Sobota 17. prosince 1921

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 111. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v sobotu dne 17. prosince 1921.

Øeè posl. dr. Haase (viz str. 1700 protokolu):

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den letzten Vorgängen in diesem hohen Hause, nach den sich immer wiederholenden Beweisen für die völlige Grundsatzlosigkeit der Majoritätsparteien, die sich damit begnügen, wenn sie eine zur Irreführung der Bevölkerung geeignete Ausrede für ihre Grundsatzlosigkeit finden, darf es wohl niemand wundernehmen, wenn die gröblichste Verletzung grundsätzlicher Prinzipien aus dem Willen der "Pìtka" heraus auch die Strafrechtspflege ergreift. Wir haben folgende verfassungsgerichtliche Bestimmung: Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden. Ferner haben wir, bereits geerbt aus den Jahren 1803 und 1852, die Bestimmung, welche der Jurist in die Worte faßt: "Nullum crimen sine lege, nulla poena sine lege," d. h. es darf nur das als Verbrechen, Vergehen oder Übertretung mit den im Gesetz angeführten Strafen belegt werden, was im Gesetze ausdrücklich als Verbrechen, Vergehen und Übertretung angeführt ist. Gnaden gibt es keine, Überschreitungen der Strafbefugnisse durch Verschärfung der Qualifikation gibt es auch nicht. Das ist das wesentlichste Schutzmittel der Staatsbürger, daß im Strafgesetz auch der Analogieschluß ausgeschlossen ist.

Weiter haben wir eine besondere Bestimmung in der Strafprozeßordnung vom Jahre 1873, daß der Staatsanwalt keine entscheidende Behörde ist, sondern daß der Staatsanwalt Parteienvertreter ist, er vertritt die Partei "Staat". Die Verfügung des Ständigen Ausschusses, deren Geltungsdauer jetzt verlängert werden soll, hat der Staatsanwaltschaft schon ine Machtvollkommenheit gegeben, welche mit diesen grundlegenden Prinzipien des Strafrechtes in direktem Gegensatze steht, indem nämlich dem Staatsanwalt das Recht gegeben wurde, die Kompetenz in der Richtung zu ändern, daß die der kollegialen Gerichtsbarkeit nach dem Gesetzezustehenden Strafsachen der Einzelgerichtsbarkeit zugewiesen werden können. Allerdings hat man ein Pflaster aufgesetzt und hat gesagt: Der Staatsanwalt muß in diesem Falle auch beantragen, bzw. das Gericht muß so entscheiden, daß die Strafe niemals höher als 6 Monate sein darf. Und noch ein scheinbares Pflaster: man darf sich gegen diese Zuweisung an den Einzelrichter beschweren. Nun, meine Damen und Herren, das ist ja sehr schlau ausgedacht. Wenn man sich gegen die Zuweisung an den Einzelrichter beschwert, so riskiert man eventuell einen höheren Strafsatz als 6 Monate; und nicht nur das, man riskiert, weil ja die Richter auch nur Menschen sind - und ich weiß aus meiner Praxis, daß solche Fälle vorkommen daß man eventuell einen Einzelrichter, der dann auch im Senat sitzt, deshalb, weil man ihn gewissermaßen aus Mangel an Vertrauen als Einzelrichter abgelehnt hat, nicht gut stimmt; daher kommt es, daß schließlich und endlich die Staatsanwaltschaft sowohl über die Kompetenz als auch über die Strafhöhe entscheidet. Es ist ja sehr schön und gut, uns die Staatsanwaltschaft so ein bißchen sympathisch machen zu wollen, indem man gleichzeitig den Strafsatz niedriger ansetzt. Begründet wird dieser Angriff auf die Grundfesten der Strafrechtspflege damit, daß wir Richtermangel haben, kurz mit dem Schlagwort von der Gerichtsentlastung.

