Pondìlí 26. listopadu 1923

Auch das Problem der Vermögensabgabe muß mit Bedachtnahme gerade auf die produzierenden Kreise zu allererst angegangen werden. Die vorgeschlagene Novellierung ist diesbezüglich ungenügend. Auch wird es immer deutlicher, daß die Zwecke der Vermögensabgabe, wie sie im § 1 des Gesetzes angeführt sind, den heutigen wäh rungspolitischen Auffassungen nicht mehr entsprechen. Angesehene Kenner dieses Materials, gerade auf èechischer Seite haben dieser Meinung wiederholt Ausdruck gegeben und auch die èechi sche Arbeiterpresse will eine andere Verwendung des Überschusses der Vermögensabgabe, als wie sie in den bezeichneten Paragraphen festgesetzt wurde. Ich schlage diesbezüglich vor, eine Währungsenquête zu veranstalten, welche Klarheit in diesen Belangen bringen könnte. Vielleicht findet man hier einen Punkt, um da großzügig, produktionsfördernd, einsetzen zu können. Unser Wechselkurs bedarf gewiß einer Verbesserung. Der Ausweis des Bankamtes vom November tut dar, daß wir 85% des tatsächlichen Notenumlaufes und 67% des möglichen Notenumlaufes durch den Valutavorrat, das vorhande Gold und Silber, die kaufmännischen Wechsel, sowie - das gebe ich nur in Paranthese, denn es ist nicht gleichwertig - durch die bereits erfolgten Zahlungen der Vermögensabgabe gedeckt haben. Noch ausständig sind nach Abzug des nach der projektierten Novellierung entfallenden Betrages rund 6600 Millionen Kronen. Daraus geht hervor - selbst wenn wir die Vermögensabgabe nicht einbeziehen - daß wir sowohl, was die Novellierung betrifft, als auch bezüglich der Verwendung der Vermögensabgabe zweifellos von weiteren Gesichtspunkten als bisher ausgehen könnten. Hierin wir ein wesentliches Stück Verbesserung des Staatsvoranschlages zu finden sein.

Ich muß mich in der Spezialdebatte auf diese Punkte beschränken. Die Gegenseite wird der Kritik der Mehrheit der Deutschen im Parlamente und auch außerhalb dieses Hauses gerade in wirtschaftlichen Dingen die rein sachliche Beurteilung nicht absprechen können. Wir hoffen, daß wir auf diesem Wege zur Schätzung dessen kommen, was wirtschaftlich durch das Zusammenwirken aller Kreise in diesem Staate geleistet werden kann, es ist aber auch unser Wunsch, daß wir auf diesem Wege zur gerechten Einschätzung unserer politischen und nationalen Wünsche auf der Gegenseite gelangen. Der Weg ist beschwerlich und mühsam, insbesondere deshalb, weil Chauvinismus und Gewalt noch überall am Werke sind, die Wege zu der Entwicklung einer wirklich aufrichtiggen Friedensgesinnung zu zerstören. Es wäre an dieser Stelle unangebracht, davon zu sprechen, ob ich im Guten und im Bösen mit anderen Kräften mich zu verbinden wünsche, die leider weit davon entfernt sind, den Frieden in Mitteleuropa zu fördern - es wäre aber auch unangebracht, davon zu sprechen, ob weite Kreise der Bevölkerung im Gebrauch von Gewehren und Kanonen ihr Heil erblicken oder nicht, denn man kann auch in politischen Reden mit diesen und jenen Betrachtungen Unheil anrichten - ich will hier streng auf dem wirtschaftlichen Standpunkt verbleiben. Und da sehe ich täglich mit Entsetzen nur umso deutlicher, daß unser großer wirtschaftlicher Nachbar, mit dem wir in unserem Erwerbsleben nun einmal durch tausende und abertausende wirtschaftliche Kanäle verbunden sind und dem wir Deutschen dieser Staates, ich sage es offen und stolz, auch durch tausende Beziehungen des Geistes und des Herzens verbunden sind, in unsäglicher Not schmachtet. Für die Linderung dieser Not möchte ich noch ein Wort sprechen. Es wird weder dem Budget dieses Staates, noch seiner Valuta, es wird auch keinem Privathaushalt das geringste schaden, wenn wir alle unsere Kräfte zusammenfassen, wenn wir die Kinder, die in Deutschland am Verhungern sind, unterstützen und wenn wir den Mittelstand, der nicht mehr seine notdürftigsten Nahrungsmittel bezahlen und hernehmen kann, beistehen. Ich appelliere an die Regierung und an alle Kreise dieses Staates: Geben Sie den Deutschen, welche hier wohnen und allen, die dieses Liebeswerk fördern wollen, den Weg dazu, ungehemmt von keinlichen Erwägungen des Augenblicks, frei, und ich glaube, Sie werden durch eine solche Tat wahrhaft friedlicher Gesinnung nicht nur dem wirtschaftlichen Leben dieses Staates, sondern auch seiner politischen und moralischen Einschätzung in der ganzen Welt für alle Zukunft die besten Dienste geleistet haben. (Potlesk na levici.)

