere Erklärung zulässig ist, so muß ich es auch unterlassen, mein Verfahren in der Beziehung zu rechtfertigen, warum ich glaubte, zulassen zu müssen, daß der in Frage stehende Protest in das gestrige Protokoll aufgenommen werde. Es sind Interpellationen angemeldet, und zwar eine Interpellation des Abgeordneten Adalbert Wojtowic an das Ministerium des Innern. Sie wird durch den Schriftführer Ullepitsch verlesen werden. (Geschieht.) Interpellation des Abgeord. Adalbert Wojtowic an Ein hohes kais. königl. Ministerium des Innern.

Nach dem §. 3 des über die Aufhebung des Unterthänigkeitsverhältnisses und über die Grundentlastung unterm 7. September 1848 erlassenen Gesetzes sind die aus der Zehentherrlichkeit herrührenden Material- und Geldleistungen ausdrücklich aufgehoben und sollen vom Tage des erlassenen Gesetzes angefangen ohne Rücksicht auf die noch in der Entscheidung schwebende Frage der Entschädigung sogleich aufhören.

Dessen ungeachtet haben in Galizien im Tarnower Kreise, in den Ortschaften: Maniow, Welka Stoczniszka, Lubosz, Szwiedruwka, Szuchy Gront, Malez, Brzeznica, Kuszer, Radwon, Ottwienow, Zelichow, Brzeszuwka und noch vielen anderen, welche dem Gefertigten als Deputirten unterstehen, die betreffenden Pfarrer den Natural-Zehent eingefordert, und fordern gegenwärtig auch die, die Stelle des Natural-Zehentes vertretenden Körnerschüttung ein.

Das Kreisamt Tarnow aber, an welches sich die ehemals zehentpflichtigen Parteien um Abhilfe gewendet, hat sich dahin geäußert, daß sich das obige Gesetz auf den geistlichen Zehent nicht beziehe.

Indem ich diesen Umstand dem hohen Ministerium mitzutheilen nicht ermangle, stelle ich zugleich die unterthänigste Frage, ob ein hohes k. k. Ministerium des Innern nicht gesonnen wäre, das Tarnower Kreisamt wegen jener irrigen Auslegung eines so klaren Gesetzes zurecht zu weisen, und auf diese Art unnöthige und verderbliche Streitigkeiten zwischen Geistlichen und Pfarrkindern zu verhüten.

Kremsier den 17. Februar 1849.

Adalbert Woytowic

Abg. für den Bezirk Dobrowa.

Präs. Diese Interpellation wird dem Ministerium des Innern zugemittelt werden.

Eine weitere Interpellation liegt vor, vom Abg. Zimmer an das Gesammtministerium. Wollen der Herr Abg. diese Interpellation vorlesen?

(Abg. Zimmer liest von der Tribune folgende Interpellation.)

Interpellation an das Gesamittministerlum.

Das Ministerium hat durch seine Note vom 4. Februar 1849 an die deutsche Centralgewalt die Erklärung abgegeben, daß es im Interesse Oesterreichs und Deutschlands der Begründung eines unitarischen deutschen Staates unter dem Namen eines Bundesstaates seinen Beifall nicht schenken könne.

Hat es in verneinender Weise sich sehr klar ausgedrückt, so hat es dagegen nur in höchst unbestimmten und mystischen Worten angedeutet, wie es den von ihm als unbestreitbar nothwendig angenommenen "engeren Verband" und "die nähere Einigung" Deutschlands verwirklicht wissen will.

Dem Ministerium schwebt nur die nebliche "Idee" eines einigen Deutschlands vor, "mit einer in Aussicht zu stellenden Grundlage," auf der alle deutsche Staaten und alle ihre außerdeutschen Bundestheile Platz finden.

Diese Idee will es ausführen "durch einen stufenweisen Gang, der mit dem aufrichtigen Willen sich anzunähern beginnt und allmälig übergeht zum wirklichen engen Verband."

