Und nun, meine Herren, möchte ich noch auf folgenden Umstand aufmerksam machen: Nicht nur bei Abschaffungen können wir konstatieren, daß sehr eigenartig vorgegangen wird, sondern auch dann, wenn Leute, die aus einem andern Staate in die Èechoslovakei geflüchtet sind, von hier wieder wegkommen wollen. Zu Beginn des Umsturzes in Ungarn, als die Horthyregierung mit den Verfolgungen nicht nur der Kommunisten, sondern auch der Sozialisten, der Sozialdemokraten einsetze, kam eine ganze Reihe von Leuten aus Ungarn über die Grenze der Èechoslowakei herüber, nicht in der Absicht sich hier aufzuhalten, sondern in der Absicht von hier weiter zu gehen entweder nach Deutschland oder aber nach Deutschösterreich. Sie kamen über die Grenze der Èechoslovakei, weil - es leichter war durchzukommen als direkt nach Deutschösterreich. (Posl. Pelikán: Protože se u nás nesekýrují.) Aber nein, ich werde Ihnen gleich zeigen, daß sie sekkiert werden. Wir haben nun in Brünn während dieser Zeit tagtäglich eine ganze Reihe solcher Flüchtlinge gehabt, die sich nicht nur an uns gewendet haben um Unterstützung, sondern selbstverständlich auch um ihnen behilflich zu sein in ein anderes Gebiet zu gelangen, wo sie Beschäftigung finden können, z. B. nach Deutschösterreich.
Wir wollen ihnen behilflich sein,
daß sie wieder hinauskommen von hier. (Výkøiky.) Wenn Sie
mir Zwischenrufe machten, möchte ich schon bitten, daß Sie genau
zuhören, was ich sage. Wir wollten ihnen weghelfen aus der Èechoslovakei
nach Deutschösterreich und wir haben uns dabei wiederholt an die
Polizeidirektion in Brünn gewendet, und ebenso an die Statthalterei
in Brünn, sie möge den Leuten bei der Ausreise aus der Èechoslovakei
keine Schwierigkeiten machen. Denn es werden die Leute in Lundenburg,
Grußbach und anderen Stationen nicht nur beanständet, wenn sie
hereinkommen, sondern sie werden auch von den èechoslovakischen
Behörden beanständet, wenn sie ohne Papiere nach Deutschösterreich
hinausfahren wollen. Wir konnten eine solche legale Ausreisebewilligung
für diese Personen nicht erhalten. Der Staat sollte doch eigentlich
froh sein, daß er die Leute wieder los wird, schon aus dem Grunde,
den die Herren Zwischenrufer genannt haben, weil keine Beschäftigung
für die Leute ist. Und es muß einen Wunder nehmen, daß die Behörden
die Ausreise dieser Personen nicht erleichtern. Nun haben wir,
nachdem auf legalem Wege solche Ausreisebewilligungen nicht zu
erhalten waren, den Versuch unternommen und in den meisten Fällen
auch mit Erfolg durchgeführt, die Leute auf illegalem Wege hinauszupaschen.
