Úterý 27. února 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Vierundneunzigste (XLII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsier am 27. Februar 1849.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Sitzungs-Protokolles vom 23. Februar 1849.

II. Fortsetzung der zweiten Lesung der Grundrechte.

Vorsitzender: Präsident Smolka.

Anfang um 9 1/2 Uhr Vormittags.

Präs. Die zum Beginne der Sitzung erforderliche Anzahl Abgeordneter ist versammelt. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Der Herr Schriftführer Ullepitsch wird das Protokoll vom 23. dieses Monats vorlesen.

(Schriftf. Ullepitsch verliest das Protokoll.)

Ist bezüglich der Fassung dieses Protokolles etwas zu erinnern? (Niemand ergreift das Wort.) Da nichts eingewendet wird, so erkläre ich das Protokoll als richtig aufgenommen. — Es hat sich der Abg. Boese als erkrankt anmelden lassen. — Das Vorstands-Bureau hat am 23. das Scrutinium bezüglich der Wahlen der Herren Ordner vorgenommen, und es sind dieselben Herren Ordner geblieben. Die Herren Jelen, Podlewski, Scherzer und Ambrosz. Die Anzahl der Stimmen, welche dieselben erhielten ist nachfolgende: der Herr Abg. Jelen 167, Podlewski 156, Scherzer 155, Ambrosz 145. Die Herren, welche zunächst die meisten Stimmen erhielten, sind folgende: Schuster 142, Prokopczyc 140, Rozsypal 129, Festi 125. Die nächst meisten Stimmen hatte der Abg. Reichl-Fickl. nämlich 7, alle Uebrigen noch weniger. Es sind demnach dieselben Herren Ordner geblieben, die Herren Abg. Jelen, Podlewski, Scherzer und Ambrosz. — Es ist im Vorstands-Bureau der Wahlact des Herrn Abg. Stadion eingelangt, welcher in Rawa wieder zum Abgeordneten gewählt wurde. Da dieser Herr Abgeordnete der 7. Abtheilung zugelost wurde, so ersuche den Herrn Schriftführer der 8. Abtheilung, diesen Wahlact zur Prüfung in Empfang zu nehmen. — Der Vorstand der 1. Abtheilung ersucht morgen um halb 9 Uhr sich zu versammeln, indem einige Wahlacte zu prüfen sind. — Der Constitutions-Ausschuß hat beschlossen, eine daselbst vorliegende Petition des Bischofes von Sebenico zur Einsicht der Herren Abgeordneten auf den Tisch des Constitutions-Ausschusses aufzulegen, und dieß zur speciellen Kenntniß der hohen Kammer zu bringen. — Für die laufende Woche haben die Redaction der stenographischen Berichte zu besorgen die Herren Abg. Rozsypal, Kanski und Tyl. Ich ersuche demnach diese Herren, im Laufe dieser Woche sich mit der Redaction zu befassen. — Der Herr Schriftf. Streit wird einen Vortrag halten in Betreff einer vom Ministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten zugekommenen Mittheilung.

Schriftf. Streit (liest:) "Reichstagszahl 4609.

Das Ministerium des Handels theilt mit ad Nr. 21 das Resultat der über die Eingabe des Ernst Nowak und Alexander Hann gepflogenen Untersuchung hinsichtlich der den Gebrüdern Klein als Bauunternehmern der Olmütz-Prager Eisenbahn angeschuldeten Bevortheilungen des Aerars.

Der Reichstag hat über den Antrag des Petitions-Ausschusses und des Abgeordneten für die Kleinseite Prag am 22. September 1848, Z. 21. beschlossen, die Eingabe des Nowak und Hann, in welcher sie die Brüder Klein großer Bevortheilungen des Aerars bei der Bauführung der Olmütz-Prager Eisenbahn beschuldigten, dem damaligen Ministerium der Arbeiten zur geeigneten Berücksichtigung und Bekanntgebung des Resultates mit dem Anhange zu überweisen, daß Nowak und Hann zu der Untersuchungs-Commission nebst anderen unparteiischen Sachverständigen beigezogen werden.

Die in Folge dieses Reichstags-Beschlusses erlassene Zuschrift wird nun durch das eingelangte Schreiben des Ministeriums des Handels, der Gewerbe und öffentlichen Bauten beantwortet, und dadurch auch die auf die unverweilte Beendigung dieser Verhandlung gerichtete Interpellation des Abgeordneten für die Landstraße Wien erlediget.