Das deutsche Volk ist hinaus über den bloßen Willen der Annäherung, der erst allmälig übergehen soll in einen wirklichen Verband; es ist zum Werke geschritten einen durch tausend Jahre bestehenden Verband zur vollen Einigung weiter zu führen, und baut seit länger als einem halben Jahre mit Entschiedenheit an seiner einheitlichen Verfassung und wird nicht davon abstehen, daß sie zur Wahrheit werde. Das deutsche Volk wird und muß trotz allen Hemmnissen einig werden, so begehrt es der innere Trieb der Nation, so begehrt es der Genius der Menschheit, der dieses ihr edles Glied stark wissen will.

Wir anerkennen die aufrichtigen Wünsche, welche das Ministerium für die glückliche Wiedergeburt von Deutschland hegt, wir durften aber von der ersten deutschen Macht erwarten, daß sie mit klarem Bewußtseyn des großen Zieles in der gemeinsamen Aufgabe der Fürsten und Völker Deutschlands die leitende Stelle zu behaupten wissen werde, daß ihre erste Erklärung an die Nationalversammlung den klaren Schöpfergedanken einer neuen engeren Einheitsform, die alle Bundesländer umfassen soll, aussprechen werde.

Wir sahen uns darin durch die Note vom 4. Februar enttäuscht, wir sahen uns mit Bedauern enttäuscht, weil ihre vagen, jedes positiven Inhaltes ermangelnden Worte auf die österr. Regierung den Verdacht werfen können, daß Oesterreich nur die alte Zersplitterung und damit die alte Machtlosigkeit Deutschlands erhalten wolle, daß Oesterreich an dem alten Metternichschen Bundestag hänge, welcher den Fluch aller deutschen Völker auf sich geladen. Wir sehen dadurch die österreichische Regierung in Gefahr gerathen, die Sympathien, welche sich noch in den letzten Tagen in Süddeutschland so kräftig für dasselbe ausgesprochen, zu verlieren, ohne die nicht deutschen Volksstämme Oesterreichs durch deutliche Garantien ihrer nationalen Interessen für ihren Plan gewonnen zu haben. Es kann seyn, daß die dunkle Erklärung vom 4. Februar aus der Sprache alter Diplomatie entnommenen, hemmenden Einflüssen gegenüber, nützliche, verschleierte Zwecke erreichen will; allein die deutschen und nichtdeutschen Volksstämme in Oesterreich haben das Recht, offene, verständliche Worte von ihrer Regierung zu verlangen. Ihre Vertreter in Frankfurt und ihre Vertreter in Kremsier zum Theile aus derselben Wahlquelle hervorgegangen, und zum einheitlichen Handeln berufen, dürfen in ihren klaren Zielen nicht durch mehrdeutige Räthselworte beirrt werden.

Daher stellen wir in Anbetracht, daß die eben sich gestaltende Specialverfassung von Oesterreich mit jener von ganz Deutschland in nächster Beziehung steht, an das hohe Gesammtministerium die Frage: in welcher Verfassungsform ihm ein nach außen festes und mächtiges, im Innern starkes und freies, organisch gegliedertes und doch in sich einiges Deutschland vorschwebt und welcher Art das Verhältniß ist, in welchem mit allen deutschen Staaten auch ihre außerdeutschen Bundestheile Platz finden sollen?

Dr. Zimmer m. p.,

Deputirter von Tetschen in Böhmen.

Dr. Stamm m. p.,

Deputirter für Lobositz in Böhmen.

(Beifall von der Linken, Zischen von der Rechten.)

Präs. Diese Interpellation wird dem Gesammtministerium zugemittelt werden.

Eine weitere Interpellation liegt vor vom Abg. Schuselka an das Ministerium des Innern. Wollen der Herr Abg. sie vorlesen? (Abg. Schuselka besteigt die Tribune, und liest folgende Interpellation.) Interpellation an den Herrn Minister des Innern, betreffend das Verbot der deutschen Grundrechte in Oesterreich.

