Es heißt hier in der Übersetzung: Das Ministerium für soziale Fürsorge wird ermächtigt, in Ausnahmsfällen im Einvernehmen mit dem Finanzministerium den Zuschuß für vierKinder über 21 Jahren zu bewilligen, sofern sie vollkommen erwerbsunfähig sind. Wenn Sie diese Worte "wenn sie vollkommen erwerbsunfähig sind" stehen lassen, wird es sicher sein, daß die Staatsverwaltung niemals einen derartigen Zuschuß bewilligen wird, weil sich nicht feststellen läßt, ob sie vollkommen erwerbsunfähig oder bloß erwerbsunfähig sind. Besonders in einer Zeit, wo das Sparen auf allen Linien und unter allen Umständen zur Staatsmaxime gemacht wird, werden sehr leicht die Staatsverwaltung und besonders die untergeordneten Instanzen zur strengen Auslegung des Gesetzes schreiten. Sie haben bestimmt, daß unter Umständen der Invalide in eine Anstalt abgegeben und daselbst verpflegt werden kann und daß für diesen Fall die Rente zu ruhen hat. Wenn Sie dem Invaliden, dem Kriegsb eschädigten für diese Zeit nicht wenigstens ein paar Kreuzer auf die Hand geben, so ist er nicht in einer Heilanstalt, sondern in einem Zuchthaus und ich glaube, das wollen Sie doch auch nicht und infolgedessen haben wir uns erlaubt, auch diesen Antrag vorzulegen, daß ein Handgeld zu zahlen ist. Das Ausmaß des Handgeldes wird im Einvernehmen mit den Organisationen der Kriegsbeschädigten durch Verordnung festzusetzen sein und wir wünschen überhaupt, daß die Organisationen der Kriegsbeschädigten in allen diesen Fragen ständig zur Mitarbeit beigezogen werden, damit nicht Dinge geschehen, welche nicht im Interesse der Kriegsbeschädigten liegen. Es ist selbstverständlich, daß die Mutter unehelicher Kinder nach Gefallenen gleichzuhalten ist der Mutter von ehelichen und wir haben infolgedessen diesen sozialen Grundsatz in unserem Zusatzantrag zu § 13 zu verwirklichen versucht. Im § 20 ist von Kindern die Rede, welche unversorgt sind. Der Begriff des Unversorgtseins ist in der geltenden Gesetzgebung zwar häufig zu finden, aber eine feste Umschreibung dieses Begriffes ist eigentlich noch nicht vorhanden. Insbesondere in den Pensionsgesetzen findet sich der Begriff des Unversorgtseins, auch bezüglich der Staatsbeamten, aber die praktische Auslegung ist eine ganz verschiedene, einmal enger, einmal weiter. Die letztere Art ist die weniger häufige. Meist wird schon von Unversorgtsein gesprochen, wenn die Kinder einen ganz geringen Jahresbezug von etwa 4000 Kronen nachweisen und besonders, wenn es irgendwo in einer kleinen Stellung untergebracht wird, spricht man schon von einem versorgten Kinde. Infolgedessen haben wir geglaubt, daß wir dem Antrag der Invalidenorgarganisation stattgeben müssen, und haben den Antrag eingebracht, daß statt des Begriffes des Unversorgtseins hier im § 20 es zu heißen hat: "Die Waisenrenten gebühren bis zur Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit, zumindest aber bis zum 18. Jahr." Es ist das ein Anlehnen an die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über den Erhalt von Unterhaltsrenten überhaupt.
Im § 26 ist zum Schluß ein Satz, in welchem es heißt, das die Kriegsinvaliden verpflichtet sind, gewisse Anmeldungen u. s. w. durchzuführen. Tun sie das nicht, so verlieren sie den Anspruch auf die Renten. Wenn wir uns vor Augen halten, daß es sich meist um Leute handelt, die auf dem Lande leben, daß sie sich mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht so ohne weiters abfinden werden, so müssen wir sagen, daß diese Strafbestimmung geradezu grausam zu nennen ist, und wir haben infolgedessen geglaubt hier ein übriges tun zu müssen und haben demnach beantragt, daß diese Worte zu streichen sind.
Und nun komme ich zum § 31. Die Organisation der Kriegsinvaliden ist mit dem Wortlaute des § 31 des alten Gesetzes überhaupt nicht einverstanden und beantragt deshalb die Streichung. Wir haben infolgedessen einen Antrag eingebracht, der diesem Verlangen der Kriegsinvaliden entspricht. Andererseits haben wir noch einen zweiten Antrag gebracht, der zunächst als eventueller Antrag anzusehen ist für den Fall, daß unser Antrag auf Streichung des § 31 nicht angenommen werden sollte. Er hat zwei Absätze. In erster Linie wird beantragt, nur einen Absatz des § 31 zu streichen, nämlich § 31, lit. e), der besagt, daß die Kriegsbeschädigten, welche durch ein Strafurteil der Wählbarkeit verlustig geworden sind, überhaupt den Anspruch auf die Rente verlieren. Wir halten diese Bestimmung für unsozial und grausam und haben infolgedessen beantragt, daß diese Bestimmung zu entfallen hat und daß sie durch eine andere ersetzt werden muß. Diese andere lautet, daß nur für die Dauer der Strafzeit die Rente zu ruhen hat und daß insbesondere die schuldlose Familie nicht dadurch ins Unglück kommen soll, daß diese die Hälfte des Rentenbezuges auch in dieser Zeit weiter zu beziehen hat. Ich möchte dabei auch noch auf folgenden Umstand aufmerksam machen. Der § 31 hat einen Schlußabsatz, in dem es heißt, daß der Invalide verpflichtet ist, die verschiedenen Veränderungen, welche seine Rechtsansprüche irgendwie beeinflussen könnten, anzumelden. Ich glaube, wenn er rechtskräftig durch ein Straferkenntnis verurteilt wird, hat das Bezirksgericht nach den allgemeinen Bestimmungen selbst diese Denuntiation, wenn ich mich so ausdrücken will, zu vollziehen und man kann dem armen Invaliden nicht zumuten, daß er selbst meldet: "Ich bin bestraft und bekomme von heute ab keinen Rentenbezug." Ich glaube, daß diese Bestimmung auf diesen Absatz keine Anwendung zu finden hat, und deswegen haben ich und meine anderen Kollegen nicht vielleicht diesen Absatz in den § 31 hineinnehmen wollen, sondern hinter den § 31 als § 31 a) einstellen wollen, um zu dokumentieren, daß diese Anzeigepflicht für diesen Fall nicht besteht.
