Pátek 3. prosince 1920

4. Øeè posl. Schälzkyho (viz str. 1072 protokolu):

Meine Damen und Herren! Fast alle deutsche Redner haben am. Beginn ihrer Ausführungen gegen die einzigartige Durchpeitschung des Budgets in diesem Hause Verwahrung eingelegt. Wir Deutschen sind von einer sachlichen und gründlichen Mitarbeit schon dadurch ausgeschlossen, daß uns der Voranschlag ausschließlich in èechischer Sprache übermittelt worden ist. Die 18 Minuten Redezeit, die mir gewährt sind, will ich dazu benützen, um auf einige unserer wichtigsten Forderungen beim Kapitel "Soziale Fürsorge" hinzuweisen. (Místopøedseda dr. Hruban pøevzal pøedsednictví.)

Eine der drückendsten Kriegsfolgen ist die schier unerträgliche Wohnungsnot in den Städten. Der Notschrei, der aus allen Orten zur Regierung emporgedrungen ist, hat ja zu manchen Vorkehrungen Anlaß gegeben, die sich aber als völlig unzureichend, vielfach sogar als schädlich erwiesen haben. Unzureichend sind die für diesen Zweck zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel, unzureichend ist die im Ministerium für soziale Fürsorge bestehende Stelle für Wohnungsfürsorge. Die wenigen Fachkräfte, welche in dieser Abteilung - ich freue mich, daß der Herr Minister für soziale Fürsorge anwesend ist - und im Arbeitsministerium zur Verfügung stehen, in ersterer 3, im zweiten 4, sind absolut nicht imstande, ihre Agenda zu bewältigen. Wir wissen, diese Einrichtung war bisher vielfach da, um die Bevölkerung zu frotzeln, nicht aber die Ansuchen einer schnellen und günstigen Erledigung zuzuführen. Ich will offen zugeben, daß die Herren Beamten Fachkräfte sind, welche mit anerkennenswertem Eifer und Verständnis sich diesem so wichtigen Zweig der staatlichen Fürsorge widmen, aber sie müssen selbst erklären, daß der bisherige bürokratische und schleppende Geschäftsgang eine rasche Erledigung der Ansuchen nicht ermöglichte.

Wir verlangen vor allem, daß ehetunlichst diese Agenda an einer Stelle zusammengezogen werde und daß die einlaufenden Ansuchen möglichst rasch zu erledigen sind. Dieser Abteilung im Ministerium für soziale Fürsorge sind vor allem geschulte Fachkräfte zuzuweisen, wobei wir die Forderung erheben, daß im Verhältnis der Bevölkerungsziffer auch deutsche Beamte berücksichtigt werden. Bisher waren alle Versuche, auch nur einen deutschen Beamten an dieser Stelle im Ministerium unterzubringen, und zwar einen Beamten, der in der Agenda der Bau- und Wohnungsgenossenschaften sehr gut bewandert ist, vollkommen vergeblich. Es wäre von Interesse festzustellen, wieviel Geld von den einzelnen Städten und Baugenossenschaften für Deputationen ausgegeben werden mußte, um nach Prag zu wallfahren, um hier die Erledigung eines in den Aktenschränken wohl verwahrten Gesuches zu urgieren, wieviel Gesuche, Interventionen, Vorsprachen, Bitten notwendig waren, um einen Baukredit auch nur vorzubereiten, ich will nicht sagen, ihn endgültig bewilligt zu erhalten. Diesem schleppenden Geschäftsgang od er noch einem anderen Umstand ist es zuzuschreiben, daß für viele deutsche Städte ein kostbares Baujahr ungenützt verloren ging und die Wohnungsnot ins Unerträgliche gesteigert wurde, weil eine Erledigung der versprochenen Subvention oder ein Staatskredit einfach nicht zu erhalten war. Wieviel Geld hätte durch rechtzeitiges Bauen erspart werden können! Denn mit jedem Baujahr steigen die Kosten ganz gewaltig. Wenn gesagt wird, daß bisher mit Hilfe des Staatskredites 2300 Woh nungen hergestellt wurden, so frage ich: Was ist das gegenüber dem wirklichen Bedarf? Ich will an das Ministerium die Bitte richten, uns mitzuteilen, wieviel von diesen Wohnungen auf die deutsche Bevölkerung entfällt. Und wenn uns mitgeteilt wird, daß das Arbeitsministerium bereits 361 Bauprojekte geprüft habe, so wäre es sicherlich interessant zu erfahren, wieviel deutsche Projekte sich unter diesen geprüften befinden. Es ist tief bedauerlich, daß die Verordnungen der Regierung und ihre Maßnahmen zur Förderung der Wohnungsbauten zu spät zur Kenntnis des deutschen Volkes, ja auch zur Kenntnis der Wohnungsbaugenossenschaften gelangen, um rechtzeitig benützt zu verden, um ein Ansporn zur Bautätigkeit zu sein. Hier verlangen wir gründliche Abhilfe. Manche Stadtund Wohnungsbaugenossenschaft hätte die staatliche Kredithilfe in Anspruch genommen, wenn sie rechtzeitig und entsprechend darüber aufgeklärt worden wären. In der Förderung der Bautätigkeit könnten die gemeinnützigen Baugenossenschaften, die sich zu einem Reichsverband - die èechischen wie die deutschen zusammenschließen, ganz hervorragende Dienste leisten. Daher müssen wir fordern, daß ihnen im Verhältnis zur Bevölkerungsziffer entsprechend erhöhte Subventionen zuerkannt werden.