Durch die Kreisämter ist an die politischen Amtsvorsteher folgendes Rundschreiben ergangen. Laut einer vom Herrn Minister des Innern herabgelangten Weisung, beabsichtigen einige österreichische Deputirte der deutschen Nationalversammlung, das Reichsgesetz-Blatt vom 8. enthaltend die Grundrechte des deutschen Volkes in einer größeren Anzahl Exemplare in den österreichischen Staaten zu verbreiten. Da diese Verbreitung bei der gegenwärtigen Stimmung auf die untern Volksclassen aufreizend einwirken würde, so ersuche ich Euer Wohlgeboren im engsten Dienstvertrauen der Verbreitung dieser Druckschrift entgegen zu wirken. So lautet das kreisämtliche Rundschreiben in Folge herabgelangter ministerieller Weisung. Wie sich diese Weisung mit der jüngsten Note, welche dasselbe Ministerium an die deutsche Centralgewalt erlassen hat, vereinbaren läßt, will ich nicht untersuchen, ich überlasse diese Vereinbarung den erleuchteten Erfindern der Vereinbarungstheorie selber, ich überlasse sie insbesondere der hohen diplomatischen Weisheit unseres Cabinetes. Folgende Puncte aber muß ich hervorheben: Ein österreichischer Prinz ist anerkannter Reichsverweser von Deutschland und hat als solcher die deutschen Grundrechte als Gesetz verkündet, und dieses Gesetz soll in Oesterreich selbst als bloße Druckschrift verboten seyn. Die Vertreter Oesterreichs haben in von unserer Regierung anerkannter Wirksamkeit an den deutschen Grundrechten mitgearbeitet, diese österreichischen Volksvertreter sitzen noch in der Paulskirche, unser Ministerium schreibt eben jetzt neue Wahlen für Frankfurt aus, und doch sollen die Frankfurter Beschlüsse in Oesterreich selbst als Druckschrift verboten seyn. Die französische Verfassungsurkunde also eine republikanische Verfassung durfte in Oesterreich gedruckt und verbreitet werden. Die Grundrechte des deutschen Volkes aber sind in Oesterreich eine verbotene Schrift! Die deutschen Grundrechte stimmen im Wesentlichen mit den österreichischen überein, ja sie sind in einzelnen Puncten sogar weniger freisinnig gefaßt. Da wir nun an der Consequenz des hohen Ministeriums nicht zweifeln dürfen, so müssen wir gewärtigen, daß auch die österreichischen Grundrechte auf den Index der verbotenen Schriften gesetzt, und dagegen etwa von Amtswegen die Hefte Hans Jörgels zur Aufklärung der unteren Volksclassen verbreitet werden dürften. Gleichberechtigung aller Nationalitäten und Gewährleistung der freien Entwickelung jeder einzelnen ist das oft und feierlich verkündete, vielgepriesene und preiswürdige Staatsprincip Neuösterreichs. Wie steht es aber mit diesem Princip den deutschen Oesterreichern gegenüber, wenn sie die Grundrechte ihrer Nation nicht einmal lesen sollen! Ich stelle daher an den Herrn Minister des Innern die Frage: Ob er die angeführte Weisung wirklich erlassen habe, und ob er nicht geneigt wäre, sie zurückzunehmen, da sie offenbar eine Beleidigung des deutschen Volkes und der deutschen National-Versammlung, eine unheilvolle Compromitirung der deutschen Stellung Oesterreichs, eine Verletzung der allen Oesterreichern garantirten Preßfreiheit und besonders eine Verhöhnung und Unterdrückung der nationalen Freiheit der deutschen Oesterreicher enthält.

Kremsier den 21. Februar 1849.

Franz Schuselka.

(Beifall der Linken.)

Präs. Diese Interpellation wird an den Herrn Minister des Innern geleitet werden.

Als nächster Gegenstand der Tagesordnung erscheint die Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte, und zvar die Fortsetzung der Debatte über den §. 13. In dieser Beziehung habe ich dem hohen Hause anzuzeigen, daß sich noch weiter als Redner haben einzeichnen lassen, und zwar: dafür der Abg. Goriupp, und als vom Platze aus sprechend der Abg. Hölzel. Dagegen haben sich seit dieser Zeit eingezeichnet die Abg. Dobrzanski und Hellriegel. Es sind auch einige Verbesserungsanträge zum §. 13 hinzugekommen, welche ich verlesen werde, und zwar der Verbesserungsantrag des Abg. Skrzynski, derselbe ist bezüglich seines ersten Satzes gleichlautend mit dem ersten Absatze des §. 13; sodann folgt:

"Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu behandeln; Niemand darf zu religiösen Handlungen und Feierlichkeiten u. s. w.

