In der Schuldebatte handelt es sich um eines der brennendsten nationalen Probleme. Die Schule war im alten Österreich leider schon ein Politikum und sie ist es im gesteigerten Maße in dies em Neu-Österreich. Wenn tatsächlich die vielgepriesene demokratische Gerechtigkeit, diese angebliche Lenkerin aller Schritte dieses Staatswesens, bestimmend gewesen wäre, so hätte gerade dieses Problem, das Schulproblem, von Ihnen, meine Herren, von der Gegenseite, nach dem Umsturz mit der aller größten Accouratesse, mit der allergrößten Vorsicht und Behutsamkeit, mit der penibelsten Gerechtigkeit behandelt werden müssen, denn von hier aus, von der Schule aus, die für jedes nur einigermaßen seiner Würde bewußte Volk das Herzblatt seines kulturellen Bestandes bedeutet, von Schule aus hätte das Grundproblem und die Schicksalsfrage dieses an Probleme so reichen Staates, in Angriff genommen werden müssen: die Neutralisierung der nationalen Kämpfe. Sie haben es nicht gewollt, Sie haben den psychologischen Augenblick versäumt. Sie standen nach dem Umsturz in dieser Frage, wie in so vielen anderen, die Sie leider alle versäumt haben - und Österreich ist bekanntlich auch an seinem typischen "Zu spät" zugrunde gegangen - sie standen vor der Alternative, die unser Schiller in die tief philosophischen Worte gekleidet hat: "Zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden bleibt dem Menschen ewig nur die bange Wahl." Sie hätten durch eine kluge und gemäßigte Schulpolitik den Seelenfrieden dieses Staates erreichen und dadurch ihn konsolidieren können. Das haben Sie leichtfertig fahren lassen. In dem Umsturztaumel nützten Sie die Gewalt, die Ihnen in die Hand gespielt worden war, bis auf das letzte Restchen aus, um das Sinnenglück der Befriedigung nationalistischer Überwünsche zu erlangen. Sie schufen vom Schulerrichtungsgesetz angefangen jene Reihe von Gesetzen und Verordnungen, die ihresgleichen in der Gesetzgebung suchen, jene machiavellistischen Gesetze in welchen von der Aufhebung deutscher Schulen auch nicht ein Sterbenswörtchen steht und durch die Sie doch die Schädigung der Kultur des zweitstärksten Volkes dieses Staates äußerlich gesetzlich zu drapieren vermeinen. Sie etablierten jene Schulzwangswirtschaft, durch die ein Metelka zum Alleinentscheider über die deutschen Schulbedürfnisse gestellt wurde, Sie begingen den verhängsnisvollsten Fehler, indem Sie aus einer Sache, in der es zwischen Kulturvölkern nur freie Vereinbarung, Verständigung und Takt beider Teile geben kann, ein unwürdiges Diktat schufen. Sie haben tatsächlich auch in Schulsachen mit den deutschen Rebellen nicht verhan delt. Wäre Ihre Schulpolitik, Ihre gesamte innere Politik nach dem Umsturz auch großherzig gewesen, nicht nur großzügig - denn großzügig ist sie in ihrer Skrupellosigkeit - dann stünde es um diesen Staat heute anders, dann brauchten Sie nicht um die Zukunft izu bangen und Sie brauchten nicht, um das Gebäude Ihres angeblichen Nationalstaates aufrecht zu erhalten, auf das Böse Ihrer Nationalpolitik immer wieder neues Böses zu häufen, um die Wirkungen des ersten Bösen, die sich naturgemäß einstellen müssen, zu paralysieren.
Das ist der eine große Vorwurf, gegen den Sie keine noch so großen Zahlenreihen schützen und auch nicht die Pose, die Sie vor der Welt mit der Berufung auf die Gesetzlichkeit Ihres Vorgehens eingenommen haben.