Das Ministerium hat aus den Acten, welche dasselbe dem Reichstage über Verlangen mitzutheilen bereit ist, einen gedrängten, übrigens umständlichen, vier Bogen starken Auszug verfassen lassen, der sich ohne Gefahr der Mangethaftigkeit kaum kürzer wiedergeben läßt.

Deßhalb beantragt der Reichslags-Vorstand, daß die Antwort des Ministeriums und der mitgetheilte Sachverhalt auf den Tisch des Hauses niedergelegt und den Mitgliedern des Reichstages überlassen werde, hievon Einsicht zu nehmen, indem für die Oeffentlichkeit die Bemerkung genügen dürfte, daß die wohl geeignet zusammengesetzte Commission, nachdem sie und die beigezogenen beiden Anzeiger dem Staate eine Auslage von 2563 fl. 16 1/4 kr. C. M. verursacht hatte, bloß eine zum Ersatzanspruche nicht geeignete Wenigerleistung der Brüder Klein im Betrage von 419 fl. 26 1/2 kr. C. M. erhoben hat, und daß weder die Commission, noch das Ministerium bei der hinreichend constatirten Grundlosigkeit der Anklage Anlaß gefunden hat, die Untersuchung fortzusetzen."

Präs. Ich trage noch nach, daß die Petition des Bischofs von Sebenico unter der Reichstagszahl 4539 aufliegt. Ferner habe ich noch einige Stücke anzuzeigen, welche zu Folge des Beschlusses des Constitutions-Ausschusses auf dem Tische desselben aufliegen und zur besonderen Kenntniß der Kammer zu bringen sind. Reichstags-Nr. 4348, ein Protest des Bischofes von Spalato gegen die Gleichstellung der katholischen Religion mit den geduldeten Confessionen. Reichstags-Nr. 1653. Beitrittserklärung mehrerer galizischer Gemeinden zur Petition um Beibehaltung des Basilianer-Ordens. Reichstags-Nr. 2013. Der ruthenische National-Verein um Beibehaltung desselben Ordens. Reichstags-Nr. 4047. Petition mehrerer galizischer Gemeinden um Beibehaltung des Benedictiner-Ordens.

Es sind einige Interpellationen angemeldet. Eine vom Abg. Gabrys' an den Minister des Innern. Der Herr Schriftführer wird sie vorlesen.

Schriftf. Streit (liest:)

"Interpellation

des Reichstags-Abgeordneten für den Bezirk Neu-Sandez in Galizien, Bartholomäus Gabrys', an das hohe Ministerium des Innern.

Der 3. Paragraph des in Folge Reichitags-Beschlusses vom 31. August 1848 erflossenen kaiserlichen Patentes vom 7. September 1848 lautet:

"Alle aus dem Unterthänigkeitsverhältnisse entspringenden, dem unterthänigen Grunde anklebenden Lasten, Dienstleistungen und Giebigkeiten jeder Art, so wie alle aus dem grundherrlichen Obereigenthume, aus der Zehent-, Schutz-, Vogt- und (Wein-) Bergherrlichkeit und aus der Dorfobrigkeit herrührenden, von den Grundbesitzungen oder von Personen bisher zu entrichten gewesenen Natural-, Arbeits- und Geldleistungen, mit Einschluß der bei Besitzveränderungen unter Lebenden und auf den Todesfall zu zahlenden Gebühren sind von nun an aufgehoben."

Nach der an mich gelangten Zuschrift und Beschwerde werden die Ansässigen der Gemeinde Zalubina derselben Herrschaft nicht nur zuwider dem obigen kaiserlichen Patente zur Robot und den mit derselben verbundenen Leistungen verhalten, sondern sogar im Weigerungsfalle mit Execution und sonstigen Zwangsmaßregeln zu dem besagten Frohndienste gezwungen.

Nachdem dieß gerade eine nicht wohlhabende Gemeinde trifft, welche sich auf das oben citirte Allerhöchste Patent vom 7. September 1848 stützt, und im Bewußtsein, daß andere Gemeinden keine Robot mehr verrichten, daher in dieser Beziehung grausame Streitigkeiten und sogar ein völliger Dorfsaufstand zu befürchten bevorsteht, so erlaube ich mir mit Berufung auf das schon frühere Allerhöchste Patent vom 17. April 1848, vermöge welchem (§. 1) in Galizien alle Roboten und sonstigen unterthänigen Leistungen mit 15. Mai 1848 aufzuhören hatten — die höchst wichtige Frage: ob das hohe Ministerium geneigt sei, einer solchen gesetz- und patentwidrigen Robotabforderung und sohiniger Bedrückung der Gemeindinsassen von Zalubina, Neu-Sandezer Kreises, unverweilt Gränzen zu setzen.