Auch da wurden uns Schwierigkeiten gemacht. Da kam es einmal vor,
daß einer dieser Flüchtlinge, der tatsächlich in Ungarn verfolgt
wurde, beim Überschreiten der Grenze festgenommen wurde, worauf
eine hochnotpeinliche Untersuchung darüber eingeleitet wurde,
wieso es möglich sei, daß er die èechoslovakische Grenze hinaus
überschritten habe. Es wurde festgestellt, daß man ihm einen Passierschein
in einem Grenzort ausgefolgt hatte, damit er nach Deutschösterreich
hi nüberkomme. Was war die Folge? Der Mann wurde im Kreisgericht
Znaim durch Monate gefangen gehalten und ich selbst wurde wegen
des Verbrechens der Verleitung zum Amtsmißbrauche in Untersuchung
gezogen und nicht nur ich, sonden jeder einzelne, der an dieser
Handlung, die sicherlich nicht gegen das Interesse des Staates
gerichtet war, irgend wie mitgewirkt hat. Wir konnten trotz Intervention
beim Ministerium in Prag, wo auch festgestellt wurde, daß da gar
nichts anderes vorliege, als, daß man einen politischen Flüchtling
wieder aus der Èechoslovakei hinaus nach Deutschösterreich bringen
wollte, nichts erzielen. Er hat dort eine alte Mutter, ist selbst
ein schwerkranker lungentuberkuloser Mensch, der zu seiner Familie
wollte. Wir konnten nicht erwirken, daß man den Mann aus dem Kreisgerichte
freigelassen hat. Schwer tuberkulös mußte der Mann in die Krankenabteilung
gebracht werden und aus der Krankenabteilung ist er als schwerkranker
Mensch mitten im Winter geflüchtet; er wurde verfolgt, es wurde
gegen ihn geschossen. Er wußte sich keinen anderen Rat, als in
die Thaya zu springen und als schwerkranker Mensch hat er im Winter
die Thaya überschwommen und ist glücklich in Wien gelandet. Mit
solchen Fährlichkeiten kann ein politisch Verfolgter, ein politischer
Flüchtling aus dem Staate heraus, wenn er will und auf der anderen
Seite muß er gegen seinen Willen heraus. (Výkøiky.) Sie
sehen also, daß es schon notwendig ist, die Behandlung der politischen
Flüchtlinge ein bischen genauer zu studieren, daß es schon notwendig
ist, daß von Seiten der Regierung nicht nur vernünftige Weisungen
hinausgegeben werden, sondern, daß man auch für ihre Einhaltung
Sorge trägt. Nun möchte ich zum Schlusse anführen, daß wir alle
Ursache haben, mit der Interpellation unzufrieden zu sein, aber
nicht aus den Gründen, die unsere Vorredner angeführt haben, sondern
weil aus der Fragestellung sehr leicht herausgelesen werden könnte,
daß wir nur den Schutz jener politischen Flüchtlinge wollen, deren
Unschuld im Ausland sich herausgestellt hat. Denn wir wollen auch
den Schutz jener politischen Flüchtlinge, die sich tatsächlich
im Auslande irgend eines politischen Vergehens schuldig gemacht
haben. (Sehr richtig.) Es soll Schuld und Unschuld im Ausland
nicht erwogen werden. Wenn jemand aus dem Staate abgeschafft wird,
so soll allenfalls nur maßgebend sein, was der Betreffende im
Staate selbst verübt hat. Niemals aber soll eine Auslieferung
erfolgen dürfen ohne Prüfung von Schuld oder Unschuld. Es sollen
auch solche, die sich tatsächlich politischer Delikte im Auslande
schuldig gemacht haben, den Schutz des Asylrechtes genießen und
eine Nichtbeachtung des Asylrechtes soll nur in solchen Fällen
möglich sein, wenn wirklich eine Gefährdung des eigenen Staates
und nicht nur Verfolgungsabsicht gegen eine Partei überhaupt gegeben
ist. (Potlesk na levici.)
Meine Damen und Herren! Wir haben mit den Interpellationen No. 801 und 995 an das Ministerium für soziale Fürsorge sowie auch an das Ministerium für öffentliche Arbeiten einige Fragen gestellt und wir erwarten, daß beide Ministerien auf diese Fragen klar und unzweideutig Antwort erteilen werden. Die Anfragen selbst betreffen gewiß Absonderlichkeiten, aber zu den vielen, die wir ja in diesem Staate schon gewohnt sind, ist eben eine neue hinzugekommen. Absonderlich muß es zweifellos genannt werden, wenn das Ministerium für soziale Fürsorge, das unserer bescheidenen Auffassung nach den Zweck hat, sich um die Interessen der Arbeiterschaft zu sorgen und zu kümmern, gefragt werden muß, wie so es eigentlich kommt, daß es das Gegenteil macht, daß es sich nicht um den Schutz der Arbeiterschaft sorgt und kümmert, sondern daß es unentwegt darauf bedacht ist, die lnteressen der Arbeiterschaft zu schädigen, und nicht bloß jene zu schädigen, die arbeitsfähig sind und auch Beschäftigung haben, sondern daß es sich gerade den Spott erlaubt, die Schädigung an jenen zu versuchen, die infolge der wirtschaftlichen Not Beschäftigung nicht finden können, trotzdem sie zu arbeiten gewillt sind.