3. Øeè posl. Witticha (viz str. 609 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Über das slovakische Problem haben im Verlauf dieser Debatte schon mehrere Redner gesprochen. Da diese Redner das vorliegende Problem mehr oder minder fast ausschließlich vom staatsrechtlichen Gesichtspunkt betrachtet haben, halte ich es für notwendig, vom sozialen und volkswirtschaftlichen Standpunkte aus zu sprechen. Die Verhältnisse, wie sie in der Slovakei herrschen und als Auswirkung der Regierungspolitik im allgemeinen und besonders des jährlich zur Beschlußfassung vorgelegten Budgets sich ergeben, glaube ich umso eher einer. Kritik unterziehen zu müssen, weil durch die fast ausschließliche Darstellung der slovakischen Verhältnisse aus dem Gesichtspunkt der staatsrechtlichen Fiktion die Meinung aufkommen könnte, daß die arbeitende Bevölkerung der Slovakei keine anderen Sorgen habe, als sich lediglich mit staatsrechtlichen Fragen zu befassen. Es ist wohl wahr, daß auch die Arbeiterschaft mit den politischen, nationalen und volkswirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie sich derzeit als Ausdruck der Regierungspolitik ergeben, durch aus nicht zufrieden ist. Obwohl die Arbeiterschaft weiß, daß infolge des Weltkrieges und seiner ungünstigen Wirkungen einne Verarmung und Verelendung auf der ganzen Linie zu verzeichnen ist, muß doch gesagt werden, daß die derzeitigen, außerordentlich katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnisse der Slovakei in einem organischen Zusammenhang mit dem Umsturz stehen, daß die Regierung in der Slovakei eine ganz andere Aufgabe zu erfüllen hatte, als sie tatsächlich erfüllte; und wenn heute in den Augen des Inlandes, wie des Auslandes die Slovakei gewissermaßen als Vulkan erscheint, fällt die Verantwortung auf die Regierungskreise zurück.

Meine Herren, im Kapitel VI des Staatsvoranschlages wird z. B. angeordnet, daß den Selbstverwaltungskörpern der historischen Gebiete dieses Staates eine gewisse Entschädigung für jene Arbeiten zugewiesen werden soll, die sie im übertragenen Wirkungskreise der staatlichen Administrative verrichten. Die Städte der Slovakei aber - das müssen wir hier feststellen - sind in diesen Zuweisungen nicht inbegriffen, obwohl auch sie einen ganz wesentlichen Teil der staatlichen Administrativagenda erledigen. Denn wir müssen daran erinnern, daß die Slovakei ein einziges großes Heerlager ist, daß Tausende und Tausende von Soldaten in der Slovakei untergebracht sind und daß die Städte durch die Bequartierungskosten, die Aufrechterhaltung der Kasernen und andere Pflichten ganz bedeutend für die Agenda des Staates zu wirken haben. Diese ungleic mäßige geradezu aufreizende Behandlung der Städte der Slovakei gegenüber jenen der böhmischen Länder ist umso unerklärlicher, als die Städte der Slovakei, insbesondere seit dem Umsturz, total verschuldet sind, und die Regierung Ungarns seit dem Jahre 1902 den Munizipalstädten und jenen mit geordnetem Magistrat für jenen Teil der Administrative, die sie für den Staat verrichteten, eine regelmäßige Quote zukommen ließ. So ist beispielsweise in der Slovakei die Polizei, die einst städtisch war, gegen wärtig verstaatlicht. Aber mit der Verstaatlichung sind nicht zugleich auch die Lasten übernommen worden, die die Polizei verursacht, die Städte üssen vielmehr weiterhin dem Staate jene Quote zahlen, die sie vor der Verstaatlichung für die Polizei ausgegeben haben. In weiterer Linie sorgt der Staat nicht einmal dafür, daß die Städte für die Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung einen Beitrag bekommen; auch da sind die Städte Böhmens in bedeutend günstigerer Situation. In Böhmen gibt es eine Landes- und eine Hypothekenbank, welche den Städten zu billigem Zinsfuß langjährige Kredite einräumt. Die Städte der Slovakei bekommen von keiner einzigen Bank einen langfristigen billigen Kredit, sie müssen Wechselkredite aufnehmen, und zwar zu einem Zinsfuß von 12, 14 und sogar 16%.

