Meine Damen und Herren! Die Redezeit ist so kurz bemessen, daß ich nicht auf die verschiedenen Schikanen eingehen kann, die man bei der Auslegung des Staatsbürgerrechtsgesetzes mit den Begriffen èechoslovakische Rasse und Sprache mitgemacht hat. Es kommt vor - dies sei nur in Parenthese gesagt - daß z. B. Leute, welche Staatsdienste seit dem Umsturz der èechoslovakischen Republik geleistet haben, einfach aufs Pflaster geworfen werden, weil sie nicht definitiv sind und daher im Sinne des alten Heimatsgesetzes noch nicht die Staatsbürgerschaft am Orte ihrer Dienstleistung erworben haben. - Es kommt in neuester Zeit sogar vor, daß etwas unbequemeren Abgeordneten, deren Dekret vom Wahlgerichtshof bestätigt wurde, sagen wir's ehrlich - nachgeschnüffelt wird, ob bei ihnen wirklich die Voraussetzungen des Staatsbürgergesetzes zutreffen und daß sogar ein neuerliches Verfahren eingeleitet wird, um sie ihres Mandates zu entkleiden.
Meine Damen und Herren! Die ganze Praxis des Staatsbürgerrechtsgesetzes zeigt, daß es nicht Ernst damit ist, hier Recht zu schaffen, nie ernst damit war, sonst wäre es nicht nötig, daß wenn z. B. zwei Arbeiter in Botenwald um Zuerkennung des Staatsbürgerrechtes ansuchen, zuerst die Národní jednota befragt wird, und weil diese gesagt hat, die beiden Arbeiter seien nicht genügend verläßlich, die beiden Arbeiter das Anrecht verlieren, èechoslovakische Staatsbürger zu werden, wodurch sie den besseren Dienstposten als Werkmeister nicht erlangen können. Diese Beispiele ließen sich noch verhundertfachen oder vertausendfachen.
Und wenn man diese Praxis betrachtet, muß man zu jedem Vertragselaborat, welches die Verwirrung noch erhöht, ein ganz besonderes Mißtrauen haben. Es ist auch selbstverständlich, daß wir die Gelegenheit nicht vorüber gehen lassen können, zu sagen, daß wir eine èechoslovakische Sprache nicht kennen und daher dieses Kriterium der èechoslovakischen Sprache eben in der Tatsache niemals erbracht werden kann; das ist eine juristische Fiktion, die aber niemals als Tatsachenbeweis angewendet werden kann.
Der Vertrag leidet auch noch an einem anderen Mangel und das ist an dem Widerspruch in einzelnen Punkten zwischen dem Gesetz vom 9. April 1920 und dem Vertrag. Diese Widersprüche sind zwar scheinbar ziemlich kleinlich aber bei der Auslegung geben sie den Behörden Gelegenheit, diese Widersprüche, diese kleinen Divergenzen schikanös auszunützen. Nun, das scheint man zu wollen, denn in dem Vertrag ist auch die Bestimmung vorhanden, daß über die Optionen jener Staat entscheidet, zu dessen Gunsten optiert wird. Es besteht allerdings eine gemischte Kommission und ein Schiedsgericht, welches bei Meinungsverschiedenheiten zu entscheiden hat. Nun gelangen aber nach dem Vertrage vor die gemischte Kommission und vor das Schiedsgericht wieder nur jene Angelegenheiten, welche von der betreffenden Regierung vorgelegt werden, das heißt also, daß das Schiedsgericht, und die Kommission keine Instanz sind, weil einfach die Regierung eine Sache, die ihr nicht genehm ist, nicht vorlegen wird.
Ferner ist ein kleiner Lapsus passiert, scheinbar durch die Übersetzung aus dem ursprünglich französischen Text ins Èechische, indem es nämlich heißt, daß die Option des Ehegatten, des Mannes, auch für seine Gattin gilt. Dann heißt es weiter: Die Option der Eltern - im Èechischen rodièù - gilt auch für die Kinder. Was geschieht nun aber, wenn der Vater optiert, die Mutter aber nicht ausdrücklich optiert, sondern die Option des Mannes nur für sie gilt? Wohin gehören da die Kinder? In dem Gesetz vom 9. April 1920 ist ausdrücklich gesagt, daß die Option des Familienhauptes für die Frau und Kinder entscheidet. Nur wenn kein Vater mehr vorhanden ist, entscheidet für die Kinder die Option der Mutter.
