Hohes Haus! Der Gesetzentwurf, welcher in Behandlung steht, ist eine Notwendigkeit, er ist aber auch ein Notgesetz mit allen Mängeln eines Notgesetzes. Deshalb aber, weil es eine unbedingte Notwendigkeit ist, dieses Gesetz im Interesse der Rechtspflege zu beschließen, müssen wir alle, welchen daran liegt, daß die Misere, in die die Rechtsprechung heute gekommen ist, verschwindet, für dieses Gesetz stimmen. Unterstreichen möchte ich aber, daß durch dieses Gesetz allein die Misere, in die wir in der Rechtsprechung gelangt sind, nicht beseitigt werden kann. Wir haben schon bei Gelegenheit der Behandlung der Budgetdebatte bei der Post Justizministerium darauf hingewiesen und ausdrücklich insbesondere die drei Momente erwähnt, welche die Güte der Rechtsprechung ausmachen. Es sind hier Momente technischer Natur, Momente rein materieller Natur und Momente höchst persönlicher Art. Einen Teil dieser technischen Momente, welche die Garantie bieten, daß die Rechtsprechung gut ist, soll dieses Gesetz erfüllen. Es ist bekannt, daß wir gerade in den größeren Städten schon Anordnungen von Tagsatzungen, ja von ersten Tagsatzungen auf Monate hinaus bekommen, daß Streitverhandlungen auf 14 Monate hinaus angeordnet werden, so daß tatsächlich heute derjenige im Vorteil ist, der sich in einen Prozeß einläßt. Heute sich in einen Prozeß einzulassen, ist tatsächlich von Vorteil, denn es kommt sehr häufig vor, - ich kann das aus meiner eigenen Praxis sagen -, daß dann bei veränderten Verhältnissen der Kläger froh ist, wenn sich der Verklagte nicht verurteilen läßt. Das kann so zum Beisp. bei Lieferungsprozessen vorkommen und ist auch schon vorgekommen, daß man schließlich und endlich dem Beklagten den Verlust des Prozesses durch ihn abkauft. Solche Verhältnisse sind sehr leicht möglich und wir müssen daher alles tun, was dazu führt, um die Gerichte zu entlasten, um die Gerichtshöfe, bei denen ja das Verfahren naturgemäß etwas schleppender sein muß, als bei den Bezirksgerichten, von einer ungeheuren Zahl von Prozessen zu entlasten. Diese Zahl ist hauptsächlich deshalb so groß geworden, weil die Entwertung des Geldes alle Prozesse über die Wertgrenze von 1000 K hinaufgeschnellt hat. Es wurde gegen diese Vorlage und das möchte ich selbst als Advokat erwähnen - gerade von Seiten der Advokaten Sturm gelaufen, und zwar versuchte man darauf hinzuweisen, daß hier eine Durchbrechung des Kollegialprinzipes gelegen sei, indem man das Einzelrichtertum weiter ausgestalten wolle. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Advokaten am Sitze der Gerichtshöfe materiell sehr leiden. Ich möchte das alles bezweifeln und feststellen, daß das Gesetz hier absolut das Prinzip, ob Kollegialgerichtsbarkeit oder Einzelgerichtsbarkeit vorzuziehen sei, nicht löst, an die Lösung dieser Frage überhaupt nicht herantritt. Das Gesetz will nichts anderes tun, als jenen Zustand herstellen, der vor dem Kriege bestanden hat, mit der Wertgrenze von 1000 Kronen bei den Bezirksgerichten.
Dieser Zustand wird mit der Festsetzung der Wertgrenze von 5000 K zweifellos hergestellt, und eine Verschiebung auch vom Standpunkte der Verdienstmöglichkeit zu Ungunsten der Anwälte am Sitze der Kreisgerichte oder am Sitze der Bezirksgerichte tritt keineswegs ein. Im allgemeinen hat also das Gesetz die Frage prinzipiell nicht gelöst. Es hat sich ja nur in materieller Beziehung mit einigen Angelegenheiten befaßt, z. B. in Ehesachen, die Abschaffung der Versöhnungsversuche und schafft den wirklich überflüssigen defensor matrimonii ab, der tatsächlich nur dazu diente, die Prozeßkosten etwas höher zu machen.