§ 3 der Verfügung des Ständigen Ausschusses gibt dem Ministerium für soziale Fürsorge das Recht, von der Arbeitslosenunterstützung ganze Bezirke oder bestimmte Berufe auszuschließen. Bei beginn der Bautätigkeit im heurigen Jahr sind nun überall, was gewiß als Selbstverständlichkeit angesehen werden muß, sofern alle Unterkunft und Beschäftigung finden können - die Bauarbeiter aus der Arbeitslosenunterstützung ausgeschaltet worden, insbesondere diejenigen, die in Landgemeinden wohnen, weil das Ministerium für soziale Fürsorge der Ansicht ist, daß der Arbeiter, der draußen eine zerrissene Hütte sein Eigen nennt (Výkøiky.) so reich ist, daß er im Falle der Arbeitslosigkeit es nicht notwendig hat, Anspruch auf die Arbeitslosenunterstützung zu erheben. Wir haben nun bei Beginn des Winters, nachdem allgemein bekannt wurde, daß diese Verfügung des Ständigen Ausschusses, von der das Ministerium für soziale Fürsorge Gebrauch gemacht hatte, auch im Winter bestehen bleiben soll, das Ministerium für soziale Fürsorge deswegen interpelliert. Dieses hat als Antwort am 15. Oktober d. J. erklärt, es sei unrichtig, es entspreche den Tatsachen nicht, daß die Bauarbeiter aus der Arbeitslosenunterstützung ausgeschaltet sind; auch die Bauarbeiter, soweit sie arbeitslos seien und die gesetzlichen Voraussetzungen zutreffen, erhalten die Arbeitslosenunterstützung. Es könnte sich nur, sagte zum Schluß das Ministerium für soziale Fürsorge, um jene handeln, die während der ganzen Saison in Beschäftigung gestanden sind, viel verdienten und die Möglichkeit hatten, sich Ersparnisse zu machen, um in der arbeitslosen Zeit ohne Unterstützung das Auskommen zu finden. Diese Frage ist jedoch derzeit noch nicht aktuell, d. h. mit anderen Worten, nach dieser Auffassung wird noch nicht entschieden. Es ist ja gewiß an und für sich schon eine sehr sonderbare Logik, wenn ausgerechnet das Ministerium für soziale Fürsorge die Auffassung vertritt, daß sich der Arbeiter überhaupt jetzt etwas zu ersparen vermag, um längere Zeit mit diesen Ersparnissen dann während der Zeit der Arbeitslosigkeit leben zu können. Wenn andere Ministerien vielleicht diese Ansicht vertreten würden, könnte man das noch verständlich finden, aber wenn das Ministerium für soziale Fürsorge dies tut, so wird das wahrscheinlich niemand verstehen können.
An demselben Tag aber, als das Ministerium erklärte, diese Frage sei noch nicht aktuell, an demselben Tage, am 5. Oktober, ist ein Erlaß an sämtliche Bezirksverwaltungen hinausgegangen, daß jene Bauarbeiter, die in der Zeit vom 15. März bis 15. Oktober in Arbeit gestanden sind, von der Unterstützung ausgeschlossen sind. Dieser Erlaß scheint aber in einer ganzen Reihe von Variationen zu bestehen. Der Beam te bei der politischen Bezirksverwaltung in Tetschen entscheidet, daß schon derjenige, der das Glück gehabt hat, 3 Monate im Sommer beschäftigt gewesen zu sein, keine Arbeitslosenunterstützung bekommen kann, weil er sich während dieser Zeit genügend verdient hat, um 9 Monate davon leben zu können. (Poslanec Heeger: In Schlesien treibt man es noch ärger! Dort ist ein Kontrollor eingesetzt, der eigenmächtig entscheidet!) Ja, es ist das eine Einrichtung, die nicht bloß in Schlesien besteht; aber den Vorzug hat die schlesische Einrichtung, daß der betreffende Mann, der in Troppau zu diesem Zwecke bestellt ist, wohl von allen Verdiensten die Krone erhalten wird und muß, denn diesen Menschen hat man nicht bloß in Schlesien belassen, sondern diesen Menschen hat man, weil man wahrscheinlich den Aufsichtsorganen in Böhmen nicht genügend getraut hat, sogar nach Böhmen entsendet, um die Arbeitslosenunterstützung nicht bloß für die Bauarbeiter, sondern im Allgemeinen zu drosseln. Alle Interventionen, die wir im Ministerium für soziale Fürsorge durchgeführt haben, sind bisher nutzlos geblieben. Trotzdem wir die Zahl und das Datum dieses Erlasses angegeben haben, wird nun von den Beamten des Ministeriums für soziale Fürsorge behauptet, daß dieser Erlaß überhaupt nicht in dem Sinne besteht; trotz des Nachweises, daß Tausende und Abertausende Arbeiter dadurch um ihr gesetzliches Recht kommen, hat es aber das Ministerium für soziale Fürsorge bisher noch nich für notwendig erachtet, einen aufklärenden Bescheid hinauszugeben. In einigen Bezirken wird seitens der politischen Bezirksverwaltung erklärt, die Unterstützung wird gewährt, die Arbeiter bekommen die Anweisung; aber sie erhalten kein Geld, weil auf der anderen Seite das Steueramt sagt: Ja, davon, daß wir euch die Unterstützung auszuzahlen haben, wissen wir noch nichts, wir haben dazu noch keine Anweisung.