Eine sehr große Härte, die ebenfalls in dem Staatsvertrag wiederkehrt und zwar nicht nur in diesem, sondern auch in dem Staatsvertrag mit der Republik Österreich enthalten ist, ist die, daß derjenige, der optiert, innerhalb eines Jahres das Land verlassen muß. Das ist eine sehr schwere Härte, begreiflich allerdings und man kann sich denken, warum diese Härte aufgenommen wurde. Es ist das ein sehr, sehr rabiater Zwang, der verhindert, dass jemand dorthin optiert, wohin ihn sein Herz zieht.
Der ganze Entwurf, der ganze Vertrag ist, wie ich bereits vorhin gesagt habe, nur dazu geeignet, die Verwirrung noch zu erhöhen. Verwirrung bedeutet immer Rechtsunsicherheit und wenn aus dieser Verwirrung insbesondere schon solche Konsequenzen gezogen wurden, wie dies aufgrund des Staatsbürgerrechtsgesetzes geschehen ist, so müssen wir den Vertrag ablehnen.
Gleichzeitig mit diesem Staatsvertrag wurde ein Gutachten vorgelegt zur Interpretation des § 64 Zl. 1 der Verfassungsurkunde. Ich will nur die wichtigsten Dinge dieses Gutachtens hervorheben. In der Verfassungsurkunde ist nichts darüber gesagt, ob die Zustimmung der Nationalversammlung zu den Staatsverträgen, welche im § 64 Zahl 1 genannt sind, vor der Ratifizierung oder nach derselben zu geben ist. Daraus schließt der Verfassungsauschuß in seinem Gutachten, daß es wohl gut wäre, vor der Ratifikation die Zustimmung der Nationalversammlung einzuholen, daß dies aber nicht sein muß.
Meine sehr verehrten Herren! Ich bin hier einer anderen Anschauung. Wenn in der Verfassungsurkunde nichts darüber steht - und das ist richtig - so muß die Verfassungsurkunde, wenn sie wirklich demokratisch ist, immer in dem Sinne interpretiert werden, daß die Prärogative der Volksvertretung möglichst erweitert wird. (Sehr richtig!) Denn der Präsident ist nichts anderes als der Chef der Regierungs- und Volzugsgewalt und wenn es sich um einen Kompetenzstreit zwischen Regierungs- und Vollzugsgewalt einerseits und der gesetzgebenden Gewalt andererseits handelt, so muß die Volksvertretung immer den Vorrang haben, mindestens bei jeder richtigen demokratischen Interpretation einer demokratischen Verfassung. Es hätte der Verfassungsauschuß schon ganz ruhig den Mut aufbringen, können, zu sagen, es ist die Zustimmung der Nationalversammlung vor der Ratifizierung einzuholen. (Sehr richtig!) In welcher Form ist die Zustimmung zu geben? Das steht in der Verfassungsurkunde auch nicht. Und da wird vom Verfassungsauschuß gesagt: Es wäre gut, wenn dies in Form eines Gesetzes geschähe; es kann aber auch in der Form eines Beschlusses erfolgen und erst nachher wird ein Gesetz gemacht. Es sei ein großer Unterschied zwischen internationaler Verpflichtung eines Vertrages und seiner innerstaatlichen Verpflichtung. Alle diese Ausflüchte beweisen nur, daß man irgend etwas hineininterpretieren möchte, um das Richtige, dass die Zustimmung in Form eines Gesetzes gegeben werden muss, auch ausschließen zu können. Nun aber kommt der Widerspruch. Es heißt im Gutachten des Verfassungsausschusses: Die Form des Gesetzes ist nicht notwendig, aber trotzdem ist das abgekürzte Verfahren möglich, obwohl es in der Geschäftsordnung ausdrücklich heißt: Regierungsentwürfe können im abgekürzten Verfahren erledigt werden.
Der Herr Referent hat sich bemüht, das Wort "osnova vládní" dahin zu interpretieren, daß dies jede Äusserung der Regierung sein kann. Es ist ihm dies wohl nicht gelungen und ich glaube, daß man nur den Versuch gemacht hat, das Unangenehme wegzuräumen und die Annehmlichkeit des raschen Durchpeitschens sich zu behalten.
