Hohes Haus! Es ist das erstemal, daß die auf Grund des Wahlgesetzes gewählte Volksvertretung Gelegenheit hat, hier in diesem Hause zu einer Wehrvorlage Stellung zu nehmen. Das bisherige Wehrgesetz, das hier in Geltung ist, wurde bekanntlich von der Revolutionsvers ammlung beschlossen und hat für uns natürlich auch nur den Wert einer solchen Versammlung. Die Sanktionierung durch das freigewählte Volkshaus ist bis zur Stunde nicht erfolgt. Die heute hier dem Hause vo gelegte Gesetzesvorlage soll einige Erleichterungen zu diesem alten Gesetze bringen und es bedeutet das Einbringen dieser Vorlage nach meiner Ansicht immerhin schon einen Versuch, einsichtsvoller zu werden gegenüber den ursprünglichen Ansichten, die bei der schaffung des Wehrgesetzes zum Ausdruck gekommen sind.
Es sei mir bei der Gelegenheit gestattet, einige Vergleiche zu ziehen zwischen der Behandlung solcher Fragen im alten Wiener Parlament und heute hier in der Prager Nationalitätenversammlung. Es ist ja noch nicht solange her, es war im Jahre 1913, daß wir dort ein Wehrgesetz gemacht haben, das unter dem Eindruck stand, den Wünschen der breiten Masse der Bevölkerung und vor allem den wirtschaftlichen Notwendigkeiten bei der Ableistung der Dienstpflicht Rechnung zu tragen, und manche der Herren, die damals Gelegenheit hatten, in Wien an diesem Gesetz mitzuarbeiten, sitzen auc!h heute in diesem hohen Hause, und es ist da ganz interessant, wenn man beobachten kann, wie sich die Umwandlung der Ansichten im Laufe der Zeit vollzogen hat. Zwei Gruppen des Hauses haben damals meines Wissens eine grundsätzlich ablehnende Stellung eingenommen: es waren dies damals die gesamten Sozialdemokraten, heute nach unseren Anschauungen die Herren der deutschen und die der èechischen Sozialdemokratie; für die Begünstigungen im weitesten Sinne des Wortes, weil sie besonders vom landwirtschaftlichen Standpunkte nicht zu unterschätzen waren, haben damals die Vertreter der deutschen Bauernschaft sich eingesetzt, aber auch die Vertreter der èechischen Bauernschaft. Wenn wir die Haltung dieser vier Gruppen die ich jetzt erwähnt habe, heute betrachten, so ist eine auffallende Änderung in der Haltung gegenüber dem neuen Gesetze eigentlich nur auf èechischer Seite zu bemerken. Dabei haben die gewaltigste Metamorphose die èechischen Sozialdemokraten durchgemacht, aber auch die èechischen Agrarier können sich nicht beklagen, da sie gegenüber ihren früheren mit sehr viel Nachdruck zum Ausdruck gebrachten Forderungen eine gründliche Änderung in ihrer Anschauung erfahren haben. Tatsache ist, daß sie damals nicht genug Begünstigungen bekommen konnten, daß sie aber heute in dieser Richtung wesentlich zahmer geworden sind. Ich werde noch im Iaufe meiner Ausführungen Gelegenheit haben, darauf hinzuweisen, daß das nicht so sehr ihrem ei genen Willen, sondern weit mehr höheren Gewalten zu verdanken ist, über die wir gleichfalls noch reden werden.