Es ist das Minoritätsvotum c) zum §. 14.

Ferner liegt der Verbesserungsantrag des Abg. Dobrzanski vor; der erste Satz desselben ist ebenfalls ganz gleichlautend mit dem ersten Absätze des §. 13; — sodann folgt:

"Die öffentliche Religionsübung unterliegt nur denjenigen Beschränkungen, welche die gleichen Rechte anderer Glaubensbekenntnisse und die öffentliche Sicherheit erfordert. Besondere Gesetze werden die Beschränkung dieser Freiheit nur in dieser doppelten Richtung normiren. Der Staatsgewalt steht das Recht der Entscheidung in Glaubenssachen nie zu." Endlich ist noch ein Zusatzantrag vom Abg. Lomnicki mir vorgelegt worden, und zwar ein eventueller Zusatzantrag zum Antrage des Abg. Kapuszczak, für den Fall, als letzterer angenommen werden sollte; — derselbe lautet: "Jedoch bis zur Festsetzung eines neuen zeit- und standesmäßigen Gehaltes für die Curatgeistlichkeit hat es bei den jetzt bestehenden Gesetzen zu verbleiben."

Es hat das letzte Mal der Herr Abg. Kratochwil das Wort gehabt, jetzt hat das Wort der Herr Abg. Goriupp.- Goriupp besteigt die Tribune.