Wir haben unzählige Fälle dem Ministerium bekannt gegeben, die üblichen Versprechungen erhalten, es ist jedoch bisher beim Alten geblieben.
Die Regierung versucht ja immer, jede Regung, die sich irgendwo bemerkbar macht, in geordnete Bahnen zu lenken, und gerade von dieser Stelle aus wird immer behauptet, dieser Staat, diese Republik sei ein Rechtstaat und es müsse alles mit rechten Dingen zugehen. Wenn die Regierung bereit ist und wenn sie ihre Aufgabe darin erblickt, nur fortwährend Ordnung zu machen, so dürfte sie sehr bald, selbst wenn die jetzige Erscheinung wieder vorüber sein wird, genügend Gelegenheít hiezu haben. Wir haben in der verflossenen Woche schon in einer ganzen Reihe von Bezirksstädten Demonstrationen deshalb gehabt, weil die hungernden Arbeitslosen versuchten, die dortige Bezirksverwaltung zu überzeugen, daß dieser Zustand nicht länger bleiben kann. (Výkøik: Gestern in Tachau auch!) Auch in Deutsch-Gabel und Zwickau ist das geschehen. Die Herren bei den politischen Bezirksverwaltungen erklärten: wir sehen das ein, wir haben das begutachtet, wir haben das befürwortet, aber wir können die Unterstützung nicht anweisen, solange das Ministerium für soziale Fürsorge den Bescheid nicht herunter gibt. Ich und der Kollege Schuster sind gelegentlich bei einem Herrn Referenten im Ministerium gewesen und haben darauf verwiesen, das man zumindest dort Ordnung machen soll, wo die politische Bezirksverwaltung bestätigt, daß tatsächlich Not vorhanden ist, wo sie erklärt, daß dort die Unterstützung notwendig zur Auszahlung zu bringen sei. Da hat uns der Herr im Ministerium für soziale Fürsorge erklärt: Das genügt uns nicht, was die politische Bezirksverwaltung sagt, das müssen wir nochmals überprüfen. Mit anderen Worten, man glaubt auch den Herren von der politischen Bezirksverwaltung nicht, oder, was wohl richtiger zu sein scheint, man glaubt, einige Wochen Unterstützung wieder ersparen zu können. Es wird ja offen zugestanden, daß man absichtlich, systematisch im Ministerium für soziale Fürsorge Sabotage treibt, um wochenlang die Unterstützungen für Arbeitslose zu ersparen. Wir haben nun beim Ministerium für soziale Fürsorge angefragt, ob der Minister bereit ist, überall dort, wo Arbeitslose um ihr gesetzliches Recht gekommen sind, die politischen Beamten anzuweisen, das Unrecht gutzumachen. Denn es gibt ja draußen nebst den Bemühungen des Ministeriums für soziale Fürsorge noch besonders übereifrige Beamte, die vermeinen, dieses Treiben des Ministeriums für soziale Fürsorge noch ergänzen zu müssen. Bisher ist eine solche Weisung nicht hinausgegangen und wir wissen auch noch nicht, wie die Anwort des Ministeriums ausfallen wird.