Kremsier am 27. Februar 1849."

Präs. Es wird diese Interpellation dem Ministerium des Innern übermittelt werden. — Weiter liegt vor eine Interpellation vom Abg. Rab und mehreren mitgefertigten Abgeordneten.

Schriftf. Streit (liest:)

"Interpellation

des Reichstags-Abgeordneten Jacob Rab (Romb) für den Bezirk Rzeszow an das hohe Ministerium des Innern.

Der 3. §. des in Folge Reichstags-Beschlusses vom 31. August 1848 erflossenen kaiserlichen Patentes vom 7. September 1848 lautet:

"Alle aus dem Unterthänigkeits-Verhältnisse entspringenden, dem unterthänigen Grunde anklebenden Lasten, Dienstleistungen und Giebigkeiten jeder Art, so wie alle aus dem grundherrlichen Obereigenthume, aus der Zehent-, Schutz-, Vogt- und (Wein-) Bergherrlichkeit und aus der Dorfobrigkeit herrührenden, von den Grundbesitzungen oder von Personen bisher zu entrichten gewesenen Natural-, Arbeits- und Geldleistungen, mit Einschluß der bei Besitzveränderungen unter Lebenden und auf den Todesfall zu zahlenden Gebühren, sind von nun an aufgehoben."

Nachdem jedoch ungeachtet des eben citirten Patentes in Galizien der geistliche Zehent, am meisten aber noch in meinem Bezirke abgefordert wird, so sehe ich mich veranlaßt, hier Nachstehendes zu bemerken.

Nicht genug an dem, daß viele arme Insassen durch Abgabe des geistlichen Zehents, welcher aus dem schönsten sich selbst ausgesuchten Getreide besteht, in Nothstand versetzt werden, sondern die Insassen müssen ihre wenigen Ueberbleibsel zerstreut auf dem Felde jeder Witterung Preis geben, und mit eigenen Fuhren zuerst den geistlichen Zehent in Sicherheit bringen. Eine unerträgliche Last.

Ferner ist die Geistlichkeit ohnehin mit vielen Grundstücken, und daher mit vielen und reichlichen Fechsungen versehen, so daß dieselbe nicht des von armen Dorfsinsassen und Pfarrkindern erpreßten Zehents bedarf.

Ferner muß ich bemerken, daß die Geistlichkeit nebst dem Zehente auch andere Leistungen und ungebührliche Zinsungen von den Pfarrkindern einfordert, z. B. wenn ein Brautpaar heiraten will, müssen beide Brautleute nebst den hochgespannten kirchlichen Gebühren auch noch den Pfarrer mit Geflügelvieh, Schmalz, Eiern und Käse reichlich versehen, und demselben roboten, wenn sie zu ihrem Ziele gelangen wollen.

Begräbnißgebühren sind bereits auf 10 fl. C. M. und darüber gestiegen. Für den Armen unerschwingbar.

Auch hat es Fälle gegeben, wo der Pfarrer mit Stockstreichen Unterthanen hat mißhandeln lassen. In die Armenversorgungsspitäler werden nicht alte, kranke und dürftige Menschen aufgenommen, sondern solche, die dem Pfarrer seine Felder bearbeiten und knechtische Arbeiten verrichten.

Ferner haben viele Gemeinden Haferschüttung für des Pfarrers Pferde von jährlichen 70 Metzen abgegeben — jetzt hält der Pfarrer zu seinem Dienste keine Pferde mehr, und die Gemeinden müssen Schüttung leisten, und nebstbei die nöthige Bespannung geben, und endlich, wenn die Geistlichkeit dringend zu einer kirchlichen Function benöthiget wird, muß man dieselben erst im Felde auf ihren Grundstücken suchen, da selbe ihre Wirthschaft dem Gottesdienste vorziehet, und hierdurch denselben vernachlässiget.

Da ich nun durch diesen wenigen, aber wahrhaften Theil meiner Angabe und durch das oben citirte Patent nachgewiesen zu haben glaube, daß sowohl der geistliche Zehent, als die sonstigen Forderungen ungebührlich sind, zeige ich diesen Uebelstand einem hohen Ministerium an, und erlaube mir die Frage: ob das hohe Ministerium geneigt sei, diese ungebührlichen Zehente und geistlichen Forderungen bald möglichst abzuschaffen?