Es ist von dieser Tribune von einem sehr geistreichen Redner, aus dem Grundsatze der Glaubensfreiheit und der Unantastbarkeit der religiösen Ueberzeugung die Folgerung gezogen worden, daß auch dem Unglauben dasselbe Recht nicht nur subjective Geltung, sondern auch des öffentlichen Bekenntnisses zustehe. Von demselben Herrn Redner ist ferner behauptet worden, daß jeder religiöse Verein in die Classe der einfachen Association, als einfache Privatgesellschaft zurücktreten müsse, und vor einer solchen auf keinen Vorzug Anspruch zu machen berechtiget sei. Daraus würde sich nun ergeben, da der Religion kein größerer Vorzug vindicirt wird als dem Unglauben, daß auch Vereine des Unglaubens, folglich auch Vereine zur Pflege und Verbreitung desselben im Staate nicht nur geduldet werden müßten, sondern daß sie unbehindert ihre Zwecke verfolgen und auf denselben Schutz von Seite des Staates Anspruch machen könnten, wie andere Gesellschaften, z. B. die katholische Religion selbst. Diesen Grundsätzen des geistreichen Redners von Lemberg hat sich auch ein Mann unbedingt beitreten zu müssen erklärt, welcher sich bisher durch nichls weniger als durch eine Uebereilung bemerkbar gemacht, sondern sich vielmehr in jeder Beziehung durch Besonnenheit ausgezeichnet hat. Bei dem Vorhandenseyn so großer Autoritäten halte ich mich für verpflichtet, besonders dem Volke gegenüber, welches ich zu vertreten die Ehre habe, einige Einwendungen dagegen zu erheben, weil ich solche parlamentarische Größen für das Schicksal der Religionsparagraphe, deren Berathung nun bevorsteht, nicht als gleichgiltig ansehen kann. So lange man den Unglauben als das Recht jedes einzelnen geltend machen will, hätte ich dagegen nichts einzuwenden, das angeborne Recht auf Unbescholtenheit verbürge immerhin einem Jeden die Vermuthung der Redlichkeit seiner Ueberzeugung. Wenn man aber mit Diderot den Glauben an Gott aus dem Staate ganz hinwegnehmen möchte, oder wenn man denselben auch nur als gleichgiltig ansieht, dann kann ich mich damit nicht einverstanden erklären. Wollte ich zugeben, daß eine solche Theorie die Blüthe der Philosophie, und das leider nur traurige Resultat ihrer Forschungen sei, so könnte ich doch nimmermehr zugeben, daß eine solche Theorie in ihrer Anwendung auf den Staat denselben Vortheil bringe, ich könnte nimmermehr zugeben, daß das Vorherrschen des Unglaubens oder des Indifferentismus für die staatsbürgerliche Gesellschaft gefahrlos, daß überhaupt ein solches Geschenk dem Volke angenehm sei. Ich möchte das Volk nicht mit Jesuiten, aber um so weniger mit dem Unglauben beglücken. Darum sei es mir erlaubt, über das Verhältniß der Religion zum Staate einige Worte zu sagen. Die Religion ist noch in allen civilisirten Staaten die sittliche Grundlage derselben gewesen, und selbst rohe Völker sind vorzüglich nur durch das Band einer gemeinsamen Religion zusammengehalten worden. Die Religion übt eine größere und durchgreifendere Macht auf den Menschen aus, als sie der Staat selbst durch seine Zwangsanstalten je auszuüben im Stande ist. Man sinnt auf Mittel, die Zahl der Verbrecher zu vermindern, und man vergißt die Religion, welche den Menschen noch dann in ihrer Gewalt hat, wenn er von der weltlichen Gerechtigkeit nichts zu fürchten hat. Sie haben die Todesstrafe aufgehoben; ich wünsche Glück zu diesen edlen Bestrebungen der Humanität. Wenn man aber, um das Gewissen des Uebelthäters nicht zu plagen, auch die Furcht vor dem moralischen Tode beseitigen will, dann ware das eine übertriebene Humanität, welche nur zum Nachtheile der überwiegenden Mehrzahl rechtschaffener Bürger ausfallen könnte. Verbannen Sie die Religion und es wird sich nicht leicht ein anderes Surrogat zur Aufrechthaltung der gesellschaftlichen Ordnung finden lassen. Die Religion ist die Grundlage der Tugend in der Familie, und aus der Familie stammen alle jene Elemente der Sittlichkeit und jene moralische Kraft, die sich dem Staate mittheilt. Die Religion kann demnach für den Staat nicht gleichgiltig erscheinen. Wohin der religiöse Indifferentismus führe, hat, man sage dagegen was man wolle, die erste französische Revolution auf das deutlichste bewiesen. Auch damals stellte man die Religion als die Sache des Einzelnen dar, welche den Staat nichts angehe, man verbot sogar ihren Unterricht in der Schule, und aus der liberalen Richtung, wie sie eben nun die vorherrschende ist, gingen die Beschlüsse hervor, welche zur Abschwörung des Christenthums als eines Aberglaubens, zum Cultus der Vernunft, und zu solchen Consequenzen führten, daß sich der National-Convent genöthigt sah, das Daseyn eines höchsten Wesens durch ein Gesetz zu decretiren. Ich glaube noch mehr, ich glaube nämlich, daß sogar jene Ausgeburten der menschlichen