Die Regierung beabsichtigt jetzt durch Bestellung eines Wohnungsdiktators die Bautätigkeit etwas mehr in Fluß zu bringen. Wir wollen hoffen, daß diese Einrichtung nicht wiederum den Deutschen Anlaß zur Klage biete. Nach unserer Meinung muß die Regierung ganz andere Baukredite zur Verfügung stellen, um eine für das Volksleben so wichtige Frage wie die Wohnungsfrage einer befriedigenden Lösung zuzuführen. Die Finanzpolitik dieses Staates, besonders die unselige und ungerechte Lösung der Kriegsanleihefrage, über die noch nicht das letzte Wort gesprochen sein darf, ist auch eine der Ursachen, daß die Baugenossenschaften bei den Geldinstituten nicht die nötigen Darlehen erhalten und damit auch den Staatskredit nicht beanspruchen können. Es ist eine dringende Aufgabe des Staates, den Baugesellschaften auch die erforderlichen Darlehen zu ermöglichen. Wir wissen, daß diese Frage nicht allein vom Staate, sondern durch das Zusammenwirken aller beteiligten Faktoren gelöst werden muß, um die erforderliche Anzahl von Neubauten herzustellen. Denn nur durch Neubauten läßt sich der Wohnungsnot begegnen. Vor allem muß der Staat selbst mit gutem Beispiele vorangehen und für seine Ämter und Beamten die erforderlichen Räume schaffen. (Výkøik: Aber nicht Kasernen bauen!) Jawohl, dagegen müssen wir uns ganz besonders verwahren, daß Wohnräume und Lokalitäten in einzelnen Städten - besonders bei uns im deutschen Siedlungsgebiete - ist das der Fall, daß diese für militärische Zwecke requiriert wurden. So geschah es in Freiwaldau, Freudenthal u. s. w., ja selbst in kleinen Dörfern. Es ist tief bedauerlich, daß durch den Militarismus noch das Elend der Wohnungsnot vermehrt und vergrößert wird. Wenn die vorhandenen Kasernen nicht ausreichen, dann soll man eben die Soldaten ruhig zu Hause bei ihrer Arbeit lassen. (Sehr richtig!) Daß man auch die leistungsfähigen Unternehmer heranzieht, daß sie für ihre Arbeiter und Angestellten Wohnungen bauen, das muß wohl verlangt werden.

Zur Förderungen der privaten Bautätigkeit ist eine Erhöhung der Prozentsätze der staatlichen Beihilfe von 40 auf 60 % unerläßlich, und daher verlangen wir die Einsetzung eines bedeutend höheren Betrages für Wohnungsfürsorge in das Budget für das Jahr 1921.