Ich habe schon erwähnt, daß das Gesetz tatsächlich ein Notgesetz ist. Wir vermissen darin verschiedene Dinge, die wir gerne bei der Reform der Prozesse gehabt hätten. Vor allem glaube ich, daß das alte Gerichtsentlastungsgesetz einen groben Fehler gemacht hat in der Richtung, daß es in einem bestimmten Punkte durch die Gerichtsentlastung eine kleine Verschlechterung der Gerichtsbarkeit herbeigeführt hat, indem bei Prozessen bis 1000 Kronen bei einem Konformaturteil in zweiter Instanz der weitere Rechtszug an die dritte Instanz unmöglich ist. Es ist gerade für den kleinen Mann von ganz besonderer Bedeutung, daß man auch in den kleinen Dienststreitigkeiten bis hinauf gehen kann und daß man infolge dessen sich dagegen wehren muß, daß der Rechtszug in zweiter Instanz abgeschnitten wird. Ich erwähne nur einen einzigen großen Fall, der noch im alten Österreich gespielt hat, die Frage der Anwendbarkeit des § 1154 b des a. b. G. B. Gegen die Anwendbarkeit dieses Paragraphen hat sich eine mächtige Unternehmerorganisation gewehrt, die behauptet hat, daß diese Bestimmung des § 1154 b auf den Bergbau überhaupt keine Anwendung findet. Es gab riesige Kämpfe, die alle in zweiter Instanz hä ngen blieben. Psychologisch ist das sehr begreiflich. Es läßt sich scheinbar jeder Standpunkt halten, der Standpunkt, daß der § 1154 b für den Bergbau Anwendung hat, ebenso wie der gegenteilige Standpunkt, und niemand wollte so richtig hineinsteigen und so sagte man: "Zùstane to tak, jak to pan adjunkt rozhodl", es bleibt halt schon so, wie der Herr Adjunkt es entschieden hat. Es mußte ein kolossaler Weg gemacht werden, man mußte sich an das Justizministerium wenden, es möge vom Obersten Gerichtshof ein Gutachten verlangen in Form eines Judikates. Das kann in vielen Fällen vorkommen. Und das vermissen wir in diesem Gesetze. Ich habe es selbst beantragt, habe mich aber dann eben angepaßt, daß bei der Bestimmung des § 502 der Zivilprozeßordnung nicht wieder der ursprüngliche Wortlaut hergestellt werde. Ich habe den Antrag nicht wiederholt, weil ich dieses Gesetz tatsächlich nur als Notbehelf betrachten möchte, ich muß aber doch erwähnen, daß man in der Reform, welche vorbereitet wird, auf diese Bestimmung wieder Rücksicht nehmen muß.
Ein weiteres, was uns sehr am Herzen liegt und worüber wir auch schon in der Budgetdebatte gesprochen haben: Es ist eine Art Gerichtsentlastung durch das Hinaufsetzen der Wertgrenze, auch in Strafsachen möglich. Daß dies geschieht, ist bei Eigentumsdelikten nicht nur eine Gerichtsentlastung, sondern auch eine Anpassung der Strafbarkeit an die Entwertung des Geldes. Denn wenn heute jemand wegen Diebstahls von 100 K verurteilt wird, ist das selbstverständlich ganz etwas anderes, als wenn er vor 10 Jahren, vor dem Kriege, 100 K gestohlen hat. Es ist das also hier nicht nur eine Gerichtsentlastung, sondern auch eine Angelegenheit, welche im Sinne des Strafgesetzbuches unbedingt notwendig ist, und dieses um so mehr, da wir ja noch die sehr strengen Strafen unseres alten Strafgesetzbuches, dessen Geschichte bis in das Jahr 1803 zurückreicht, beibehalten haben.