Wenn wir das Revolutionsgesetz betrachten, kommen wir zu der Überzeugung. daß es sein Entstehen Schlagworten verdankt und daß man die Erfah rungen der Kriegszeit beim Zustandekommen des Gesetzes gganz und gar nicht berücksichtigt hat. Ich hatte wiederholt Gelegenheit, mit den verschiedenen Ministern für nationale Verteidigung über die Härten des Gesetzes zu sprechen, hauptsächlich deshalb, weil es Erleichterungen für die Gruppen, die solche Begünstigungen im Interesse des Staates und der Volkswirtschaft dringend brauchen, nicht enthält. Und da habe ich immer als Antwort gehört, daß das ein Gesetz ist, das, demokratischen Grundsätzen entsprechend, ggleiches Recht für alle verlangt, und daß es aus diesen Gesichtspunkten heraus nicht anders sein kann, als es eben ist. Die Mahnungen, die uns in dieser Richtung der Krieg gelehrt hat, daß Begünstigungen notwendig sind, weil die Arbeit im Hinterland genau so notwendig ist. wie die Arbeit an der Front im Kriegsfalle, haben soviel wie nichts genützt. Es ist auch nicht den Mahnungen von deutscher Seite, sondern wohl in erster Linie dem nachdrücklichen Eingreifen der èechischen Bauernschaft zu verdanken, die mit dem nötigen Nachdruck daraih hingearbetet hat, daß man sich endlich entschlossen hat, die wirklich offenkundigen Mängel abzustellen. Von diesem Gesichtspunkt beleuchtet ist wohl auch das heutige Gesetz zustande gekommen.
Das, was wir auf dem Gebiete des Militarismus erleben müssen, bedeutet gegenüber den alten Zuständen in Österreich eine wesentliche Verschlechterung, besonders wenn es sich darum handelt, volkswirtschaftliche Fragen zu berücksichtigen. Ich verweise nur darauf, in welch rücksichtsloser Weise man bei Einberufungen vorgeht, wie man oft gar keine Rücksicht auf die wirtschaftliche Notlage der einzelnen Betriebe nimmt, wie man auch auf den nötigen Ersatz des Einzurückenden keine Rücksicht nimmt, wie man in geradezu brutaler Weise die Leute zu den Waffenübungen einberuft in einer Zeit, wo sie wirklich besseres zu tun hätten, und wie man es nicht vermeidet, Waffenübungen gerade in eine Zeitpunkte abzuhalten, wo draußen dadurch Schaden entstehen muß. Die bisherigen Begünstigungen wurden dabei vielfach recht einseitig zum Ausdruck gebracht. Mir ist erst estern wieder ein Fall gemeldet worden, daß man den einzigen Sohn eines erwerbsunfähigen Vaters nach 14 Monaten nicht nachhause läßt, weil man ihn seinerzeit bei einer Truppe eingereiht hat, wo er angeblich unentbehrlich ist. Man sieht, daß vielfach in der Behandlung dieser Fragen der gute Wille auf allen Seiten fehlt und man muß sich wundern, daß gerade in den Kreisen der Vertreter der èechischen Agrarier so wenig Verständnis für solche Fragen vorhanden ist. Gerade diese Gruppe zeigt in jeder Ri chtungg sehr wenig Entgegenkommen, während sie sich im alten Wiener Parlamente auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Forderungen nicht genug tun konnte.
Die Beschränkung der Zeit gestattet es mir heute nicht, ein Kapitel zu behandeln, bei dem ich auch in der Lage wäre nachzuweisen, wie heute eigentlich im Ministerium für nationale Verteidigung gerade unter der Leitungg eines Agrariers alle landwirtschaftlichen Fragen recht rückständig behandelt werden. Ich möchte nur mit einigen Worten die Frage der direkten Belieferung der Armee durch unsere Genossenschaften streifen, eine Frage, die uns zu zahlreichen Klagen Veranlassung gibt. Auch hier kann ich feststellen, daß unter den heutigen Zuständen auch schon seit Bestand der Republik eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den Anfängen eingetreten ist.