Sie gingen weiter. Die Ausführung Ihrer Gesetze, in welchen von der Auflassung deutscher Schulen kein Wörtchen steht, überließen Sie in einer Zeit aufgeregtester Nachkriegsleidenschaften, wo die nationalen Wogen hoch gingen, wie noch nie, hemmungslosen Elementen in Ihrer Bürokratie, die nationalistischen Einflüssen im hohen Grade offen standen. Der Herr Kollege Stivín hat in seiner Rede darauf angespielt. Das Instrument der Schulgesetze, das leoninisch zum größten Schaden des deutschen Schulwesens anwendbar war, wurde einer Bürokratie in die Hand gegeben, die zum größten Teil - mit dieser Einschränkung sage ich es - in der Auffassung des nationalen Problems etwa auf den Ton des Herrn Dr. Lukavský gestimmt war. Was war das nicht für diese Herren bei den Bezirkshauptmannschaften drauß en und auch beim Landesschulrate für eine gefundene Gelegenheit, als sie jetzt mit sehr weitreichenden Gesetzen in der Hand auf das deutsche Schulwesen, auf wehrlose deutsche Gemeinden losgelassen wurden! Ich will ein Schulbeispiel erwähnen. Es gibt einen Herrn, der solange er im Landesschulrat saß, trotzdem er gut deutsch kann, ostentativ auch Parteien gegenüber, von denen er wußte, daß sie nicht èechisch können, absolut kein deutsches Wort in den Mund nahm und die Verhandlungen dadurch umöglich machte. Und in der Hand dieses Herrn, der rechten Hand des Präsidenten des Landesschulrates, auf den sich dieser immer berief, wenn man mit unbequemen Fragen kam, lag das Schicksal der aufzulösenden oder einzuschränkenden deutschen Schulen. Ich frage: Was hat dieser Herr zur Vergiftung des Verhältnisses beider Völker durch die rücksichtslose und ungeschlachte Art seines Parteienverkehres beigetragen? Es gab andererseits, und das muß loyaler Weise anerkannt werden, auch bei den Bezirkshauptmannschaften draußen weiße Raben und es gab und gibt besonders in der höheren Hierarchie Beamte, welchen man wenigstens das Bestreben nicht absprechen kann, sich objektiv in den Gedankengang auch der Gegenpartei hineinzudenken.
Wer war besonders in den schönen Jahren 1919 und 1920 Anreger der deutschen Schuldrosselungen? Unverantwortliche Elemente der Výbory, Leute, die, weil sie eben unverantwortlich waren und weil sie nach dem Zeugnis ihrer eigenen Landsleute draußen nicht immer die einwandfreiesten Kavaliere waren, im blinden Umsturz- und Gewaltrausch allen nationalen Instikten ihre Zügel schießen lassen konnten. Das geschah redlich. Da war es heute eine deutsche Schule, morgen ein deutscher Angestellter irgendwo, übermorgen war es irgend ein wertvolles deutsches Wirtschaftsobjekt in der Nachbarschaft, das für die èechische Katastergemeinde sehr gut gebraucht werden konnte, ein Meierhof z. B., wie wir es an den Sprachgrenzen des Schönhengster Gaues wiederholt erlebt haben, das diesen Leuten in die Augen stach, und wehe dem Bezirkshauptmann, der diese Anregungen zur Schließung der Schulen, zur Versetzung des deutschen Beamten, zur Zuteilung des deutschen Katasterbesitzes an die benachbarte èechische Gemeinde nicht weitergeleitet und vertreten hätte! Schulen und Abtrennungen, beziehungsweise Zuteilungen von deutschen Gemeinden und Katasterstücken zu èechischen Gemeinden, das sind die beiden Schrecken unserer Bevölkerung an der Sprachgrenze geworden. Und ich spreche keine Übertreibung aus, wenn ich sage, daß bei uns an der ganzen weiten Sprachgrenze zwei Arten von Psychosen herrschen: eine Schulpsychose und eine Zuteilungspsychose. Die "Prager Presse" hat übrigens in einer der letzten Nummern zugegeben, daß tatsächlich in dieser Richtung schwere Fehler unterlaufen sind. Diese Psychose, ergreift aber jetzt auch èechische Kreise, denn gerade bei diesen Gemeindezus ammenlegungen wird ohne Rücksicht auf das wirtschaftliche Moment vorgegangen, so daß tatsächlich sich der einzig in der parlamentarischen Geschichte dieses Staates vorfindliche Fall ereignen konnte, daß von einem deutschen Abgeordneten eine Deputation vorgeführt wurde, die aus Deutschen und Èechen bestand und die gemeins am gegen solche Bestrebungen opponierte.