Meine Herren, ich bin im großen
und ganzen zu Ende. Ich glaube, daß die Anträge, die wir gebracht
haben, dem sozialen Empfinden unserer Zeit voll entsprechen, daß
sie im Interesse der Invaliden sind, daß sie selbst für den Fall,
daß sie heute abgelehnt werden, in kurzer Zeit doch wieder in
Form einer neuen Novelle erscheinen werden, und daß Sie, - Sie
mögen sich heute dagegen wehren, wie Sie wollen, - um die notwendige
Fürsorge für die Invaliden nicht herumkommen werden, sondern daß
das jetzige Gesetz, die jetzige Novelle nur ein Ansatz dazu ist,
diese Verhältnisse der Gegenwart entsprechend zu ändern. Ich beantrage
demnach unsere und die übrigen Anträge wie auch die Resolutionsanträge
anzunehmen. (Souhlas a potlesk na levici.)
Meine Herren! In der Budgetdebatte nahm ich Gelegenheit, die breite Öffentlichkeit auf die unwürdige und herzlose Behandlung der armen Kriegsopfer hinzuweisen und den Nachweis zu erbringen, wie dieser Staat in seinem Großmachtstaumel von den Steuergeldern des Volkes ungeheure Summen mit stolzer Geste für den Militarismus und die Auslandspropaganda hinauswirft, gegenüber den armen Kriegsopfern aber in schäbiger Weise knausert und spart. Eine der heiligsten Verpflichtungen, die dieser Staat übernahm, ist die Versorgung der armen Kriegsopfer. Man hat sich hier damit gebrüstet, daß man mit sozialem Verständnis beispielgebend den anderen Staaten vorangehe, und hat für das Jahr 1920 fast eine Milliarde zur Versorgung der Kriegsbeschädigten gewidmet. Man hat es aber über sich gebracht, von dieser Milliarde mehr als die Hälfte für andere Zwecke zu verwenden. Sogar die Anträge auf Erhöhung der Teuerungszulagen für das Jahr 1921 hat man zurückgestellt, mit dem Hinweis, daß dieselben zugleich mit dem zu erwartenden Novellierungsgesetz verhandelt werden sollen. Wir glaubten uns der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß die Regierung mit dieser Novelle die berechtigten Forderungen der Kriegsbeschädigten vollauf erfüllen und bemüht sein werde, in etwas großzügiger und weitherziger Form die berechtigten Wünsche und Forderungen zu erfüllen. Seit dem Inkrafttreten des Kriegsbeschädigtengesetzes vom 20. Februar 1920 begann auch der Kampf gegen mehrere Bestimmungen desselben und der Ruf nach einer zeitgemäßen Novellierung dieses Gesetzes. Endlich ist diese Novellierung gekommen, aber in der Weise, wie man in diesem Parlamente Gesetze macht, daß die Entscheidung der "Pìtka" dem Parlamente aufgezwungen wird und alle noch so gut gemeinten und noch so gut begründeten Abänderungsanträge von vornherein als erledigt gelten müssen.
Für die Geschichte dieses Staates und die ganz eigentümliche Auffassung des Parlamentarismus ist es notwendig, den Werdegang mancher Gesetze festzulegen. Diese Vorlage zum Beispiel wurde Samstag dem Hause überbracht, dann in Druck gelegt und dann Mittwoch abends in einer Sitzung im sozial-politischen Ausschuß durchgepeitscht. Uns Deutschen wurde keine Übersetzung zur Verfügung gestellt. Einige Abänderungsanträge, die Abg. Taub stellte, wurden rundweg im sozial-politischen Ausschusse abgelehnt, worauf Abg. Taub erklärte, daß er von der Stellung weiterer Anträge absehe und es sich vorbehalte, diese Abänderungsanträge im Plenum zu stellen. Wir hatten zuvor gar nicht Gelegenheit, da uns eine deutsche Übersetzung nicht vorlag, uns mit der Vorlage beschäftigten zu können, und erklärten, daß wir infolgedessen ebenfalls erst im Plenum von dem Rechte, Abänderungsanträge zu stellen, Gebrauch machen werden. Im sozial-politischen Ausschusse wurde die gesamte Vorlage unverändert von der Mehrheit angenommen und leider müssen wir auch heute sehen, daß wir wenig Hoffnung haben, daß einige unserer Anträge Annahme finden werden. Es ist tief bedauerlich und herzlos, daß man gerade jetzt zu Weihnachten diesen armen Kriegsinvaliden diese Enttäuschung bereitet. Wenn man den Staatsbeamten und Lehrern als Weihnachtsgeschenk die Kürzung ihrer Bezüge beschert hat, so bringt man es auch noch übers Herz, den armen Kriegsinvaliden eine solche Enttäuschung zu bereiten. Hier ist Sparsamkeit oder besser gesagt Knauserei am unrechten Platze. Damit wird man zur sozialen Beruhigung der durch den Krieg und die Revolution aufgewühlten Bevölkerung nicht beitragen. Im Gegenteil! In letzter Stunde richten wir deshalb an die Herren von der