Ich habe anfangs erwähnt, daß dieses Gesetz nur einen Teil jener Voraussetzungen schafft, welche die Rechtsprechung verbessern, u. zw. einen Teil der technischen Voraussetzungen. Ich will aber die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, um wiederum und neuerlich mit allem Nachdruck zu betonen, daß die besten technischen Vorschriften, alle die Prozeßvorschriften nichts taugen werden, wenn wir nicht dafür sorgen, daß auch jene Menschen, welche diese technischen Vorschriften durchzuführen haben, die entsprechende Qualifikation besitzen; um es deutlicher zu sagen, nicht die Besten der Besten im Staate drängen sich zum Richteramte bei den heutigen Verhältnissen, in denen sich die Richter befinden, wir beobachten vielmehr eine Flucht aus dem Richterdienste. Ich möchte hier gleich erwähnen, was mir lokal sehr naheliegt, daß zum Beispiel ein hoher Funktionär des Obersten Gerichtshofes die Richterlaufbahn aufgegeben hat und sich lieber der Laufbahn eines Direktionssekretärs der Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Mähr.-Ostrau gewidmet hat. Allerdings hat er sich nicht vollständig entschlossen, es muß ihn doch etwas am Richteramt gefesselt haben. Er scheint doch noch den idealen Lohn des Richteramtes nicht ganz fahren lassen zu wollen, denn er hat, was wir allerdings nicht gut heißen, noch immer nicht volls tändig auf sein Richteramt verzichtet, trotzdem er Direktionssekretär einer großmächtigen Bergbauaktiengesellschaft ist, sondern er istlediglich mit Karrenz der Gebühren beurlaubt. Das ist natürlich durchaus unzulässig, daß ein Beamter des Obersten Gerichtshofes noch als Beamter, auch wenn er kein Gehalt bezieht, bei einer großen Bergbauunternehmung erster Direktionssekretär ist.
Aber, meine Herren, zweifellos
ist es, daß eine Flucht aus dem Richteramte stattfindet und daß
sich vor allem gerade die fähigsten Menschen in den allerseltensten
Fällen dem Richteramte zuwenden. Diesem Übelstande können wir
nur dadurch abhelfen, daß wir vor allem alles verhindern, was
die Unabhängigkeit des Richterstandes und seine Unversetzbarkeit
beeinträchtigt, und da scheinen in letzter Zeit wieder einige
Fälle vorge kommen zu sein. Gestern wurde auf den Tisch des Hauses
eine Interpellation ge legt, in welcher ein Fall geschildert wird,
in welchem ein Staatsanwalt die Anzeige gegen einen Richter gemacht
hat, weil er ihm angeblich nicht genügend verläßlich ist; in einem
bestimmten Prozeß soll er sich nicht genügend verläßlich benommen
haben. Derartige Fälle sind nicht geeignet, um gerade die aufrechten
Menschen, und solche braucht man ja für das Richter amt, zu gewinnen.
Neben dem idealen Moment ist auch das materielle Moment keineswegs
zu vernachlässigen und zu verachten. Es kann einer ein großer
Idealist sein, wenn er aber nichts zu leben hat und sein Gehalt
so gering ist, daß er nicht halbwegs anständig leben kann, so
wird er sich eben diesem Berufe nicht zuwenden, wenn seine Fähigkeiten
solche sind, daß er nicht darauf ange wiesen ist, gerade in den
Staatsdienst zu treten. Deswegen ist es notwendig, daß man endlich
dem Resolutionsantrag, wel cher sich schließlich zu einem Gesetz
initiativantrag verdichtet hat, Druck Nr. 1090, wonach den Richtern
eine beson dere Zulage zum gewöhnlichen Staats beamtengehalt gegeben
werden soll, daß man endlich diesem Gesetzentwurfe näher tritt
und die Richter nicht nur ideel, sondern auch materiell ausstatte
ent sprechend der Höhe des Amtes, das sie zu verwalten haben.
(Souhlas a potlesk na levici.)
Verehrte Anwesende! Der Gesetzentwurf, der uns heute vorgelegt worden ist, ist ein Teil einer Justizreform, allerdings nur ein kleiner und bescheidener Teil. Ehe ich in eine kurze Besprechung desselben eingehe, muß ich wohl von dieser Stelle aus gegen den Vorgang protestieren, der auch in der Geschichte dieses Hauses einzig dasteht. Der Regierungsantrag wurde am 16. Juni 1920 überreicht und verlor sich in den Akten, vielleicht auch im Ausschusse. Plötzlich tauchte er auf, wurde kurz behandelt, und vier Stunden vor der heutigen Sitzung ist uns erst der schriftliche Bericht des Rechtsausschusses zugekommen.