Trotz der einseitigen Gesetze, trotz der Výborleute und trotzdem ein Teil der Beamtenschaft sich in den Dienst eines extremen Nationalismus stellte, wäre das Schulunglück nicht so geworden, wenn man besonnener bei der Anwendung der Geldmittel gewesen wäre. Das geschah nicht, sondern es trat ein wahres Schulgründungsfieber ein, besonders auf dem Gebiete der höheren und Fachschulen. Ohne Rücksicht auf das wirkliche Bedürfnis wurde wahrhaft sinnlos darauf losgegründet, einzig aus dem Gesichtspunkte: Das müssen wir auch haben! Es wurden Schulen und Lehrstellen derselben Disziplin in drei- und vierfacher Besetzung gegründet, mit welchem man heute vielfach nichts mehr anzufangen weiß, mit einem Riesenaufwand, bei dem der Unterrichtsverwaltung natü lich der Atem bald ausgehen mußte. Wir brauchen nicht auf die Kosten der unnötigen Repräsentanz in diesem Staate, es genügt vollständig darauf hinzuweisen, daß, wenn nur bei den Schulgründungen etwas Maß und Vernunft vorhanden gewesen wäre, dieses Budget nicht jene schwindelnde Höhe erreicht hätte, die der Staat einfach nicht mehr ertrug und die eine willkommene Handhabe dazu bot, aus den Auflösungen und Drosselungen des niederen deutschen Schulwesens das èechische Schulwesen, das aus der Erde gestampft werden mußte, zu speisen. Es stehen jetzt wieder Dutzende von deutschen Klassen auf dem Index. Legen wir die Hand aufs Herz und fragen wir: Was wird eigentlich erspart, wenn diese Schulklassen aufgelassen werden, wenn die Übersiedlungskosten und Wartegebühren für die Lehrer bezahlt werden müssen? Wäre die Schulverwaltung und ihre Einpeitscher besonnen gewesen, so hätten sie wie ein gewissenhafter Arzt durch eine sehr sorgfältig vorbereitete und gut durchgeführte Operation das allfällig Überflüssige entfernt, wenn wir Deutschen tatsächlich schon so weit im Schulwesen vor Ihnen voraus waren, wie Sie immer behaupten. Was aber die Schulverwaltung tat, war eine überhastete, plump zugreifende Amputation mit unzulänglichen Mitteln, und das Ergebnis war infolgedessen nicht ein Heilungsprozeß, sondern eine Verstümmelung und eine unnötige Ausblutung. Meine Herren von der Gegenseite! Wenn Sie im alten Staat wirklich so stiefmütterlich behandelt waren - und es kann nicht in dem Ausmaß gewesen sein, wie Sie es darstellen, sonst hätten Sie unmöglich seit der Wiedergeburt Ihres Volkes, durch welche Sie ja tatsächlich einem totenähnlichen Schlummer entrissen wurden, so überraschend schnell Ihre jetzige auch von jedem unvoreingenommenen Deutschen neidlos und gerne anerkannte kulturelle und wirtschaftliche Höhe erreichen können wenn Sie wirklich so stark zurückgesetzt waren im alten Staat: nach welchem anderen Rechte als dem der krassesten Gewalt durften Sie so plötzlich, in so kurzer Zeit, in solchem Umfang und mit so furchtbarer Wirkung den vermeintlichen Ausgleich im Schulwesen einseitig zu Ihren Gusten durchführen? Sie haben weit über das Ziel hinausgeschossen. Weder der èechische Rückstand, noch der deutsche Vorsprung war so groß, daß der einzige Ausweg, ein so gewaltsamer und katastrophaler Schnitt von heute auf morgen sein müßte. Freilich, Sie meinten, Sie müßten rasch handeln mit Rücksicht auf die internationale Lage, solange die Sterne dazu noch günstig ständen. Wenn bei Ihnen, meine Herren von der Gegenseite, oder ich will gewissenhaft sagen, wenn bei der Majorität von Ihnen nur halbwegs ein gu er