Wir haben schon seinerzeit, bei der Beratung dieser Verfügung des Ständigen Ausschusses davor gewarnt, sich auf die schiefe Ebene zu begeben, und haben gesagt: wenn man einmal die die Staatsbürger schützenden Grundsätze des Strafrechtes verletzt, wenn man einmal Bresche schlägt, dann hat wohl die Sache schon nicht viel Halt und es folgen dieser einen Verletzung neuerliche.

Wir waren aber nicht nur negativ, wir haben auch gesagt, wie man gleichzeitig zwei Dinge erledigen kann, einerseits die Rücksichtnahme auf die Entwertung des Geldes und andererseits auch die Gerichtsentlastung. Es ist dies die weitere Ausdehnung der lex Ofner. Damals ist die lex Ofner auch in der Form eines Resolutionsantrages gefallen. Nun verwirklicht sich unsere Befürchtung, die wir damals hatten. Die Regierung geht um einen Schritt weiter und gibt jetzt der Staatsanwaltschaft auch die Machtvollkommenheit, die Qualifikation der Tat als Verbrechen oder Übertretung selbst zu bestimmen in jenen Fällen, wo die Qualifikation als Verbrechen abhängig ist von dem Werte des Gegenstandes. Nun sieht dies wiederum sehr schön aus. Die Staatsanwaltschaft geht hinunter mit der Qualifikation. Sie qualifiziert etwas, was normal nach dem Strafgesetzbuch ein Verbrechen wäre, als Übertretung. Aber, meine Damen und Herren, niemand hat einen Anspruch darauf, auch wenn die im Gesetz gegebenen Voraussetzungen da sind, daß nämlich Rücksicht zu nehmen ist auf die Entwertung des Geldes, durch welche die Höherwertigkeit des angegriffenen Gegenstandes entsteht, daß es sich hier auch um einen Menschen handelt, den man nicht als gemeingefährlich bezeichnen kann für das Eigentum, und daß die Tat auch nicht besonders qualifiziert ist. Auch wenn alle diese Voraussetzungen vorlie gen, so kann der Staatsanwalt trotzdem, auch wenn es sich um Sachen handelt, die 50 K Wert haben, die Bestrafung wegen Verbrechens beantragen. Er ist nicht ver pflichtet, die Bestrafung wegen Übertretung zu beantragen, die mildere Qualifikation vorzunehmen. Nun, meine Herren, ich glaube nicht, daß die Versicherung, daß die Staatsanwälte Gnade walten lassen werden, uns beruhigen kann. Denn im großen und ganzen können wir uns auf die Staatsanwälte doch nicht so ohne weiteres verlassen. Denn dieselben Staatsanwälte, die wütend konfiszieren, dieselben Staatsanwälte, die so häufig an den Tag legen, daß sie die Zeichen der Zeit nicht verstehen, dieselben Staatsanwälte, die sich freuen, wenn sie bei einer Arbeiterbewegung möglichst viele in das Kriminal hineinreißen können, können nicht unser Vertrauen finden, daß sie das Richtige treffen und soziales Empfinden zeigen werden.

Nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch einen kleinen Ausschnitt liefern, an einem speziellen Falle zeigen, wie wenig Grund wir haben, vielen Staatsanwälten Vertrauen entgegenzubringen. Es war beim Landesgerichte Troppau. In Odrau spielte sich eine kleine Prügelei ab, bei der ein Oberförster verdroschen wurde. In einer Entfernung von ca. 150 Schritten standen unabhängig von einander drei Arbeiter. Aus dem Wirtschaftshause, vor welchem sich diese Sache abspielte, stürzten drei Herren heraus und sagten: "Was ist den da los?" Und zufälligerweise haben dann unabhängig von einander diese drei Arbeiter gesagt: " Geht nicht hin, Ihr könntet dort Haue bekommen." Die Sache hat nach der Anzeige den Anstrich gehabt, daß es sich um irgendeine Forderung gehandelt hat, wegen deren Ablehnung der Oberförster Prügel bekommen hat. Die Staatsanwaltschaft Troppau hat aus dieser Äußerung "Gehts nicht hin, Ihr könntet Prügel bekommen" die Beihilfe zur Einschränkung der persönlichen Freiheit, begangen an dem Oberförster, gemacht.