Aber der Gipfelpunkt einer sehr, sehr rückschrittlichen Interpretation in dem Gutachten des Verfassungsausschusses ist wohl, daß Militärkonventionen der Zustimmung der Nationalversammlung angeblich nicht bedürfen. (Výkøiky: Hört! Hört! Schöne Demokratie!) Nun aber, meine Herren, heißt es in der Verfassungsurkunde ausdrücklich, daß jene internationalen Verträge der Zustimmung der Nationalversammlung bedürfen, aus welchen für den Staat oder für die Bürger irgendwelche materielle oder persönliche Lasten, insbesondere Militärlasten fließen. Ja, wenn eine Militärkonvention keine Militärlasten bedingt, und wenn man sich helfen will und sagt, erst die bestimmte Kriegserklärung, die bestimmte Aktivierung der Militärkonvention bedürfe der Zustimmung der Nationalversammlung, dann meine Herren, kann man nur eines sagen: wenn diese zweite Interpretation ehrlich ist, dann ist die Èechoslovakische Republik ein Staat, mit dem man einen Vertrag nicht schließen kann. Denn sie sagt selbst, die Militärkonvention bedeutet keine Belastung, keine Verpflichtung. Eine Belastung ist doch schon die bloße Verpflichtung, die man durch die Militärkonvention übernimmt. Also es ist wohl zweifellos, daß die Militärkonvention in die Aufzählung das Absatzes 1 des § 64 hineingehört, und der Verfassungsausschuß ist wahrscheinlich vor dem Ministerstvo národní obrany ein bischen zusammengeklappt. Der Resolutionsantrag, der diesem Gutachten beigedruckt ist, ist sehr ungenau. Da nämlich das Gutachten dahin ausklingt, zu sagen: "es wäre gut, es muß aber nicht sein", so ist selbstverständlich ein Auftrag an die Regierung, sich nach den Grundsätzen dieses Gutachtens zu richten, eigentlich kein Auftrag, denn sie kann sich bald an das "es wäre gut" halten, bald an das "es geht auch anders". (Nìmecké výkøiky.)
Um allen diesen Eventualitäten der Interpretation, sogar eines Resolutionsantrages aus dem Wege zu gehen, haben wir uns gestattet, einen Resolutionsantrag einzubringen, in welchem wir von der Regierung verlangen, sie möge eine Abänderung der Verfassungsurkunde in dem Sinne möglichst rasch ausarbeiten und dem Hause vorlegen, in welchem folgende Grundsätze aufgenommen sind:
1. Zu den im § 64 Zahl 1 enthaltenen internationalen Verträgen ist die Zustimmung der Nationalversammlung in Form eines Gesetzes und zwar vor der Ratifikation einzuholen,
2. Militärkonventionen sind - um jeden Zweifel auszuschließen - ausdrücklich in die Aufzählung jener Verträge aufzunehmen, welche der Genehmigung und zwar der vorherigen Genehmigung des Parlamentes bedürfen.
Wir ersuchen Sie, meine Damen
und Herren, dieser Resolution Ihre Zustimmung zu erteilen. (Potlesk
na levici.)
Hohes Haus! Ein klarer Vertrag mit Deutschland über die Staatsbürgerschaft wäre nur lebhaft und warm zu begrüßen. Aber selbst, wenn er mit vollkommener juristischer Exaktheit geprägt wäre, würde er der Republik blutwenig nützen. Wenige Reichsdeutsche würden sich nach der hiesigen Staatsbürgerschaft sehnen und sie zu erwerben trachten. Die vielen Reichsdeutschen, die unter uns leben, sie könnten ja unserem Staate als betriebsames Element nur herzlich willkommen sein. Doch das undemokratische Gehaben unserer Regierung stößt sie von Anfang ab. Unsere Demokratie liegt im Sterben, sie liegt im Todesschlummer. Mit allen ihren Blättern und auch im Auslande treiben Sie für Ihre Demokratie eine teuere Reklame, im Inlande dagegen, in Westböhmen, herrscht heute die Persekution. (Souhlas na levici.) Ausländer werden aus diesen Gründen abgestoßen, die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Wenn heute ein aus gutem Grunde mißliebiger Bezirkshauptmann oder Steuerinspektor beanständet wird, wenn man offene Ungesetzlichkeiten aufdeckt, wie es Pflicht eines Abgeordneten ist, wenn man die ungeregelte Verwaltung einer berechtigten, aber sachlichen Kritik unterzieht, dann sieht man darin überall ein Vergehen. Das ist böses Gewissen.