Es ist in dieser kurzen Zeit gar nicht möglich, sich mit den immerhin verschie denartigen Bestimmungen dieses Gesetzes bekannt zu machen und es scheint infolge dessen, daß man auch gar nicht viel Gewicht darauf legt, daß sich die Mit glieder dieses hohen Hauses in den Geist und den Inhalt einer derartigen Gesetzes vorlage vertiefen. Es ist das wieder ein Beispiel, wie hier Gesetze fabriziert und gemacht werden.
Was die Sache selbst betrifft, meine Damen und Herren, so gebe ich offen zu, daß der Regierungsen twurf geeignet ist, einem großen Übelstande der heutigen Justizverwaltung abzuhelfen, und zwar dem Übelstand der Überlastung insbesondere der Gerichtshöfe mit Rechtsstritten. Es sind in diesem Gesetzentwurf eigentlich verschiedenartige Materien zusammengezogen worden und offenbar nur das herausgegriffen, was momentan am fühlbarsten ist. Aber es wäre verfehlt zu glauben, daß damit schon die ganze Materie auch erschöpft wäre; nein, es gibt in dieser Beziehung noch sehr viel zu verbessern, sehr viel zu vereinfachen und sehr viel zu modernisieren, damit das ganze Gerichtsverfahren materiell und formell auf jene Höhe kommt, welche die Gegenwart von ihm erheischt. Was zunächst das Prozeßverfahren betrifft, so begrüße ich es mit Freude, daß der Standpunkt des Regierungsentwurfes, die Grenzen des bezirksgerichtlichen Verfahrens mit 2500 K festzusetzen, verlassen und die Grenze durch den Ausschuß auf 5000 K hinaufgerückt wurde.
Es ist mir bekannt, daß gegen dieses Gesetz seitens des Anwaltstandes einige Einwendungen erhoben worden sind, welche nicht gerade sehr idealer Natur waren, und es mutet einen an, als ob die Justizverwaltung diesen Einwendungen auch begegnen wollte, wenn man in der Begründung des Regierungsentwurfes liest, daß die Grenze von 2500 K deswegen angenommen worden ist, weil sonst die armen Parteien um das Recht des Armenvertreters kämen. Ich begrüße es, daß sich der Rechtsausschuß von einer derartigen Scheinlogik nicht hat verleiten lassen, daß er auf dem Betrag von 5000 K beharrt, und selbstverständlich dem entsprechend den § 64 der Zivilprozeßordnung Abs. 3 im Art. 4 des Gesetzes entsprechend abgeändert hat. Es ist selbstverständlich, daß dieser Betrag von 5000 Kronen notwendig in mehreren Absätzen und Paragraphen eingesetzt werden mußte, und daß es sonach in der nächsten Zeit möglich ist, daß eine ganze Reihe von Prozessen aus dem kreisgerichtlichen Verfahren heraus in das bezirksgerichtliche hinüber geleitet werden kann. Ich glaube, daß auch der Standpunkt der Übergangsbestimmungen, wonach diejenigen Stritte beim Kreisgericht bleiben können, bei welchen bereits die mündliche Verhandlung anberaumt worden ist, oder bei welchem die Klagebeantwortung schon überreicht worden ist, während die übrigen zum Bezirksgericht kommen, auch der richtige ist. Allerdings muß es mich befremden, daß die ganze Reform mit einem Endtermin befristet ist, uud mir will es nicht recht eingehen, warum mit dem 30. Juni 1923 das ganze Gesetz seine Wirksamkeit verlieren soll und daß von diesem Zeitpunkt dann wieder jene Verhältnisse eintreten sollen, wie sie bis heute waren. Es wäre doch besser, wenn die Sache schon so bliebe, wie sie ist. Denn man mag über die Frage, ob der Einzelrichter besser ist oder das Kollegialgericht, verschiedener Ansicht sein. Ich stelle mir immer vor - schließlich habe ich in dieser Beziehung eine gewisse Erfahrungdaß doch nur der Vorsitzende eines Gerichtshofes den Prozeß leitet und das Urteil macht und daß die Referenten ihm zwar in vieler Beziehung behilflich sind, aber doch nicht jene hervorragende Stellung einnehmen, wie sich der Gesetzgeber seinerzeit die ganze Sache vorgestellt hat, und ich würde es auch von meinem Standpunkt aus als kein Unglück empfinden, wenn man die erste Instanz überhaupt vom Einzelrichter besorgen ließe und erst die zweite Instanz kollegial einrichtete, ein Standpunkt übrigens, der teilweise schon im geltenden Recht vertreten wird. Denn stellen wir uns nur vor, daß der Exekutionsrichter auch heute ohne Grenze nach oben berechtigt ist, zu entscheiden nicht nur Dinge, welche bedeutend sind infolge ihres Betrages, um den es sich handelt, sondern auch Dinge, die materiell ungemein kompliziert sind, wie zum Beispiel ein Widerspruchsprozeß gegen eine Meistboterteilung, die doch nichts so einfaches ist und wo trotzdem der Einzelrichter entscheidet. Es wäre kein besonderes Malheur, wenn mit der Zeit auch in dieser Richtung fortgeschritten würde und das Kollegialgericht nur auf die zweite Instanz beschränkt würde.