Als ich seinerzeit Gelegenheit hatte, auf verschiedene Mängel des bestehenden Wehrgesetzes in der Frage der Begünstigungen für landwirtschaftliche, gewerbliche und auch Arbeiterkreise hinzuweisen, da hat man verhältnismäßig wenig Interesse bei den verschiedenen Ministern finden können. Als dann der gegenwärtige Minister für nationale Verteidigung seinen heutigen Posten bezogen hat, da habe ich mit Rücksicht auf seine Vergangenheit mit Sicherheit erwartet, daß er für diese Fragen ein wesentlich erhöhtes Verständnis übrig haben werde, und gelegentlich einer Unterhaltung über dieses Kapitel konnte ich auch hören, daß das neue Gesetz, das in dieser Richtung beabsichtigt ist, gegenüber dem alten österreichischen Gesetz derartige Verbesserungen aufweisen werde, daß wir alle zufrieden sein würden. Nun hat bekanntlich das alte österreichische Gesetz für die zu begünstigenden Gruppen eine Zeitdauer von 8 Wochen Präsenzdienst vorgesehen. Sie können sich meine Enttäuschung vorstellen, als nach dieser Vorhersage die Vorlage im Hause erschien und wir dann Gelegenheit hatten, zu dieser Vorlage Stellung zu nehmen. Schließlich und endlich ist ja die Zeit des Militärdienstes und der aktiven Dienstleistung bei der ganzen Sache die Hauptfrage! Wenn diese entsprechend günstig erledigt wird, so kann man sich mit derartigen Fragen immer leichter befreunden. Gegen die heutige Form, die ja nicht annähernd entsprechend ist, weil sie gegenüber dem alten österreichischen Gesetz statt der versprochenen Verbesserung eine wesentliche Verschlechterung aufweist, die den ganzen Erfolg des Gesetzes in seiner Wirkung geradezu illusorisch macht, müssen wir uns wenden.
Es ist aber auch in der Art der Durchführung des Gesetzes, in seinem Wortlaut vom landwirtschaftlichen Standpunkt aus viel Ablehnbares. So in der Umschreibung der Frage des bäuerlichen Besitzes; es heißt dort "landwirtschaftliche Besitzungen kleineren und mittleren Umfanges", und man bedenkt dabei nicht, daß unter Umständen gerade diese Frage zu einer Quelle ständiger Mißverständnisse werden kann, und nicht nur das, sondern auch die Quelle von Parteilichkeiten. Wenn ich heute von bäuerlichem Besitz spreche, so habe ich einen Besitz im Auge, bei dem der Eigentümer sich selbst in der Wirtschaft betätigt, und die Frage der Größe des Besitzes kann eigentlich für den bäuerlichen Besitz nicht immer maßgebend sein, Sie werden bemerken, daß z. B. Kollegen, die im Böhmerwald ihr Wirkungsgebiet haben, und Kollegen, die etwa in den reichen Elbeniederungen ihre Tätigkeit entfalten, über die Größe des bäuerlichen Besitzes ganz verschiedener Auffassung sind. Darum hätten nach meiner Ansicht in dem Gesetz die Worte "Eigentümer bäuerlicher Besitzungen" vollauf genügt und es hätte möglich sein müssen, auf Grund dieses Wo rtlautes seinerzeit nach dem wirklichen Bedarf die Entscheidung zu treffen. Die entsprechenden Ermahnungen in dieser Richtung haben zwar dazu geführt, daß der Berichterstatter in seinen einleitenden Worten auf diesen Mangel hinwies, sie haben aber nicht bewirkt, daß die nach meiner Ansicht dringend nötige Abhilfe geschaffen wurde.
Dasselbe gilt auch für die Behandlung des Gewerbes. Auch hier heißt es "Eigentümer kleiner Gewerbe". Wir sehen in der heutigen Wirtschaftskrise ganz deutlich, daß man unter Umständen auch einmal einen Besitzer einer etwas größeren Unternehmung zu Hause behalten muß, wenn der Bestand dieser Unternehmung dadurch gefährdet erscheint. Und wenn es im vorliegenden Gesetz heißt, aus volkswirtschaftlichen Gründen könne die Begünstigung erteilt werd n, dann hätte man sich die Abstufungen von kleineren, mittleren und größeren Besitzen vollauf schenken können.
Eine weitere Frage, die uns auch keineswegs entspricht, weil wir ihre Wirkung in der Praxis zu erproben Gelegenheit hatten, liegt in der Einbringung der Gesuche. Es heißt im Gesetz: "Einen Monat nach erfolgter Assentierung." Ich halte aufgrund der Erfahrungen, die ich auf diesem Gebiete gemacht habe, einen solchen Zeitraum für viel zu gering. Ich habe auch hier eine Änderung, zumindest eine Erstreckung auf zwei Monate verlangt, ohne jedoch bei der Mehrheit Verständnis hiefür zu finden.