Mehrheit die dringende Aufforderung, der Stimme des Herzens Gehör zu geben und die berechtigten Forderungen der Kriegsinvaliden zu erfüllen. Gerade die Weihnachtszeit, die zu wahrer Liebe drängt, sollte die Mehrheit bewegen, doch der Stimme des Herzens und der Vernunft nachzugeben und die wichtigsten Abänderungsanträge durchzulassen. Die Kriegsinvaliden bitten nicht um Gnade, sondern um ihr gutes und heiliges Recht. Erfüllen Sie nicht Hunderttausende armer Opfer, die endlich in der Vorlage die lange erstrebte Verbesserung des Versorgungsgesetzes zu finden glauben, mit dem Gefühle der bittersten Enttäuschung! Als anläßlich der Mobilisierung Flugblätter die Bezüge der Kriegsverletzten und der Kriegswitwen und -Waisen darlegten, wurden diese Flugblätter vom Staatsanwalt als staatsgefährlich beschlagnahmt. Damit aber hat der Staat selbst zugestanden, wie unwürdig und aufreizend sein bisheriges Verhalten gegenüber den Forderungen der Kriegsinvaliden ist. Durch diese ungenügende und unbefriedigende Änderung des Kriegsbeschädigtengesetzes wird der Kampf um ein gerechtes Versorgungsgesetz in Permanenz erklärt. Das eine muß festgestellt werden, daß die Formen des Kampfes in Zukunft die bisherigen bescheidenen Grenzen wohl überschreiten werden. Gegen die Bewilligung dieser Auslagen brauchte kein Volksvertreter von welcher Partei immer Bedenken zu erheben. (Posl. Böhr: Wenn nur kein Klubzwang in der "Pìtka" wäre!) Denn diese Forderungen werden von allen Volksschichten ohne Unterschied als nur zu berechtigt anerkannt werden.
Eine Reihe von Abänderungsanträgen haben wir von Seite des parlamentarischen Verbandes gestellt. Mein Kollege Dr. Keibl hat bereits die meisten derselben begründet. Ich möchte mir nur erlauben, auf einige von ihnen kurz hinzuweisen. Zunächst auf den Resolutionsantrag, mit dem wir die eheste Vorlage eines Zwangseinstellungsgesetzes für die Schwerbeschädigten verlangen, ein Resolutionsantrag, der wiederholt von dieser Stelle aus, namentlich bei der Budgetdebatte, gestellt wurde.
Eine unserer wichtigsten Forderungen ist die Erhöhung jenes Einkommens, bis zu dem der Anspruch auf die Rente erhoben werden kann, von 6000 bis 16.000 K. Es ist in der Debatte vorhin das Wort gefallen, das unsere Anträge in demagogischer Absicht gestellt werden. Ich möchte nur die Herren, die diesen Vorwurf erhaben haben, bitten, uns das Beispiel zu geben, wie Sie mit 6000 K jährlich das Auslagen finden könnten. (Posl. Böhr: Da würden sie verhungern!) Gewiß, das ist zum Verhungern.
Zu § 3 beantragen wir eine Erhöhung auf 20 % statt 10 % und auf 5000 K statt 4000 K. Über die Streichung des § 4 hat Herr Kollege Keibl bereits gesprochen und es begründet, warum wir darauf bestehen, daß die Invaliden, denen eine Trafik verliehen wird, nicht in der Rente gekürzt werden sollen. Er hat sehr richtig darauf hingewiesen, daß ja früher diese Trafiken als Zugabe zu der spärlichen Pension der Gendarmerie- und Finanzangestellten gegeben wurden.
Zu § 7 beantragen wir folgende Abänderung: Die Rentengrundlage beträgt bei Invalidenrenten in dem Falle, als die Erwerbsfähigkeit des Invaliden um wenigstens 55 % gemindert ist, jährlich 4800 K, sonst 3600 K.
Im § 8 verlangen wir, daß bereits bei 15 % Verlust der Erwerbsunfähigkeit ein Anspruch auf die Rente gegeben sei, so wie dies im reichsdeutschen Versorgungsgesetz festgelegt ist.
Zu § 10 stellen wir den Abänderungsantrag, daß für jedes unversorgte Kind bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, mindestens aber bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, sofern der Invalide für dessen Unterhalt sorgt, ein Zuschuß von 20 % zur Grundrente gewährt werde.
Den Antrag, daß während der Zeit des Aufenthaltes in einer Heilanstalt den Invaliden ein Handgeld auszuzahlen ist, das vom Ministerium im Einvernehmen mit den Organisationen der Kriegsbeschädigten festzulegen ist, hat bereits Kollege Keibl besprochen.
Abg. Jung wird noch einige
von unseren Abänderungsanträgen, die wir von Seiten des deutschen
parlamentarischen Verbandes dem Hause vorlegen, besprechen. Ich
erlaube mir, das hohe Haus zu bitten, dieselben auch anzunehmen.
Schließen möchte ich mit der Aufforderung: Verhelfen Sie den armen
Opfern des Krieges zu einem gerechten Versorgungsgesetz und zu
einer menschenwürdigen Existenz. (Souhlas a potlesk na
levici.)