Es wurden auch einige andere Gebiete der Justizverwaltung in den Kreis dieses Gesetzes hineingezogen, vor allem ist auch das außerstreitige Verfahren und schließlich in weiterem Sinne das Eheverfahren dazu zu zählen. Es ist nach meiner Überzeugung vollständig in Ordnung, daß endlich mit dem alten Popanz des Ehebandsverteidigers aufgeräumt worden ist. Er war ja doch nur ein residuum der alten Gerichtsordnung, die wir 1897 begraben haben, und der Ausfluß des damaligen Prinzips, daß das Gericht die Beweise nicht selbst nach freiem Ermessen würdigen könne, und daß doch jemand da sein müßte, der neben den Parteien alles vorzubringen hat, was in diesem Falle notwendig ist, um den Tatbestand klarzustellen. Heute, wo der Richter selbständig die Beweise herbeischaffen kann und nach freiem Ermessen zu urteilen imstande ist, ist dieser Vorgang nicht mehr notwendig. Er hat ja auch nur dazu beigetragen, daß die Prozesse teuer wurden und daß zum Schluß niemand den Verteidiger des Ehebandes bezahlen wollte. Es ist nach meiner Überzeugung auch vollständig richtig, daß die Versöhnungsversuche in Zukunft bei den Ehescheidungen zu entfallen haben; denn sie sind ja eine direkte Farçe geworden. Wer, wie ich, Gelegenheit hatte, die Sache in der Praxis mitzumache n, der weiß am besten, das man vielfach in der unangenehmen Lage ist, nicht recht zu wissen, was man zu reden hat, weil man die Aussichtslosigkeit der Versöhnungsversuche ohne weiters einsieht und man es geradezu als unangenehm und peinlich empfindet, nicht nur für sich selbst, sondern auch besonders für die den besseren Kreisen angehörenden Parteien, dreimal vor Gericht diese Komödie vorzunehmen. Dazu kamen noch verschiedene andere Schwierigkeiten, Fälle, wo ein Teil am Erscheinen verhindert war, oder die Frage, ob ein anderes Gericht ersucht werden konnte oder nicht, und in dieser Beziehung ist es nur zu begrüßen, daß endlich einmal auch diese Institution in die Versenkung gefallen ist. Es ist aber auch das Exekutionsverfahren Gegenstand dieses Gesetzentwurfes, und zwar bestimmt er, daß in einigen Fällen, nämlich dann, wenn es sich um einfache Sachen handelt, beim Verkauf und bei der Exekution von beweglichen Sachen, Forderungen und dergleichen, daß immer auch dann, wenn die Rechtsfrage vermutlich nicht in Betracht kommt, der Richter durch einen Beschluß, der auf dem Akt zu vermerken ist, berechtigt sei, die Sache der Kanzlei zur Durchführung und Eintreibung zu übergeben. Dies ist gewiß sehr löblich, aber ich möchte nur daran erinnern, daß diese Bestimmung - ich glaube es ist der Artikel 8 - doch etwas zu weitmaschig ist. Es wäre mir, der ich selbst dem Richterstande anzugehören die Ehre habe, lieber, wenn diese ganze Materie etwas gewissenhafter gearbeitet wäre. Denn schließlich kann man bei derartigen Dingen nicht immer gleich voraussehen, ob sich die Sache einfach gestalten wird oder nicht, und es können schließlich mitten drin oder auch zum Schluß, Sachen vorkommen, welche, hätte man sie gleich anfangs sehen können, eine andere Art der Behandlung der ganzen Sache mit Recht herbeigeführt hätten. Es kann hinterher der Inspizierende dem Richter den Vorwurf machen - und das kann man hinterher leicht tun, wenn man die gesamten Akten vor sich liegen hat -, daß er voreilig gehandelt habe, und ihn dann unter Umständen zur Rechenschaft ziehen und so aus der Wohltat, die man dem ganzen Richterstand erweisen will, schließlich eine Geissel machen. Wenn schon dieser Absatz in dieser Form angenommen werden sollte, so möchte ich von dieser Stelle aus an die Justizverwaltung die Bitte richten, sich dieses Absatzes im Verordnungswege etwas anzunehmen und ihm eine etwas festere Gestalt zu geben, damit für die Gerichte nicht Unannehmlichkeiten daraus entstehen können.