Interessant war die Behandlung der Gesetzesvorlage im Ausschuß selbst. Als der Herr Minister diese Vorlage das erstemal im Ausschuß zu vertreten hatte, waren es natürlich die Sprecher der deutschen Parteien, die mt allem Nachdruck verlangt haben, daß man gegenüber der neuen Vorlage doch mindestens denselben Standpunkt wie im alten Österreich vertreten müsse Und daß ein Präsenzdienst von zwei Monaten für die Assentierten Genügen müsse. Ich habe mir selbst darauf hinzuweisen erlaubt, wenn zwei Monate für die alte österreichische Armee hinreichend waren, werden sie wohl auch für die Armee in diesem Staate zulangen. Merkwürdigerweise scheinen aber die Herren, die die Leitung dieser Armee innehaben, der Meinung zu sein - man hört vielfach dieses Urteil daß eine achtwöchentliche Ausbildung für die hiesigen Verhältnisse nicht genüge. Man hat also anscheinend ganz außerordentlich große militärische Unternehmungen im Auge, um mit der Armee dereinst in Mitteleuropa ganz Außerordentliches leisten zu können. Für normale Verhältnisse, besonders für die Verwendung der Truppen bei èechischen Ausflügen zu deren Deckung und für ähnliche Dinge, dachte ich, müßten die zwei Monate vollkommen genügen. Tatsache ist aber, daß unsere Anträge, sich mit einer zweimonatlichen Dienstzeit zu begnügen, auch bei der Mehrheit einiges Verständnis gefunden haben. Es ist bezeichnend, daß sowohl die Sprecher der èechischen Agrarier, als auch die Sprecher der èechischen Sozialdemokraten Abänderungsanträge gestellt haben; wahrscheinlich haben sie mehr aus patriotischen Gründen denn aus Überzeugung etwas mehr verlangt als wir: sie haben sich auf eine Zeitdauer von drei Monaten geeinigt. Und nun haben wir das schöne Beispiel erlebt, daß der Agrarier Udržal, der als Minister für nationale Verteidigung das Gesetz zu vertreten hatte, gegen seine eigene Partei und deren Sprecher Stellung nehmen mußte und daß er erklärt hat, daß eine Änderung dieser Bestimmungen im Ausschuß die Zurückziehung des Gesetzes durch die Regierung zur Folge hätte. Bei dieser Gelegenheit mußte man sich unwillkürlich fragen, wer hier in diesem Staat bei der Schaffung des Gesetze mitbestimmend oder vielleicht sogar überhaupt als einziger Faktor richtunggebend ist. Die zwei größten Parteien des Hauses stehen auf dem Standpunkt der Verringerung der Dienstzeit auf drei Monate. Ich bin überzeugt, daß vielleicht mit Ausnahme einer einzigen Gruppe bei den Mehrheitsparteien mit Leichtigkeit diese Anschauung hätte zum Durchbruch kommen können. Und nun frage ich: Was kann die Mehrheit in diesem Hause bestimmen, ihren Willen aufzugeben und nicht durchzusetzen? Das muß zum Nachdenken anregen und muß uns vor die Frage führen: Wer hat hier mehr zu gebieten als das freigewählte Volkshaus in einer demokratischen Republik? Der Minister erklärte, er müßte die Vorlage zurückziehen, er erklärte weiters, daß er die sechs Monate als eine Errungenschaft betrachte und daß es ihm große Kämpfe bereitet habe, diese sechs Monate durchzudrücken, da der Gegner einer Verringerung, der Generalstab, ursprünglich 12 Monate verlangt habe. Der Generalstab stehe auf dem Standpunkte, in einer kürzeren Zeit könne der Soldat nichts lernen. Nun gut: der Generalstab verlangt, und die Mehrheit im Hause fügt sich. Wer ist der Generalstab, wer ist der Führer des Generalstabes? Und da zeigt es sich, daß der Chef des Generalstabes das Machtwort in dem Fall gesprochen hat, der französische General Mittelhauser, der die Aufgabe hat, die Gesetzgebung in dieser Richtung zu überwachen. Es steht also hier über dem Parlament eine Behörde, die mehr zu reden hat als das freigewählte Parlament in diesem Staate.