Meine Damen und Herren! Meine Kollegen dr. Keibl und Schälzky haben bereits darauf hingewiesen, daß wir gemeinsam eine Anzahl von Abänderungsanträgen zu dem uns vorliegenden Regierungsentwurf eingebracht haben. Sie haben auch darauf hingewiesen, daß diese Anträge nicht von uns in der Absicht eingebracht wurden, die uns und anderen Antragstellern unterschoben wird, sondern im Einverständnis mit den Verbänden der Kriegsversehrten und den Witwen und Waisen nach Gefallenen. Mir ist nun die Aufgabe zugefallen, einen Teil dieser Abänderungsanträge hier zu besprechen. Es ist vor allem ein solcher zum § 17 des Inhalts, im ersten Absatz die Witwenrenten statt mit 900 mit 1800 Kronen festzusetzen und die übrigen Teile des Absatzes wegfallen zu lassen. Absatz 2 dieses Paragraphen soll vollständig gestrichen und der Absatz 3 so gestaltet werden, daß an Stelle der 200 Kronen ein 50 %iger Zuschlag zur Grundrente zu treten hätte.
Unseren Antrag zu § 20 brauche ich nicht mehr zu besprechen, weil das bereits von Seite des Herrn Kollegen dr. Keibl geschehen ist; ich begebe mich daher zu § 23 der Vorlage. Wir beantragen, im Absatz 1, an Stelle der hier stehenden 400 K einen Betrag von 900 K zu setzen. Zum § 24 stellen wir den Antrag, diesen Paragraph vollständig zu streichen, weil er eine Grenze für die Witwen und Waisenrente im Höchstbetrage von 2400 Kè jährlich festsetzt, also einen Betrag, der ganz gewiß den jetzigen Verhältnissen nicht im geringsten entspricht. Zu § 25 haben wir den Abänderungsantrag gestellt, daß die Beträge von 2400 und 400 K, die hier angeführt sind, auf 4800 K und 900 K erhöht werden mögen. Zu § 25 a) stellen wir den Antrag an Stelle des Betrages von 3000 K einen solchen von 5000 K und an Stelle der vorkommenden 400 K 900 K zu setzen. Endlich zu § 42 - die übrigen Paragraphen sind vom Kollegen Dr. Keibl bereits besprochen worden - stellen wir den Antrag im Absatz 2 nach den Worten "durch eine besondere Regierungsverordnung" einzuschalten: "Im Einvernehmen mit den bestehenden Organisationen der Kriegsbeschädigten".
Von diesen Anträgen kann man wohl nicht behaupten, daß sie unbegründet, daß sie demagogisch wären. Im Gegenteil handelt es sich um Forderungen, die man angesichts der bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse als höchst bescheiden bezeichnen kann. (Souhlas na levici.) Und ich kann es mir wohl, da diese Anträge in ihren Grundsätzen bereits besprochen wurden, ersparen, noch des langen und breiten darauf einzugehen.
Angesichts der Verhältnisse in diesem Hause aber hegen wir wohl berechtigte Zweifel, daß auch nur einer dieser Abänderungsanträge angenommen wird, (Posl. Böhr: Wollen wir hoffen, Weihnachten ist ja in der Nähe!) Ich glaube nach den bisherigen Erfahrungen, daß auch das Weihnachtsgeschenk auf diesem Gebiet leider ausschauen wird wie alle anderen vorangegangenen. Ich bin mir klar darüber, daß - selbst wenn ich mit Engelszungen redete - der Erfolg doch ausbliebe, weil ich gegen eines der Schlagworte kämpfe, die in diesem Staate nun einmal der Reihe nach auftauchen. Es herrscht ja hier eine förmliche Schlagwortsucht, ja man kann geradezu beh aupten, dieser Staat friste sein Dasein von Schlagworten. Sie wechseln wohl, aber haben immer eins gemeinsam und das ist, dem jeweilig Schwächeren gefährlich zu sein. So war es bisher mit den politischen Schlagworten, beispielsweise mit dem einer "Höheren Schweiz", das einst geprägt wurde, und auch mit dem Schlagworte vom Èechoslovaken, jenem Homunkel, dessen Erzeugung bisher noch nicht gelungen ist. Diese beiden Schlagworte waren an nationale Minderheiten gerichtet. Sie verfolgten den Zweck, diese Minderheiten teils geistig zu beeinflussen, in ihnen unbegründete Hoffnungen zu erwecken und auf diese Weise ihre Widerstandskraft zu schwächen oder zu dem Zwecke, um sie einzu schüchtern, aller Hoffnung auf eine Änderung ihrer Lage durch Einsetzung ihrer ganzen Kraft von vornherein zu berauben, und ihnen dann umso leichter das Joch auflegen zu können.