Man braucht heute kein Stürmer zu sein, man kann auch ein Mann von ruhiger, sachlicher Überlegung, von Verantwortungsgefühl sein, aber trotzdem ist man verpflichtet, diese öffentlichen Schäden scharf anzugeben. Heute schmachten dafür, für keine Schuld, ohne Schuldbewußtsein, sechs Unschuldige unserer Volksgenossen in der Einzelzelle des Kreisgerichfes in Pilsen. (Hört! Hört!) Gestern war es Pflicht aller Abgeordneten des Böhmerwaldgaues, nach Pilsen zu eilen und Vorstellungen zu erheben. Einer unserer Genossen hat ein totkrankes Kind, das im Sterben liegt. Gestern wurden von uns alle Rücksichten beiseite geschoben, alle Ausschüsse wurden nicht besucht, wir eilten unseren Volksgenossen zur Hilfe. Ohne Haftbefehl hat man sie hinweggeholt. (Hört! Hört!) Man hat sie herausgeschleppt wie Schwerverbrecher; mit aufgepflanztem Bajonett, aus ihren Wohnungen hat man sie herausgeholt von Weib und Kind. Beim Kreisgericht verabsäumte man, ihnen die Haftgrünoe mitzuteilen. Mit Umgehung der Gerichte wurde hier ein offensichtlicher Gewaltakt geübt. (Nìmecké výkøiky. - Pøedseda zvoní.) Eín Fluchtverdacht liegt nicht vor. (Výkøiky nìmecké. - Hluk. - Predseda zvoní.) Es war keine Behinderung der Zeugenaussagen zu befürchten. Es ist dies eine Justiz, böser als zur Zeit Ihres Freiheitskämpfers Karl Havlíèek (Výkøiky na levici), reaktionär bis in die Knochen. Dafür gibt man die Einzelhaft, dafür will man der Bevölkerung die Waffenpässe zu einer Zeit entziehen, da in Westböhmen die öffentliche Unsicherheit den Schutz des Eigentums verlangt. Vor kurzer Zeit wurden zwei Diebe und Mörder erschossen. Große Delikte wurden . . . . (Nìmecké výkøiky.) Und da sollen die Waffenpässe ausgeliefert werden.
In Mies aber hat man andere Sorgen. Ich will sachlich und ruhig die Sache behandeln. Man hat mit Beschuldigungen und Verdächtigungen nicht gespart, gewisse Blätter schnüffeln nach Delikten, lauter Tartufferie, lauter Unwahrheit. (Výkøiky nìmecké.) Kollege Srdínko hat ganz richtig . . . . (Nìmecké výkøiky.) So laßt mich doch ein bischen sprechen! (Výkøiky posl. dr. Hanreicha.) Kollege Srdínko hat in einem èechischen Blatte geschrieben, daß in vielen Fällen die Steuernervosität berechtigt ist. Ich gebe ihm Recht. Man hat Unwahrheiten geschrieben, hat von Nervenschocks geschrieben, und die Herren, die die Nervenschocks hatten, haben am Nachmittag wundervoll ihr Pilsner getrunken. Man beschuldigt uns der Habsburgeragitation. Eine nackte lächerliche Unwahrheit. Nach den bitteren Erfahrungen des Weltkrieges haben wir doch kein Verlangen nach einer neuen Sixtus- oder Parma-Episode. Wir haben andere Sorgen, die uns in dieser Zeit tiefer drücken. Die Versammlung in Mies, die als Ausgangspunkt genommen wird, hatte absolut keine antistaatliche Tendenz. Das konstatiere ich von allem Anbeginn an. Die Versammlung war ordnungsmäßig bewilligt, Ruhe und Ordnung wurden bis zum letzten Punkte bewahrt. Was in den Interpellationen behauptet wird, ist nackte Unwahrheit. (Nìmecké výkøiky.) Daß in irgend einer Weise an einem staatlichen Amte Gewalt geübt wurde, ist nicht wahr, ich stehe mit meinem Worte dafür ein, daß bloß deputativ zu den Ämtern gegangen wurde. Die Berichte