Eine weitere Beschwerde der Städte in der Slovakei ist auch die, daß der Staat seit Jänner d. J. die Kommunalsteuer selbst einhebt, diese aber so spät überweist, daß die Städte zumeist ohne Geldmittel dastehen, was bewirkt, daß sehr häufig bereits in Angriff genommene Arbeiten unterbrochen werden müssen und in weiterer Linie die angestellten Beamten und Arbeiter nicht zur richtigen Zeit au sbezahlt werden können. Diese stiefmütterliche Behandlung der Städte zeitigt natürlich ganz eigentümliche Erscheinungen. Die Städte sind nicht in der Lage, den sozialen und öffentlichen gesundheitlichen Verpflichtungen der Bevölkerung gegenüber gerecht zu werden. So ist beispielsweise das Spital in Preßburg ganz überfüllt. Sie werden es mir vielleicht gar nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, daß im staatlichen Spital der Hauptstadt der Slovakei - Preßburg wird von den Slovaken selbst und den Èechen so gern als Hauptstadt der Slovakei bezeichnet - die Kranken zu zweit in den Betten liegen müssen oder daß beispielsweise Trachom- und Geschlechtskranke zu Tausenden und Abertausenden und nicht nur in Preßburg selbst, so dern im ganzen Lande, ohne ärztliche Behandlung oder entsprechende Spitalspflege herumlaufen müssen, zur Gefahr der übrigen mit den Krankheiten noch nicht infizierten Personen. Man könnte dies wohl als Kulturskandal bezeichnen, daß solche Zustände möglich sind in einer Zeit, wo ein Priester an der Spitze des Ministeriums steht, in dessen Wirkungskreis die öffentliche Gesundheitspflege fällt; oder ist sogar die Annahme berechtigt, daß gerade, weil ein Geistlicher an der Spitze dieses Ministeriums steht, solche Verhältnisse in einem angeblichen Kulturstaate möglich sind? Weil ich gerade in der kritischen Betrachtung der Gesundheitsverhältnisse Preßburgs bin, möchte ich noch einen zweiten Fall anführen, der ebenfalls für die dortigen Verhältnisse sehr bezeichnend ist. Die Darstellung, die ich jetzt hier gebe, ist den "Robotnické Noviny", also einer der Regierung sehr nahestehenden Zeitung, entnommen. Nach den Mitteilungen der "Robotnické Noviny" - sind in einem Findelhaus in Preßburg ganz skandalöse Vorkommnisse zu verzzeichnen. So soll eine schwangere Frau vom Aufsichtspersonal nachgerade geprügelt worden sein; eine Aufsichtsangestellte hat sich, da eine Schwangere ihren Wünschen nicht gerecht wurde, zu der Drohung verstiegen, daß man sich bei der Geburt rächen werde. Es wäre notwendig und Pflicht des Herrn esundheitsministers, daß er diese Fälle einer gebührenden Untersuchung unterzieht und für die rascheste Abschaffung dieser skandalösen Zustände Sorge trägt.