Kremsier am 27. Februar 1849.

Jacob Rab.

Bartholomäus Gabrys'.

Nicolaus Draus.

Joseph Dyniec.

Joseph Mynarczyk.

Joseph Scibala.

Casimir Walczyk.

Panko Kozar."

Präs. Als nächster Gegenstand der heutigen Tagesordnung erscheint die zweite Lesung der Grundrechte. Der Abg. Feifalik wünscht noch vor dem zu sprechen; ich bitte das Wort zu nehmen.

Abg. Feifalik. Am 16. des v. M. halte ich die Ehre, dem hohen Hause anzuzeigen, daß die Fünfer-Commission des Constitutions-Ausschusses den Entwurf der Constitution an den großen Ausschuß vorgelegt habe, und ich fügte zugleich die Versicherung bei, daß der Ausschuß mit allem Eifer in die Berathung dieses Entwurfes eingehen, und die Berathung mit möglichster Beschleunigung zu Ende führen werde. Seit dieser Zeit hat der Ausschuß mit Aufbietung aller seiner Kräfte getrachtet, seiner Verpflichtung nachzukommen, und ist in 43 Sitzungen bis nahe an das Ende seiner Berathung gelangt. (Beifall.) Es erübrigen nur sehr wenige Paragraphe, welche noch festzustellen sind. Nach Beendigung der zweiten Berathung über die Constitutions-Urkunde müssen die Berichterstattungen über die zahllosen Petitionen für und gegen die Theilung Galiziens in zwei Gouvernements, über die Selbstständigkeits-Erklärung der Bukowina, dann einige Denkschriften bezüglich der Verhältnisse Tirols entgegengenommen werden; sodann kommt der Constitutions-Entwurf zur dritten Lesung. Es kann diese dritte Lesung keinen anderen Zweck haben, als daß Ueberflüssiges weggeschnitten, auffallende Lücken ausgefüllt, Widersprüche behoben werden, und daß endlich in stylistischer Beziehung die letzte Feile angelegt werde. Dieser Zweck kann aber nur dann erfüllt werden, wenn die letzte Redaction in Einem Zuge geschieht, weil dann dasjenige was gelesen wurde, im Gedächtnisse bleibt, und die anfälligen Gebrechen desto lebhafter vor die Augen treten. Ich würde daher im Namen des Constitutions-Ausschusses die Bitte stellen, daß dem Constitutions-Ausschusse der ganze morgige Tag zur Verfügung gestellt werde; daher mache ich den Antrag, daß die nächste Sitzung am Donnerstag abgehalten und außer der freitägigen noch für Samstag eine Sitzung anberaumt werde.

Präs. Ich glaube annehmen zu können, daß wenn kein Widerspruch stattfinden sollte, das hohe Haus diesen Antrag genehmigt. (Ruf: Ja, ja!) — Es kommt nun an die Reihe die Fortsetzung der Debatte über den §. 14, und es hat das Wort der Herr Abg. Leopold Neumann.

Abg. L. Neumann. Meine Herren! Seit Wochen zieht eine lange Reihe von Rednern an Ihnen vorüber, Sie folgen ihren Vorträgen über das kirchliche Thema mit gespannter, nie ermüdender Aufmerksamkeit, und so wie die Worte, die an dieser Stelle ertönen, in tausendstimmigen Echo in allen Gauen unseres großen Vaterlandes wiederhallen werden, so wird das Volk, das wir hier vertreten, aus diesen Verhandlungen die beruhigende Ueberzeugung schöpfen, daß die Männer seines Vertrauens nicht ohne tiefe, gewissenhafte Erforschung und allseitige Beleuchtung dieser hochwichtigen Frage zu einer Entscheidung schreiten werden, die für die ganze Folgezeit maßgebend, von unberechenbar wichtigen Folgen sein wird. — Oft, meine Herren, habe ich eben Ihre Geduld nicht in Anspruch genommen, ich höre lieber lange Reden als ich sie selbst mache; ich würde noch lieber schweigen, wenn in einzelnen Fällen die von mir übernommene Pflicht mir nicht zu sprechen geböte. Auch will ich Ihre Geduld keineswegs durch weit ausgesponnene Deductionen mißbrauchen, aber die Wichtigkeit des Gegenstandes, den wir verhandeln, läßt mich hoffen, daß Sie auch mir Ihre geneigte Theilnahme schenken werden, wenn ich diesen Gegenstand vom Standpuncte des Rechtes, der Politik und der Geschichte, besonders aber von einem Standpuncte, der meines Erachtens bis jetzt noch zu wenig beachtet, zu wenig herausgehoben worden ist, nämlich von dem Standpuncte der Religion und der Moral selbst erörtere.