Wir hatte vor kurzem im Außenausschuß Gelegenheit, eine Debatte abzuführen, in der wir uns mit der Frage von Delegierten des Völkerbundes befaßt haben, die sich in den Staaten mit Minderheitsvölkern ständig aufhalten sollten, um die Behandlung der Minderheiten zu überwachen. Damals hat der Herr Minister Dr. Beneš mit seiner ganzen gewandten Beredtheit sich bemüht, uns begreiflich zu machen, daß eine derartige Überwachung eine Gefährdung der Staatssouverenität bedeutet. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß eine derartige freiwillige Delegation, die man freiwillig im Einverständnisse der eigenen Völker hereinläßt, jedenfalls, wenn der Staat ein reines Gewissen gegenüber seinen Minderheitsvölkern hätte, sehr ehrenvoll wäre. Was aber die französische Delegation beim Militär sich herausnimmt, bedeutet das offene Bekenntnis der Knechtschaft. Wir ersehen daraus, daß der Staat und das ganze Parlament ihre freie Entschließung vollkommen in den Dienst einer auswärtigen Aufsichtscharge gestellthaben. Wenn sich das èechische Volk damit abfindet, uns kann es recht sein. Wir erklären aber ausdrücklich, daß wir unter diesen Verhältnissen ein derartig zustandegekommenes Gesetz nicht als hinreichend betrachten und daß wir darin auch unsere ablehnende Stellung zum Gesetze begründet sehen.
Wir haben noch etwas gegen das Gesetz einzuwenden. Das Gesetz in seiner heutigen Form bedeutet insoferne nicht eine hinreichende Begünstigung, als es die Zahl der zu Befreienden begrenzt. Die Erfahrung hat gelehrt, daß ein gewisser Prozentsatz sich in dieser Richtung nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht leicht überschreiten läßt und infolgedessen kommt es auf ein paar Nummern hinauf oder hinunter wirklich nicht an. Aber man hat wahrscheinlich damit wieder eine Handhabe haben wollen, - um in der üblichen Form parteiisch vorzugehen und die Leute zu befreien, die man befreien will und die anderen entsprechend zu zwicken. In der Richtung wäre es uns lieber, wenn das Gesetz klar und offen sprechen würde und nicht wieder Hintertüren offen ließe für die schlechtere Behandlung der Minderheitsvölker. In dieser Hinsicht haben wir allerdings alle Ursache, uns zu beklagen. Jetzt, bevor ich in den Sitzungssaal hereinkam, hatte ich wieder Gelegenheit, einen Fall zu hören, wo man z. B. einen kranken Soldaten derart schlecht behandelte, daß es einfach eine Schande ist: der behandelnde Arzt weist, das Zeugnis des Zivilarztes, das ihm freilich nicht richtunggebend ist, aber als Grundlage dienen soll, mit der Bemerkung zurück, das verstehe er nicht. Deshalb, weil der deutsche Soldat nicht in der Lage ist, sich von einem èechischen Arzt ein Zeugnis zu verschaffen, wird er schlechter behandelt als sein èechischer Kamerad.
Genau so ist es bei der Bestrafung der Soldaten. Es ist traurig, daß die beschränkte Redezeit uns nicht Gelegenheit gibt, derartige Fälle hier zur Sprache zu bringen, aber wiederholt sind Fälle von Bestrafungen von Soldaten gemeldet worden, die darauf zurückzuführen sind, daß der Soldat sich nicht in der Dienstsprache verständlich machen kann gegenüber seinen Richtern, die ihrerseits nicht deutsch kennen, und dadurch kommen dann Verurteilungen zustande, die, ich kann sagen, Justizmorden gleichkommen. Es liegt auf der Hand, daß wir uns unter solchen Verhältnissen für ein solches Wehrgesetz nicht begeistern können.
Aber noch etwas ist im Gesetz.
Der § 13 spricht von der Aufhebung der Begünstigung im Falle der
Notwendigkeit durch die Regierung. Meine Herren, auch hierin erblicke
ich einen unterschobenen § 14, den wir hier nicht nötig haben.
Das Parlament ist so schnell zusammenberufen, daß es sich schließlich
und endlich die Entscheidung auch in dringenden Fällen selbst
vorbehalten kann; der Regierung diese Entscheidung anzuvertrauen,
können wir uns nicht entschließen aus dem einfachen Grunde, weil
wir schon einmal vor mehr als Jahresfrist bei der damals kundgemachten
Mobilisierung ersehen konnten, in welch leichtfertiger Weise man
in der Richtung derartige Bestimmungen und Erlässe herausgibt.