Meine Damen und Herren! In Bezug auf die ungünstige Beurteilung der derzeitigen Verhältnisse wirkt auch ganz bedeutend die ungleichmäßige Steuerbemesssung, wie die Steuergesetzgebung überhaupt, die in der Slovakei herrscht. Da muß vor allen Dingen festgestellt werden, daß die Èechoslovakische Republik seit ihrer Gründung ihre Pflicht nicht voll und ganz erfüllt hat, indem sie jene Gesetze, welchen der Stempel der Klassenherrschaft innewohnt, nicht modifiziert hat, wie es die moderne Demokratie gebieteriscn fordert. So hat man in der Slovakei die alten ungarischen Gesetze, insbesondere die Steuergesetze, weiterhin in Wirksamkeit belassen. Nun muß man wissen, daß die Steuergesetzgebung durchwegs aus den Jahren 1860 und 1870 stammt, und damals waren die wirtschaftlichen Verhältnisse viel primitiver als heute. Außerdem hat damals ausschließlich die Aristokratie geherrscht. Und diese hat die Gesetze so gemacht, wie es eben ihr Klasseninteresse erforderte. So kommt es, daß beispielsweise die kleinen andwirte verhältnismäßig viel höhere Steuern zahlen als die Großgrundbesitzer. Bei den gewerblichen Unternehmungen und bei der Industrie ist die Sache so, daß aufgrund des Gesetzartikels XXIX aus dem Jahre 1875 eine 10%ige Steuer vom einbekannten Reingewinn vorgeschrieben wurde, während sie in den historischen Gebieten nur 1 1/2 bis 3% ausmacht. Sie werden schon begreifen, daß, wenn der Steuersatz bei der Bemessung der staatlichen Steuer 8 1/2 bis 10% höher ist als in den übrigen Ländern, sich dies bei der Bemessung der Kriegs- und Kommunalzuschläge ganz bedeutend mehr bemerkbar macht, zum Nachteil der steuerzahlenden Bürger. In diese Klasse fallen nebst den Industriellen und Gewerbebetreibenden auch die Beamten und Ärzte. So wurde z. B. einem Arrte eine Steuer von 20.000 Kronen vorgeschrieben. Sie werden einsehen, daß dies eine enorme Summe ist. Es muß also die Forderung erhoben werden, daß die Steuergesetze für die Slovakei ehestens auf Grundlage der Progressivität modernisiert werden. Wenn aus der Slovakei der Ruf nach freierer Behandlung ertönt, lautet immer Ihre Antwort: "Ihr habt ja ohnedies die Autonomie, die Gaueinteilung u. s. w. bekommen." Nun, wie es sich mit der Autonomie verhält, will ich auch an einem praktischen Fall schildern. In den Städten Preßburg und Kaschau besteht ein eigenes Gesetz, welches besagt, daß z. B. der Bürgermeister nicht von der Gesamtheit der Anwesenden gewählt wird, sondern daß es genügt, wenn er eine ganz geringe Anzahl von Stimmen auf sich vereinigt. Er wird dann von der Regierung ernannt. Da nützt also der freie Wille der Bevölkerung nichts, da wird jener gewählt, der die Sympathie der Regierung genießt. Außerdem steht an der Spitze der Kommunalverwaltung ein vom Staate ernannten Obernotär. Dieser Obernotär ist mit einem ihm gesetzlich zugesicherten Vetorecht ausgerüstet und wenn die Gemeindevertretung einen Beschluß faßt, der ihm nicht genehm ist, wird dieser Beschluß ganz einfach auf Grund des Vetorechtes annulliert. In den Gauen ist die Autonomie, derzeit eigentlich das Recht der gewählten Funktionäre, bedeutend eingeschränkter als es im alten Ungarn der Fall ist. Was in einer selbstgewählten Körperschaft das natürliche Recht ist, das ist, daß das gewählte Mitglied ein Recht zur Initiative zugesichert bekommt, daß der gewählte Funktionär allein oder im Verein mit seinen übrigen mitgewählten Kollegen einen selbständigen Antrag einbringen kann. Das ist aber infolge der Gesetzgebung in der Slovakei vollständig unmnmöglich, weil diese Körperschaften nur den Wirkungskreis zugesichert bekommen, das zu entscheiden, was die staatliche Bürokratie vorschlägt. Und daß dieser Obernotär sehr häufig mit der rutalsten Gesetzesverletzung die ohnehin recht spärlichen Rechte der Gemeindevertretung mit Füßen tritt, beweist ein Fall, daß gerade auf seine Veranlassung im Mai dieses Jahres mehr als 60 Arbeiter entlassen werden mußten und daß im August 63 städtische Angestellte, durchwegs deutsche und ungarische Beamte, auf das Pflaster geworfen worden sind. Diese Auswirkung einer total verständnislosen Politik den in der Slovakei