Aber auch in anderer Beziehung soll das Ministerium die private Bautätigkeit fördern. Was geschieht aber? In nächster Zeit soll das Wohnungsanforderungsgesetz zu Ungunsten der Hausbesitzer neuerdings geändert werden. Durch das neue Gesetz soll dem Hausbesitzer jedes Verfügungsrecht über leere Wohnungen in seinem eigenen Hause entzogen und die Zuweisung der leeren Wohnungen ausschließlich den Gemeinden überlassen werden. Statt einen Abbau jener Bestimmungen herbeizuführen, die den Hausbesitzer in seiner Freiheit beschränken, werden Maßnahmen geplant, welche das freie Verfügungsrecht des Hausbesitzes immer mehr ausschalten; die Entziehung des freien Verfügungsrechtes ist ja nichts anders als eine teilweise Enteignung des Hausbesitzes, und zwar ohne Entgeld. Das ist kein Ansporn, um die private Bautätigkeit zu fördern. Der Großteil des Hausbesitzes befindet sich ja in den Händen des gewerblichen Mittelstandes, von Arbeitern, Festbesoldeten, Pensionisten etc., die nicht in der Lage sind, von ihrem sonstigen Einkommen etwas zur Erhaltung des Hausbesitzes zu opfern, ja die sogar vielfach auf den Ertrag des Hauses für ihren Lebensunterhalt angewiesen sind. Wenn nun der Zinsertrag des Hauses auf die Vorkriegszeitverhältnisse zurückgedrängt und festgehalten wird, und wenn daher gar keine Mittel zur Verfügung gestellt sind, um das Haus in Stand halten zu können, so darf man sich nicht wundern, wenn bei Privaten gar kein Anreiz zu Neubauten vorhanden ist. Und damit will man der drückenden Wohnungsnot begegnen!

Ein anderes Kapitel, ein sehr trauriges und beschämendes für den Staat, ist das Kapitel über die Invaliden und Kriegsopfer. Mit den Bezügen, welche das Versorgungsgesetz vom 20. Feber 1920 für die Invaliden und Waisen festgesetzt hat, können diese armen Kriegsopfer bei dieser Teuerung nicht das Auslangen finden, und es ist daher selbstverständlich, daß sofort nach Bekanntwerden dieses Gesetzes der Verband der Invaliden eine Novellierung dieses Gesetzes verlangt hat. Und da stehen wir ganz an der Seite der Verbände der Kriegsopfer und verlangen ebenfalls von der Regierung, daß möglichst bald diese Novellierung des Kriegsversorgungsgesetzes erfolgt, und zwar auf Grundlage jener Forderungen, welche die Organisationen der Invaliden den zuständigen Stellen, den Ministerien bereits überreicht haben. Ich kann im Namen meiner Partei und im Namen des parlamentarischen Verbandes, dessen Referent ich in diesen Fragen bin, erklären, daß alle Parteien hier auf der Seite der Kriegsopfer in ihrem Kampfe um ihre und die Existenz der ihrigen stehen. (Potlesk nìm. poslancù.)

Im Namen der Menschlichkeit müssen wir gegen eine solche Behandlung der Kriegsopfer entschieden Verwahrung einlegen und die Regierung und die Völker dieses Staates an ihre Pflicht mahnen, die Invaliden und Kriegswitwen vor dem Elend und der Verzweiflung zu bewahren und die armen Waisen nicht der Unterernährung und nicht der schleichenden Volkskrankheit, der Tuberkulose, zu überantworten, sondern dafür zu sorgen, daß aus ihnen gesunde und tüchtige Glieder der Gesellschaft heranwachsen. Hier muß das Herz sprechen. Wollen wir den armen Kriegsopfern nicht den Glauben an die Menschheit und an die Gerechtigkeit aus den Herzen reißen, dann heißt es schnell helfen. Bis dat, qui cito dat. Doppelt gibt, wer schnell gibt. Wenn der Herr Finanzminister dadurch vielleicht aus seinem vielgerühmten und viel besprochenen Gleichgewichte gebracht wird, so ist das kein Grund, die armen Kriegsopfer noch weiter hungern und darben zu lassen. Schon durch die ungerechte Einlösung der Kriegsanleihe haben ia sehr viele dieser Kriegswitwen ihren mühsam ersparten Notpfennig verloren, bzw. er ist ihnen durch dieses ngerechte Gesetz geraubt worden. Es ist tief traurig, daß man gerade bei der Versorgung dieser Ärmsten zu sparen beginnen will, während man sonst bei anderen Kapiteln, wie z. B. dem Militarismus, mit Milliarden paradiert. Das Kapital, das Volk und Staat für die Kriegsopfer investiert, ist sicher am besten angelegt und die Post "Kriegsbeschädigte und Kriegsopfer" wird eine ständige Mahnung sein, den Militarismus im Staate abzubauen und endlich zu beseitigen. Wenn mir noch einige Minuten Zeit zur Verfügung stehen, möchte ich nur auf einzelne diesbezügliche Zahlen im Budget hinweisen. Im Jahre 1920 waren für gesetzliche Gebühren für Kriegsinvalide eingesetzt 561,600.000 K, im Jahre 1921 finden wir für diese Post nur 366 Millionen ausgeworfen, was eine Verminderung von 195,600.000 ausmacht. (Výkøik: Das ist der Preisabbau in der Republik!) Das ist richtig! Auch der Staatsvoranschlag in Bezug auf die gesetzlichen Gebühren für Kriegshinterbliebene weist eine ganz bedeutende Herabsetzung auf. Im Jahre 1920 sind eingesetzt an gesetzlichen Gebühren für Kriegshinterbliebene 388,400.000 K, im Jahre 1921 dagegen nur 202,500.000 K, also wiederum um 185,900.000 weniger. Worauf sich da das Ministerium berufen könnte, ist mir unerklärlich, weil ja alle diese sozialen, ärztlichen Untersuchungen, die die Grundlage für die Bemessung bilden sollten, noch gar nicht abgeschlossen sind. Beim Kapitel "Kriegsblinde" ist zu verzeichnen eine Verminderung um 1,600.000 K; das sind die ärmsten Kriegsopfer, und gerade die Blindenfürsorge ist in unserem Staate am weitesten rückständig.