Wir haben außerdem - und auch in der anderen Interpellation kommt ja die Frage in einer anderen Variation vor die Frage gestellt - und die zu beantworten kann das Ministerium für sosoziale Fürsorge nicht ausweichen und die Beantwortung ist sie der ganzen Öffentlichke!t schuldig - ob der Minister bereit ist bekannt zu geben, welche zeitliche Verdienstmöglichkeit und welche ausgezahlte Lohnsumme er denn für einen Arbeiter für angemessen ansicht, daß dieser für die tote Saison - es handelt sich hier um die Bauarbeiter - auskommen kann. Das wird er beantworten müssen und daraus, aus dieser Antwort wird sich zeigen, ob man sich im Ministerium für soziale Fürsorge für diese Dinge tatsächlich interessiert und auch eine entsprechende Antwort zu geben vermag. Das Ministerium für soziale Fürsorge muß eine klare Antwort geben können und ist verpflichtet, dieselbe zu geben. Der Herr Minister ist nicht da, ich hoffe daß ihm diese Fragen trotzdem mitgeteilt werden, bis dahin weiß ich ja nicht, ob er überhaupt Kenntnis von der eingebrachten Interpellation vom 15. November besitzt. Ich hoffe aber, deß ab heute man sich bemühen wird den Herrn Minister davon in Kenntnis zu setzen und ihn zu ersuchen klar und unzweideutig Antwort auf diese Fragen zu geben, (Posl. Dietl: Ersuchen werden wir ihn nicht, er muß da sein!)
Ich will nicht sagen, daß wir das tun, sondern das sollen jene tun, die in seiner nächsten Nähe weilen und beschäftigt sind und die berufen sind, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß der Minister seine Pflicht nicht erfüllt hat, wenn er das Amt augenommen hat, sondern daß der Minister außerdem noch etwas zu tun verpflichtet ist.
In der anderen Interpellation, wo es sich ebenfalls um dasselbe Ministerium und auch um das Ministerium für öffentliche Arbeiten handelt, sind ähnliche Dinge erwähnt, die sehr sonderbar erscheinen. Das Ministerium für soziale Fürsorge sollte unserer Auffassung nach, wenn es im Interessenstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht möglich ist, den sogenannten goldenen Mittelweg zu finden, vermittelnd eingreifen, um wirtschaftliche Erschütterungen zu verhüten. Das Ministerium für soziale Fürsorge in diesem Staate macht das Gegenteil. Das Ministerium für soziale Fürsorge in diesem Staate greift nicht vermittelnd ein, sondern hat es sich durch eine Zeit lang zur Aufgabe gestellt, störend einzugreifen. Wir haben seit dem Jahre 1905 in Nordböhmen für den Reichenberger Handelskammerbezirk mit dem Arbeitgeberbund Tarifverträge abgeschloßen. Wir haben dazu, trotzdem es sehr oft wochenlanger heftiger Auseinandersetzungen bedurfte, um einig zu werden, keine Regierungsorgane gebraucht. Diese Tarife haben aber auch herbeigeführt - und das wird auch von den Unternehmern anerkannt, - daß bisher gerade das Baugewerbe in diesem Kreis und auch im benachbarten Egerer Handelskammerkreis von größeren wirtschaftlichen Erschütterungen verschont geblieben ist, im Gegenteil zu anderen Berufen, wo es nicht möglich gewesen ist, diese Dinge so zu schlichten. Der deutsche Bauarbeiterverband hat nun im heurigen Jahre wiederum, nachdem der Vertrag abgelaufen ist, sich mit der Unternehmerorganisation ins Einvernehmen gesetzt und die Frage gestellt, ob nicht abermals gegenseitige Verhandlungen zur Vereinbarung eines neuen Vertrages gewünscht werden. Der Arbeitgeberbund hat zugestimmt und die Organisation der Arbeiter hat dann der Unternehmerorganisation bekannt gegeben, auf welcher Grundlage diesmal die Verhandlungen geführt werden sollen. Die Arbeiter haben ein besonderes Interesse daran gehabt, ei nmal den Nachweis zu erbringen, daß das Schlagwort von den sogenannten hohen Löhnen nicht wahr ist, und haben bei diesen Verhandlungen Forderungen