Deshalb erkläre ich hiemit, daß wir für dieses Gesetz in der Form
nicht stimmen werden. (Potlesk na levici.)
Hohes Haus! Die Beratung des gegenwärtigen Gesetzentwurfws wäre wohl überflüssig gew rden, wenn das Haus seine Verpflichtungen erfüllt hätte und an Stelle des gegenwärtiges Wehrgesetzes ein neues Wehrgesetz, aufgebaut auf der Grundlage der Miliz, bereits geschaffen hätte. Die Miliz ist die erste Voraussetzung einer demokratischen Staatsverfassung, und dieser Ansicht war zweifellos auch die erste sogenannte Revolutions - Nationalversammlung. Sie war sich dessen voll und ganz bewußt, daß die Schaffung eines Milizsystems unausbleiblich sei, wenn der Staat das Gepräge eines demokratischen Staates aufrecht erhalten will. Und nur dem Umstande, glaube ich, daß ganz exzeptionelle Verhältnisse damals vorhanden waren, dürfte es zuzuschreiben sein, daß nicht sofort das Heeressystem nach der Miliz gewählt worden ist.
Wir haben zu dieser vielleicht optimistischen Anschauuung eine Reihe von Tatzeugen. Da ist es vor allem der damalige Referent über das Wehrgesetz, der gegenwärtige Minister für nationale Verteidigung Herr Udržal, der zur Begründung des Wehrgesetzes Folgendes gesagt hat: "Im Wehrausschuß wurde ausgesprochen und die Forderung verteidigt, daß die Wehrmacht unseres Staates auf Grundlage der Miliz aufgebaut werde. Auch hier wurde erkannt, daß eine solche Umwandlung unseres Wehrsystems Zeit und Vorbereitung erfordert und daß für diese Zeit das bisherige System beibehalten werden müsse, allerdings umgewandelt in demokratischen Geist der Nation." Nach dem Referenten des Wehrgesetzes ergriff der damalige Minister für nationale Verteidigung, der gegenwärtige Senator Klofáè das Wort zu folgenden Ausführungen: "Feierlich erkläre ich, daß weder ich, noch meine politischen Mitarbeiter von dem Grundgedanken des Milizsystems unserer Wehrmacht abgelassen haben, daß wir daher niemals die Idee des Fortschrittes verraten haben." Aber auch der Bericht des damaligen Wehrausschusses an das Haus erklärt sich ebenfalls feierlich für den Gedanken des Milizsystems. Es heißt in dem Bericht des Ausschusses, daß die Wehrmacht des èechoslovakischen Staates auf Milizgrundlage umgewandelt werde, und zwar sofort, wenn sich die Bedingungen für die Einführung des Milizsystems als gegeben erweisen werden. Derzeit sei dies allerdings aus Gründen, welche im argumenntierten Bericht zum Regierungsentwurf enthalten sind, sowie mit Rücksicht auf die auswärtige Situation unmöglich.
Wenn ich das in Erinnerung bringe und diese Ausführungen unterstreiche, habe ich hiezu meinen ganz bestimmten Grund. Es sind seit der Verfassung des Wehrgesetzes zwei Jahre verflossen, und wir sehen keinen Fortschritt zur Verwirklichung des Milizsystems. Wir können aber etwas anderes, sehr Bedenkliches konstatieren. Wir können konstatieren, daß sich in sehr einflußreichen Kreisen dieses Staates, insbesondere in Offizierskreisen eine intensive Wühlarbeit gegen den Gedanken des Milizsystems breit macht, und es ist bedauerlich, konstatieren zu müssen, daß einer derjenigen, der nicht dazu berechtigt wäre, aber dennoch mittut, der gegenwärtige Generalinspektor des Heeres Machar ist. Die Revolutions-Nationalversammlung hat sich wohl unter dem Titel eines Zivilkommissärs bei der Armee etwas ganz anderes vorgestellt als eine Person, die periodisch an allen Ecken und Enden Paraden abnimmt und die Offiziersmessen kontrolliert. Die Revolutions-Nationalversammlung hat sich wohl gedacht, daß dieser Zivilkommissär das Bindeglied zwischen der Armee und der zivilen Regierungsgewalt darstellen soll, damit die Mannschaft zu diesem Zivilkommissär Vertrauen bekommt und ihm alle Schmerzen und Klagen vorbringt.