Eine nothwentige Folge der von Ihnen jüngst beschlossenen Freiheit — nicht des Glaubens, denn diese kann keine menschliche Macht geben oder rauben, sondern des Bekenntnisses, der Uebung dieses Glaubens — ist die volle, gleiche Berechtigung aller Confessionen, und mit dieser ist das Vorhandensein einer Staatskirche unvereinbar. Eben weil ich für die Freiheit der Kirche bin, bin ich gegen die Staatskirche. Wohl gibt es Leute, welche die Freiheit nur für ihre Kirche wollen, die demnach noch mehr als eine Staatskirche wollen. Es sind dieß jene politischen und kirchlichen Jesuiten, welche die Freiheit nur in ihrem Sinne und zu ihren selbstischen Zwecken ausbeuten wollen; es sind dieß jene Hierarchen, welche sich an die Stelle der Kirche setzen, wieder Despot an die Stelle des Staates. (Bravo.) Ich, meine Herren, will mit Ihnen die Freiheit für alle religiösen Genossenschaften, ich will sie für die Kirche in ihrer wahren Bedeutung, für Laien wie für die Priesterschaft, nicht bloß für die letzteren und ausschließlich. Ich will, um mich des trefflichen Ausdruckes des ehrenwerthen Abgeordneten für die Roßau zu bedienen, keine tabula rasa ohne alle Berücksichtigung der reellen Verhältnisse machen, und eben deßhalb will ich die bisher bestandene Gesetzgebung in publico-ecclesiasticis nicht über den Haufen werfen, ich will, meine Herren, nicht die Oberaufsicht des Staates, nicht das jus circa sacra, nicht das jus cavendi, sondern ihre Auswüchse, ihre Eingriffe in die Freiheit beseitiget wissen. Ich wünsche, meine Herren, und ich hoffe zuversichtlich, daß durch die gewährte Freiheit in der Kirche nach dem Geiste ihres göttlichen Stifters und nach der ältesten Verfassung der christlichen Gemeinde jene innere Umgestaltung vor sich gehen wird, daß, sage ich, durch die Freiheit jene, wenn nicht tausend Anzeichen trügen, in Annahme begriffene reformatio eeclesiae in capite et membris, die schon vor 400 Jahren angedeutet wurde, daß diese und die Belebung des religiösen Elementes zur Wahrheit werde.

Aber, meine Herren, wer für die Freiheit ist, der muß nothwendiger Weise gegen das Privilegium sein, der muß folgerechter Massen gegen eine bevorzugte Staatskirche sein, denn Freiheit und Privilegium sind unvereinbar. Wer die Freiheit für seine Kirche will, der kann sie nur in soferne und nur deßhalb wollen, weil er sie für alle Confessionen im Staate wollen muß. Die Bevorzugung einer Kirche, worin immer sie auch bestehen mag, diese Bevorzugung wäre noch begreiflich, wenn wir auf dem Standpuncte des Mittelalters vor dem großen Kirchen-Schisma stünden; aber sie hat keine Bedeutung und sie widerspricht geradezu allen Begriffen der Gerechtigkeit in einem Staate wie Oesterreich, welcher mannigfache religiöse Confessionen in seinem Schooße enthält.

