Pátek 27. øíjna 1922
Meine Damen und Herren! Bei der
Art, wie die Deutschen in diesem Staate behandelt werden, würde
ich mich gar nicht scheuen, eine Tat zu begehen, die man mir jetzt
vorwirft. Ich muß aber feststellen, daß die Beschuldigung der
Ausspähung gänzlich haltlos ist, was sich im gerichtlichen Verfahren
hier ergeben wird. Das gerichtliche Verfahren wird auch das
ganze System aufdecken, das Sie gegen uns Deutsche und insbesondere
gegen die deutschen Volksvertreter anwenden, um sie gefügig zu
machen. Deshalb begrüße ich meine Auslieferung und bitte Sie,
wie auch die deutschen Abgeordneten jeder Parteirichtung, meiner
Auslieferung zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Bemerkung. Die Angelegenheit, um die es sich hier handelt, ist sowohl für Ihren Staat als auch für die Ehre der damit zusammenhängenden Personen von größter Bedeutung. Ich erwarte, daß meine Ausführungen ebenso angehört werden, wie die des Herrn Berichterstatters. Der Herr Berichterstatter hat sich eingangs seines Berichtes, wenn ich ihn recht verstanden habe, auf den Abgeordneteneid bezogen, den ein jeder von uns auf die Gesetze dieses Staates leistet. Es ist notwendig, daß wir uns daher klar darüber werden, ob es ein moralischer Defekt ist, wenn wir uns mit einem Paragraphen in Widerspruch setzen, den man in der Regel als "Hochverrat" kennzeichnet. Der Mann, dem Sie hier eine Büste gesetzt haben, er hat das Wort gesprochen:
"Hochverrat ist Ana hronismus". Herr Dr. Beneš, einer der vorzüglichsten Vertreter der èechoslovakischen Nation, wie sie sich nennt, hat es nicht unter seiner Würde gefunden, bei Nacht und Nebel heimlich die Grenze bei Franzensbad zu überschreiten, um sich in das Ausland zu begeben und dort gegen den Staat zu wirken, dem er als Beamter einen Eid geleistet hatte, weil er glaubte, dies im Interesse seines Volkes tun zu müssen. (Výkøik: Aber nicht um Bezahlung!) Ich komme auf diese Frage noch zurück, lassen Sie mich, meine Herren, aussprechen.
Herr Dr. Kramáø und Finanzminister Dr. Rašín wurden seinerzeit des Hochverrates beschuldigt. Ich habe immer bestritten und bestreite es noch auf Grund meiner Kenntnisse, daß es sich wirklich um Hochverrat gehandelt hat. Heute freilich sich viele der Herren bemüht, darzu legen, daß sie tatsächlich Hochverräter gewesen sind, wenn dies auch nicht zu trifft, und sie haben meiner Ansicht nach mit Recht, ebenso wie Dr. Šámal, der an der Spitze der Kanzlei des Präsidenten steht, darauf hingewiesen, daß es sich hier keineswegs um Hochverrat, son dern um die Verfolgung einer politi schen Gesinnung gehandelt hat. Und der Herr Berichterstatter selbst, Mit glied der sozialdemokratischen Arbeiter partei, er bekennt sich frei und offen zu einem revolutionären Programm, das nicht etwa bloß einen Staat verändern, sondern das die ganze Gesellschaftsordnung verändern will, frei und offen, nicht etwa, wie Sie mir sagen werden, ausschließlich mit den Mitteln der Demokratie, sondern auch, wenn der Zeitpunkt gegeben ist, mit Hilfe der Gewaltherrschaft, der Diktatur. Keinem Menschen ist es eingefallen und wird es einfallen, eine de artige Gesinnung mit Hochverrat zu bezeichnen, wenn der Betreffende nicht vielleicht ein eng herziger Staatsanwalt ist. Es gibt also keinen Hochverrat, für den Sie uns sittlich oder moralisch in diesem Staate verant wortlich machen könnten. Und keine Berufung auf einen angeblich geleisteten Eid könnte uns in diesem Bewußtsein irre machen. Für uns gibt es keinen Hochver rat. Und wenn Dr. Baeran durch die Untersuchung des Hochverrates schuldig überwiesen werden sollte, dann darf er versichert sein, daß er in unseren Augen nicht das Mindeste an Hochachtung ein gebüßt hat. (Potlesk na levici.) Es handelt sich hier, wie in all den Fällen, die ich berührt habe, nicht um die Verfolgung des Deliktes des Hochverrates, sondern es handelt sich hier offenkundig darum, einen Tendenzprozeß ins Werk zu setzen, mit dessen Hilfe es den Machthabern möglich gemacht werden soll, sich eines un bequemen Mannes zu entledigen. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)