Die Post "Darlehen für Invalide und Invalidengenossenschaften" weist für das Jahr 1921 eine Verminderung um 3,800.000 Kronen auf, und dabei haben wir in unserem Staat noch nicht die Zwangsanstellung, wie sie in Österreich und Deutschland drüben für die Invaliden besteht. Die Post für "außerordentliche Fürsorge für Kriegsinvalide beim Ankauf und Erwerb von Trafiken u. dgl." ist ebenfalls um 720.000 Kronen herabgesetzt. Diese Zahlen sprechen für sich.

Meine Redezeit ist fast abgelaufen, ich muß daher zum Schluß eilen, möchte aber noch auf einiges hinweisen. Da ist vor allem die Fürsorge für die Arbeitslosen. In dieser außerordentlich schweren Zeit hat der Staat die Pflicht, für die arbeitswilligen Arbeitslosen zu sorgen und es nicht dazu kommen zu lassen, daß sie sich die paar Kronen Arbeitslosenunterstützung jeweils erbetteln müssen. Wir verlangen, daß eine zeitentsprechende Erhöhung dieser Arbeitslosenunterstützung, aber nur für die arbeitswilligen Arbeitslosen durchgeführt wird, und besonders stellen wir die Forderung an die Regierung, daß endlich einmal die Refundationen an die Unternehmer, die schon zwei Jahre fällig sind, ausgezahlt werden. Da sind auch viele Hunderte von Urgenzen notwendig gewesen und erreicht wurde meines Wissens erst jetzt in der letzten Zeit in einigen Fällen etwas.

Beim Kapitel "Jugendfürsorge" finden wir im Staatsvoranschlage eingesetzt die Post von 15,784.879 Kronen. Man würde sich wundern, aber gleich findet man dabei, daß hiebei auf die staatlichen Anstalten in der Slovakei 5,784.879 Kronen entfallen. Zu diesem Punkte möchte ich eine Bemerkung machen: auf dem Gebiete der Jugendfürsorge betätigt sich in hervorragend anerkennenswerter Weise eine große Anzahl privater Organisationen. Ich weise da hin auf die Bezirks- und Landesstellen für Kinderschutz und Jugendfürsorge in deutschen Städten. Wir dürfen wohl erwarten, daß diesen Bezirksstellen, die sich meistenteils in schwierigen finanziellen Verhältnissen befinden, eine entsprechende staatliche Subvention zugesichert wird, aber daß diese Staatssubvention gegeben wird nach dem Verhältnis der Bevölkerungsteile in diesem Staate. Überhaupt möchten wir die Forderung stellen, daß im nächsten Staatsvoranschlag bei allen derartigen Unterstützungen im Budget genau angegeben ist, welchen Nationen diese Unterstützungen zugewendet werden.

Ich eile zum Schluß. Solange in diesem Staat das deutsche Volk in wirtschaftlicher und kultureller Richtung so ungerecht behandelt wird, solange nicht volle Gleichheit und Gleichberechtigung hergestellt wird, können wir für den Staatsvoranschlag nicht stimmen. (Potlesk nìmeckých poslancù.)