Wohl ist die Sittlichkeit die Grundlage des Staates wie der Kirche, aber daraus folgt meines Erachtens noch nicht, daß Staat und Kirche identisch seien, — im Gegentheile, ich glaube, daß der Staat, als solcher, dem positiven religiösen Elemente gegenüber indifferent sein muß. Verstehen Sie mich recht, meine Herren, — insofern als jegliche Confession, die keine staatsgefährlichen, keine staatswidrigen Maximen predigt, vor dem Staate gleichberechtiget sein muß, ist das positive Element der Religion für den Staat etwas Gleichgiltiges. Das Gesetz als solches legt gleiche Verbindlichkeit allen Staatsbürgern auf, das Gesetz als solches kennt keine positive Religion, und ich glaube, daß gerade diese Ansicht, wie ich die Ehre haben werde gleich zu beweisen, daß gerade diese Ansicht die Religion am meisten und einzig fördern müsse. Das Gesetz, der Staat als solcher kennt keine Religion, sonst müßte man zu der etwas baroken Folgerung gelangen, daß in einem Staate, in welchem sich mehrere Confessionen befinden, der Staat theils katholisch, theils evangelisch, theils jüdisch oder wie immer beschaffen sein müßte. Ich weiß es, meine Herren, dieser Satz, daß der Staat als solcher keine Religion habe, ist von vielen Seiten bestritten worden; er ist bestritten worden, weil man ihn nicht verstanden hat. Der Staat ist eine Rechtsanstalt, er ist eine Gewähr der menschlichen, also auch religiösen Freiheit; er ist weder christlich noch unchristlich, weder gläubig noch ungläubig; und nichts ist meines Bedünkens der Freiheit, der Religion und jenen sittlichen Principien, welche die Grundlage des Staates wie der Kirche bilden, gefahrbringender als jene Identificirung von Staat und Kirche, die Sie im antiken Heidenthume sehen, die wir in der Cäsaropapie der Byzantiner, die wir in der concordia sacerdotium et imperii im Mittelalter, die wir endlich selbst in der Gestalt der Staatskirche noch heutzutage erblicken. Im Staate, meine Herren, kann nur der vernünftige Wille der Mehrheit entscheiden; Mehrheit und Minderheit aber sind meines Erachtens niemals maßgebend, wo es sich um Meinungen, um die religiöse Ueberzeugung handelt. Wäre der Satz, daß Staat und Kirche identisch sind, wahr, dann müßten wir das Ideal des Staates dort erblicken, wo das weltliche Oberhaupt zugleich das Oberhaupt der Kirche ist. Ich weise Sie auf das Exempel Rußlands, und frage Sie, ob dieses Exempel nicht vielmehr dazu dient, um darzuthun, daß eine solche Vermengung (Identificirung) das Grab der religiösen und politischen Freiheit sein muß.

Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, auf eine Aeußerung zurückzukommen, die der verehrte Abgeordnete für Tolmein hier in dieser Versammlung vor einigen Tagen vorgebracht hat. Es hat zwar derselbe Abgeordnete für die Stadt Lemberg, welcher in seinem edlen und gediegenen Vortrage das Princip der religiösen Freiheit vertheidiget hat, auch auf diese Aeußerung Einiges erwiedert, indessen glaube ich, daß mir noch etwas darüber zu sagen frei steht. Es hat der ehrenwerthe Abgeordnete für Tolmein behauptet: es wäre ein Unglück, wenn der Indifferentismus, wenn der Atheismus — wie er gleich hinzufügt — zum Staatsprincip erhoben würde. Er ist gegen eine solche Ansicht, selbst wenn sie — wie er ironisch beisetzt — die Blüthe philosophischer Grundsätze wäre. Meine Herren, ich glaube, daß es jeder Logik zuwider laufe, aus dem Satze, daß der Staat dem positiv-religiösen Elemente als solchem fremd gegenüber stehe, daß, sage ich, aus diesem Satze hervorgeht, daß der Atheismus das Staatsprincip werde. — Es hat derselbe ehrenwerthe Herr Abgeordnete eine solche Ansicht die Sanctionirung des Unglaubens genannt; ich aber, meine Herren, nenne die unselige Verbindung von Staat und Kirche eine Sanctionirung der Heuchelei und des Indifferentismus in religiösen Dingen nach Oben, des Aberglaubens oder des Unglaubens nach Unten. (Bravo!) Derselbe ehrenwerthe Herr Abgeordnete hat sich auf ein Beispiel der französischen Revolution berufen; aber dieses Beispiel beweist vielmehr gegen als für ihn. Er hat das Verbot der Religionslehre in den Schulen, er hat die Decretirung eines höchsten Wesens von Seite der Staatsgewalt angefeindet. Meine Herren, sehen Sie nicht in diesem Beispiele gerade die Einmischung des Staates in religiöse Dinge? Ich frage, kann der Staat positiver in die kirchlichen Elemente eingreifen, als indem er den Religionsunterricht geradezu verbietet, als indem er von seinem Standpuncte den Unterthanen ihren Glauben, den Bürgern des Staates will ich sagen, ihren Glauben vorschreibt?