der Steuerbehörde waren befriedigend und wurden sogar mit Befriedigung von der Menge zum Schlusse zur Kenntnis genommen. Also kein Atom von Gewalt, kein Atom von Unrecht ist jemandem geschehen. Was sich in Mies ereignet hat, war eine gerechte gesetzliche Abwehr. Druck erzeugt Gegendruck. So zu handeln, wie man in Mies gehandelt hat, ist das unveräußerliche Recht eines jeden Staatsbürgers. Wenn heute Ihr Freiheitskämpfer Havlíèek aufstehen würde, er würde staunen, welcher Mißbrauch in diesem Staate von der neuerworbenen Freiheit gemacht wird. Sie beschuldigen unsere Leute einer temperamentvollen Agitation. Ja, meine Herren, heißt es denn . . . (Stálé nìmecké výkøiky.) Ihr laßt mich ja selbst nicht reden, Ihr stört mich ja selbst. Man beschuldigt unsere Leute einer temperamentvollen Agitation. Sollen etwa unsere Männer beim Anblick all des Schadens Hofratsmanieren zur Schau tragen? Wir halten es mit Eötvös: Unsere Jugend soll Feuer haben; wenn die Jugend schon wie Hofräte spricht, gehört sie zum alten Eisen. In Mies vollzog sich alles in bester Ordnung, in bestem Frieden; all die Pilsner und Prager Exzesse, die Eigentumsdelikte kamen in Mies nicht vor. So weit haben wir es noch nicht gebracht. Unter uns ist kein einziger Abgeordneter, der nicht wegen seiner politischen Anschauung von reaktionären Elementen, reaktionär von rechts und reaktionär von links, nicht hätte einmal gekreuzigt werden können. Oder gibt es vielleicht solche Lämmchen? Vielleicht in der zahmen Slovakei?
An sechs schlichten Männern, die
nicht einmal die Verantwortung tragen, die nur in Auftrag gehandelt
haben, will man sein Mütchen kühlen. Das ist doch direkt kleinlich.
Aber jetzt kommt der springende Punkt. Die Sache liegt tiefer.
In Mies ist ein Golgatha der Seelen aufgebaut. Ministerialrat
Kozlanský hat dort ein Gewaltregime aufgebaut, ich werde sachliche
Beweise bringen ohne Phrase, ohne Überschwang, Sie überzeugen,
wenn Sie überzeugungsfähig sind. Vernünftige Bezirkshauptleute
suchen die Spitze der bösen Gesetze abzubrechen, sie suchen mildernd
und ausgleichend zu wirken. In Mies geschieht das Gegenteil. Ein
Verdienst hat allerdings Ministerialrat Kozlanský und dieses besteht
darin, daß er durch seine Rüdheit uns, alle Deutschen, geeinigt
hat, alle Parteien, die wir dort sind. Es verlautet, daß angeblich
Kozlanský auf Urlaub gehen soll. Sollte das vielleicht die Vorstufe
zu seinem Abgange sein? Es wäre unklug, in dieser Glorie ihn abgehen
zu lassen und diesem Herrn die Glorie des Märtyrers zu geben.
Jeder, der es ehrlich meint, und auch Sie, meine Herren Kollegen,
wenn Sie es ehrlich meinen mit Ihrem Staate, müssen die Unhaltbarkeit
dieser Zustände einsehen. Schon die Staatsraison an sich würde
hier Remedur gebieten. Wenn der gestrenge Ministerialrat Kozlanský,
- und jetzt kommt ein interessantes Faktum -, seinen Amtssitz
wechseln sollte, dann bitte ich zuvor in Neupaka anzufragen beim
Sokol, ob er in Neu-Paka genehm ist. Sie dürften von Neu-Paka
eine recht interessante Nachricht erfahren, die sich mit der Auffassung
der Deutschen in Mies vollkommen deckt. Mies will ihn nicht, Neu-Paka
auch nicht, also wohin? Karpathorußland oder Slovakei. (Nepokoj.