Nun kommen zur Abwechslung wieder wirtschaftliche Schlagworte an die Reihe. Eines der gefährlichsten hat man in der letzten Zeit unter uns geworfen. Es ist das Schlagwort vom "Sparen". Es regiert in der Èechei zur Zeit die Stunde. Bestimmt ist es selbstverständlich nur für die wirtschaftlich schwachen Gruppen. Man spart nicht etwa dort, wo es angebracht und auch angängig wäre, wie beispielsweise bei den Militärausgaben. Im Gegenteil, hier hat man Hunderte von Millionen für eine höchst überflüssige Mobilisierung hinausgeworfen. Man spart auch nicht an den Ministergehältern. Wenn man einmal die Herren von der Regierungsbank ersuchen würde, mit den Beträgen das Auslangen finden zu wollen, die in der Vorlage für Kriegsversehrte angegeben sind, dann würden die Herren wohl sehr lange Gesichter machen und sich das Ministersein sehr reiflich überlegen. (Výkøiky na levici. - Posl. Böhr: Sie werden dann mit Nachtragskrediten kommen!) Ja, das werden sie tun. Man spart wie gesagt, nicht dort, wo es angebracht wäre, und wo das Sparen nicht von Schaden, sondern von Nutzen wäre. Dafür spart man, wie uns die Ereignisse der letzten Zeit beweisen, an den Staatsangestellten, den Lehrern, und man wird, wenn nicht alles trügt, auch auf jenem Gebiete sparen, wo es am unangebrachtesten ist, bei den Kriegsversehrten, den Witwen und Waisen nach Gefallenen. Ich will auch unter die Sparer gehen und es mir ersparen, über diese Dinge noch weiter zu reden, weil ich mir doch darüber klar bin, daß das Schicksal der von uns eingebrachten Abänderungsanträge vollständig von der "Pìtka" abhängt. Und ich möchte feststellen, daß es nicht ganz richtig ist, wenn man bei Abstimmungen erklärt: "to jest vìtšina" a "to jest menšina", sondern daß man wohl der geschichtlichen Wahrheit zuliebe - und die geschichtliche Wahrheit ist bekanntlich einer der Grundsteine dieses Staates - einmal bei der Abstimmung feststellen würde: "to je Pìtka". Aber ich möchte mich gerade an die beiden sozialistischen Parteien in der "Pìtka" wenden und an sie die Frage stellen, ob sie nicht auch der Meinung sind, daß die Sparmaßnahmen zugunsten der Staatskasse, jenen Sparmaßnahmen, welche man jetzt den Staatsangestellten zugemutet hat, und welche ja nur den Pappenstiel von etwa zwei Hundert Millionen einbringen, bloß die Vorboten ganz anderer viel bedeutenderer Sparmaßnahmen sind, welche aber nicht zugunsten des Staatssäckels durchgeführt werden, sondern zugunsten jener Kreise, deren Führer Herr Dr. Rašín ist. (Souhlas na levici.)
Wenn Sie sich das einmal überlegen
würden - und diese Sache wäre wohl der Überlegung wert - dann
würden Sie auch wissen, wie Sie in di esem Falle zu stimmen haben,
und dann hätten Sie auch schon oft anders stimmen müssen. Die
"Pìtka" hat es in der Hand, über unsere Anträge das
Urteil zu fällen. Sie mag es ganz ruhig tun; sie wird sich, wenn
sie sie ablehnt, kein besonderes Ehrenzeugnis vor der Öffentlichkeit
ausstellen. (Souhlas a potlesk na levici.)
Geehrte Versammlung! Ich hätte Ihre wertvolle Zeit nicht in Anspruch genommen, wenn ich nicht hier in diesem Gesetzentwurf einen Paragraph wiederfände, den ich als die gröbste Ungerechtigkeit der gesamten Invalidenfürsorge bezeichnen muß. Sie werden ja vielleicht heute den vorgelegten Anträgen, die Ihre Mehrheitsparteien beschlossen haben, zustimmen, aber ich bin überzeugt, daß jeder von Ihnen, der gerade diese Frage der Kriegsbeschädigtenfürsorge etwas näher ins Auge faßt, zu einem anderen Urteil kommen muß. Es bezieht sich das auf den § 2, der die Grenzen für die Invalidenfürsorge mit 6000 Kronen bestimmt. Das heißt, wenn jemand einen Erwerb von 6000 Kronen hat, bezieht er vom Staate keine Rente mehr. Ich muß sagen, daß mir diese Bestimmung ungeheuerlich erschien, als ich sie seinerzeit in dem ersten sogenannten Invalidenfürsorgegesetze sah. Denn sie stellte die ganze Kriegsbeschädigtenfürsorge auf den Kopf. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. Hruban.)
Ich spreche hier aus Erfahrung.
Ich habe mich in der Kriegsbeschädigtenfürsorge betätigt. Ich
habe durch 4 oder 5 Jahre hindurch hunderte von Kriegsbeschädigten
beraten, mit ihnen ihre Leiden besprochen, habe sie der Schulung
überwiesen, in den verschiedenen Invalidenschulen, die wir in
Nordböhmen hatten, denn wir sind immer von der Auffassung ausgegangen,
daß es das einzig richtige ist, den Invaliden wieder ins praktische
Leben zurückzuführen. Es ist ja dann nicht notwendig, in diesem
Falle übermäßig viel Fürsorge für ihn aufzuwenden, er sorgt dann
für sich selbst. Aber man darf nicht sagen: "Ich gebe Dir
einen Betrag erst dann, wenn du Dir nicht selbst so viel verdienst,
was zum Leben nicht ausreicht." (Výkøiky na levici.) Denn
was folgt dann? Selbstverständlich das Bestreben des Invaliden
überhaupt unter dieser Grenze der Erwerbsfähigkeit, d. h. unter
der Grenze dieses Einkommens zu bleiben. Und es ist zweifellos
eine der gröbsten Ungerechtigkeiten, wenn man an so etwas dauernd
festhält. Ich will mich hier nicht theoretisch weitläufig auslassen.