Meine Herren! zu dem Rechtspuncte gesellt sich aber ein hochwichtiges politisches Moment, das ich Ihrer Erwägung hiemit unterlege. Wenn Sie in dem vielgestaltigen Oesterreich das große Princip der Freiheit proclamiren, wenn Sie Freiheit für Individuen, Freiheit für Vereine und insbesondere für Religionsvereine zum Lebensgrundsatze des Staates machen, dann, meine Herren, können Sie kein Privilegium, keine Staatskirche wollen — Sie können es um so weniger wollen, als ja die Katholiken nur die Freiheit der Kirche im Allgemeinen, nicht eine exceptionelle Freiheit für sich vindiziren wollen. Und wenn die Frage vom Standpuncte des Rechtes ganz unbestritten am Tage liegt, so würden jetzt, nachdem die Schranken des Despotismus, welche das kirchliche wie das staatliche Element gleichmäßig niedergehalten haben, gefallen sind, so würden jetzt die außerhalb der Staatskirche bestehenden Confessionen sich mit vollstem Rechte im Namen der Freiheit gegen die Suprematie irgend einer Confession auflehnen. Meine Herren, Sie würden zu dem nationalen und politischen Hader, dessen wir ohnehin im Uebermaße haben, noch alle Schrecken kirchlichen Haders hinzufügen, und vergessen Sie nicht, wie die Nationalitäten sich so häusig und in ganz naturgemäßer, erklärlicher Weise in religiöse Formen kleiden; vergessen sie nicht, wie nationale, politische und religiöse Elemente sich assimiliren und zu einer im Widerstreiten unwiderstehlichen Macht gestalten. Noch einmal, von dem Standpuncte des Rechtes wie von dem der Politik ist es nothwendig, daß in Oesterreich die alte, hergebrachte aber nicht haltbare, mit den Grundsätzen der Freiheit unvereinbare Staatskirche, daß, sage ich, die Staatskirche, als solche, fortan der Gleichberechtigung aller Confessionen im Staate Platz mache. Und nun, meine Herren, erlauben Sie mir Ihre Aufmerksamkeit auf das, was meines Erachtens nach der entscheidende, wesentliche Punct ist, nämlich auf den Einfluß des bisherigen Systemes, auf die Religion und die Moral selbst zu lenken. Zuförderst in wenig Worten eine Andeutung über die Entstehung des jetzigen Verhältnisses.

Es wäre ein sonderbarer Anachronismus, wenn man das Papstthum des Mittelalters als historische Erscheinung in das neunzehnte Jahrhundert versetzen wollte; aber es wäre eben so kindisch, wenn man die große welthistorische Mission, die das Papstthum erfüllt hat, verkennen wollte, wenn man verkennen wollte, daß ein Innocenz III. und ein Gregor VII. wahrhaft große Männer waren, groß, well sie im Geiste ihrer Zeit handelten, und ihre Zeit vollkommen begriffen haben; und unsere Aufgabe, meine Herren, ist es, im Geiste unserer Zeit das, was den Begriffen des Rechtes und der Freiheit entspricht, auch zu entscheiden.