herrschenden besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen gegenüber muß begreiflicherweise eine katastrophale sein. Die Industrie der Slovakei ist bezüglich des Absatzes ihrer Produkte naturgemäß fast ausschließlich auf das alte Ungarn und auf den Balkan eingestellt. Eine Regierung, die das richtig erfaßt hätte, hätte von allem Anfang an dieser Industrie und dem Gewerbe ganz besondere Erleichterungen und Begünstigungen einräumen müssen. Das hat sie aber nicht getan und die Folge dieser kurzsichtigen, verständnislosen Politik der Slovakei gegenüber bewirkte, daß fast alle Fabriken derzeit gesperrt sind und inder Folge eine ungeheuere Arbeitslosigkeit, ungeheueres Elend für die Arbeiter eingetreten ist. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich die Behauptung aufstelle, daß das Elend der Arbeiter in der Slovakei derzeit nur einen Vergleich aushält, und zwar den Vergleich mit dem Elend der reichsdeutschen Arbeiter. Will man sich ein klares Bild über die Lage des arbeitenden Volkes in der Slovakei machen, so muß man vor allen Dingen zwei Gruppen von Arbeitern unterscheiden: Eine landwirtschaftliche - und das ist der größere Teil der Arbeiterschaft - und eine gewerbliche, beziehungsweise industrielle Gruppe. In früheren Jahren ist ein großer Teil der landwirtschaftlichen Arbeiter, besonders in der Nordslovakei, mit Kind und Kegel in das ungarische Tiefland gezogen, hat dort fast das ganze Jahr hindurch gearbeitet, ist in den Spätherbstmonaten mit einigen kargen Sparpfennigen und - wie man in der Slovakei es zu nennen pflegt - mit der "Konvention", nach Hause zurückgekehrt und hat die Wintermonate hindurch leben können. Durch die Veränderung der Staatsgrenzen einerseits und die Verschiebung der valutarischen Verhälnitsse andererseits ist das derzeit unmöglich. Außerdem hat sich auch bezüglich der landwirtschaftlichen Produkte eine Umstellung ergeben, indem die slovakischen Großgrundbesitzer heute hauptsächlich solche Bodenprodukte erzeugen, die weniger menschliche Kraft erfordern, während sie sich andererseits bemühen, die Produktionsmittel technisch zu vervollkommnen. Diese Veränderung in der landwirtschaftlichen Produktion hat zunächst Folgendes als Ergebnis gezeitigt: Der slovakische Arbeiter, der infolge seiner geringeren Kulturansprüche ein gern gesehener Arbeiter ist, tritt nunmehr seit Jahren dem in seinen Kulturbedürfnissen anspruchsvolleren ungarischen Arbeiter als Konkurrent entgegen. Und dieser Kampf um Arbeit zwischen den slovakischen und ungarischen Feldarbeitern wird in der Regel zugunsten des slovakischen Arbeiters entschieden und zwar aus dem einfachen Grunde, weil den slovakischen Arbeiter der in der Slovakei amtierende Notär und Stuhlrichter begünstigt und weil der slovakische Arbeiter andererseits ein willkommenes Ausbeutungsobj ekt für das Bestreben des Großgrundbesitzers ist, möglichst billige Arbeitskräfte zu bekommen. Und heute ist in der Slovakei bei den Feldarbeitern von der Einhaltung des Achtstundentages keine Rede mehr und es muß von dieser Stelle aus gesagt werden, daß wenn die Agrarier behaupten, ihre Produkte seien infolge der Arbeitslöhne so hoch im Preise gestiegen, und wenn sich die Agrarier daraus einen Rechtstitel bilden, das Brot der arbeitenden Bevölkerung teuerer zu verkaufen, dies eine große Unwahrheit ist, da derzeit der tägliche Arbeitslohn der Feldarbeiter in der Slovakei zwischen 5 und 8 Kronen schwankt, also sicherlich ein Lohn, von dem der Arbeiter nicht leben kann, bei dem er vielmehr Hunger leiden muß. Das Schicksal dieser von ihren Arbeitsplätzen verdrängten Feldarbeiter wird am besten dadurch illustriert, wenn ich anführe, daß im vergangenen Winter in Dunajská Streda ein 63jähriger Feldarbeiter in einem Schweinestall erfroren aufgefunden wurde. Um das Elend der Feldarbeiter zu lindern, wäre es unverzüglich notwendig, daß die Regierung eine großzügige Aktion inbezug auf die Bodenreform vornimmt und zwar auf der Grundlage der Zuweisung der Felder an die Feldarbeiter im Rahmen von Genossenschaften. Entschieden müssen wir dagegen Verwahrung einlegen, wie die sogenannte Parzellierung