überhaupt nicht gestellt. Die Organisation hat sich vielmehr der Mühe unterzogen, ein Haushaltungsschema aufzustellen, welches das Lebensminimum darstellt, und es ist von einer großen Reihe von Autoritäten erklärt worden, daß das, was die Organisation verlangt, für das Leben des Arbeiters zu gering ist. Die Organisation hat das nicht bloß durch Ziffern nachzuweisen vermocht, sondern auch auf Grund wissenschaftlicher Thesen über díe Ernährung des Menschen überhaupt. Vor dem Kriege war seitens der Wissenschaftler behauptet worden, daß eine Nahrungsmittelmenge von 4000 Kalorien täglich notwendig ist, um jene Kraft wieder zuzuführen, die durch die Beschäftigung und Arbeit verloren geht. Das Haushaltungsschema, welches als Grundlage aufgestellt worden ist, um nach dieser Erfordernissum me die Löhne festzustellen, weist nur 2000 Kalorien auf. Die Unternehmer haben sich mit Recht sehr lange gesträubt, dieses Schema und diese Grundlage zu akzeptieren, von ihrem Standpunkt aus mit Recht, weil es ihnen dann nicht mehr möglich ist, wenn sie auf dieser Grundlage mit der Arbeiterorganisation in Verhandlungen treten, zu sagen, das, was verlangt wird, sei zuviel. Sie haben aber zum Schlusse diese Grundlage doch akzeptiert und der Vertrag ist abgeschlossen worden mit dem Zusatz, daß während der Vertragsdauer eine sogenannte gleitende Lohnskala gelten soll; sofern eine Änderung in den am Verhandlungstage angenommenen Preisen für die Positionen im Haushaltungsschema eintreten sollte, kann der eine oder der andere Vertragsteil den Antrag auf Einberufung der im Vertrage vorgesehenen paritätischen Kommission stellen und diese soll entscheiden, ob eine Änderung der Lohnsätze nach oben oder nach unten notwendig ist. Eine solche Kommission hat nun am 23. Juli stattgefunden und hat nach 1 1/2tägiger Verhandlung festgesetzt, die gegenseitig vereinbarten Lohnsätze um 20 % zu erhöhen. Darauf hat der Gewerbeinspektor von Reichenberg, ein Beamter, der ja dem Ministerium für soziale Fürsorge untersteht, in der "Reichenberger Zeitung" veröffentlicht, daß das, was in Reichenberg gemacht worden ist, dem Ministerium für soziale Fürsorge nicht recht ist und nicht recht sein kann, und daß derartige Abschlüsse in Zukunft nicht mehr vor sich gehen sollen. Es ist der Grundsatz aufgestellt worden, daß die Vertragsabschlüsse nur mit Zustimmung des Ministeriums vor sich gehen sollen und daß die Löhne nirgends höher sein dürfen wie in Prag. (Hört! Hört!) Es ist dies, darüber gibt es keinen Streit, ein Eingriff in die Lohnrechte der Arbeiter, wie sich ihn bisher wohl noch keine Regierung irgend eines Staates in dem Sinne und in der Richtung erlaubt hat. Wir wissen, daß im alten Österreich, wie auch in anderen Rechtsstaaten die Regierung sehr oft durch ihre Organe brutal eingegriffen hat, um die Arbeiter im Kampfe gegen das Unternehmertum niederzuknütteln, aber um Lohnvereinbarungen haben sie sich nicht gekümmert, das ist dem Ministerium für soziale Fürsorge in diesem Staat vorbehalten geblieben. Der Ansicht, daß die Arbeiter nicht mehr wie bisher gegenseitig mit den Unternehmern ihre Vereinbarungen treffen können und nicht nur dann, wenn eine Einigung nicht möglich sein sollte, die Regierung den Versuch zumachen hat, schlichtend einzugreifen, dieser Ansicht hat sich auch das Ministerium für öffentliche Arbeiten angeschlossen. Dieses Ministerium ist aber noch weiter gegangen. Das Ministerium für öffentliche Arbeiten hat - und wenn es jetzt nicht zugestanden werden sollte, können Beweise dafür gebracht werden - seine Organe, die Beamten der Baubezirksleitung beauftragt, in dem Sinne zu wirken, daß bei den sogenannten Notstandsarbeiten und auf den vom Staat subventionierten Bauten die Tariflöhne nicht gezahlt werden.