Eine herrliche Konstruktion, wunderbar! (Posl. dr. Kafka: Der fällt bei der Staatsprüfung durch!) Richtig! Was nützt das aber dem Angeklagten, wenn der Vorsitzende den Standpunkt einnimmt, daß, wenn der Staatsanwalt schon geklagt hat, doch etwas daran sein müsse.

Und nun, meine Herren, als bei einer Verhandlung über einen notorischen Haderlumpen, der von Gericht stand, über ein mehrfach vorbestraftes arbeitsscheues Individuum, erzählt wurde, daß er in einem verrufenen Lokal veruntreutes Geld in Champagner vertrunken hat, da hat derselbe Staatsanwalt die Äußerung getan: "Da sieht man, wie es den Arbeitern gut geht!" Diese Anklage, um die Kommunisten oder die Sozialisten zu schlagen, die früher erwähnte Anklage mit dieser Äußerung zeigt, welchen Geistes viele Staatsanwälte noch heute sind. Prinzipiell ist etwas derartiges, wie es hier in dem § 9 des Gesetzes steht, nichts anderes, als der Beginn der Kabinetsjustiz; denn das Ministerium sagt: wir wollen die lex Ofner nicht einführen, wir können sie nicht ausbauen, weil wir es in der Hand und die Möglichkeit haben müssen, die Gerichtsbarkeit durch administrative Verfügungen anzupassen. Ja, meine Damen und Herren, das Anpassen der Gerichtsbarkeit durch Verfügung des Justizministeriums, das ist eben der Beginn der Kabinetsjustiz. Und wenn wir bei den Vermögensdelikten anfangen, dann weiß ich nicht, wo wir dann aufhören werden. Daß das beantragte System auch ein Schwanken in der Rechtspflege herbeiführen wird, wird wohl jedem klar, der weiß, wie häufig in diesem Staate die Ministerien wechseln, der auch weiß, daß die "Pìtka", obwohl sie gestern sich so kolossal konsolidiert gezeigt hat, eigentlich im Inneren doch nicht konsolidiert ist und auch nicht konsolidiert sein kann. Und das wird sich immer ändern nach der Person des Ministers. Also, die ganze Gerichtsbarkeit wird schwanken, und der geschätzte Staatsbürger hat überhaupt nach diesem Gesetz kein Recht, sich zur Wehre zu setzen. Nun, meine Herren, wir haben seinerzeit den Antrag gestellt, die lex Ofner auszubauen; im Motivenbericht des Ausschusses weist der Referent auch noch heute die lex Ofner zurück und zwar deshalb, weil unsere valutarischen Verhältnisse so unkonsolidiert seien, sie könnten so schwanken wie z. B. in Wien! Sonst hört man das nicht, sonst sind wir ein konsolidierter Staat mit konsolidierten, wirtschaftlichen Verhältnissen. Aber hier, wenn es sich darum handelt, die Macht der Staatsanwaltschaft und des Justizministeriums zu befestigen, zu vergrößern, da sind unsere Verhältnisse nicht konsolidiert.