Aber ich könnte Ihnen aus meiner Erfahrung Fälle vorführen, wo
wir die Schwerstbeschädigten zu einem ganz guten Erwerb gebracht
haben. Ich erwähne folgende Fälle: Ein Kriegsbeschädigter hat
Arm und Bein verloren, der Man lernt um, er wird Materialwarenhändler,
begründet sich eine selbständige Existenz und verdient in diesem
Geschäfte. Können Sie nun glauben, weil der Mann in diesem Geschäfte
mehr als 500 Kronen verdient oder die 10 % für seine Frau und
Kinder, also 50 Kronen noch hinzugerechnet, daß er deshalb der
Fürsorge des Staates entbehren kann? Nein, er muß sich ja eine
Hilfskraft halten, weil er eben sein Leben lang immer mit einer
geringeren Erwerbsfähigkeit behaftet ist. In diesem Falle tut
man dem Mann im Ernst Unrecht, wenn man ihm die Rente entzieht,
weil er so tüchtig war, sich das Geschäft zu gründen. Ein zweiter
Fall: Ein Mann hat beide Arme verloren. Er bekommt durch private
Fürsorge eine Schleiferei im Isergebirge, die ihm zweifellos,
wenn das Geschäft geht, im Monate 500 Kronen bringt. Er kann aber
doch nicht den einfachsten Zettel schreiben, er muß sich dazu
eine Hilfskraft halten, Sie entziehen ihm aber die Rente, er bekommt
keinen Zuschuß und keinen Kreuzer mehr vom Staate. Das ist Unrecht
der gröbsten Art. Ein dritter Fall: Ein Mann ist an einem Arme
gelähmt - ich kann Ihnen auch die Namen all der Leute nennen,
die so tüchtig waren, sich wieder in das Erwerbsleben zurückzuringen
- er ist angestellt in einem Geschäfte, er schreibt mit der linken
Hand, er wird zweifellos Verdienst haben. Ja, aber er ist doch
in seinem ganzem Privatleben gehindert. Er braucht, zweifellos
eine Person, die ihm Hilfe leistet, denn er ist auf der einen
Seite am Arme gelähmt. Sie geben ihm keinen Kreuzer, weil er so
tüchtig ist, noch mit der linken Hand schreiben zu können. - Ein
Mann ist fast blind und hat mit Hilfe der privaten Fürsorge ein
Papiergeschäft errichtet. Seine Frau unterstützt ihn dabei. Wenn
die Verdienstgrenze erreicht ist, so bekommt er nichts mehr. Ein
anderer ist vollständig blind, hat aber trotzdem die Energie,
daß er das Geschäft, mit einer Hilfskraft selbstverständlich,
eine Apotheke, noch führt. Ein weiterer Fall: Ein Einarmiger erlernt
ein Blasinstrument. Obzwar er früher irgendwo ein Angestellter
in einem Geschäft als Kommis war, kann er als solcher nicht arbeiten.
Trotzdem er einarmig ist, lernt er das Instrument, er bringt sich
fort, indem er bei Tanzmusiken aufspielt. Dem Mann entzogen Sie
den Zuschuß in dem Augenblicke, wo sein Verdienst 500 K erreicht.
Ein einarmiger Landwirt bringt es durch fortgesetzte Schulung
und Energie soweit, daß er alle Arbeiten verrichten kann. Er drischt
selbst, er verrichtet selbst alle Arbeiten auf dem Felde. Sein
Verdienst wird wahrscheinlich mehr als 500 K sein. Die Rente
wird ihm entzogen. Gerade das war ja unsere Aufgabe bei unserer
Invalidenschulung, und - ich würde den Herrn Berichterstatter
und alle Herren, die sich dafür interessieren, sehr bitten - gehen
Sie nach Reichenberg in die Werkstätte des Krüppelheimes und schauen
Sie sich die Angestellten an! Es sind zur Zeit dort 10 Angestellte,
die entweder eina rmig oder fußbeschädigt sind, darunter Leute,
denen beide Füße amputiert werden mußten, die dort gearbeitet
und mehr als 500 K im Monat verdient haben. Den Leuten wird
jede weitere Unterstützung entzogen. Im Falle ein solcher einmal
an seiner Gesundheit leidet - denn diese Leute sind ja häufig
gebrechlich, der Tuberkulose zuneigend - ist er dem blanken Elend
preisgegeben. Nun, es war ja von allem Anfang an die Invalidenfürsorge
nicht auf die rechte Weise geleitet. Sie haben z. B. in diesem
Staate die private Invalidenfürsorge vollständig eingestellt.
Es war ein grober Fehler, denn die Existenzgründungen, wie Sie
z. B. von der musterhaft arbeitenden Stelle von Leitmeritz für
Invalide durchgeführt wurden, sind heute ganz unmöglich geworden,
trotzdem das Bedürfnis für solche Existenzbegründungen heute noch
besteht. Was die Darlehen dazu anlangt, so werden auch heute vom
Kriegsbeschädigtenfürsorgeamt noch solche gegeben. Wenn sie heute
1000 K für einen solchen Fall erhalten, so ist das aber schon
ungeheuer viel und doch kann sich ein Papierhändler mit 1000 Kronen
bekanntlich nicht einmal die Hefte kaufen, die er braucht. Wir
haben dort mit Darlehen bis zu 5000, 10.000, ja 20.000 Kronen
gearbeitet und auch darüber hinaus, wenn es notwendig war. Ich
bitte, es ist uns auch sogar gelungen, in dem Augenblicke, wo
uns der Staat die Unterstützungen für den Bau dieser Krüppelheime
entzogen hat, durch private Fürsorge über 1 Million für die Erhaltung
des Krüppelheimes in Reichenberg aufzubringen. Das ist gerade
für die Fürsorge von ungeheuerer Bedeutung. Denn sie wird mit
der Zeit hinüberspielen in die Beschädigtenfürsorge der Industrie.
Die Betriebskrüppel werden einmal in diese Fürsorge aufgenommen
werden müssen und werden aufgenommen werden können und ich glaube,
es wird gerade für die orthopädische Fürsorge, nachdem dieses
Institut seinesgleichen überhaupt kaum in ganz Mitteleuropa hat
- ich bitte, das kann hier mit Stolz hervorgehoben werden es wird
einmal für die Unfallversicherung ein ganz bedeutender Vorteil
sein, wenn sie überhaupt über ein derartiges Institut verfügt.