5. Øeè posl. Kostky (viz str. 1079. protokolu):

Hohes Haus! Es tut mir leid, daß derartig wichtige Kapitel, wie es gerade der wirtschaftliche Teil des Budgets und die Abteilung über Sozialpolitik ist, hier in so kurzer Zeit besprochen werden müssen. Die Kritik müßte selbstverständlich gerade bei diesem Kapitel an sehr vielen Stellen einsetzen und es wäre von besonderer Bedeutung, wenn das in ausführlicherer Weise hier geschehen könnte. Wir müssen deshalb mehr in Schlagworten sprechen und es bleibt nichts übrig, als auch hier die wichtigsten Dinge nur zu berühren.

Der Finanzminister spricht vom Gleichgewicht im Staatshaushalt, das ist der Tenor, der gewissermaßen durch unser ganzes Budget geht. Es ist formell dadurch gelungen, daß, wie bereits mehrfach erwähnt, das Investitionsbudget gesondert behandelt wird, daß man 20 %, also 3052 Millionen K als Investitionsbudget einstellt. Es hat im alten Österreich einmal ein ganz bedeutender Finanzmann, der alte Plener gesagt: "Man hat unter dem Drucke von populären Wünschen, unter dem Drucke von Verwaltungsbedürfnissen den Raum zu eng befunden, die Bedürfnisse aus den laufenden Einnahmen zu decken; und um das Tor auch recht weit aufzumachen, hat man ein großes Schuldbuch des Staates eröffnet. Aus diesem Schuldbuch sollen alle Wünsche und außerordentlichen Bedürfnisse der Verwaltung ihre Befriedigung finden, und wie es in der Natur der Dinge liegt, so heißt es in der Rede weiter, strömen, wenn das Tor geöffnet ist, viele herein. Deshalb ist ein rasches Ende der Anleihepolitik notwendig."

Es fragt sich, ob für unseren Staat tatsächlich die Möglichkeit besteht, ein derartiges Investitionsbudget zu eröffnen. Die Grundforderung für derartige Investitionen muß zweifellos darin liegen, produktive Anlagen zu schaffen, die zur Belebung der Wirtschaft oder zur Hebung der Kultur beitragen: Eisenbahnen, Schulen Kanäle u. dgl. Ich finde aber auch für Kasernenbauten die Ziffer von 120 Millionen K und es scheint mir, daß es der Wohnungsfürsorge nicht entspricht, wenn man einerseits, für Kasernen 120 Millionen einstellt, andererseits aber für die Wohnungsfürsorge, das wichtigste soziale Bedürfnis neben der Ernährung, bloß 33.6 Millionen K übrig hat.

Der Staat muß auch im Stande sein, die Anleihen aufzubringen, und ich möchte darauf hinweisen, daß er gerade in dieser Richtung bei den letzten Anleihen eine glückliche Hand nicht bewiesen hat. Ich zitiere hier das Urteil eines èechischen Industriellen, nicht eines deutschen Industriellen, denn von deutscher Seite kann man darüber eine Menge von Urteilen hören, der betreffende èechische Industrielle sagte: Es ist von mir verlangt worden, für die Prämienanleihe 300.000 K 

zu zeichnen, zu gleicher Zeit aber mußte ich für ein Akzept für Rohmaterialien, das ich mit 8 1/2 % zu verzinsen habe, mehrere Millionen durch meinen Namen sicherstellen.