Und damit, meine Damen und Herren, komme ich auf das Kapitel: die Spionage. Sie werden mir wahrscheinlich einwenden, daß es sich hier keineswegs um das Ver brechen des Hochverrates handelt, son dern um das Verbrechen der Spionage. Dazu gestatten Sie mir Folgendes zu be merken: Der Berichterstatter selbst - ich zitiere wörtlich im Original - schreibt: "Dr. Alois Baeran dopustil se èinù na míøených proti existenci republiky Èesko slovenské". Das ist die juristische Kennzeichnung für den Hochverrat und nicht für Spionage. Es kann sich also rechtlich höchstens um Spionage zum Zwecke des Hochverrates handeln. Das ist wichtig festzustellen. (Posl. Stejskal: Das ist ein Doppelverbrechen!) Sie, Herr Kollege, sind kein Jurist. Also selbst der Bericht des Immunitätsausschusses weist den Widerspruch auf, in dem Sie sich hier be wegen. Und dann, meine Herren, wie sind Sie bei der Inswerksetzung dieses Pro zesses vorgegangen? Der einzige Sohn des Beschuldigten, Dr. Arduin Baeran, be findet sich seit beiläufig drei Wochen in Haft. Ich weiß genau, daß schon seit län gerer Zeit ihm immer wieder mitgeteilt wird, es liege gegen ihn nichts vor, es könne nur aus verschiedenen Zufällig keiten seine Freilassung nicht erfolgen. Es liegt der nicht abzuweisende Verdacht nahe, daß Sie sich des Sohnes des Ihnen unbequemen Dr. Baeran bedient haben, um eine willkommene Geisel in die Hand zu bekommen und sich der Person Ihres Widersachers zu versichern. Und, was die Spionage anlangt, um die Schlagkraft, die militärische S chlagkraft des Heeres zu schwächen, glauben Sie, meine Damen und Herren, wirklich, daß das Heer, das Sie zum Schutze dieser Republik errichten, auch aus unseren Reihen bevölkern und aus heben, daß das im Ernstfalle wirklich in der Lage wäre, diesen Staat zu schützen? Und wissen Sie nicht, daß es wahr ist, was hier vorgebracht wurde, daß die Geheim dokumente der èechoslovakischen Republik bei fremden Gesandtschaften und Stellen sich eines derart geringen Kurswertes er freuen, daß sie nicht abgesetzt werden können, weil sie immer schon gleich in die Hände derjenigen kommen, die von ihnen nicht wissen sollen? So sieht die Spionage aus, um die es sich handelt. Wie haben Sie weiter verfahren? Sie haben, trotzdem Dr. Baeran seinerzeit aus Anlaß der Verfolgung der Stinkbombenaffäre hier im Parlamente aus Wien zurückgekehrt ist und sich selbst dem Gerichte gestellt hat, ihn unter eine ständige geheimpolizeiliche Überwachung gestellt. Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir selbst festgestellt haben, wie Ihre Geheimpolizei arbeitet, und ich bedauere es, daß Herr Ministerpräsident Švehla und die anderen Herren dieses Ressorts soviel Geld für eine gänzlich unnütze Überwachung ausgeben und ausgegeben haben, da hier von einer Fluchtgefahr oder Kollusionsgefahr keine Rede sein kann, was Ihnen jeder Jurist bestätigen wird. Als Dr. Baeran vor einigen Tagen in Brünn mit einigen Damen und Herren seiner Bekanntschaft im Deutschen Haus das Essen einnahm, da folgte ihm eine Reihe von Geheimagenten bis zum Stiegenhaus des Hauses in der Giskrastraße. Herr Dr. Baeran stellte sich im Vorraum des ersten Stockwerkes auf, u. zw. hinter eine Glastüre und riß dann plötzlich die Glastüre auf, um den Betreffenden, der ihn verfolgte, zu stellen. Dieser zog es aber vor, fluchtartig über die Stiege herunter das Haus zu verlassen und im Dunkel zu verschwinden. Wir haben uns gestattet, gestern die Sicherheitswache, die Sie in so kulanter Weise Dr. Baeran in verschiedenen Exemplaren zur Verfügung gestellt haben, auf die Probe zu stellen. Einer von uns, meine Herren, hat sich den Pelz des Doktor Baeran angezogen, seine Brille aufgesetzt und seinen Hut und sich eine Virginia, das typische Kennzeichen Dr. Baerans, in den Mund gesteckt. Auf die Art haben wir die ganze Sicherheitspolizei irregeführt, haben sie eine Stunde lang durch die Straßen Prags gejagt. Dr. Baeran saß mittlerweile längst in einem Gasthaus mit anderen Freunden und unterhielt sich. Das ist kein Meisterstück und ich sage das nur, meine Damen und Herren, deshalb und führe diese Sache an, - denn es handelt sich um eine ernste Angelegenheit, - um zu beweisen, daß, wenn Dr. Baeran die Absicht gehabt hätte, sich der Justiz zu entziehen, ich verbürge mich persönlich dafür, daß er das jederzeit hätte ohneweiters tun können. Es war also ganz überflüssig, ihn derart zu belästigen und mit einer Überwachung zu versehen.