Wille vorhanden gewesen wäre, denn die Minderheit, die die Ansätze zu diesem guten Willen hatte, konnte sich nicht durchsetzen, dann hätte sich ein Mittelweg, ein allmählicher Ausbau und Abbau finden lassen, aus dem wir etwas anderes hätten herausführen können als den Haß und die Begier nach dem Unsrigen. Es wäre in diesem Falle der gewünschte Ausgleich im Schulwesen zwar langsamer eingetreten, aber er wäre ohne die Erschütterung eingetreten, unter der wir leiden, und wir wären vor dem katastrophalen Schaden bewahrt geblieben, der für uns nicht in der Zahl der aufgelösten Klassen liegt, sondern in der qualitativen Herabsetzung unseres Volksschulwesens, über die wir keine Zahlen im Exposé des Herrn Unterrichtsministers gefunden haben, in der verminderten Ausbildungsmöglichkeit unserer jungen Generation und in ihrer verminderten Konkurrenzfähigkeit für den wirtschaftlichen Lebenskampf. Aber vielleicht hat es sich gerade darum gehandelt. Sehen Sie denn nicht ein, daß gerade wir in unserem reich entwickelten Industriegebiet eine sehr gut vorbereitete Jugend brauchen, weil eben die Industrie ganz besondere Anforderungen an ihre künftigen Angestellten stellt? Wir brauchen auch infolge unserer Siedlungsart unsere einklassigen Schulen und unsere Exposituren. Sie in Ihren großen Elbeund Hannadörfern haben darnach kein Bedürfnis. Sie haben verhältnismäßig ein viel höher organisiertes Schulwesen. Ich möchte da auf den Einwurf des Herrn Unterrichtsministers verweisen, der gesagt hat, daß der Durchschnittsbesuch der deutschen Schulen kleiner als der der èechischen sei. Diese Statistik ist nicht zulänglich und verzerrt tatsächlich die Verhältnisse, solange nicht gleichzeitig das Verhältnis zwischen deutschen Kindern, die 4 km zur Schule zurückzulegen haben, und èechischen Kindern, die 4 km zur Schule zurückzulegen haben, vorliegt. Diese Statistik hätte zeigen müssen, daß dies eben mit den deutschen Siedlungsverhältnissen zusammenhängt, daß der Satz von den 4 km in viel zahlreicheren Fällen auf die deut chen Kinder angewendet werden muß, als auf die èechischen. Darüber schweigt aber der amtliche Bericht vollständig. Ich frage: dürfen denn überhaupt die Schulbedürfnisse einer Gebirgsbevölkerung so mechanisch gleichgestellt werden den Schulbedürfnissen einer Flachlandbevölkerung? Die Schulpolitk, die gegen uns eingeschlagen wurde, atmete leider Gottes denselben Geist, der aus den anderen Maßnahmen uns entgegentritt, aus der Bodenreform, aus der Waldverstaatlichung, aus den wirtschaftlichen Maßnahmen gegenüber uns, den Geist des hemmungslosen nationalen Egoismus, der das Sudetenland als Wohnund Nahrungsraum einzig für das slavische Element der Bevölkerung dieses Landes in Anspruch nimmt. Man hatte in der Schulverwaltung auch gar kein gutes Gewissen. Das Ministerium schob im Jahre 1919 die Sache von sich ab. Und wenn wir damals zum Herrn Minister Habrman kamen, zuckte er die Achseln und sagte: "Das bin ich nicht, das ist der Metelka!" Und wenn wir zu Metelka kamen und ihm unbequeme Fragen vorlegten, sagte er: "Das weiß nicht ich, das weiß der Sekretär der Matice školská Dvoøák."
Das ist - im Großen nur - der Hintergrund der Zahlenkolonne, die Sie uns vorgeführt haben, und dieser Hintergrund gehört zum ganzen Bilde und es ist eine selbstverständliche Aufgabe für uns dafür zu sorgen, daß auch die Welt dieses Bild mit dem richtigen Hintergrund sehe.