Ich möchte also gerade auf diesen Paragraphen hinweisen und den
Herrn Berichterstatter bitten - denn in dem Falle ist es tatsächlich
so, daß ein gutes Wort immer den rechten Ort finden muß, ich weiß
ja gewiß, die Invaliden haben das Recht dazu, aber man übersieht
nicht vollkommen die Folgen - ich möchte den Herrn Berichterstatter
also ersuchen, er solle vor allem mit der Regierung sich ins Einvernehmen
setzen, daß man von den Erleichterungen, welche im § 5 vorgesehen
sind, wo man Zuschüsse immer geben kann, besonders bei Schwerverletzten,
in jedem der angeführten Fälle Gebrauch macht. Weiter möchte ich
aber auch an sein soziales Gewissen und an das soziale Gewissen
der Mehrheitsparteien appe lieren, daß sie diese gröbste Ungerechtigkeit
in der Invalidenfürsorge aus dem Gesetz so bald als möglich ausmerzen
oder diese Bestimmungen verbessern. (Potlesk na levici.)
Meine Herren und Frauen! Wir haben uns im sozialpolitischen Ausschuß bemüht, einzelne Bestimmungen des Gesetzes über die Kriegsbeschädigtenfürsorge zu verbessern. Wir versuchten, durch Anträge, die sachlich begründet waren, den Ausschuß zu veranlassen, in eine eingehende Beratung des Gesetzes einzutreten. Wir mußten aber bald diesen Versuch aufgeben, weil es sich sofort nach den ersten Augenblicken der Verhandlungen zeigte, dass die "Pìtka" keinen Buchstaben an ihrem Entwurf ändern läßt. Nicht nur das bedauern wir, daß uns keine Möglichkeit gegeben gewesen ist, in eine Überprüfung der ganzen Vorlage einzugehen, sondern auch, daß ein solches Gesetz dem Hause unterbreitet wird, ohne daß man sich mit den Verbänden der Kriegsbeschädigten in der Èechoslovakei auseinandergesetzt hat.
Sowohl die èechischen als auch die deutschen Kriegsbeschädigten haben Organisationen. Beide Organisationen sind in einer Reihe von Kundgebungen an den Staat mit ihren Forderungen herangetreten. Ich erinnere daran, daß in Eingaben an die Regierung schon vor mehr als zwei Jahren aufgezä hlt worden ist, was man sich unter einer ordentlichen Kriegsbeschädigtenfürsorge vorstellt. Ebenso wie man bei Gesetzen, welche die Industriellen oder die Gewerbetreibenden oder die Landwirte betreffen, mit den Vertretern dieser Gruppen sich auseinandersetzt, ihre Wünsche hört, ihre Forderungen kennen zu lernen versucht, so hätte das auch in diesem Falle geschehen sollen. Aber die Mehrheit dieses Hauses ist ihren eigenen Weg gegangen. Jetzt ist wohl nicht mehr zu erwarten, Änderungen einschneidender Richtung durchzubringen. Ich höre zwar, daß in einer und der andern Frage die Herren von der Mehrheit noch einmal nachgedacht haben, ob nicht ein Entgegenkommen möglich ist. Da aber handelt es sich um Einzelheiten von so geringer Bedeutung, daß dadurch das Gesetz im allgemeinen für uns nicht besser wird. Wir beklagen einen solchen Vorgang aus einer ganzen Reihe von Gründen. Der Staat ist verpflichtet, für die Kriegsbeschädigten in ausreichender Weise vorzusorgen. Denn die Folgen, die daraus entstehen, daß der Staat diese selbstverständliche Aufgabe vernachlässigt, können keine guten sein. Wer menschlich denkt, der muß mit allen Kräften dafür eintreten, daß die armen Opfer des Krieges nicht infolge unzureichender Versorgung und zu geringer Unterstützungen gezwungen werden durch Betteln sich ihren Unterhalt zu verschaffen. Wir sehen bei uns heute schon in zahlreichen Fällen, daß Kriegsverletzte durch Betteln ihr Leben fristen. Die Mehrheitsparteien vergessen, daß sie solche Menschen immer mehr und mehr in Verbitterung bringen, daß diese Unglücklichen jeden innern Halt verlieren, daß sie zusammenbrechen, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch zu Grunde gehen unter den Folgen einer unzureichenden Unterstützung durch den Staat. Dabei, meine Damen und Herren, ist es gar nicht nötig so knauserig zu sein.