Der betreffende Industrielle sagte, daß es eine Unmöglichkeit ist, mit einem derart niedrigen Zinsfuß bei einer Anleihe zu arbeiten, denn das beteiligte Publikum kann dadurch nicht interessirt werden. Der Mißerfolg hat sich auch bei dieser 4 1/2 %igen Anleihe gezeigt. Es sind damals 540 Millionen gezeichnet worden. Eine weitere unerläßliche Bedingung für jede Anleihe muß selbstverständlich das Vertrauen der gesamten Bevölkerung zum Staate und auch zur Fi nanzgebarung des Staates sein. Da kommen wir natürlich wieder zum Stein des Anstosses, der uns auf Schritt und Tritt, bei allen Finanzangelegenheiten, im Wege liegen wird, und der dem ganzen Streit solange im Wege liegen bleiben wird, bis er selbst die Kraft und die Einsicht aufgebracht hat, diesen Stein des Anstosses zu beseitigen, das ist die Kriegsanleihe. Wir können in diesem Staate zu keiner großzügigen Anleihe kommen, bevor wir nicht dieses Projekt abermals aufgenommen haben. Ich werde darauf noch zurückkommen. Ich möchte hier nur hervorheben, daß ich allerdings staune, daß der Herr Finanzminister den Optimismus aufbringt, für die Anleihe, die als Zwangsanleihe in Verbindung mit der Kriegsanleihe gezeichnet wird, 7.500 Millionen Kronen in das Budget einzusetzen. Es scheint mir wohl, daß er hier eine Null zu viel beigefügt haben wird, (Veselost na levici.) und zwar werden wir uns in der nächsten Zeit über diese Null noch ausführlicher zu unterhalten haben. Es muß natürlich auch flüssiges Geld im Staate vorhanden sein, um überhaupt mit einem Investitionsbudget rechnen zu können. Ob der heutige Stand unserer gesamten Finanzwirtschaft dafür geeignet ist, weiß ich nicht. Ich möchte aber folgende allgemeine Betrachtung anstellen: Wenn der Ministerpräsident vom Gleichgewicht im Staatshaushalte spricht, darf man eines nicht vergessen: Der Staat ist nichts anderes als die Menschen, die darin leben, und ein Gleichgewicht in dem Gesamtkörper, in dem übergeordneten Körper, kann es nur dann geben, wenn ein Gleichgewicht im privatwirtschaftlichen Leben herzustellen ist. Wir wissen aber heute ganz genau, daß das Gleichgewicht in der Privatwirtschaft von Grund auf zerstört ist. Wir haben heute kein Gleichgewicht in der Privatwirtschaft, und gerande unser Staatsbudget, wie wir es hier vorgelegt erhielten, wird dieses Gleichgewicht in Privathaushalte noch mehr zerstören. Einige wenige Ziffern müssen dies jedermann klar und deutlich machen.

Die Gesamteinnahmen des Staates müssen gewiß von den Bürgern aufgebracht werden. Wir brauchen uns nichts anderes zu machen, als eine Durchschnittsrechnung auf den Kopfanteil, und wir bekommen für jeden Kopf der Bevölkerung, also auch für jeden Säugling, für jeden Greis, für jeden, der nicht arbeiten kann, für jeden Arbeitslosen, eine Beitragsleistung von 1085 K im Jahre für den Staat. Wie eine solche Staatseinnahme herzustellen ist, weiß ich nicht. Ich bitte aber auch eines zu berücksichtigen. Wenn wir auf dem Wege der Investitionen forfahren, haben wir aller dings im ersten Jahre 19 K auf einen Kopf der Bevölkerung. Aber durch das offene Tor werden sehr viele kommen, und werden auch im nächsten, zweiten, dritten, zehnten u. s. w. Jahre dieselben Forderungen stellen. Und wir kommen dadurch, nachdem wir immer werden zahlen und amortisieren müssen, im zehnten Jahre zu einer weiteren Auflage auf den Kopf von 190 K und im zwanzigsten Jahre zu 380 weiteren Kronen, sodaß jeder Säugling, der hier in der Èechoslovakei auf die Welt kommt, von vornherein in kurzer Zeit mit 2000 Kronen jährlich belastet wäre. Das wird natürlich besonders den kleinen Kindern sehr schwierig werden und die alten werden es für sie auch nicht bezahlen können.

Schauen wir uns andere Kopfziffern an, wie sie sich aus dem Budget ergeben, so haben wir Steuern, die doch zweifellos bezahlt werden sollen, pro Kopf 546 K, die Militärlasten 182 K, die Eisenbahnen 282 K; bei der sozialen Fürsorge, die wir gewiß jeder sehr gerne bezahlen werden, ist dieser Kopfanteil plötzlich auf 56 K heruntergeschmolzen und bei Schule und Kultur werden wir wahrscheinlich, wenn wir so fortfahren, bald bei Hellerbeträgen angelangt sein. Heute sind es noch 46 K.

Nun glauben wir, daß es zweifellos vor allem auch auf die Leistungsfähigkeit von Gewerbe, Industrie und Handel ankommt, um derartige Lasten tragen zu können. Wir haben außer den allgemeinen Staatssteuern eine Kriegsgewinnsteuer, eine Mehlsteuer, eine Vermögensabgabe, wie sie heute in allen Staaten vorkommt, kurz eine ungeheuere Liste von derartigen Abgaben; aber eines ist in dem Staatsvoranschlage sehr wenig berücksichtigt und meiner Ansicht nach vollkommen ungenügend berücksichtigt, das ist der weitere Zuschlag, der heute jeden Gewerbetreibenden, jeden Händler und Industiellen durch die Gemeindeumlagen trifft.