Fragen wir uns nun: Was ist denn durch diese Schulpolitik erreicht worden? Die Gegenseite hat für sich, bzw. für ihre Kinder das summum jus erreicht, aber dieses summum jus wurde zur summa injuria für uns. Auch die letzten èechischen Kinder erhalten heute, allerdings mit einem Riesenaufwand von Mitteln, einen geordneten und bequemen Unterricht. Das ist ein erfreuliches Zeichen. Die èechischen Kinder sitzen in schwach besetzten Klassen unter hygienisch einwandfreien Verhältnissen, vielfach in den beschlagnahmten deutschen Klassenzimmern, und unsere deutschen Kinder müssen sich in zusammengelegten Klassen zu siebzig und achtzig zum Schaden ihrer Gesundheit zusammendräng n. Auch darüber hätten wir eine vergleichende Statistik gewünscht. Tausenden deutschen Kindern wurden durch die bisherige Schulpolitik die Gelegenheit zum geregelten und dem Kindesalter entsprechend bequemen Unterrichte genommen. Meine Herren! Mögen die Gründe für die bisherige Schupolitik, welche immer sein, mag die Berechtigung zu diesem oder jenem Schritt welche immer sein, über zwei Tatsachen kommen Sie nicht hinweg: es bleiben die 1700 gedrosselten oder demnächst noch zu drosselnden Schulklassen aufrecht. Da hilft kein Deuteln und kein Drehen! Und zweitens: der einfache Mensch wie der Gebildete das Inland und Ausland werden trotz aller Beschönigungsversuche einzig nur das sehen, daß in dieser Sache mit einem ungleichen Maße gemessen wurde, durch Beamte des Staates, die blind sein sollen bei der Erfüllung der Pflicht, wie die Göttin der Gerechtigkeit. Diese zwei Pfeile sitzen in 3 1/2 Millionen deutscher Herzen. Es gibt keinen Volksgenossen, keinen Sozialdemokraten und keinen Bürgerlichen, es gibt kein Lebensalter, keinen Stand und keine Partei, wo nicht das dumpfe Gefühl eines maßlosen und unnötigen Unrechtes lebendig wäre. Und da hatte der verehrte Herr Kollege Srdínko den traurigen Mut, uns Querulanten zu nennen. Jawohl, wenn Sie es so haben wollen: wir sind 3 1/2 Millionen Querulanten! Erkennen Sie auch die Tragweite dieser Tatsache? Es wird Ihnen vielleicht dämmern, welches Gefühl maßloser Kränkung und welcher dumpfe Groll sich in diesen Millionen von Herzen eingenistet hat und was für eine Lebenserinnerung die Sperrung einer Klasse und die Vertreibung aus ihr in den Herzen der davon betroffenen jungen Generation hinterläßt. Ich habe auf meinem Versammlungen immer nur die Wahrenhmung gemacht, daß die Schulpolitik besonders unser Landvolk tiefer im Herzen getroffen hat, als jede andere der zahlreichen Schikanen, mit denen wir seit dem Umsturze bedroht wurden, tiefer im Herzen getroffen hat, als die Kriegsanleihe. Stellen Sie sich doch vor, meine Herren von der Gegenseite, was für ein Kleinod für eine Gebirgsgemeinde das schmucke, aus saueren Umlagegeldern zusammengesparte Schulhaus bedeutet, auf das Generationen gefrohndet haben, und stellen Sie sich das Gefühl vor, wenn der Federstrich eines Beamten in Prag oder der Wille eines Výbormannes diesen Besitz, der gewissermaßen Familienbesitz der ganzen Dorfgemeinschaft ist, enteignet. Ich frage, meine Verehrten: War es denn unbedingt nötig, mit den hunderten und tausenden Leiden der Nachkriegszeit, die uns alle getroffen haben, ob wir Deutsche oder Èechen sind, auch noch dieses dreifach gebrannte Herzleid zu verbinden?
Ich fasse zusa mmen und dieses Ergebnis wird dauern trotz aller Gegenpropaganda. Es ist ein trauriger Ruhm für das èechische Volk, daß der erste Schritt in seiner neuen Staatlichkeit eine solche Zerstörung geistiger Werte war, wie sie kein anderer der sogenannten Siegerstaaten in gleichem Umfange durchgeführt hat, möge sie nun aus diesem oder jenem Grunde erfolgt sein. (Posl. dr. Srdínko: Pane kolego, prosím vás, to kverulantství, já nevynašel, to napsal váš lidový nìmecký zvolený zástupce! A je to ve brožurce vytištìno! Je to Pollach!) Sie haben sich ausdrücklich hiehergestellt, Herr Kollege, und haben gesagt: "Vy jste kverulanti," oder "to je kverulantství." (Posl. dr. Srdínko: Pøede mnou toho slova užil váš nìmecký senátor Pollach, prosím!) Relata referro. Den Herrn Senator Pollach habe ich nicht gehört. Wir haben das Wort Querulanten auch von anderen Herren hier gehört. Ich weiß mich zu erinnern, daß der Herr Koll. Sladký es auch gebraucht hat. Ich habe leider nicht jenes Zahlengedächtnis und die Geläufigkeit, dem Herrn Kollegen Sladký die Stellen zu zitieren, wo er es gebraucht hat.