Wenn wir einige Ziffern betrachten, werden wir gleich sehen, daß man bei diesem Kapitel unnötig zu sparen anfängt. Wir finden im Staatsvoranschlag für 1922, daß 463,921.700 Kronen für die Kriegsverletztenfürsorge eingestellt sind. Im Jahre 1921 standen im Voranschlag 592,921.000 Kronen, das heißt also, wir haben in einem Jahre eine Verringerung des Betrages für die Kriegsbeschädigtenfürsorge um nicht weniger als 128,079.241 Kronen. Wenn der Herr Kollege Laube sich vorhin bei seinen Ausführungen gegen uns gewendet hat, mit dem Hinweise, wir beabsichtigen, durch unsere Anträge die Èechoslovakische Republik finanziell dorthin zu bringen, wo heute Deutschösterreich steht, so beweist das nur, daß Herr Laube oberflächlich über diese Dinge urteilt. Daß er sich nicht einmal die Mühe genommen hat, zu untersuchen, ob er seine Behauptungen durch Ziffern belegen kann. Sicher ist, daß die Erhöhungen, die wir beantragen - und das kann nachgerechnet werden - durchaus nicht dazu führen, den Staat zugrunde zu richten. (Posl. Häusler: Die sollen mit der Soldatenspielerei aufhören!) Ich wollte das gerade sagen. In dem einen Jahre, in welchem die Ausgaben für die Kriegsbeschädigten um 128 Millionen gesunken sind, in diesem einen Jahre sind die Ausgaben für den Militarismus um eine Milliarde gestiegen. Kollege. Laube wird zugeben müssen, daß in dem Augenblick, wo man für den Militarismus in einem Jahr um eine Milliarde mehr ausgibt, es nicht angebracht ist, uns Vorstellungen zu machen, daß wir mit unseren Anträgen auf Erhöhung der Unterstützung für die Kriegsverletzten zu weit gehen. Wir deutschen Sozialdemokraten erheben ent schieden Einspruch dagegen, daß unsere Anträge als demagogisch hingestellt werden. Kollege Laube weiß, daß es sich in der Èechoslovakei nicht nur um deutsche Kriegsverletzte allein handelt, sondern auch um èechische und daß die èechischen Invaliden in ihren Organisationen nahezu die gleichen Forderungen aufgestellt haben wie ihre deutschen Leidensgenossen. Es besteht also zwischen dem, was wir in unseren Anträgen fordern, und dem, was auf den Tagungen der èechischen Kriegsverletzten beschlossen worden ist, nur in Einzelheiten ein Unterschied, aber im allgemeinen ist die Stellung der èechischen Kriegsverletzten zu dem vorliegenden Gesetz genau die gleiche, wie die der deutschen, nämlich die, daß eine ganze Reihe von Bestimmungen in diesem Gesetz für unannehmbar bezeichnet werden. Sie tragen nicht nur ihren Ansprüchen keine Rechnung, sie sind für einen Staat, der auf diesem Gebiete wirklich mehr leisten könnte, zugleich eine Schande. Die Frage der Kriegsbeschädigtenfürsorge darfman nicht so betrachten und derart behandeln, wie Kollege Laube es getan hat. Wenn sich die Èechoslovakische Republik in einer Lage befindet, die es notwendig macht, mit den Ausgaben zurückzuhalten, so darf man nicht dort damit beginnen, wo das Sparen das Elend großer Gruppen von Menschen verschlimmert und unerträglich macht. Mit dem Bleistift in der Hand kann man über Fragen, wie es die der Sorge um die Kriegsbeschädigten ist, nicht urteilen, sondern da muß man schon die menschlichen Gefühle mitsprechen lassen, da muß man das Herz mitsprechen lassen. Von unsern Anträgen als von Demagogie angesichts der Tatsache zu sprechen, daß das wesentlichste dessen, was wir fordern zugleich die Wünsche des èechischen Kriegsverletzten sind - und das ist belegt geht den doch nicht an. Wir haben im Ausschuß schon darauf hingewiesen, daß die veränderten Preisverhältnisse und die erhöhten Kosten der Lebenshaltung in einem schreienden Widerspruche stehen zu dem, was heute durch das neue Gesetz den Kriegsverletzten geboten wird.
Ich will über die Anträge, die
wir gestellt haben, im einzelnen nicht sprechen. Unsere Absicht
ging, wie ich anfangs erwähnte, dahin, im sozialpolitischen Ausschuß
gründlich über jeden einzelnen Teil des Gesetzes zu verhandeln.
Das wurde unmöglich gemacht durch die Eile, mit der die Mehrheit
die Sache betrieben hat. Wir wenden uns jetzt vor der Ent scheidung
im Hause nochmals an die Mehrheitsparteien mit dem Wunsche, die
Härten und allzugroßen Mängel des Gesetzes dadurch zu beseitigen,
indem sie unseren Anträgen zustimmen. Wenn Sie es nicht tun, meine
verehrten Herren und Damen, so werden Sie für die daraus entstehenden
Folgen die Verantwortung übernehmen müssen. Es ist mir vorhin
bei der Rede des Herrn Kollegen Laube vorgekommen, als
ob er sich selbst und mit ihm vielleicht manches andere Mitglied
von den Mehrheitsparteien nicht ganz wohl dabei fühlen, daß mit
ihren Stimmen ein Gesetz beschlossen wird, das die Ansprüche der
Kriegsbeschädigten in so geringer Weise berücksichtigt. Sonst
würde Kollege Laube wohl auch nicht den Versuch gemacht
haben, diese Anträge als Demagogie hinzustellen. Dann, meine verehrten
Herren und Damen, hören Sie doch einmal auf mit den Anspielungen,
die Deutschen hätten aus dem Grunde, weil sie zum Kriege anders
gestanden seien als Sie, ein besonderes Interesse daran, jetzt
für die Kriegsverletzten mehr einzutreten als Sie. Die Sache steht
doch so, daß wenn wir untersuchen wollten, wer gegen den Krieg
und seine Fortsetzung mehr getan hat, wir deutschen Sozialdemokraten
oder viele von Ihnen, so würde das Urteil ganz anders ausfallen,
als wir es in der Rede des Herrn Kollegen Laube gehört
haben. Übrigens handelt es sich hier nicht um Fragen, die nur
einen Teil des Volkes dieses Staates angehen, sondern um eine
Sache, die deutsche und èechische Kriegsverletzte in gleicher
Weise betrifft. Was Sie jetzt zu tun nicht bereit sind, werden
Sie in absehbarer Zeit gut machen müssen. Übrigens, meine verehrten
Damen und Herren, bin ich überzeugt, es wird dies nicht das letzte
Gesetz sein, das wir in der Frage der Kriegsverletztenfürsorge
im Parlamente beschließen. Über kurz oder lang werden Regierung
und Abgeordnetenhaus gezwungen sein, neuerlich zu den Forderungen
der Kriegsverletzten Stellung zu nehmen. (Souhlas a potlesk
na levici.)