Čtvrtek 25. listopadu 1920

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einen Vergleich. In unseren Gegenden prangt, wenn die zweite Hälfte des August hereinbricht, der Sommer noch in seiner vollen Schönheit und Farbenpracht. Aber dem Auge des feineren Naturfreundes entgeht nicht, daß eines Tages ein geheimer Schauer durch diese glühende Sommerpracht geht, der ihr den unaufhaltbaren Untergang verkündet. Meine Herren, spüren Sie, wie dieser Schauer bereits durch Europa und durch die Welt geht? Mit jedem Tage, den wir uns weiter vom Pariser Friedensvertrag entfernen, wird dieser Schauer kundbarer in der nichtoffiziellen wie in der offiziellen Welt, in England, in Deutschland, in Italien, aber auch in Frankreich, und auch die Besten unter Ihnen, die nicht ganz dem nationalen Wahn verfallen sind, sie spüren ihn auch. Es ringt sich mit der harten Logik der Tatsachen, in ihren Wirkungen vorläufig noch wenig bemerkbar, aber nicht mehr aufhaltbar die Überzeugung durch, daß das, was in Paris und St. Germain von Clemenceau und dem seiner praktisch-politischen Aufgabe nicht gewachsenen amerikanischen Präsidenten geschaffen wurde, jetzt einer anderen Lösung entgegenreift, die der Wirklichkeit, den wahren Bedürfnissen der Völker und der europäischen Zukunft Rechnung trägt, nicht aber dem einseitigen Rachegedanken des greisen französischen Staatsmannes. Ich möchte Ihnen zitieren, was der Engländer Keynes darüber sagt, ich möchte Sie darauf verweisen, was ein englischer Publizist vom Range Gardiners in seinem offenen Schreiben an Poincaré sagt, daß die französische Politik zu einem unvermeidlichen Bruch mit Großbritannien und Italien und zur dauernden aktiven Feindschaft zwischen Germanen und Slaven führt und daß es nicht angeht, daß die kleinen Nachfolgestaaten bewußt das deutsche Wirtschaftssystem ruinieren. Wissen Sie, meine Herren, wie man in England heute das deutsche Volk mit seiner Arbeit und seiner Organisationskraft als unentbehrlichen, integrierenden Bestandteil der Weiterexistenz Europas einschätzt? Soll ich Ihnen aber auch einen Franzosen zitieren und zwar einen, der in Ihrer Presse, insbesondere in Ihrer nationalistischen, sich des größten Ansehens erfreut? Ich nenne Ihnen nur den Namen Herbette, jenen Verfasser von hypernationalen Artikeln im Pariser "Temps". Diese Artikel wurden von Ihrer Presse stets mit Behaglichkeit und Freude nachgedruckt, und derselbe Herbette hat jetzt nach einer Reise nach Deutschland in so überraschend gemäßigtem Ton darauf verwiesen, daß Deutschland weder die Mittel noch die geistigen Vorbedingungen noch die Gesinnung zu einer großen Offensive hat, daß daher auch Frankreich sich, wie England dies schon lange tue, nicht an den Buchstaben des Friedensvertrages klammern dürfe, weil die Herstellung der kulturellen, der Handels- und wirtschaftlichen Beziehungen im Interesse der Zukunft der einzelnen Völker und Gesamteuropas wichtiger erscheinen als Repressalien. Was bedeutet es, wenn Herbette die Möglichkeit einer deutsch-französischen Verständigung zugibt, die gleichbedeutend wäre mit einer Revision des Friedensvertrages? (Předseda Tomášek ujal se opět předsednictví.) Und ist es nicht derselbe Herbstschauer, wenn von der Konferenz in Spaa so merkwürdige Nachrichten zu uns kamen, wenn die Enttäuschung über die kleine Entente immer kundbarer wird? Ich weise weiter auf die Preßburger Wirtschaftsverhandlungen hin, die doch gar nichts anderes bedeuten als die Anerkennung der Undurchführbarkeit der bisherigen čechoslovakischen Absperrungsmaßnahmen. Und schließlich der Ausgang der Präsidentenwahl in Nordamerika, die Niederlage Wilsons! Sie bedeutet, daß ein Stück des Ringes abgesprengt ist, daß das Bündnissystem, dem dieser Staat seine Entstehung verdankt, nicht mehr in der alten Form weiterbesteht, daß Frankreich gegenüber Amerika, England und Italien langsam in eine isolierte Stellung kommt, Frankreich, das ja sichtbar seine Hauptinteressen im südlichen oder südöstlichen Mitteleuropa zu verfolgen beginnt. Ziehen wir daraus den Schluß, die Nutzanwendung für unsere Republik: Die Logik der geographischen und wirtschaftlichen Unlösbarkeit dieses Staates aus Mitteleuropa wird immer stärker wirken und sie wird sich in der äußeren und inneren Politik dieses Staates ausprägen müssen.