In dem Sinne hat beipielsweise, um nur einen Fall anzuführen, Herr Oberingenieur Russ von der Baubezirksleitung Tetschen im Hainspacher Bezirke operiert und er ist Mann genug zu erklären, daß er das nicht aus eigener Initiative getan hat. Den Arbeitern bei dem Straßenbau von Hainspach ist erklärt worden, wenn sie von der Bezahlung der tariflichen Löhne Abstand nehmen, so würden sie im Winter Beschäftigung haben. Die Arbeiter sind so unklug gewesen und haben das geglaubt. Dafür wurde in der zweiten Woche nach diesem Versprechen die Arbeit eingestellt, weil dasselbe Ministerium, welches seine Organe hinausschickt, um die tarifmäßigen Löhne unmöglich zu machen, die versprochene Subvention nicht ausbezahlt hat. Es ist für die vom Staate subventionierten Bauten seitens des Ministeriums für öffentliche Arbeiten ein Erlaß hinausgegangen, in welchem Grundsätze aufgestellt werden über die Verschiebung der Preise der Baumaterialien und der Löhne während der Baudauer. Es wird dort erklärt, daß der Unternehmer, soferne die Baumaterialien während der Bauzeit sich erhöhen, die Erhöhung ansprechen kann und durch Vorlage von Fakturen auch bezahlt erhält. Etwas anderes ist es mit den Löhnen. Auch die kann der Unternehmer ansprechen, aber das Ministerium für soziale Fürsorge und das Ministerium für öffentliche Arbeiten sagen, daß die Erhöhung nur eintreten kann, wie schon eingangs erwähnt, wenn diese Verträge mit Zustimmung beider Ministerien zustande gekommen sind.
Nun hat es sich in allen jenen Fällen, wo diese Streitfrage aufgetaucht ist, nicht um Lohnverträge gehandelt, die während der Bauzeit abgeschlossen wurden, sondern um Lohnverträge, die vorher schon zum Abschluß gelangt sind, ehe ein Mensch überhaupt noch gewußt hat, daß es jemals dazu kommen wird, in diesen Orten einen Bau aufzuführen, zu dem der Staat Subventionen gibt oder die Bürgschaft leistet, denn wenn auch irgend einer Gemeinde oder Baugenossenschaft in einem Bezirke das Versprechen gegeben wird, daß Subventionen für diese Zwecke hergegeben werden, so ist damit ja noch lange nicht gesagt, daß das Versprechen jemals in Erfüllung geht, was wohl nicht erst wiederholt zu werden braucht. Das Gewerbeinspektorat in Reichenberg ist seinerzeit in diesem Sinne verständigt worden. Wir haben auf Grund der Zeitungsnotiz es als unglaublich angesehen, daß das Ministerium in der Weise vorgehen kann und haben persönlich den Herrn Gewerbeinspektor gefragt, ob denn dem so ist; der Herr Gewerbeinspektor hat zugestimmt, daß dem so ist. Es wurde nun bei der zweiten Überprüfung des Vertrages, von dem ich Erwähnung tat, seitens des Ministeriums für soziale Fürsorge und des Ministeriums für öffentliche Arbeiten je ein Vertreter zu diesen Lohnverhandlungen hingeschickt, die das Interesse des Staates zu wahren hatten. Die Vertreter der Organisation haben es abgelehnt, daß die Herren in dieser Rolle an den Verhandlungen teilnehmen können. Die Arbeiter haben aber als höfliche Menschen erklärt, die Herren können sich die Sache anhören, vielleicht lernen sie etwas; aber als Vertreter der Regierung, als Personen, die da etwas mithineinzureden haben, lehnten sie sie ab. Die Unternehmer, unsere deutschen Unternehmer sind sehr erbaut gewesen von dem Vorgehen dieser beiden Ministerien, und wenn Sie eine Einheitsfront in diesem Staate herstellen wollen, zumindest von allen jenen Menschen und Bürgern dieses Staates, die von der Hände Arbeit anderer leben, so darf sich die gesamte Regierung nur ein Muster nehmen an diesen beiden Ministerien; dann werden Sie diese Schichten der Bevölkerung bald zu einem Block zusammengeschweißt haben. Eine ganze Menge Kriegsverdiener hat damals - ich erwähne nur den gewiß nichtganz armen Großindustriellen Ginzkey - die Bauten mit dem Hinweis darauf für eine Zeit lang eingestellt, weil eben die Regierung diese von der paritätischen Kommission gutgeheißene und beschlossene Erhöhung des Lohnes nicht zahlt. (Výkøik: So schafft das Ministerium für soziale Fürsorge Arbeitslose!) Ja, das Ministerium für soziale Fürsorge hat auch durch diese Maßnahme einen Erfolg gehabt, welcher darin besteht, daß das Ministerium das Verdienst hat, daß es einen Streik provozierte, weil gerade auf diesem Bau, wo das Ministerium Subventionen gegeben hat, die Arbeiter billiger arbeiten sollten als bei den Privatunternehmern.