Nun komme ich zu einem Absatz, der etwas Neues gegenüber der bisherigen Praxis darstellt, zu Artikel 9. Im Artikel 9 wird bestimmt, daß die Verlassenschaften sozusagen restlos dem Notar als Gerichtskommissär zu übergeben sind; dies wird als Prinzip aufgestellt und von dem Prinzip soll eigentlich wohl nach dem Geiste der ganzen Sache keine Ausnahme gemacht werden, außer in ganz besonders dringenden und berücksichtigungswerten Fällen. Nun, meine Verehrten, ich finde, daß damit gewiß ein richtiger Weg beschritten ist, zumal ja vielfach das Verhältnis zwischen Notar und Gerichtsvorstand ein derartiges ist, daß bei etwaigen Streitigkeiten oder Unzukömmlichkeiten zwischen diesen beiden Funktionären des öffentlichen Rechtes der Notar derjenige ist, der das Mißfallen oder das Übelwollen des Gerichtsvorstandes an seinem Einkommen zu spüren hat. Es ist meiner Überzeugung nach vollständig richtig, daß der Gerichtskommissär mehr als bisher zur gerichtlichen Hilfe herangezogen werde, und ich hätte sogar gewünscht, daß der Gerichtskommissär noch weiter statt der Justizverwaltung in Anspruch genommen worden wäre, und zwar genau so wie im Artikel 8 die Gerichtskanzlei und die sogenannten Konzeptsgehilfen - die wahrscheinlich erst noch geboren werden müssen, ich weiß nicht, ob schon welche ernannt worden sind - zur Besorgung der Exekution von beweglichen Sachen herangezogen werden können. In gleicher Weise hätte man auch den Verkauf und die Versteigerung von unbeweglichen Sachen durch den Notar vollziehen lassen können, umsomehr, als bereits auch die freiwilligen Feilbietungen vielfach durch den Notar erfolgen und dies also lediglich die Ergänzung einer bereits bestrhenden Institution geworden wäre.
Der letzte Absatz des Artikels 9 in der Fassung des Ausschusses besagt, daß das Gericht berechtigt ist, aus gewissen wichtigen Gründen die Verlassenschaft, die es dem Notar gegeben, wieder an sich zu ziehen, und der Absatz vorher hat die Bestimmung betroffen, daß die Erben dadurch, daß sie binnen 1 Monat dem Notar mitteilen, daß sie sich die Verlassenschaft selbst besorgen, berechtigt sind, die Verlassenschaft wieder vom Notar zurückzunehmen.
Nun, meine Herren, die Zeit, welche hier bestimmt wird, beträgt 30 Tage. Mir und meinen Kollegen erschien die Zeit etwas zu lang, weil der Notar, wenn diese 30 Tage blieben, gezwungen wäre, jede Verlassenschaft erst frühestens am 31. Tage nach dem Anfangstermin dieser Frist festzusetzen, denn er muß abwarten, ob nicht am Ende die Erben einen derartigen mündlichen oder schriftlichen Antrag stellen und infolge dessen seine in der Zwischenzeit geleistete Arbeit fruchtlos wäre, zumal das Gesetz über die Entlohnung der in der Zwischenzeit vom Notar etwa geleisteten Arbeit keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält. Ich habe infolgedessen mit meinen Kollegen den Antrag gestellt, daß diese Frist auf 14 Tage herabgesetzt werde.