Und etwas, worauf schon Kollege Lodgman in seiner Rede verwiesen hat: Hat Sie die Kärntner Abstimmung nicht nachdenklich gestimmt? Auch dort standen der Gedanke der nationalen Einheit einerseits und die historische Gemeinschaft, die geographischen Zusammenhänge, die wirtschaftlichen Interessen anderseits einander gegenüber. Und doch hat ein Teil der Kärntner Slovenen sich für das Zusammenbleiben mit den Deutschen erklärt.

Es wächst sich alles an den Tag durch die Logik der Tatsachen. Das ist ein Naturgesetz. Und, meine Herren, dieser Herbstschauer geht auch durch unser Land. Sind denn die Ereignisse der letzten Wochen im deutschen Sprachgebiet und in Prag nicht auch ein furchtbares Memento für jeden, der hören will, und ist denn die überraschend ruhige Entwicklung der Debatte im Senate und hier nicht auch ein Beweis, daß man auf beiden Seiten den schweren Ernst der Situation einzusehen beginnt?

Lassen Sie mich, da über die letzten traurigen Ereignisse ja ausführlich von den Vorrednern gesprochen worden ist, hier nur einige Einzelheiten erwähnen. Sie schicken sich an, ein Gesetz, durch welches die Entfernung der Habsburgerstandbilder angeordnet würde, einzubringen. Tun Sie es! Es ist das ein Eingeständnis der Schwäche, das Eingeständnis, daß Ihre breiten Volksmassen an Mangel der Staatsidee und an politischer Unreife kranken, wenn ein lebloses Symbol einer vorangegangenen Herrschaftsperiode zerstört werden muß, um die Ordnung zu sichern. Große Politiker, große Sieger haben das nicht getan. Das hat ein Cäsar nicht getan, der die umgestürzten Denksäulen seiner politischen Gegner wieder aufrichten ließ, und das haben die Deutschen nach der Einnahme von Straßburg 1870 auch nicht getan. Sie ließen das Denkmal des Lieblingsgenerals Napoleons, des Generals Kleber, unter dessen Statue sein Herz in Straßburg beigesetzt war, ruhig stehen; und mit Straßburg ist dieses Denkmal wiederum jetzt in französischen Besitz űbergegangen und wenn das deutsche Regime es sonst nur verstanden hätte, Elsaß- Lothringen innerlich zu gewinnen, die stehengebliebene Kleberstatue hätte nicht eine Stunde früher Straßburg an Frankreich zurückgebracht. Ich frage: War denn Josef II. wirklich ein bewußter Germanisator? Weder bei ihm noch bei Maria Theresia können wir von einem bewußten und reinen deutschen Nationalismus sprechen. Das behaupten auch čechische Historiker und das beweist Ihnen die Stelle eines Artikels eines anerkannten Historikers, der hier auf der Ministerbank sitzt.