in der Slovakei vorgenommen wird, daß sie lediglich zu Zwecken nationaler Siedlung benützt wird. Die industrielle Arbeiterschaft und das geistige Proletariat in der Slovakei ist wohl nicht besser daran als die Feldarbeiter, deren Lage ich soeben geschildert habe. Nebst der durch die Stillegung der Betriebe in der Slovakei verursachten Arbeitslosigkeit und dem damit verbundenen Elend dieser Leute tobt natürlich auch dort der Kampf um die Arbeitsplätze. Ich habe bereits angeführt, daß bei der Stadtgemeinde Beamte, durchwegs Deutsche und Magyaren ohne Grund entlassen worden sind. Auch Arbeiterentlassungen kommen vor und hier ist es bezeichnend, daß die Regierung, wenn sie beispielsweise einen Bau aufführen läßt oder sonst eine Arbeit vergibt, in der Regel niemals die einheimischen Firmen, sondern böhmische oder mährische Firmen berücksichtigt. Nun, meine verehrten Herren, wir als Arbeitervertreter stellen uns hier in Bezug auf die Zuweisung einer Arbeit, ob sie nun einem Einheimischen oder einem Auswärtigen zugewiesen wird, auf den objektiven Standpunkt, indem wir sagen: Möge die Arbeit der bekommen, der sie billiger und besser macht, aber wir müssen doch entschieden fordern und verlangen, daß die betreffende Firma dazu verhalten wird, die Arbeiter am Ort vor allem zur Arbeit heranzuziehen. Was geschieht aber hier? Es werden die Preßburger Arbeiter grundsätzlich nicht aufgenommen. Wir haben den Skandal zu verzeichnen, daß selbst slovakische Arbeiter von den èechischen Firmen nicht berücksichtigt werden, sodaß auch die slovakischen Arbeiter über diese Zustände aufs höchste entrüstet sind. Sehen wir nur einmal an, wie diese böhmischen und mährischen Arbeiter, die in Preßburg arbeiten, leben. Sie kommen herunter und sind gezwungen, in den jämmerlichsten Verhältnissen zu wohnen. Sie bringen sich meist die Eßwaren mit und leben dort wie die Nomaden. Ist einmal der Bau soweit gediehen, daß er die Kellergleiche erreicht hat, so werden in den Kellerräumlichkeiten die ges amten Bauarbeiter mit den Frauen und jugendlichen Arbeitern gemeinsam untergebracht. Es hat sich nicht nur einmal dadurch der Fall ereignet, daß sich Ungeziefer bei diesen Menschen eingenistet hat. Man sieht, zu welchen Auswüchsen die Ausbeutungssucht, durch das nationalistische Moment noch gestärkt, geführt hat.

Wenn wir diese Beschwerden vortragen, antwortet man uns von èechischer Seite immer damit, daß man sagt, es werden nur solche Kräfte in die Slovakei geschickt, die dort selbst nicht zu bekommen sind. Ich gebe ohneweiteres zu, daß in der Slovakei ein gewißer Mangel an bestimmten Kategorien von Arbeitern herrscht und daß diesbezüglich ein Zuschub aus böhmischen und mährischen Kreisen höchst wünschenswert ist. Aber es gibt doch beispielsweise Erwerbszweige, wo man durchaus keine Matura oder besondere Fachkenntnisse braucht, und auch bei diesen Zweigen des Erwerbes im staatlichen und öffentlichen Leben werden die Einheimischen durchaus nicht berücksichtigt. Wir haben z. B. in Preßburg mindestens 1200 Wachleute. Wenn man diese Wachleute auf ihre Nationalität prüft, so wird man finden, daß sich der weitaus größte Teil aus èechischen Mannschaften rekrutiert. Das gleiche gilt von der Gendarmerie. Ich versichere Sie, meine Herren, die Slovakei, namentlich die Grenzgebiete, bilden ein einziges Heerlager von Gendarmen und ich habe noch niemals einen Gendarm angetroffen, der anders als èechisch gesprochen hätte. Ähnlich ist es bei der Grenzpolizei usw. usw. Wenn wir nun sagen, daß wir der Darstellung von èechischer Seite, als ob nur in solchen Erwerbszweigen Angehörige der èechischen Nation zum Nachteil der slovakischen Bevölkerung in die Slovakei, geschickt werden, für die keine genügenden einheimischen Kräfte zu bekommen sind, nicht recht glaub en, so werden Sie doch andererseits selbst zugestehen müssen, daß die èechische Darstellung nicht ganz zutreffend ist und daß tatsächlich solche Verhältnisse herrschen, wie ich sie geschildert habe. Immer mehr verdichtet sich die Ansicht zur Wahrheit, daß bei dieser Delegierung von èechischen Kräften in die Slovakei ein planmäßiges System vorherrscht.