Es möge mir gestattet sein noch mit einigen Einzelnheiten zu dienen. Ich will darauf hinweisen, daß unsere deutschen Schulkinder Wege zurücklegen müssen, die man von einem jungen Organismus humanerweise nicht verlangen kann. Ein Beispiel hiefür gibt der gemischtsprachige Ort Riedersdorf. Ich möchte die Herren des Landesschulrates bitten, sich den Namen zu merken: Riedersdorf im Bezirke Landskron. Es ist eine arme über 600 m gelegene Gebirgsgemeinde, wo seit dem Jahre 1876 eine deutsche Schule besteht. Sie war ungefähr von 20 Kindern die Jahre her besucht und wurde in eine Winterschulexpositur der fast vier Kilometer entfernten Schule in Neudorf verwandelt. Im September, Oktober und vom April angefangen müssen die 20 Kinder einen Weg von 3660 m zur Schule zurücklegen, wo auf dem ganzen Weg kein Gebäude steht. Von der Beschaffenheit dieses Weges hat sich die Schulbehörde gar keine Vorstellung gemacht, aber das Landesgendarmeriekommando hat sich eine Vorstellung gemacht und die Genda rmeriemannschaft von Patrouillengängen auf diesem Wege bei schlechtem Wetter befreit. Diesen Weg müssen die deutschen Kinder zurücklegen, trotzdem die èechische Gemeindevertretung von Riedersdorf mit Rücksicht auf die Gefahren des Weges für das Verbleiben der deutschen Schule in Riedersdorf sich ausgesprochen hat.
Weil wir schon vom Bezirk Landskron sprechen, der sich jetzt des besonderen Augenmerks der èechischen Minderheitsapostel erfreut, möchte ich auf den Fall des deutschen Kindergartens in Landskron hinweisen, der beschlagnahmt wurde, damit die èechische Schule dort Platz finde. Den Kindergarten besuchen vorzugsweise Kinder der Tabakfabriksarbeiter in Landskron. Vor 3/4 Jahren waren wir, Sozialdemokraten und Bürgerliche, mit dem Bürgermeister von Landskron beim Minister für soziale Fürsorge Habrman und im Schulministerium. Ich bedauere sehr, daß der Herr Minister Habrman nicht da ist, ich würde ihn gerne daran erinnern, was er von seinen deutschen Genossen hat anhören müssen. Eine besondere Untersuchungskommission wurde versprochen, die unbedingt ein Lokal für den deutschen Kindergarten zu finden hätte. Bis heute ist weder eine Kommission erschienen, noch ist ein Lokal gefunden worden und die Arbeiterkinder können bereits ein Dreivierteljahr lang, natürlich ohne Aufsich, zuschauen, wie sie ihre Zeit zubringen.
In Türnau in Mähren wurde 1905 eine deutsche Schule gegründet, die nach dem Umsturz geschlossen wurde. Handlanger für diese Schließung war trotz der ergangenen gegenteiligen Anordnung des Ministeriums der damalige Bezirkshauptmann von Mähr. Trübau, der für das Kunststück, daß er die deutschen Schulkinder eines ganzen Ortsteiles aus der Zahl herauseskamotierte, zum Dezernenten für Minderheitsschulen beim mährischen Landesschulrat ernannt worden ist. Trotzdem heute noch 32 deutsche, einwandfrei deuts che Kinder vorhanden sind, wurde nicht einmal die Bewilligung zur Errichtung einer Privatschule gegeben. Da möchte ich den Finger besonders darauf legen. Wie schaut es mit der Bewilligung von Privatschulen aus? Wo bleibt da die Ersparung, auf die man sich immer beruft? Zum Ersatz für die nicht bewilligte deutsche Schule in Türnau wurde in der bekannten großen deutschen Schönhengster Grenzgemeinde Kornitz eine neue èechische Schule gebaut. Da es an èechischen Kindern mangelte, wurden aus den umliegenden èechischen Dörfern, die selbst èechische Schulen haben, Kinder zum Besuche dieser mit großem Aufwand aufgebauten Schule kommandiert.