Meine Herren! Dichter haben meist ein kindliches Gemüt und wir würden nur lächeln zu den Spielereien des General inspektors Machar und zu seiner Verwendung ärarischer Pferde, damit seine Familienmitglieder unter Zuhilfenahme der Offiziere reiten lernen. Wir würden darüber lächeln, wenn der Herr Generalinspektor Machar, angesteckt durch die Offiziere, es sich nicht erlaubt hätte, offen gegen das Milizsystem aufzutreten. Der Herr Generalinspektor Machar war es, der in einer Offiziersversammlung Folgendes gesagt hat: "Aus den Beschwerden der Offiziere geht hervor, daß der Staat nicht genügend diejenigen verteidigt, die ihn verteidigen sollen. Dieser Mißstand wird beseitigt werden, sobald man begreifen wird, daß ein gegen den Offizierstand gerichteter Akt immer ein Akt gegen den Staat ist." Und dann sagte er wörtlich: "Der Traum von der Miliz wird wohl ein Traum bleiben." Ich frage nun die Herren, wo es einen zweiten Staat auf der Welt gibt, wo es ein Zivilkommissär wagen würde, ganz offen gegen die feierlich von der Nationalversammlung beschlossenen Grundsätze des Ausbaues der Heeresorganisation Stellung zu nehmen? Wo ist der zweite Staat, in welchem ein solcher Mensch auch nur eine Stunde nach einer solchen Äußerung auf seinem Posten bleiben könnte! In jedem anderen Staate würde ihm unisono die Antwort erteilt werden: "Herunter vom Pferd, hinauf auf den Pegasus!" Den kann er malträtieren, wenn er will, aber sich nicht vergehen an dem, was ihm der heiligste Grundsatz sein sollte. Wir haben alle Ursache, wo solche Freunde des Milizsystems am Werke sind, uns fest zusammenzufinden und zu erklären, daß wir unter keinen Umständen von dem, was die Revolutions-Nationalversammlung ausgesprochen hat, ablassen: Die eheste Durchführung des Milizsystems. Nur aus Not nehmen wir Stellung zu dem Gesetz, das uns gegenwärtig vorliegt und eine gewisse Erleichterung drückender Besrimmungen beinhaltet.
Gestatten Sie nun. meine Herren, daß ich mit ein paar Worten auf die Geschichte dieser Vorlage zurückkomme. Der Gesetzentwurf wurde in der Frühj ahrssession dem Hause unterbreitet und hat im Wehrausschuß iheftigen Widerstand gefunden. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, daß die Mehrheit des Wehrausschusses unbedingt der Ansicht war, daß eine weit kürzre als die im Gesetz vorgesehene Dienstzeit vollständig genügen würde. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur darauf hinweisen, daß im alten Österreich, wie bereits mein Vorredner gesagt hat, die zweimonatliche Dienstzeit für derartige Personen vorgesehen war, in Italien, einer Stütze des èechoslovakischen Staates, heute die dreimonatliche Dienstzeit für Familienerhalter fixiert ist. Der Chef des Generalstabes General Mittelhauser hat jede Änderung dieser Vorlage verboten. Der Herr Generalstabschef hat kommandiert, Minister und Volksvertretung haben zu gehorchen. Mit einem Worte, hier in diesem Hause regiert niemand anderer als der Generalstabschef. Muß uns dies nicht mit größter Besorgnis erfüllen? Haben wir nicht die gleiche Situation in unserem Staate, wie im alten Österreich und in Deutschland vor dem Kriege, wo eine Anzahl Kriegshandwerker die unumschränkten Kommandanten des Staates waren? Haben wir nicht die gleichen Verhältnisse wie im alten Österreich, nur daß es dort die Hofkamarilla gewesen ist, die vorgeschrieben hat, was in Österreich geschehen darf und was nicht, während es hier in diesem Staate die französische Überwachungskommission ist, die uns die Gesetze unseres Handels vorschreibt. Der Wehrausschuß konnte sich über die