Auch in sozialer Hinsicht haben wir Beschwerden bezüglich der Finanzverwaltung in Preßburg. Man kann es heute ruhig sagen: Von den vielen Erfolgen, die uns angeblich die Revolution gebracht hat, ist in der Slovakei nichts mehr zu verspüren. Es war einzig das Achtstundengesetz, das noch zum großen Teil unberührt geblieben ist. Aber auch hier sehen wir, daß die Finanzverwaltung es ist, die sich nicht um das Vorhandensein des Gesetzes über den achtstündigen Arbeitstag kümmert. Die Finanzdirektion war die erste Körperschaft, welche die Trafikinhaber und Inhaberinnen zu sich berufen und ihnen den Auftrag erteilt hat, im Sinne des alten ungarischen Gesetzes aus dem Jahre 1876 von 7 Uhr früh bis 8 Uhr abends offen zu halten. Natürlich, verehrte Anwesende, wenn von oben her ein derartiger Druck ausgeübt wird, so ist es natürlich, wenn die Trafikbesitzer denselben Druck auch gegenüber den Angestellten geltend machen. Und da in den Trafiken nicht nur Tabak verkauft wird, sondern auch Papier und anderes, so fangen dann die übrigen Geschäftsleute an, ebenfalls die gesetzliche Arbeitszeit zu überschreiten. Hier wäre also vor allem darauf hinzuweisen, daß die staatlichen Funktionäre auch in der Slovakei von ihrem Chef verhalten werden, die bestehenden Gesetze zum Schutze der Arbeiter genauest einzuhalten.

Meine Damen und Herren! Wenn wir zu den Beschwerden der Arbeiter und Angestellten noch das Los der ehemaligen Staatsangestellten hinzurechnen, die heute brotlos, mitellos im Lande umherirren, dann werden Sie es begreiflich finden müssen, daß die Slovakei nicht das ist, was sie sich von ihr erhofft und erwartet haben. Ich spreche von den sogenannten Pensionisten. Es handelt sich um Arbeiter und Arbeiterinnen der Tabakfabr ken und um Lehrer, die oftmals 25, 30 Jahre im Dienst gestanden, die bereits im Bezuge der Pension gewesen sind. Plötzlich entdeckte man, daß die Staatsbürgerschaft nicht ganz in Ordnung sei und unbarmherzig hat man den weiteren Bezug der Pensionen eingestellt. Ich meine, durch eine derartig brutal Behandlung von nicht mehr arbeitsfähigen Leuten erweist sich der Staat selbst nichts Gutes. Denn die Beamten haben heute nichts anderes, was ihnen die Kraft gibt, gute, tüchtige, dem Staat solid dienende Angestellte zu sein, als das Bewußtsein, wenn sie alt werden, vom Staate in Form einer Pension weiter erhalten zu werden. Wenn nun dieser Beamte sieht, mit welcher Rücksichtslosigkeit, mit welcher Brutalität und Menschenverachtung der Staat im Zeichen und unter dem Szepter der Demokratie gegen die Alterschwachen vorgeht, kann sich ein solcher Beamte, auch wenn er noch so gute und edle Absichten hätte, etwas anderes sagen und denken, als dies: "Ein Staat, der heute so mit diesen alten Leuten verfährt, kann morgen gegen mich das gleiche tun," und die Verläßlichkeit läßt dadurch ganz bedeutend nach.