Nìmecké výkøiky.) Die Bevölkerung draußen, die ohnehin mit
so großen Sorgen ringt, die ohnehin mit den Nachkriegssorgen vollständig
erfüllt ist, muß für die vielen Opfer, die sie dem Staate bringt,
noch drangsaliert werden. Die alte Silberbergstadt Mies, die altehrwürdige
Stadt hat schwere Stunden zu erleben. Bei den Behörden ist es
wie bei einer Frau. Von denen man am wenigsten hört, das sind
gewöhnlich die Besten. Und die Mieser politische Behörde sorgt
emsig dafür, daß sie aus dem Tagesgespräch der Männer, der Blätter
und der Offentlichkeit nicht scheidet. Der Herr Ministerialrat
Kozlanský mengt sich in andere Kompetenzen ein. Es ist ein offenes
Geheimnis in ganz Mies, daß er die treibende Kraft war, als die
deutschen Rekruten beim Volksfest in Mies mitmarschierten, daß
über sie Kasernarrest verhängt wurde. Ich konstatiere - wir sind
gerecht -, daß in Mies ein Kommandant der Garnison, ein Legionärsmajor
ist, ein gerechter Mann mit urbanen Formen, der sich selbst nicht
mit dem Statthaltereirat verträgt. (Hluk. - Pøedseda
zvoní.) Das Kapitel Volkszählung will ich nicht berühren,
nicht ausführen, daß er uns zu Tode gezählt und zu Tode gelogen
hat; das würde höchstens Ihren Beifall finden. Aber noch mehr.
Er hat in einem Falle - und das ist bezeichnend, ich appeliere
an Sie, meine Herren von der agrarischen Seite, aber der Appell
wird müßig sein - wir beschuldigen, und die Beweise liegen im
Mi nisterium des Innern, ihn der gewaltsamen Zerstörung einer
erfolgreichen Kommassation in Rot-Aujezd, die einzige Kommassation
in Westböhmen, die mit grossen Mitteln, mit staatlichen und privaten
Mitteln erzielt wurde. Er greift unseren deutschen Bauern an die
Scholle, zerstört das, was mit staatlichen Mitteln dort produziert
wurde. Das geht unseren Leuten ans Herz, wenn man ihnen die Scholle
nimmt, um aus nationaler Einseitigkeit der Katasterfiguration
eine andere Gestalt zu geben, andere Mehrheiten und Minderheiten
zu schaffen. (Nepokoj. - Pøedseda zvoní.) Die ergrauten
alten Bürger in Mies haben ein bezeichnendes Wort erfunden. Sie
sagen: unser Ministerialrat kennt alle Paragraphen bei den Leuten,
seine eigenen aber kennt er nicht. Und noch etwas. Es ist nicht
meine Absicht Sottisen auszuteilen. Aber ich muß die Wahrheit
konstatieren, durch solche Sachen leidet die Autorität der Behörden,
leidet die Autorität des Staates und wenn ich jetzt eine Sottise
sagen werde, entspricht sie der Wahrheit: Die halbwüchsigen Jungen
in Mies, wenn sie einander begrobsen wollen, haben das Wort geprägt:
"Du Kozlanský, Du." (Veselost na levici.) Wird
dadurch die Autorität der Behörden gehoben? Nein. Der Ministerialrat
stört das ruhige Zusammenleben der beiden Nationalitäten. Die
èechische Minorität in Sekeøan hat seinerzeit ohne Nötigung eine
mit Unterschriften bedeckte Zuschriift an uns gerichtet, daß sie
für gewisse Verfügungen nicht verantwortlich gemacht werden, daß
sie mit den Staatsbürgern deutscher Nationalität in Frieden leben
wollen. Er zerstört das Zusammenleben ständig, er vergiftet die
Atmosphäre von Tag zu Tag. De Vallera, der irische Patriot, hat
gestern den Ausspruch getan: Es gibt keinen Grund, weshalb die
Völker beider englischen Inseln nicht einig bleiben sollten. Anknüpfend
sage ich, es gibt keinen Grund, wenn Sie wirklich ein wahrhaft
demokratisches Regime, eine wirkliche Schweiz hätten errichten
wollen, daß auch hier Gerechtigkeit herrscht. (Smích na levici.)
Aber so bringen Sie nur zuwege, daß sich die Völker dieses
Staates, wie sie auch heißen mögen, nur ins Weisse schauen können,
traurig aber wahr, ein Fluch dieses Staates und der Untergang
der Demokratie und leider auch der Untergang anderer. Wenn Sie
Delikte konstruieren wollen, künstliche und sachliche, dann müssen
Sie einen anderen Maßstab anlegen als er bei den 6 Inhaftierten
angelegt wird, nicht diesen kleinlichen Maßstab, nein, sondern
den Maßstab eines Ihrer Männer, einen großzügigen Maßstab, der,
um sein Volk zu befreien, in großzügiger, ich sage nur Agitation,
ich könnte anders sagen, meine Herren, aus dem Vollen geschöpft
hat. Solche Männer haben wir bis jetzt nicht, aber Statthaltereirat
Kozlanský ist auf dem besten Wege, solche Männer zu produzieren.