Es wäre noch sehr viel zu sagen, ich muß zum Schluß wiederum zu den Äußerungen zweier Vorredner zurückkehren; zunächst zum Kollegen Srdínko. Ich weiß nicht, ob es ein Akt besonderer politischer Voraussicht war, daß Kollege Srdínko uns ausgerechnet im Jahre 1922 für die kriegspsychotischen Enunziationen einer unverantwortlichen Gesellschaft und für deren Pläne zur Neugestaltung Österreichs verantwortlich zu machen sucht und uns damit identifiziert. Ich muß es dem Urteil jedes besonnen Denkenden auch auf èechischer Seite ruhig überlassen. Wir könnten ja auch mit Gegenmaterial dienen, mit Material darüber, was für Pläne nach dem Umsturz von verantwortlichen und unverantwortlichen Elementen auf der Gegenseite da gefaßt wurden, wir könnten z. B. auf den famosen Herrn Kufner verweisen und auf andere mit ihren phantastisch-mystisch aufgeblähten Größenverhältnissen des zu schaffenden Staates, der nach den Plänen des Herrn Kufner beinahe auch Berlin und Wien hätte schlucken sollen. Aber ich meine, es ist geradezu kindisch, solche Dinge, über die ja die Entwicklung schließlich ihren Mantel gebreitet hat, aufzurühren, und ich meine, es war kein guter Griff des Herrn Kollegen Srdínko, uns diesen alten Kohl, den uns übrigens Herr Minister Šrámek seinerzeit schon präsentiert hat, wiederum aufzuwärmen. Über Herrn Lukavský erübrigt sich jedes Wort ernster Entgegnung. Die Methode des Herrn Dr. Lukavský wird langsam Wahnwitz. Er ist der typische Vertreter jener Entartung des hohen Nationalgedankens, auf dem die Charakteristik des Chauvinismus in der Neujahrsrede des Herrn Präsidenten wie ein brennender Peitschenhieb sitzt. Vor Herrn Lukavskýs Ideen über die Autonomie müssen wir wahrlich den Hut ziehen. Daß eine verständige Trennung von Funktionen des staatlichen Organismus nach der nationalen Zusammensetzung, wie dies Kollege Stivín formuliert hat, daß eine solche verständige Trennung in jeder Hinsicht und vor allem für das ruhige Zusammenleben der Völker, also im eminenten Staatsinteresse wünschenswert ist, für diese Erkenntnis hat der Gedankengang des sonderbaren Politikers Lukavský keinen Platz, dessen nationalistische Theorie, konsequent in der Praxis durchgeführt, zu den schwersten Erschütterungen dieses Staates führen muß. Lukavskýs Rede ist auf guten Boden gefallen, daß zeigt der Sonntagsartikel in den "Lidové Noviny", der überschrieben ist: "Kehrseite der Schuldebatte". Dieser Artikel beleuchtet blitzartig die Situation. Der Artikel verlangt, daß das deutschèechische Verhältnis nach der Richtung bereinigt werde, daß nunmehr der Sieggesichert werde. "Je widerwärtiger dieser Guerillakrieg mit der deutschen Unersättlichkeit und Großmannssucht ist, und je mehr er uns in unserer wirtschaftlichen, sozialen und Kulturarbeit hindert, desto größer ist unsere Pflicht, diese Dinge rasch und endgültig zu bereinigen, damit durch sie nicht auch die kommende Generation gehindert werde. Über aller Sehnsucht nach nationalem Frieden und Ruhe und Arbeit, muß uns das Bewußtsein stehen," schreibt der Artikel, daß das èechoslovakische Volk die letzte Gelegenheit in der Geschichte hat, sich den Boden sicherzustellen, den es unumgänglich zu seinem Leben und zu seiner Entwicklung braucht. Übergeben wir diesen Boden den kommenden Geschlechtern noch als national strittig und das Grenzgebiet gar als rein deutsch, so war unser Kampf umsonst. Die Èechoslovakische Republik würde ihren Sinn verlieren, wenn sie ihr Territorium nicht ganz und bedingungslos als Heimat des èechoslovakischen Volkes sichern würde. Die Zukunft ist immer unsicher und wir wären sicher sehr einfältig, so meint der Artikel, - wenn wir mit diesem Messen der Kräfte zuwarten wollten, bis Deutschland wieder in voller Kraft dasteht und Österreich gerettet und vielleicht ein Teil Deutschlands sein wird. Und wenn unsere Deutschen die große Auseinandersetzung mit uns ankündigen, dürfen sie sich nicht wundern, daß dies jetzt, gleich, morgen schon bereinigt wird."