Sie können, meine Herren, die Theorie vom geistlichen und weltlichen Schwerte, von Sonne und Mond als Symbolen der Macht des Papstthums und des Kaiserthums, oder überhaupt der geistlichen und weltlichen Gewalt. Was natürlicher, als daß, sowie der Geist über dem Körper erhaben, das geistliche Schwert sich bald die Hoheit über das weltliche vindicirte, daß, sowie der Mond nur im erborgten Glanze der Sonne schimmert, auch die weltliche Gewalt nur durch Concessionen der geistlichen Mache fungiren konnte! Ueberhaupt erinnere ich Sie an die charakteristische große Thatsache des Mittelalters. Das Mittelalter strebt aus seinem Zustande der Zerfahrenheit und Isolirtheit hervorzugehen, es strebt nach Einheit, nach Consolidirung der schwankenden Zustände. Dieses Streben des Mittelalters, es findet seinen prägnantesten Ausdruck in dem Jahrhunderte durchziehenden großen Kampfe der weltlichen Macht der Fürsten mit dem Feudalismus einerseits und mit dem Papstthume andererseits. Am Ende des Mittelalters, am Vorabende der Reformation, ist dieser Kampf in seiner Hauptsache beendet, die geistliche Macht des Papstes, sowie der Feudalismus beugen sich unter dem Uebergewichte der weltlichen Macht, die durch einen Zusammenfluß der glücklichsten Umstände, insbesondere durch Beihilfe des bürgerlichen städtischen Elementes, das Uebergewicht erhalten hatte. Der Feudaladel ward zu einem zahmen Hofadel, gegen das Vorrecht, sowie er früher es jure publico that, jetzt jure privato die Masse der Hörigen in Knechtschaft und Unterdrückung zu erhalten. Die Dignitarien der Kirche hatten sich auch seit Jahrhunderten in Form des damals allgemein waltenden Feudalismus hineingelebt, — was natürlicher, als daß sie in ihrer doppelten Eigenschaft fortan der Krone untergeordnet, und zwar zu deren weltlichem Zwecke untergeordnet wurden! Zum Danke dafür vernichtete die weltliche Macht die Sektirer und Häretiker mit Feuer und Schwert. Und glauben Sie ja nicht, meine Herren, daß diese Erscheinung isolirt nur in der katholischen Kirche war. Katholiken und Protestanten haben sich in dieser Beziehung nichts vorzuwerfen. Ich errinnere Sie daran, wie die großen Ideen der Reformation von den Fürsten zu barem Gelde, zu Ländererwerb ausgemünzt wurden; ich erinnere Sie, meine Herren, wie die Fürsten auf Grundlage jenes unglaublichen, und doch in die Staatspraxis eingeführten Axioms cujus regio illius religio, cujus grex ilius lex! ich sage, wie die Fürsten auf Grundlage dieses Axioms ein wahres System der Territoral- Kirche einführten. Zu derselben Zeit, in welcher die Hugenotten in Frankreich mit Feuer und Schwert verfolgt wurden, zu derselben Zeit schlachteten die frommen Söldner Cromwels Tausend von Katholiken Irlands hin. Bemerken Sie das Zusammentreffen. Jene berühmten Artikel der gallikanischen Kirche, die die Grundlage des Kirchenrechtes von Frankreich bilden, datiren vom Jahre 1682, und drei Jahre später, im Jahre 1685 wurden die Hugenotten in Folge der Widerrufung des Edictes von Nantes in Massen vom heimischen Boden vertrieben. Das achtzehnte Jahrhundert brachte eine neue Phase in diese Gestaltung der Dinge. Die Aufklärung drang bis zu den Thronen, und Monarchen wie Frledrich II. und Joseph II., und Minister wie Choiseul, Kaunitz, Florida Blanca führten das Princip der Duldung in ihren Staaten ein.

Sie sehen demnach, meine Herren, in dieser zweiten Phase, die wir überkommen haben, und die zwar noch fort und fort in Europa besteht — Sie sehen, sage ich, in dieser zweiten Phase neben dem System der früheren ausschließlichen Staatskirche noch die geduldeten Confessionen; mit einem Worte, an die Stelle der Intoleranz sehen Sie die Toleranz treten. Unsere Ansicht über das Verhältniß beider, der Toleranz wie der Intoleranz zu einer Staatskirche kann, wie ich glaube, nicht zweifelhaft sein. Was erstens die Intoleranz anbelangt, so wird Niemand von uns einen Augenblick zweifeln, daß gerade sie die fruchtbarste Mutter des Unglaubens ist. Und dennoch meine Herren, dennoch ist das Bedürfnis der Religion ein so tief in die menschliche Brust gegrabenes — der Religion, in welcher sich alle Ideen des Schönen, des Guten und Gerechten vereinen — der Religion, welche die Appellation der Unterdrückten an ein höheres geistiges Wesen, welche die Hoffnung des Unglücklichen auf dieser Erde ist. Fürwahr, wenn die weltliche Macht mit ihrer plumpen Faust sich nicht in religiöse Dinge gemischt hätte, der Unglaube wäre unmöglich, weil er unnatürlich ist. Ich erinnere an das Wort eines der größten Skeptiker unserer Zeit — Bayle. "Ein Staat von Atheisten und Zweiflern könnte nicht eine Woche lang bestehen." Aber ich frage Sie, meine Herren, ist die Toleranz etwas Anderes, als ein minderer Grad der Intoleranz, ist sie etwas anderes als bloß eine geringere Beschränkung der absoluten Unduldsamkeit? Worin besteht der wesentliche Uebelstand der Toleranz, des sogenannten Toleranzsystems? Sie beschränkt das Zugeständniß der Duldung — der Duldung, meine Herren! wo von Recht, nicht von Gnade die Rede sein kann; sie beschrankt die Duldung auf einzelne specifisch bestimmte Confessionen; wer außerhalb dieser Confessionen steht, wird vom Staate ausgeschlossen, weil er sich zu keinem bestimmten Religionsbekenntnisse bekennt. Was ist auffallender, was bezeichnender in dieser


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