Nun ist die Sache weiter folgende: Es liegt schon im Motivenberichte, im Berichte des Referenten, ein kleiner logischer Sprung. Er weist die Möglichkeit, die lex Ofner auszubauen, ab, und am Schlusse empfiehlt er den Resolutionsan trag des Abgeordneten Dr. Patejdl, der nichts andres verlangt, als einen Ge setzentwurf, welcher die lex Ofner aus baut. Der Antrag Dr. Patejdl ist fast ganz wörtlich gleichlautend mit der Einleitung unseres seinerzeitigen Resolu tionsantrages, der abgelehnt wurde; nur haben wir den Antrag ausgebaut, indem wir die Zifferngrenze hinzufügten. Nun, meine Herren, da sieht man wieder, wie in diesem hohen Hause die Regel gilt: "Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe." (Posl. dr. Kafka: Kennen Sie nicht das alte èechisc he Sprichwort: to jest nìco jiného?) Das ist richtig, ich habe es nur deutsch gesagt. Als eine deutsche Partei den Antrag gestellt hat, da war er schlecht und wurde von der "vìtšina" abgelehnt. Heute aber hat ein Herr Abgeordneter, der wahr scheinlich nichts von unserem Antrage ge wußt, weil er dem Hause damals noch nicht angehört hat, zum Schrecken der Herren der Pìtkaparteien diesen Antrag gestellt - draußen war er und man konnte ihn nicht mehr gut ablehnen. Es war ja nicht nur ein Mitglied der Majorität, sondern noch dazu ein legionáø. Da ging es natür lich nicht anders, und es wird heute derselbe Resolutionsantrag empfohlen, obwohl auf der dritten oder vierten Seite des Motivenberichtes steht, daß die lex Ofner ganz unmöglich ist.

Meine Herren! Wir lehnen das ganze System ab, welches in diesem Gesetz ent halten ist. Obwohl wir wissen, daß uns das Ablehnen nichts nützt, daß Überzeugungs versuche vollständig in den Wind gesprochen sind - denn wenn die "Pìtka" einmal etwas beschlossen hat, dann muß die Geschichte halten, koste es was es wolle, so bin ich doch überzeugt, meine verehrten Herren und Damen, daß alle Juristen, die hier in dem hohen Hause sitzen, mögen sie welcher Partei immer angehören, meiner Ansicht sind, daß dieses Gesetz gefährlich ist, daß es die Grundfesten der Strafrechtspflege erschüttert. (Posl. dr. Kafka: Es gibt keine voraussetzungslose Rechtswissenschaft. - Veselost na levici.) Trotzdem werden aber alle Angehörigen der Majoritätsparteien glatt für die Vorlage stimmen, trotz ihres juristischen Gewissens, welches dagegen spricht. Wir wollen wenigstens doch noch den Versuch machen, das, was an dem Gesetzentwurf zu reparieren ist, zu verbessern und zwar in der Richtung, daß wir diesen § 9, der nunmehr eingefügt wurde in das frühere "Opatøení Stálého výboru", insoferne reformieren, daß wir uns der Formulierung anschließen, welche in dem vorhergehenden Paragraphen enthalten ist und zwar in der Weise, daß nicht nur der Staatsanwalt das Recht hat, unter den gegebenen Voraussetzungen statt Verbrechensqualifikation Übertretungsqualifikation zu beantragen, sondern daß auch das Gericht ohne Antrag des Staatsanwal tes in den angeführten Fällen wegen Übertretung verurteilen kann. Wir wissen wohl, daß auch so bis zu einem gewissen Grade immer noch die Willkür bleibt, aber nicht mehr die Willkür einer administrativen Behörde, wie es die Staatsanwaltschaft ist, sondern eventuell ein Irrtum des Gerichtes. Zu den Gerichten haben wir bis zum heutigen Tage im allgemeinen noch immer jedenfalls viel mehr Zutrauen als zu den Staatsanwaltschaften. (Posl. Kreibich: Bei der Behörden der Pìtka ist es umgekehrt!) Das ist Auffassungssache bezüglich der Stellung zur Administrative. Wenn Sie nun, meine Herren, diesen Abänderungsantrag ablehnen, und die Regierungsvorlage unverändert annehmen, so zertrümmern Sie, wenigstens meiner Ansicht nach, die Strafrechtspflege, Sie untergraben damit aber auch zweifellos das Vertrauen der Bevölkerung zum Staate und schädigen damit selbst aufs schwerste Ihren Staat, auch dann, wenn Sie sich darauf ausreden, daß es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handelt. (Souhlas a potlesk na levici.)

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