Bei den Staatsbauten ist dasselbe. Bei einer Besprechung im Ministerium für öffentliche Arbeiten hat der seinerzeitige MinisterVrbenský auf meine Anfrage, wieso es kommt, daß auf den Staatsbauten die tarifmäßigen Löhne nicht gezahlt werden, erklärt, daß ihm davon nichts bekannt sei und daß es sein Grundsatz sei, daß auf diesen Bauten die tarifmäßigen Löhne gezahlt werden. Wir haben dem Ministerium seinerzeit derartige Fälle bekanntgegeben und wir können heute ganz offen mitteilen, daß daraufhin Ordnung gemacht worden ist. Seitdem ist aber ein neuerlicher Erlaß hinausgegangen, in dem das Ministerium für öffentliche Arbeiten sagt, daß dem nicht so ist, wie man vielleicht glaubt, daß auf Wasserbauten usw., die der Staat aufführt, ohne weiteres die in dem betreffenden Gebiet üblichen Tariflöhne zu zahlen sind. Das sei etwas anderes, da müsse neuerlich darüber gesprochen werden. Wir haben in der Interpellation die beiden Minister gefragt, wieso sie dazu kommen und welche Gründe sie veranlaßt haben, gegen das Ergebnis und den Beschluß der paritätischen Kommission in Reichenberg Stellung zu nehmen. Das ist nicht bloß für diese Arbeitergruppe von besonderer Bedeutung, denn was sich diese Ministerien jetzt mit einer Arbeitergruppe erlaubt haben, das kann sehr bald einer anderen ebenfalls passieren, daß das Ministerium irgendwo wieder versucht, den Unternehmern beizuspringen. Denn in Wirklichkeit ist es nichts anderes, als eine nackte und brutale Parteinahme für das Unternehmertum.
(Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)
Wenn diese beiden Ministerien schon um Gründe nicht verlegen wären, warum sie das getan haben, so fragen wir beide Ministerien, uns dann zu sagen, welche gesetztlichen Bestimmungen sie denn zu ihrem Vorgehen berechtigt haben, weil wir nach unserer bescheidenen Auffassung meinen, wenn für alle Staatsbürger die Gesetze dieses Staates Geltung haben sollen und müssen und jeder Staatsbürger sie zu befolgen hat, daß auch diese beiden Ministerien eine Ausnahmsstellung nicht haben können und nicht haben dürfen; und wenn sie sie haben, dann soll es öffentlich bekanntgegeben werden. (Posl. Roscher: Das Ministerium für soziale Fürsorge hat bis heute noch nicht seine Angestellten in den Arbeitslosenämtern bei der Kranken- und Pensionsversicherung angemeldet.)
Mein lieber Genosse Roscher! Das ist gar nichts, diese kleine Unterlassungssünde könnte dem Ministerium vollständig verziehen werden. Aber die Angestellten des Arbeitslosenamtes in Graslitz, die 2000 Arbeitslose abzufertigen haben, die haben bis vor kurzer Zeit ein monatliches Gehalt von 103 Kronen gehabt, das ihnen jetzt auf 185 Kronen erhöht worden ist. In Georgswalde sind Angestellte, die monatelang gearbeitet und überhaupt nichts bekommen haben, trotz Urgenzen und Versprechungen, und die höchsten Gehälter dieser Angestelten in den grossen Industriestädten betragen für den Leiter 600-700 K, für die anderen 300, 400 bis 500 K; das sind aber die brillant bezahlten Kräfte. Wenn das Ministerium für soziale Fürsorge bisher nicht daran gedacht hat, diese Angestellten auch bei der Krankenkassa zu versichern, so ist das gegenüber dieser Tatsache wohl nur eine Kleinigkeit.