Nun, meine Damen und Herren, zu einer weiteren Bemerkung. Herr Berichterstatter Koudelka hat im Immunitätsausschuß einen Bericht erstattet, den Sie wahrscheinlich kennen. Auch heute kam er auf diese Angelegenheit zu sprechen. Er hat die Frage aufgeworfen, ob Dr. Baeran lediglich aus idealen Motiven gehandelt hat, und hat selbst die Frage derartig beantwortet, daß der unbefangene Leser und Hörer sagen muß, Dr. Baeran habe sich hier höchstwahrscheinlich, wenn nicht sicher, zumindest auch von materiellen Gründen leiten lassen. Herr Kollege Koudelka hat den Namen Baeran in dem Zusammenhang im Ausschuß nicht genannt. Heute aber von dieser Stelle aus hat er ganz deutlich das erörtert und erklärt, was ich soeben kurz präzisiert habe. Wir haben uns bereits gestern im parlamentarischen Klub der Nationalpartei mit dieser Angelegenheit beschäftigt und es ist lediglich auf ein Versehen der Klubkanzlei zurückzuführen, daß unsere Verlautbarung über die heutige Sitzung in den Prager Blättern nicht erschienen ist, was unsere Absicht war. Ich gestatte mir, meine Damen und Herren, Sie zu bitten, daß ich von dieser Stelle daher Ihnen diese Verlautbarung mitteilen darf: "Aus den Nachrichten der Blätter geht hervor, daß Berichterstatter Koudelka die von ihm selbst aufgeworfene Frage, ob sich Dr. Baeran ausschließlich von idealen Beweggründen habe leiten lassen, dahin beantwortete, daß in den vorliegenden Fällen auch das Geld eine wesentliche Rolle gespielt habe. Er beantrage daher dem Auslieferungsbegehren stattzugeben. Dieser Darstellung muß, obzwar der Name Dr. Baeran bei Beantwortung der Frage nicht ausdrücklich genannt wurde, im Zusammenhang mit der Frage selbst die Wahrscheinlichkeit, wenn nicht Gewißheit, entnommen werden, daß Dr. Baeran für seine angeblichen Dienste entlohnt wurde. Der Klub der deutschen Nationalpartei nahm die ehrenwörtliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Baeran, daß er von keiner ausländischen Macht für Späherdienste Geld erhalten habe, zur Kenntnis und beschloß gegen eine derartig niederträchtige Verdächtigung Einspruch zu erheben."
Heute hat Kollege Koudelka
ausgeführt, daß verschiedene Geldbeträge nach der Aktenlage hier
eine Rolle spielen und daß es allerdings nicht festgestellt werden
konnte, ob Dr. Baeran diejenigen, die ihm Dokumente lieferten,
aus eigenem bezahlt hat oder ob er hiefür Geld von jemand anderem,
sei es einer ausländi schen Macht, erhalten habe. Meine Damen
und Herren! Das ist eine Sache, die über aus wichtig ist und die
persönlich zu be werten ist. Ich bestreite, daß derjenige, der
im politischen Leben für einen Zweck Geld entgegennimmt, den er
sonst politisch und moralisch zu vertreten in der Lage ist, eine
ehrenrührige Handlung begeht, wenn er dieses Geld annimmt, vorausgesetzt,
daß er es nicht für sich verwendet. Und das hätte Kollege Koudelka
hier ganz klar betonen und beantworten müssen. Denn hier geht
es, ganz abgesehen von allen politischen Erwägungen, um die persönliche
Ehre eines Mannes, der im Vordergrunde des politischen Kampfes
steht. Und ich erkläre, wenn das gerichtliche Verfahren die Unhaltbarkeit
dieser Behauptung oder Vermutung des Kollegen Koudelka
erweist, dann erwarte ich, daß er von dieser Stelle aus widerruft
und um Verzeihung bittet. (Sehr richtig!) Wenn er dies
nicht tut, dann verde ich persönlich, von dieser Stelle aus, bei
der ersten Gelegenheit ihn selbst einen nieder trächtigen Verleumder
nennen.