Meine Herren! Wenn Sie dieses Gesetz einbringen wollen, dann geben Sie bitte Ihren Bilderstürmern zuvor die Kapitel jener gesättigtesten Darstellung des čechischen Josefinismus zu lesen, wie sie uns Jaroslav Vlček in seiner Geschichte der čechischen Literatur, diesem Standardwerk der čechischen Literaturforschung, niedergelegt hat. Da wird sich zeigen, daß die čechischen Bauern, die maßlos gedrückten, an Josef H. sich in ihrem rührenden Bauernvaterunser gewendet haben, da wird sich zeigen, daß die wichtigsten Vertreter der damaligen Literatur an Josef H. nicht nur seine čechischen Sprachkenntnisse rühmen, sondern an sein Wirken geradezu den Anbruch eines neuen Kulturlebens sowie des Aufblühens und der Wiedereinsetzung auch der čechischen Sprache nach einer fast zweihundertjährigen Unterdrückung knüpfen. Geben Sie diesen Ihren Soldaten jenes halbmystische Buch von Kramerius über Josef II. in die Hand, jenes Kramerius, der gerade die bäuerlichen Kreise Ihres Volkes an der Wende des neunzehnten Jahrhunderts für die höhere Kultur gewonnen hat, und zeigen Sie ihnen alle diese Beweise dafür, daß es bei Ihnen neben einem Josefinismus der Gebildeten einen innigen und dankbaren Josefinismus der niederen Volksschichten gegeben hat, insbesondere der Bauern, für die Josef II., ebenso ein Volkskaiser war, wie er heute für unsere deutschen Bauern der Volkskaiser ist, und dann, meine Herren, mögen Sie ruhig das Gesetz über die Entfernung der Habsburgerstandbilder einbringen.

Meine Herren! Da wir schon von Germanisierung sprechen: kennen Sie den tiefen Sinn und den vollen Umfang des Ausspruches, daß "die teilweise Germanisierung Ihres Volkes die vollständige verhindert habe? " Dieser Ausspruch stammt von einem Freunde, von Ernst Denis, von dem Nestor der modernen historischen Schule an der česchischen Universität. Freilich wurde auch ihm mit maßlosem Undank in seinem Alter vergolten. Suchen Sie durch Ihre Presse die tiefe Weisheit dieses einen Satzes in Ihren breiten Volksmassen zu verbreiten und Sie werden es nicht mehr nötig haben, die Denkmäler toter Habsburger entfernen zu müssen.

Und nun noch ein Wort über Prag. Kollege Dr. Kafka hat mit scharfer Dialektik über diese Verhältnisse Gericht gehalten. Das Verhalten der čechischen Presse war kennzeichnend. Es muß der Wahrheit gemäß konstatiert werden, daß einzig das Hauptblatt der čechischen Sozialdemokratie Vernunft bewahrt hat, daß alle anderen Blätter, solange die Ausschreitungen nationalen Charakter hatten, mit ihnen gingen, um sich dann, als der Umschwung ins Schlimmere kam, zurückzuziehen. Und es fiel in einem national-demokratischen Blatte der Ausspruch: Pražská odveta za Cheb je nejvážnějším mementem nejen vládě, ale i hradu a parlamentu! Meine Herren! Das Wort "hradu" spricht Bände und beleuchtet mehr als blitzartig die Situation.

Die Presse hat sich zurückgezogen und wurde dann vernünftig, wenigstens der größere Teil. Nicht zurückgezogen hat sich der Bürgermeister von Prag. Dieser drohte zwar in seinen Plakaten mit dem schärfsten Einschreiten, aber zwei Tage darauf erklärte er dem Polizeipräsidenten: Diese Demonstrationen sind der Ausdruck des Staatsbewußtseins der Prager Bevölkerung und diese Ausschreitungen sind nur als politische Übertretungen zu klassifizieren. Sapienti sat! (Místopředseda dr. Hruban převzal předsednictví.)

Meine Herren! Ich bin mit meinen Ausführungen zu Ende und ich knüpfe an den Anfang meiner Ausführungen wieder an. Ich sagte: Alle bisherigen Debatten waren nutz- und zwecklos. Tragen Sie, meine Herren von der čechischen Seite, und vor allem auch die Regierung dazu bei, daß jetzt nützlichere Debatten kommen mögen und lassen Sie, wie ich vorhin zitierte, das Wort Fleisch werden und auch unter uns wohnen. Machen Sie Ordnung in dem Staate, schaffen Sie psychologische Beruhigung für die deutschen Minderheiten und lassen Sie endlich den Wirklichkeitssinn in Ihrer äußeren und inneren Politik wirksam werden. Schaffen Sie die Bedingungen dafür, daß die beiden führenden Völker dieses Staates sich nicht länger mit dem Weißen im Auge gegenüberstehen müssen. An Ihnen ist jetzt das Wort! (Potlesk něm. poslanců.)