Auch der letzte Absatz ist etwas Gummi und kann einem unangenehmen Gerichtsvorsteher die Möglichkeit bieten, mißliebige Notare unnütz zu schikanieren. Da aber die Gesetze schließlich nicht dazu da sind, derartigen Vorkommnissen die Grundlage zu bieten, sondern das Interesse der Bevölkerung zu wahren, halte ich den Antrag, den wir eingebracht haben, für gerechtfertigt. Er besagt, daß das Gericht aus wichtigen Gründen die Verlassenschaft dem Notar wieder abnehmen kann, daß dies aber durch einen Gerichtsbeschluß zu geschehen hat, welcher dem Notar und den Erben zuzustellen ist, und gegen welchen nach den Vorschriften über das Verfahren außer Streitsachen das Rechtsmittel allen Beteiligten zusteht, wobei dieses Rechtsmittel ausdrücklich aufschiebende Kraft erhält.
Die ganze Reform ist nur ein Stückwerk.
Sie begreift durchaus nicht alle Fälle in sich, welche noch einer
Reform zu unterziehen wären. Ich erwähne nur ganz kurz den gesamten
Umkreis der Geschäftsordnung, das Verfahren über die Ergänzung
des Grundbuches u. a. m. und begreife insbesondere nicht das Wesen
der ganzen Sache in sich. Ich könnte darauf hinweisen, wieviel
unnütze Arbeit verwendet werden muß, weil die gesamte Sprachenfrage
immer noch ungeklärt ist, weil Dinge von den Richtern gefordert
werden, welche füglich vollständig überflüssig sind und welche
in manchen Sprengeln des deutschen Sprachgebietes geradezu zu
einer schrecklichen Verschwendung der Arbeitskräfte führen, und
ich möchte darauf hinweisen, daß schließlich und endlich derartige
Teilreformen doch nur das eine erweisen, daß die Verwaltung dieses
Staates politisch und verwaltungsrechtlich von der Hand in den
Mund lebt und noch sehr weit davon entfernt ist, den Ernst und
Geist der Zeit einzusehen. (Souhlas a potlesk na levici.)
Geehrte Damen und Herren! Es liegt uns eine Regierungsvorlage zur Beschlußfassung vor, mit der das Gesetz vom 14. April 1920 abgeändert werden soll. Die Verhandlung geschieht wieder im abgekürzten Verfahren mit jener Methode, in der das Haus in den letzten Tagen bereits wiederholt beschäftigt wurde. Es hat sich bereits zur Tradition herausgebildet, daß auch wichtige Vorlagen in dieser außerordentlichen Weise, förmlich im letzten Augenblicke, am Schlusse der Tagungsperiode, erledigt werden sollen. Wenn die vorliegende Regierungsvorlage infolge ihrer Kürze auch den Anschein erweckt, als ob es sich dabei um ein weniger bedeutsames Gesetz handeln würde, so möchte ich doch namens des Klubs der deutschen sozialdemokratischen Abgeordneten darauf verweisen, daß die Frage der Erhöhung der Bezüge der Mitglieder des Landesverwaltungsausschusses von Böhmen an eine der schwersten und schmerzlichsten Wunden rührt, die die deutschen Arbeiter auf dem Gebiete der politischen Verwaltung empfinden. In dieser Regierungsvorlage heißt es nicht, in welcher Weise die Bezüge geregelt werden sollen, sondern es wird schlechtweg ausgesprochen: Die Regierung ist zu ermächtigen, und zwar mit rückwirkender Kraft ab 1. Juli 1920, zu bestimmen, welche Bezüge den Mitgliedern des Landesverwaltungsausschusses zugebilligt werden sollen. Während noch im Gesetze vom 14. April 1920 das festsetzt, daß außer dem Obmanne zehn Mitglieder durch die Regierung ernannt werden, die Regierung das Recht der Enthebung der Mitglieder der Landesverwaltungsausschüsse hat und im § 4 dieses Gesetzes die Bezüge wenigstens genannt und zahlenmäßig angeführt werden, soll diesmal überhaupt der Regierung eine generelle Vollmacht erteilt werden. Ich gebe ohneweiters zu, daß der Bezug von K 3000.- monatlich für den Vorsitzenden des Landesverwaltungsausschusses von Böhmen, K 2500. - für den Vorsitzenden-Stellvertreter und K 2000.- für die Mitglieder des Landesverwaltungsausschusses eine Entlohnung ist, mit der die betreffenden Herren ihre Amtspflicht nicht erfüllen können. Aber, meine Damen und Herren, es handelt sich hier nicht nur um eine Gehaltsregelung, sondern die Zustimmung zu dieser Regierungsvorlage hat doch auch ihre politische Bedeutung. Und wie immer man zur Entlohnung der Landesverwaltungsausschüsse steht, so muß doch die ganze Frage auch politisch beurteilt werden.