Pøedseda (zvoní):
Volám pana øeèníka
k poøádku. (Hluk na levici. - Posl. dr. Schollich: Er
ist doch noch nicht ausgeliefert, wir werden uns doch nicht alles
gefallen lassen!) Volám pana posl. dr. Schollicha k
poøádku. (Hluk.)
Posl. dr. Lodgman (pokraèuje):
"Dann werde ich", habe ich gesagt. Es steht ihm
frei, zu dieser Sache noch Stellung zu neh men. Dann werde ich
ihn so nennen . . . (Hluk.)
Pøedseda
(zvoní): Volám pana øeèníka k poøádku! (Hluk.)
Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): . . . und daran werden Sie nichts ändern und ich hoffe, daß Herr Kollege Koudelka die Sache dann auch persönlich mit mir aus tragen wird (Rùzné výkøiky.) ohne auf Ihre Hilfe zu reflektieren.
Und nun meine verehrten Damen
und Herren, noch zwei Bemerkungen. (Výkøiky posl. Špaèka.)
Wer glaubt, daß ich mich persönlich scheuen würde, öffentlich
zu erklären, daß die höchste Pflicht des deutschen Volksvertreters
in diesem Staate der Hochverrat ist, der irrt; er hat meine Reden
vielleicht nicht gelesen, oder aber er ist ein Lügner. (Posl.
Špaèek: Zapla pánbùh, že jste to øekl. Aspoò budou jiní vìdìt,
na èem jsou!) Wir scheuen uns gar nicht davor, Sie aber haben
sich in Österreich davor gefürchtet . . (Posl. Špaèek: To není
pravda!) Gerade Ihr waret es. (Rùzné výkøiky. Hluk.) Ich
bitte, Herr Präsident, mir Ruhe zu verschaffen.
Pøedseda (zvoní):
Prosím o klid. (Hluk.)
Prosím o klid.
Posl. dr. Lodgman (pokraèuje): Meine verehrten Damen und Herren! Noch eine Bemerkung zu dem, was Herr Kollege Koudelka bezüglich der Slovaken und der tausenden Personen gesagt hat, die unter Umständen durch solche Machenschaften an ihrem Leben im Ernstfalle könnten gefährdet werden. Haben Sie im Weltkriege darnach gefragt, ob tausende deutscher Soldaten in die Breschen haben springen müssen, wenn die èechischen Soldaten die Front verließen? (Potlesk na levici, odpor na pravici. - Posl. Dubický: Pane doktore, my jsme byli za to v kriminále, a vy jste zbabìlci!) Sie haben sich darum nicht geschert, und meine Herren, ich bin der letzte - das habe ich schon in Österreich bewiesen, - Ihnen aus einer solchen Stellungnahme einen Vorwurf zu machen. (Výkøiky posl. Dubického a Špaèka.)
Aber jetzt komme ich, meine verehrten
Damen und Herren, zu dem Kern der Angelegenheit und dann werde
ich schließen. Herr Kollege Baeran hat hier seine Auslieferung
selbst beantragt. (Výkøiky posl. Špaèka.) Er selbst kann
und mag am besten beurteilen, zu welchem Ergebnis dieses Gerichtsverfahren
führen wird, und ob vielleicht nicht der Tag kommt, an dem Sie,
meine Herren von der Koalition, es sehr bedauern werden, hier
im Abgeordnetenhause die Immunität eines Abgeordneten aufgehoben
zu haben. Das ist Ihre Angelegenheit. Ich aber und meine Partei
freunde können diesem Wunsche des Herrn Kollegen Baeran
nicht folgen, weiß Gott, nicht etwa zum Schutze des èechischen
Parlamentarismus, an dem nichts zu schützen ist, auch nicht etwa,
um ihn dem Gerichte zu entziehen, denn er will sich ja selbst
dem Gerichte zur Verfügung stellen, aber aus Grundsätzen, weil
wir hier, wenn wir unsere Stimmen gegen diesen Tendenzprozeß abgeben,
für die von Ihnen geschändete Demokratie eintreten, auf die sich
Herr Kollege Koudelka vergebens beruft. Er mag sich, so
oft er will, auf die Mobilisierung gegen Ungarn berufen oder nicht,
wir haben die Übe zeugung, daß wir das demokratische Prinzip vertreten,
daß wir unter allen Umstän den den Abgeordneten in seiner ihm
zu stehenden Immunität schützen müssen, und solange - Sie uns
nicht nachweisen können, daß hier wirklich eine ehrenrührige Handlung
vorliegt, solange können und werden wir der Auslieferung nicht
zustimmen und daher gegen den Antrag des Ausschusses stimmen.
(Potlesk na levici.)