Er ist derjenige, der in den. Deutschen die Irredenta von Natur
aus weckt. Bedanken Sie sich bei ihm. Wir haben in Mies offene
Ungesetzlichkeiten nachgewiesen, so ähnlich, wie Kollege Srdínko
es in den Blättern dieser Tage angezogen hat. Es ist unsere Pflicht
dies zu tun, wir haben es bei den Versammlungen betont, daß wir
auf dem Boden des Gesetzes stehen. Das wurde einleitend betont.
Was die Presse bringt, ist Tartüfferie, Heuchelei gröbster Art.
Wir haben konstatiert, auch anderswo zum Beispiel, daß die Bauern
und Gewerbetreibenden von Bischofteinitz ein gleich schönes Lied
von Steuerdruck singen können, der in ungesetzlicher Form nachweisbar
einsetzte. Zwei Èechen von Bischofteinitz haben mich ersucht,
diesbezüglich zu intervenieren. Das gibt doch zu denken. Sind
Sie wahrhaft freidenkende Männer, so wünschen wir und fordern
wir die Enthaftung der Inhaftierten. Wir fordern ihre Entschädigung
und wünschen, daß diejenigen zur Verantwortung gezogen werden,
welche an dieser Persekution schuld sind. Ist dies nicht der Fall
- ich schließe, meine Zeit ist um -, dann allerdings können Sie
an den Völkerbund melden, in der èsl. Republik, im èsl. Freistaate
geht die Freiheit in Liquidation. (Potlesk na levici.)
Meine verehrten Damen und Herren! Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß zur gleichen Zeit beinahe über die Interpellation des geehrten Herrn Kollegen Dr. Hajn und über den Staatsvertrag zwischen der Èechoslovakei und dem Deutschen Reiche in diesem Hause verhandelt wird. Es ist infolgedessen keine Abschweifung vom Gegenstand, wenn ich mir erlaube, auch über diese Interpellation, die jetzt hier vielleicht ad calendas graecas verschoben ist, einige Worte zu verlieren. Denn wenn wir warten wollten, bis der Herr Minister der Äußeren einmal in diesem Hause erscheint, dann könnten wir erfahrungsgemäß sehr lange warten und bis dorthin ist die Interpellation gegenstandslos geworden, und wir können uns zu dieser merkwürdigen Interpellation nicht mehr äußern.
Die Interpellation des Kollegen Dr. Hajn erklärt es als eine Einmengung in die inneren Verhältnisse dieses Staates, wenn Minister Dr. Simons den Wunsch ausgesprochen hat, daß freundschaftliche Beziehungen zwischen diesem Staate und dem deutschen Reiche herrschen sollen, und daß zu diesem Zwecke alles weggeräumt werden möge, was diese freundschaftlichen Beziehungen hindern kann. Wenn er dabei auf die Ereignisse vom 16. November hinwies, ebenso wie der Gesandte Sänger, muß jeder vernünftige Mensch einsehen, daß das ein Stein ist, der der Anbahnung solcher freundschaftlicher Beziehungen im Wege steht. Denn Sie werden das deutsche Volk doch nicht für so national schon am Boden liegend halten, daß es den 60 oder 70 Millionen Deutscher draußen außerhalb der weiß-roten Grenzpfähle vollkommen gleichgiltig ist, was Sie hier innerhalb dieser weiß-roten Grenzpfähle mit den 3,800.000 Deutschen treiben. Und Sie werden doch nicht unsere deutschen Brüder drüben für so verrückt halten, daß sie die Sehnsucht haben, mit Ihnen und mit diesem Staate freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten, und dadurch diesen Staat zu stärken und zu konsolidieren, und ihm damit wieder weitere Mittel in die Hand zu geben, mit denen die Deutschen hier unterdrückt werden. Infolgedessen ist das keine Einmengung gewesen. Übrigens ist es eine Überhebung (Výkøik: Eíne Frechheit!), wenn man ein zartes Wort brauchen will, wenn die Interpellation von einer Einmengung in die Verhältnisse dieses Staates spricht, während Vertreter dieses Staates sich ununterbrochen, wie schon erklärt wurde, in die Verhältnisse des Deutschen Reiches einmengen. (Výkøik: Und Ungarn!) Ich rede jetzt deshalb vom Deutschen Reiche, weil behauptet wird, Deutschland hätte sich hier eingemengt und will die übrigen Staaten, in die man sich ununterbrochen einmengt, außer Acht lassen. Ich erinnere daran, daß der Herr Minister Dr. Beneš einmal bezüglich der oberschlesischen Frage erklärt hat, er stehe auf dem Standpunkte des Friedensvertrages, er wünsche aber, daß das slavisch bleibt, was slavisch war. Das hat er derart gemeint, daß Oberschlesien zu Polen fallen soll und hat sich dadurch in die deutschen Verhältnisse eingemengt.