Meine Herren! Wir haben also damit zu rechnen, daß wenigstens nach dem Willen dieser nationalistischen Elemente, dieses jungèechischen Blattes der Kulturkampf, den wir um unsere Schulen führen müssen, weil er uns aufgedrängt wurde, zu einem Kampf um unsere gesamte Existenz in diesem Staate umgestaltet werden soll. Wenn diese Ansicht allgemein durchdringt, dann werden wir auch diesen Kampf auf uns nehmen müssen.
In dem beruhigenden Bewußtsein unseres Rechtes und im Bewußtsein, daß alles Unnatürliche der jetzigen Ordnung doch wieder den Weg zum Natürlichen finden muß. Wir wünschen nicht, daß dieser Kampf kommt, denn er wird von beiden Seiten furchtbare Opfer fordern. Wir wünschen, daß bei unseren Gegnern die Einsicht platzgreife, daß es auch Mittel und Wege einer friedlichen Lösung gibt und daß gerade diese friedliche Lösung ein Lebensinteresse beider Streitteile bedeutet. Aber es sind schlechte Anzeichen dafür vorhanden. (Výkøiky: Jawohl!) Es droht uns die Wälderverstaatlichung, die unser Volk zum verzweifeltsten Abwehrkampf bereit finden wird, und soeben ist uns heute in den Abendstunden der Gesetzesantrag auf Verstaatlichung der Teplitz-Aussiger-Bahn auf den Tisch geflattert gekommen. Erinnern Sie sich, meine Herren, daß wir über das Verstaatlichungsgesetz auch in einer Nachtsitzung verhandelt haben, und erinnern Sie sich, wie diese Nachtsitzung geschlossen hat? Es ist uns damals versprochen worden, daß nichts in der Verstaatlichungsaktion erfolgen werde, ohne daß wir zuvor verständigt werden. (Hört! Hört!) Das ist nicht ges chehen. Das Wort ist hier ebenso wenig gehalten worden, wie auch, wie Herr Kollege Hillebrand vorhin erwähnt hat, jenes Wort, des Herrn Unterrichtsministers, der gesagt hat: Im Schulwesen wird Euch kein Unrecht geschehen!
Ich kann Ihnen, meine Herren von
der Gegenseite, - und ich glaube, ich bin dazu autorisiert, weil
ich den Mut gefunden habe, meine Meinung auch von dieser Stelle
aus stets offen zu sagen - ich kann Ihnen nur den sehr ernsten
Wunsch entgegenrufen: Halten Sie beizeiten ein mit einer solchen
Politik! Halten Sie insbesondere ein auf der Bahn der jetzigen
Schulpolitik! Denn der ganzen gesitteten Welt gegenüber werden
Sie trotz allem Aufwand von Zahlenkolonnen schließlich im Unrecht
bleiben. Es wird kein Ehrentitel für das Volk eines Komenius sein,
Schulen unter welchen Gründen immer aufzulösen und sich gegen
den Geist dieses großen Mannes zu versündigen, den besonders wir
Deutschen ehren und pflegen wie einen der Besten von uns und der
uns als ein Befruchter auch unseres eigenen Geisteslebens gilt.
(Souhlas na levici.)
Hohes Haus! Der Abgeordnete Warmbrunn
machte mir im Verlaufe seiner Ausführungen den Vorwurf, daß ich
wegen Milchwuchers vom Gerichte verfolgt wurde. Mir selber ist
davon bisher nichts bekannt gewesen. Ich habe deshalb den Abg.
Warmbrunn auch als Lügner bezeichnet. Worauf er anspielte,
ist vermutlich meine seinerzeitige Verurteilung vor dem Bezirksgerichte
in Kratzau und vor dem Kreisgerichte in Reichenberg wegen angeblicher
Verleitung zur Preistreiberei mit Kartoffeln. Beide Verurteilungen
er folgten nur aus politischen. Gründen durch die kommunistischen
Beisitzer der betreffenden Gerichtssenate. Die gefällten Urteile
empfand ich als offenkundiges Unrecht. Ich habe daher die mir
gesetzlich zustehenden Rechtsmittel ergriffen, u. zw. mit dem
Erfolg, daß der Oberste Gerichtshof als Kassationshof die Urteile
aufhob, weil dadurch das Gesetz verletzt wurde. Ich gebe diese
Tatsache dem hohen Hause bekannt. Es genügt dies wohl zur Kennzeichnung
der Verleumdungen des Abg. Warmbrunn.