5. Podrobný výčet jmen při hlasování podle jmen na str. 550. protokolu:

"Ano" hlasovali poslanci: Beutel, Blažek, Blatná, Bobek, Böhr, Böllmann, Brunar, Budig, Burian, dr. Czech, Čermak, Deutschová, Dietel, dr. Feierfeil, dr. Feyerfeil, Fischer Josef, Fischer Rudolf, dr. Földessy, Grünzner, dr. Haas, Hackenberg, dr. Hahn, Haken, dr. Hanreich, Hausmann, Häusler, Heeger, Heller, Hillebrand, dr. Holitscher, Houser, Jokl, inž. Jung, dr. Kafka, Kaiser, inž. Kallina, Kaufmann, dr. Keibl, Kirpalová, Knirsch, Kostka, Koutný, Kraus, Kreibich, Křepek, Kučera, Kunst, dr. Lehnert, dr. Luschka, Malá, Mark, Matzner, Merta, Mikulíček, Nagy, Palme, Patzel, dr. Petersilka, Pittinger, Pohl, dr. Radda, Roscher, Röttel, Scharnagl, Schälzky, dr. Schollich, Schubert, Schuster, Schweichhart, Simm, Skalák, Skaunicová, dr. Spina, Surányi, dr. Šmeral, Taub, Tausik, Teska, Tobler, Toužil, Uhl, Warmbrunn, Wenzel, Windirsch, Zierhut.

"Ne" hlasovali poslanci: Adámek, Adamovský, Aster, dr. Bartošek, Bechyně, inž. Bečka, Bečko, Beran, Bezděk, Biňovec, dr. Blaho, Bobok, inž. Botto, Bradáč, Bránecký, Brodecký, Brožík, dr. Buday, Buříval, Černý Antonín, Černý Jan, Černý Jan, dr. Černý Josef, Čunderlík, Čuřík, dr. Dérer, dr. Dolanský, Draxl, Drobný, Dyk, Dubický, dr. Engliš, Ertl, dr. Franke, dr. Gažík, Geršl, Habrman, dr. Hajn, Hálek Jaroslav, Hancko, Hlinka, dr. Hnídek, dr. Hodža, Horák, Hrizbyl, dr. Hruban, Hrušovský, Hudec, Hummelhans, Hvizdák, Chalupa Albín, Chalupa Rudolf, Chalupník, dr. Charvát, Chlebounová, Janalík, Janček, Johanis, dr. Juriga, Kaderka, Karpíšková, Kasík, Klein, dr. Kmeťko, Kopřiva, Košek, Kovačič, dr. Kramář, Křemen, Kříž Al., Kříž Jos., dr. Kubíček, dr. Labay, Landová-Štychová, Langr, Laube, Lehocký, dr. Lukavský, Mach, Malík, Malypetr, Marek, dr. Markovič, Mašata, Mašek, dr. Matoušek, dr. Mazanec, dr. Medvecký, dr. Meissner, Mlčoch, Modráček, Molík, Myslivec, Najman, Navrátil František, Navrátil Gustav, Nejezchleb-Marcha, Němec, dr. Nosek, Novák Antonín, Oktávec, Onderčo, Pastyřík, Pechmanová, Petrovický, Pik, Pocisk, Prokeš, Prokůpek, Purkyňová, dr. Rašín, Remeš, Roudnický, Rozsypalová, Rychtera, Rýpar, Sajdl, Sedláček, Sladký, Sonntág, Sopko, Srba, dr. Srdínko, Staněk, Stejskall, Stivín, dr. Stránský, Stříbrný, Šamalík, Špatný, Šrámek, Štolba, Švehla, Tadlanek, Tománek, Tomik, Trnobranský, Tučný, Tůma, Udržal, dr. Uhlíř, Ulrich, Vacula, Vahala, Vávra, Veverka, Vrabec, Vraný, dr. Vrbenský, Votruba, dr. Winter, Záruba, Zavrel, Zeminová, Zverec.

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