Verirrungen, deren Tummelplatz gegenwärtig Paris ist, ihre Hauptquelle eben im Unglauben haben. Daß unter dem Banner der Religion das Beklagenswertheste geschehen ist, kann gegen sie eben so wenig beweisen, als die Freiheit selbst verwerflich erscheint, well auch unter ihrem Banner die größten Excesse begangen worden sind. Die nämlichen Herrn Redner aber wollen trotz der Sanctionirung des Unglaubens eine allgemeine Eidesformel für alle Staatsbürger feststellen, nur dürfe sie keine an ein bestimmtes Religionsbekenntniß gebundene seyn. Welchen Sinn aber ein Eid ohne Religion, ohne Glauben an Gott haben könne, das kann ich nicht einsehen, und die Erklärung, welche sie darüber schuldig geblieben sind, müßte sehr interessant ausfallen. Und wie soll dann von dem Beweismittel des Eides den Atheisten gegenüber Gebrauch gemacht werden? Eines Gottes also, so viel steht fest, bedarf also der Staat, und er kann sich gegen das öffentliche Bekenntniß des Unglaubens nicht gleichgiltig zeigen. Aus dem Gesagten will ich aber vorzüglich folgende Folgerungen ziehen, nämlich: daß man die Ehrfurcht, welche im Volke für die Religion lebt, achte, indem man für den Verlust derselben kein Aequivalent auffinden kann; besonders aber, daß es nothwendig sei, einen Unterschied zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionen zu machen, und dieses ist der Hauptzweck meiner Rede. Diesen Unterschied zwischen anerkannten und nicht anerkannten Religionen hat sogar die neueste französische Constitution, nach den unglücklichen Erfahrungen jenes Landes aufrecht erhalten. Die nicht anerkannten Religionen mögen immerhin nach den Grundsätzen der Association behandelt werden und sich innerhalb jener Sphäre frei bewegen. Die anerkannten Religionen aber bedürfen einer besonderen Achtung, eines höheren Schutzes. Ich mache auf einiges aufmerksam. Es sind die Caricaturen zur Mode geworden. Alle staatlichen Einrichtungen, und mit Ausnahme des Monarchen, die höchst gestellten Personen werden in das Gebiet der Caricatur gezogen. Man setzt sich darüber hinaus, man betrachtet sie als humoristische Schöpfungen, man ergötzt sich an solchen Schwachheiten, welche sich mit menschlicher Größe paaren. Können Sie aber die Anwendung derselben auf die heiligen Gegenstände der Religion ungestraft zulassen? Und doch müßten Sie es, wenn die Religion nur als eine Privatgesellschaft, wie etwa ein demokratischer oder schwarzgelber Verein, je nach ihrer Farbe anzusehen wäre. Ich mache aufmerksam aus die Verbreitung des Unglaubens, welcher gegenwärtig als Verbrechen bestraft wird, dann aber als ein Jedermann zustehendes Recht vom Staate geschützt werden müßte. Ich mache ferner aufmerksam auf das Verbrechen der Religionsstörung. Wenn Jemand in einen Verein auf eine unanständige Weise tritt, so kann er nicht leicht anders gestraft werden, als durch Hinwegweisung aus demselben. Setzen wir den Fall, es tritt Jemand auf eine unanständige Art, um seinem Vergnügen nachzugehen in eine christliche Kirche während der Ausübung des Gottesdienstes; wird man das auch nur als eine einfache Verletzung des Anstandes ansehen wollen? Ich glaube demnach, daß die Religion höher steht, als ein einfacher Privatverein, als eine bloße Association, und das ist auch einer der Hauptgründe, aus welchen ich nicht begreifen kann, wie die Bischöfe, indem sie die absolute Trennung der Kirche vom Staate begehren, es im Interesse der Heiligkeit der Religion wünschen können, daß die Kirche in die Kategorie einer einfachen Privatgesellschaft zurücktrete. Ich bin demnach für die unbedingte Glaubens- und Gewissensfreiheit jedes Einzelnen, ich bin für die Festhaltung des Grundsatzes, daß Religionsverschiedenheit keinen Unterschied in den Rechten und Pflichten der Staatsbürger hervorbringe; ich bin für die freie Association unter den im §. 12 enthaltenen Bestimmungen. Ich bin für die Gleichstellung aller anerkannten Kirchen; ich bin demnach auch für die Judenemancipation. (Bravo.) Ich fürchte hiebei nicht die Intolleranz der Landbewohner, die auch ich vertrete, denn sie kennen das Gebot der christlichen Liebe, sie haben das Joch der Knechtschaft und Sclaverei auch gefühlt, und ich hoffe, daß sie das, was ihnen nicht recht war, auch andern nicht wünschen werden. (Bravo.) Ich protestire im Namen dieser Landleute, die man hie und da um das Bißchen Gerechtigkeit, das man ihnen zugestanden hat, schon zu beneiden scheint, gegen die Zuschiebung alles Gehässigen und Reactionären. Ich protestire dagegen, daß sie insbesondere der Sündenbock des städtischen Krämergeistes werden, welcher sich vorzüglich gegen die Judenemancipation auflehnt, durch diese Zugeständnisse aber, glaube ich, wird den Anforderungen


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