Wir haben mittlere Gemeinden in unserem industriereichen Nordböhmen, die wahrscheinlich im nächsten Jahr zu Gemeindeumlagen von 1200 % werden übergehen müssen. Man fragt sich, ob es überhaupt möglich ist, eine derartige Finanzwirtschaft weiter zu führen. Man fragt sich, ob es möglich ist, daß heute Industrielle Steuerbeträge, die ihnen tagtäglich in einzelnen Betrieben vorgeschrieben werden, von 50 bis 60.000 K an Erwerbsteuer und Umlagen, sofort aufbringen können. Ich komme also zu der notwendigen Bemerkung, daß meiner Ansicht nach der schönste ausgeglichene Staatshaushalt mit dem schönsten Gleichgewicht nicht nützt, wenn die Privaten, wenn Gewerbe und Industrie unter den auferlegten Lasten zusammenbrechen und steuerleistungsunfahig werden. Es müßte also gerade bei einer gesunden Finanzwirtschaft die Reform in diesem Punkte einsetzen.

Ich wende mich damit der Ernährungswirtschaft zu, denn hier scheint es mir, daß wir in diesem Staate äußerst reformbedürftig sind. Wir haben aus den Erkläru ngen des Ernährungsministers gehört, daß im ganzen 47.700 Waggons Mehl einzuführen sind, und daß die Landwirtschaft heute ihren Verpflichtungen bis auf 35.000 Waggons nicht erfüllt hat, daß wir also, wenn wir mit einem Mehlpreis von 10 K im Auslande rechnen, zweifellos zu der Summe von 5 Milliarden Kronen, die in letzter Zeit wiederholt genannt wird, für die Beschaffung dieses Mehles oder Getreides, werden kommen müssen. Wir haben heute die Mehlsteuer, die einen Teil davon aufbringen soll; der Hauptpreis soll aber zweifellos aus dem Zuckergeschäfte gewonnen werden. Nun sind wir in unserem Zuckergeschäft jedenfalls leistungsfähig. Wir haben hier nur die kurze, aber allerdings sehr ungenügende Erklärung des Ministers gehört, daß die Produktion 6.2 Millionen Meterzentner betragen hat - das haben wir vorher auch gewußt, das stand in den Zeitungen und daß wir vielleicht 3 Millionen Meterzentner fürs Ausland zur Verfügung haben werden. Es scheint mir nun, daß gerade in der letzten Zeit ein Hauptfehler unserer Finanzpolitik gemacht worden ist, denn man hat bei allseits sinkendem Preisen an maßgebender Stelle fortwährend spekuliert. Ich will nicht entscheiden, welche maßgebenden Stellen dies seien, ob das Handelsministerium oder andere beratende Körperschaften. Man hat fortwährend auf das Steigen der Preise spekuliert. Lesen Sie die heutigen Nachrichten in den Zeitungen, so finden Sie, daß geradezu eine Deroute auf dem Zuckermarkte eingetreten ist, und daß wir in der letzen Zeit, nicht nur von 35 auf 15 Dollars herabgesunken sind, sondern noch bedeutend tiefer. Bei 40 Dollars hätte der Gewinn 2100 Millionen betragen.

Und nun sind wir bei den heutigen Preisen angelangt, bei dem Staatsgewinn von 500 Millionen Kronen. Wer hat das verschuldet? Ich vermi sse in der Antwort, die hier gegeben wurde, gerade diesen Punkt. Rechnen wir so weiter und lassen wir das Fallen der Preise so weitergehen auf dem ausländischen Zuckermarkte, so werden wir überhaupt nichts mehr verkaufen, sondern nur Verluste über Verluste anhäufen. Es handelt sich um 3 Millionen Meterzentner. Wenn wir allein den gegenwärtigen Verlust rechnen, so sind das Beträge von 4800 Millionen Kronen. Es wäre zweifellos möglich gewesen, wenn man dem Wunsche der Industrie rechtzeitig Rechnung getragen hätte, wenn man den Wunsch des Zuckersyndikates, der Zuckerkommission Rechnung getragen hätte, eine halbe Million, vielleicht 1 Million Meterzentner bis zum heutigen Tage abzustoßen. Aber wir haben im Zucker spekuliert; wir sind heute ein zuckerreiches Land, aber wir sind ein zuckerkrankes Land, möchte ich behaupten, und es wird eine gewaltige Karlsbader Kur kosten, bevor wir diesen Zucker los werden in diesem Lande. (Veselost na levici.) Die Bezahlung des Auslandsmehles wird also nicht zu einfach sein. Die 5 Milliarden werden wahrscheinlich in anderer Weise herei ngebracht werden müssen. Nun spricht ja eine Resolution, die äußerst wichtig ist, bzw. eine Interpellation, die von sozialdemokratischer Seite eingebracht wurde, von Finanztransaktionen. Ja, ich bitte, was sind das für Finanztransaktionen? Sagen Sie mir, wo sie liegen sollen, wenn man in den wichtigsten Artikeln des Staates derartige Finanzkunststücke macht.