Meine Herren! Die Fortsetzung dieser Politik der Regierung muß schließlich den bisher aufgespeicherten Zündstoff zur Explosion bringen. Um das zu verhindern, genügt nicht die These, die in den letzten Tagen Abgeordneter Professor Dr. Engliš hier aufgestellt hat, indem er sagte: "Wir Èechen verlangen nichts von den Slovaken, im Gegenteil, wir haben Milliarden für die Slovaken geopfert." Trotz dieser Opfer muß gesagt werden, daß die Bevölkerung der Slovakei sich in einem Elend befindet, wie es noch niemals der Fall gewesen ist. Der Glanz einiger Städte in der Slovakei und der Reichtum einer dünnen Schichte von Bevorzugten darf uns nicht hinwegtäuschen über die unerschütterliche Tatsache, daß es in der Slovakei Tausende und Tausende Analphabeten gibt und glauben Sie durchaus nicht, Analphabeten aus dem alten Regime, sondern neue Analphabeten, weil der Staat nicht genügend Schulen, sowohl in der Provinz als auch in den Städten baut. Wir dürfen weiter die große Zahl der Arbeitslosen in der Slovakei nicht übersehen, die große Zahl der Verzweifelten, verzweifelt deshalb, weil ihre Hoffnung auf eine Besserung dieser Zustände eitel ist. Daher fordern wir von der Regierung eine Politik, wie sie den besonderen Verhältnissen in der Slovakei angepaßt ist und einem tatsächlich demokratischen Staat entspricht. (Potlesk na levici.)

4. Øeè posl. Jos. Fischera (viz str. 618 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Auf allen Gebieten und mit jedem Mittel sucht die Regierung sich zu entösterreichern, aber auf einem Gebiete scheint es doch nicht zu gelingen, nämlich auf dem Gebiet der Finanzwirtschaft, wo sie das alte Erbübel Österreichs, die Finanznot, von Jahr zu Jahr fortschleppt. Obwohl der vorliegende Staatsvoranschlag ziffernmäßig eine Besserung der Finanzlage zeigt und durch eine Verminderung des Defizits eine besondere Aufmacherei nach außen ergibt, ist das eben doch nur eine Scheinbilanz einer doppelten Buchführung, wenn auch nicht einer amerikanischen, aber vielleicht einer französischen, die der fremdländischen Öffentlichkeit die finanzielle Konsolidierung in unserer Wirtschaft zeigen soll, während tatsächlich die Steuerträger im èechoslovakischen Staate bitter enttäuscht sind, da weder die Abgaben, noch die Steuern im geringsten abgenommen haben. Es wäre nur zu wünschen, daß die Finanzverhältnisse sich bessern, damit zum Wiederaufbau und zur Stärkung des Wirtschaftslebens in der Republik der erste Schritt gemacht werden könnte. Wir Deutschen sind aber mißtrauisch geworden, und das mit vollem Recht, denn alle Jahre werden uns große Versprechen gegeben, alle Jahre aber machen wir die Erfahrung, daß wir großartig betrogen und belogen werden.

Das Abgeordnetenhaus hat nicht nur das Recht, es hat die Pflicht, den Staatsvoranschlag zu prüfen und öffentlich zu kritisieren, und es wäre auch notwendig, daß der Herr Finanzminister diese Art der Mitarbeit erwäge oder wenigstens anhöre; aber er und das gesamte Haus, sie fliehen den einsamen Redner, wodurch das Abgeordnetenh aus tatsächlich eine erbärmliche Einrichtung und verfassungmäßig ganz wertlos geworden ist. Das Volk hat durch diese erhältnisse und Zustände längst die Achtung vor diesem wichtigen Staatsfaktor verloren, das deutsche Volk versteht diese Groteske, daß wir in einer absolutistischen Republik leben, deren Charakteristikon die Gewalt ist. Wozu soll ich mich mit einer weiteren Analyse, mit Vergleichungen des Zahlenmaterials beschäftigen, wenn das Budget durch eine Handvoll Leute bereits beschlossene Tatsache ist - und damit basta? Ich will deshalb wenigstens zu den Fenstern hinaus in die Öffentlichkeit sprechen, damit das Volk sieht, wie unsere Bauern, Gewerbetreibenden und Hausbesitzer unter dieser Art von Gesetzgebung leiden und wie unser Wirtschaftsleben ver elendet und verblutet.


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