Wir lehnen die Regierungsvorlage aus politischen Gründen ab, weil wir uns mit aller Schärfe gegen diese Institution überhaupt wenden müssen, die durch die Revolutionsnationalversammlung geschaffen wurde, durch das Gesetz vom 14. April 1920, auch im letzten Moment, als das große Reinemachen in der Revolutionsnationalversammlung war, in der Zeit, als die Herren, die diese Versammlung gebildet hatten, sich darauf besinnen mußten, was noch alles zu regeln und zu ordnen sei, ehe die gewählte, durch den Willen des gesamten Volkes eingesetzte Versammlung über das Schicksal der Bevölkerung dieses Staates entscheiden sollte. In dieser Stimmung, in dieser Athmosphäre, bei den letzten Aufräumearbeiten beim Umbau und Aufbau dieses Staates wurde so im Handumdrehen und nebenher die Frage der politischen Landesverwaltung auf die Art erledigt, daß man auf diesem wichtigsten Gebiete der autonomen Verwaltung die Selbstverwaltung der Bevölkerung vollständig aufgehoben und an ihre Stelle den Regierungsabsolutismus gesetzt hat. (Sehr richtig!)
Die Beseitigung der Landtage hat natürlich bei den deutschen Arbeitern kein Wehklagen hervorgerufen. Wir waren in diesen Landtagen, die im alten Österreich schon Jahrzehnte hindurch arbeitsunfähig gewesen sind, nicht vertreten, es waren Körperschaften, die auf Grund des Privilegien-Wahlrechtes zusammengesetzt waren, in denen die Arbeiterschaft keine politischen Rechte ausüben konnte. Aber es waren doch wenigstens gewählte Körperschaften. Heute übt die Landesverwaltung die Regierung aus, schon seit längerer Zeit eine Regierung, die nur eine sehr lose Verbindung mit dem Parlamente hat, die nicht durch die Majorität des Parlamentes und deren Vertrauensmänner gebildet ist - sondern Beamte, Bürokraten, die vom Präsidenten der Republik ernannt wurden, deren Verbindung mit diesem Hause daher sehr mangelhaft ist.
Diese Herren haben nun darüber zu entscheiden, wie die obersten autonomen Verwaltungsbehörden beschaffen sein sollen, wie der oberste Verwaltungsdienst ausgeübt werden soll. Dieser Regierung, diesem rein bürokratischen Herrschaftsapparat werden alle Rechte übertragen, die früher durch gewählte Körperschaften ausgeübt wurden. Bei der Beschlußfassung des Gesetzes vom 14. April 1920 mögen sich die Herren in der ernannten Nationalversammlung wohl gedacht haben oder ließen es wenigstens so scheinen, daß es sich nur um ein Provisorium handle, um einen kurzen Übergang. Denn ungefähr um dieselbe Zeit, als die Landesverwaltung dem Regierungsabsolutismus ausgeliefert wurde, wurde ja auch das Gesetz über die Gauverfassung beschlossen. Seit diesem einen Jahr ist aber auf dem Gebiete des Ausbaues der politischen Landesverwaltung, der autonomen Verwaltung, nicht einmal in der Vorbereitung zur Durchführung des Gesetzes über die Gauverfassung das Geringste geschehen.