Vorlage nicht einigen, sie wurde zurückgezogen und zuerst im Senat eingebracht. Es ist charakteristisch, daß, während, wie ich noch ausführlich begründen werde, man vom Generalstab aus dem Abgeordnetenhause verbietet, die geringsten Änderungggen an dem Gesetz vorzunehmen, der Senat tatsächlich eine Reihe von Änderungen beschlossen und durchgeführt hat. Wenn wir so großes Gewicht darauf legen, daß in diesem Gesetze doch allen Bedürfnisseen Rechnung getragen wird, daß es ein ordentliches und brauchbares Gesetz ist, so sind wir ja in Ihre Schule gegangen. Es war bei der Beratung des Wehrgesetzes im alten Österreich im Jahre 1912, daß der gegenwärtige Senator Klofáè das Wort ergriff und folgendes sagte: "Was die Begünstigungen für die Familienerhalter betrifft so müssen wir darauf beharren, daß dieselbem ausnahmslos jedem wirklichen Familienerhalter zugestanden werden ohne Rücksicht auf die übrigen Geschwister, deren Zahl und Beschäftigung, und vor allem müssen wir eine Garantie haben, daß die Begünstigungen nicht wieder auf dew Papier bleiben." (Posl. Beutel: Das war damals.) Das war damals, und die Verhältnisse haben sich nicht gebessert, sondern alle Erfahrungen, die wir in diesem Staate gemacht haben. sagen uns immer und immer wieder: Wir müssen trachten daß die Gesetze möglichst deutlich gemacht werden, daß sie keine Hintertürchen haben, daß sie jeder volksfeindlichen Auslegung einen Riegel vorschieben.
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß in der ersten eratung im Hause die Mehrheit des Wehrausschusses für eine Kürzung der sechsmonatlichen Dienstzeit gewesen ist; als aber das Gesetz zum zweiten mal in den Wehrausschuß kam, da verstummten diese Stimmen durch die Bank. Ein Umfall ist eingetreten, man hat sich aber nicht nur darauf beschränkt, in den einschneidenden Bestimmungen der Dienstzeit keine Änderungen vorzunehmen, man ist sogar soweit gegangen, daß man auch unsere Verbesserungsanträge zu den übrigen Bestimmungen des Gesetzentwurfes abgelehnt hat. Als wir sahen, daß im Wehrausschuß nicht mehr der Wille der Volksvertretung maßggebend ist, sondern nur das Diktat des Generalstabes, so war es dieser Umstand, der uns bestimmt hat, an den Beratungen des Wehrausschusses über dieses Gesetz nicht mehr teilzunehmen. Man hat als Grund angegeben - der Herr Berichterstatter hat es ausgedrückt - daß man alle unsere Anträge ablehnen müsse, denn wenn sie angenommen würden, müßte das Gesetz an den Senat zurückgehen und es bestände die Gefahr, daß es nicht mehr rechtzeitig fertig werden würde. Diese Ausrede ist wohl sehr durchsichtig. Wir haben jetzt Anfang Dezember, die Session geht Ende Februar zu Ende und wir hätten nicht einmal, sondern noch hundertmal das Gesetz zwischen Abgeordnetenhaus und Senat hin- und herschicken können. Vergebens waren meine Vorstellungen im Ausschuß, die darauf aufmerksam machten, daß das Abgeordnetenhaus sich den Stempel der Würdelosigkeit, der Jämmerlichkeit, des Stiefelwichspatriotismus aufdrückt, wenn wir erkennen, daß diese Vorlage änderungsbedürftig ist, und trotzdem keine Änderungen vornehmen, während der Senat, soweit ihm die Änderungsbedürftigkeit klar geworden ist, Änderungen durchgeführt hat. Vergegenwärtigen Sie sich doch die Rolle, die das Abgeordnetenhaus in der Öffentlichkeit spielen muß. Sie wagen keine Änderungen vorzunehmen, während die alten Herren des Senates weit radikaler sind als wir, sich um das Verbot des Ministeriums für nationale Verteidigung nicht kümmern, sondern sich, wenn auch bescheiden, darüber hinwegsetzen und Änderungen vornehmen.