Ich erinnere ferner daran, in welcher Weise man von hier aus das Deutsche Reich bei seinen Bestrebungen, eine Politik der Ruhe zu befolgen, behandelt, an die Behandlung der Selbstschutzleute, die auf èechoslovakisches Gebiet übergetreten sind und als Kriegsgefangene in das Gefangenenlager nach Pardubitz verschleppt wurden, wo sie wie Schwerverbrecher gefangen gehalten werden. Ich erinnere an den Erlaß der schlesischen Landesregierung, der Ihnen vielleicht nicht bekannt ist, und der in einem demokratischen Staatwesen sich sehr hübsch anschaut, ein Erlaß, in welchem die Gendarmerie den Auftrag erhält, jeden währfähigen èechoslovakischen Staatsbürger, der in den Reihen des Selbstschutzes gegen die polnischen Mordbrenner gekämpft hat, sofort zu verhaften und den Gerichten zu überstellen. Ich habe, nachdem einige solche Verhaftungen erfolgt sind, mich beim Gericht erkundigt, aufgrund welcher Bestimmungen die Leute verhaftet worden sind. Das Gericht erklärte, es wisse das nicht, es habe sich bereits an die Bezirkshauptmannschaft nach Freiwaldau gewendet.
Die Bezirkshauptmannschaft in
Freiwaldau sagte auch, sie wisse es nicht, es sei nur ein Erlaß
der Landesregierung da, der anordnet, diese Leute zu verhaften,
und bei der Landesregierung erklärte mir ein Polizeioberkommissär
die Sache so: im § 6 Wehrgesetz steht, man darf in ausländische
Militär-Dienste nur mit Bewilligung seiner Majestät (Veselost
na levici.) des Präsidenten dieser Republik treten; eine Strafe
für die Übergehung dieser Vorschrift ist im Wehrgesetz aber nicht
vorgesehen. Deshalb tritt hier das Prügelpatent aus dem Jahre
1854 mit der Bestrafung vom Jahre 1857 in Kraft, d. h. ein solcher
Schwerverbrecher ist höchstens mit 14 Tagen Arrest oder 100 Gulden
Geldstrafe zu bestrafen! Und wegen eines solchen Deliktes, nach
welchem im Gesetz selbst die Höchststrafe mit 14 Tagen angesetzt
ist, werden die Leute auf der Straße zusammengefangen und den
Gerichten überstellt und bleiben solange in Untersuchungshaft,
bis man irgend ein Delikt gefunden hat, das man auf sie in Anwendung
bringen kann. Und wenn man innerhalb einiger Monate nichts findet,
werden sie ohne jede Entschuldigung oder Entschädigung aus der
Untersuchungshaft wieder entlassen. Wenn man bei einem solchen
Mann, der im Selbstschutz gekämpft hat, ein Büchel mit einigen
Adressen findet, wird die Untersuchungshaft mit dem Verdachte
des Verbrechens unbefugter Werbung gerechtfertigt, findet man
bei ihm einige Mark oder Kronen so heißt es gleich, er hat wahrscheinlich
geraubt, geplündert oder gestohlen, es besteht daher der Verdacht
des Verbrechens des Diebstahls. So werden im nachhinein alle Verdachtsmomente
konstruiert, um unsere Deutschen, welche den deutschen Brüdern
drüben bei der Abwehr des polnischen Aufstandes geholfen haben,
in die Arreste wandern lassen zu können. Ich erinnere ferner daran,
in welcher Weise der èechische Staat, die èechische Bevölkerung
in diesem Staate nach Glatz und nach der Lausitz schielt, wie
der èechische Löwe den einen seiner zwei Schwänze nach der Glatz,
den anderen nach der Lausitz ringelt, um auch sie noch einzustecken.