Es ist gewiß von anderer Seite und gestern auch durch den Herrn Ackerbauminister in ausführlicher Weise dargelegt worden, daß man beim wichtigsten Punkte einsetzen will. Man will die Landwirtschaft durch Zuführung billigeren Kunstdüngers intensiver betreiben lassen und dann auf diese Art und Weise unseren Nahrungsmittelreichtum im Inland steigern. Die Berechnungen wurden bereits von sehr sachlicher Seite verschiedentlich gemacht und ich habe bereits von dieser Stelle aus darauf hingewiesen, daß allein die Anbaufläche vom Jahre 1913, wenn man sie wieder für Körnerfrüchte in diesem Staate gewinnen könnte, genügen würde, um Böhmen, Mähren und Schlesien zu ernähren. Wenn wir auf die Produktionsziffer vom Jahre 1913 zurückkommen könnten, wären wir sogar im Stande 3 Millionen Meterzentner an Körnerfrüchten zu exportieren. Und es ist ganz richtig, und ich schätze das Sachwissen des Herrn Ackerbauministers sehr, daß er hier einsetzt, bei der Zuführung von Nahrungsmitteln, für den Boden, der auch ausgehungert ist wie die Menschen und zuerst etwas zu essen haben muß, bevor er etwas produzieren kann. Aber jetzt kommt der Pferdefuß. Diese 1 Milliarde Kronen, die dafür ausgegeben werden soll, wird in einem staatlichen Fond, der eine juristische Person ist, vereinigt. Um Gottes Willen, nur keine Zentralen mehr! Man sieht schon die Furcht auch in den Regierungskreisen, das Wort "Zentralen" auch nur zu erwähnen. Man nennt es einen Fond. Aber zuguterletzt wird dieser Fond trotz aller guten Absichten dasselbe Schicksal erleiden, wie es die Zentralen erlitten haben, d. h. er wird vielleicht im Stande sein, aus Frankreich Phosphate und Schwefelkies hereinzubringen, Superphosphate herzustellen, er wird genügend Material in der Hand haben zur Besserung der Produktion, aber ob er diese Stoffe zu den Preisen der Landwirtschaft übergeben wird, wie sie kalkulieren müssen, das scheint mir heute sehr zweifelhaft. Denn was ergibt sich für die Landwirtschaft in diesem Falle? Sie arbeitet heute nach Ansicht des Ackerbauministers unrentabel, und wenn man die Kalkulation der Landwirtschaft anschaut und prüft, muß man auch vom Standpunkte des Gewerbes und der Industrie dies anerkennen. Der Landwirt hat kein Interesse daran, Körnerfrüchte zu bauen, es trägt ihm das die Landwirtschaft einfach nicht mehr, er geht zu rentableren Dingen über. Nun sagt man ihm: Du bekommst dieselben Preise für diese Körnerfrüchte, aber du mußt dafür noch mehr arbeiten, ich gebe dir auch den Dünger dazu, aber du sollst für die Produktion noch mehr Arbeitskraft aufwenden. Er wird sagen: Ich danke, behaltet euch euren Dünger selber, düngt euch die Staatsländereien damit; eventuell, wenn ich ihn schon abnehme, werde ich ihn wieder jemandem anderen weiter verkaufen, aber ich selbst will ihn nicht verwenden. Der eigentliche Zweck wird dadurch natürlich vernichtet. Nun steht der Staat im Hintergrund und sagt: Ich garantiere, wenn Verluste eintreten, für die Produktion bis 600 Millionen Kronen. Wir haben kein Zutrauen zu solchen Garantien. Es ist hier bereits einmal von Garantien gesprochen worden. Der Herr Handelsminister weiß, daß ihm gerade diese Frage der Garantie heute die größten Schwierigkeiten macht.


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