Støeda 26. bøezna 1924

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 250. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 26. bøezna 1924.

1. Øeè posl. Hackenberga (viz str. 156 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Wir haben uns gegenwärtig mit der Novellierung der Wuchergesetze zu beschäftigen. In den Blättern wurde angeklagt, daß es sich bei dieser Änderung der Wuchergesetze um eine Verschärfung derselben handle. Wir haben uns in die Rednerliste "contra" eintragen lassen und schon daraus können Sie entnehmen, daß es nicht eine Verschärfung der Wuchergesetze ist, welche durch die Novellierung herbeigeführt werden soll, sondern eine Milderung der Bestimmungen des Wuchergesetzes und die Beseitigung der Volkswuchergerichte, die gleichfalls als eine Milderung der Bestimmungen über die Bestrafung der Wucherer aufzufassen ist. Der Herr Berichterstatter hat erwähnt, daß die Gerüchte falsch seien, als ob eine Milderung herbeigeführt würde, daß vielmehr die Bestimmungen der Wuchergesetze nur an die gegenwärtigen Verhältnisse angepaßt werden und daß durch die Novellierung der Effekt erreicht werden soll, daß von den Bestimmungen des Wuchergessetzes tatsächlich Gebrauch gemacht werde. Der Herr Berichterstatter meinte, die Wuchergesetze seien unter dem Eindruck der Verhältnisse geschaffen worden, die durch den Krieg herbeigeführt wurden; nunmehr hätten sich diese Verhältnisse geändert und deshalb sei es notwendig, durch eine Novellierung die Anpassung der Wuchergesetze an die heutigen Zeitverhältnisse vorzunehmen. Im selben Atem aberhat der Herr Referent eine Kritik geübt an der Judikatur der Wuchergerichte, Kritik geübt daran, daß von den Bestimmungen der Wuchergesetze nicht entsprechend Gebrauch gemacht wurde, weswegen es notwendig sei, diese Änderungen des Wuchergesetzes vorzunehmen. Also: Zuerst behauptet er, die außerordentlichen Verhältnisse, hervorgerufen durch den Krieg, seien nicht mehr gegeben, weshalb die Novellierung der Wuchergesetze notwendig sei, und dann sagt er, es kämen nicht jene Verurteilungen durch die Volksgerichte zustande, wie es notwendig wäre, die Volksgerichte hätten versagt; deswegen einerseits Beseitigung der Volksgerichte, andererseits Milderung der Strafen, damit gegen die Wucherer wirklich Strafen verhängt werden. An diesem Widerspruch des Berichtes, und an dem Widerspruch der Motive, die wir in der Regierungsvorlage finden, erkennen Sie, daß die Begründung ziemlich hinkt.

Der Sachverhalt ist der, daß wir über die durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse noch lange nicht hinweg sind, vielmehr feststellen müssen, daß die Bevölkerung heute noch unter den Auswüchsen der Kriegszeit leidet und daß die Moral sich noch nicht so gebessert hat, daß man daraus die Berechtigung einer Milderung der Wuchergesetze folgern könnte. Die Bevölkerung leidet heute noch ungeheuer unter der Teuerung. Und wenn wir fragen, was die Ursache der Teuerung ist, so wird uns gerade von den Herren Agrariern immer und immer wieder gesagt, es ständen die Verkaufspreise in keinem Verhältnis zu jenen Preisen, die der Produzent für seine Produkte erhält. Gerade die Agrarier sind es, die immer und immer wieder die Schuld an den hohen und unverhältnismäßigen Preisen auf den Zwischenhat, und es soll eine Ergänzung des Wucherschuld sei an den hohen Preisen, die für die bedürftige Bevölkerung vielfach unerschwinglich sind.

Gleichzeitig mit diesen Wuchergesetzen soll auch eine Bestimmung des Mieterschutzgesetzes aufgehoben werden, welche versagt hat, und es soll eine Ergänzung des Wuchergesetzes nach der Richtung vorgenommen werden, daß der Wucher mit Wohnungen, der getrieben wird nicht nur durch den Besitzer des Hauses, sondern auch durch die Parteien an den Aftermietern, bestraft werden kann, u. zw. mehr als es bisher auf Grund der Bestimmungen des Mieterschutzges tzes möglich gewesen ist. Wenn wir schon vom Wucher sprechen, so müssen wir darauf verweisen, daß nicht nur die Artikel des täglichen Bedarfes noch kolossal und unverhältnismäßig hoch im Preise stehen, sondern wir müssen insbesondere darauf verweisen, welch arger Wucher mit den Wohnungen getrieben wird, und nicht nur mit Wohnungen in den neuen Häusern, sonder auch vielfach mit Wohnungen in alten Häusern, wo in Form von allen möglichen verklausulierten Gebühren dem neuen Mieter horrende Abgaben von Seiten des Besitzers abgefordert werden. Es ist aber selbstverständlich auch ein Wucher, der bei der Vermietung von Zimmern an Abmieter, die sogen annten Aftermieter, vorkommt, und wir begrüßen es nur, wenn es möglich ist, nach dieser Richtung hin durch eine Reform des Wuchergesetzes eine Besserung herbeizuführen.

Im großen und ganzen müssen wir aber feststellen, daß das, was durch die Novellierung der drei Gesetze, durch die Änderung der Bestrafung des Kriegswuchers ei erseits, die Aufhebung der Volksgerichte andererseits und die Einschränkung der Anwendung der Strafarbeitsabteilungen in letzter Linie beabsichtigt wird, keineswegs den Willen zeigt, dem Wucher schärfer, als es bisher der Fall war, an den Leib zu rücken. Die Regierungssvorlage wurde schon damit begründet, und heute haben wir es auch aus dem Munde des Herrn Berichterstattern gehört, daß man die Hoffnung hege, daß gegen die Wucherer mehr unternommen werden wird, wenn die Strafe gemildert werde, und es wurde uns zur Begründung dieses Entw urfes gesagt, daß von der Verhängung von Srafen vielfach Abstand genommen wurde und Wucherer freigesprochen wurden, weil die Strafen zu hoch waren und die Richter vor deren Anwendung zurückschreckten. Auf der anderen Seite haben wir feststellen können, daß vielfach den Gnadengesuchen solcher Wucherer Folge gegeben wurde und die Strafen im Gnadenwege entweder herabgesetzt oder vollständig aufgehoben worden sind. Wenn wir das in Berücksichtigung ziehen, müssen wir feststellen, daß bei der Herabsetzung des Strafsatzes, bzw. bei der Schaffung der Möglichkeit der Strafumwandlung nicht der ernste Wille zu finden ist, den Wucher schärfer zu bekämpfen, als es bisher der Fall war. Wir können uns mit der Milderung der Strafbestimmungen des Wuchergesetzes keineswegs einverstanden erklären, sondern wir müssen dem Wunsche und dem Verlangen Ausdruck geben, daß es nicht nur bei den höheren Strafsätzen verbleibt, sondern daß diese höheren Dtrafsätze auch tatsächlich angewendet werden, aber nicht nur gegen die kleinen Leute, die verfolgt werden, sondern daß auch der grobe Wucher in der rücksichtslosesten Form bestraft werde. Und da haben wir leider in der letzten Zeit vielfach erfahren, daß Leute begnadigt wuren, gegen die ein solches Verfahren eingeleitet wurde. Die Aufhebung der Volksgerichte ei notwendig - sagt man weil sie versagt hätten. Die Richter haben ihre Pflicht nicht erfüllt, die Laienrichter sind nicht gekommen, die Richter haben nicht nach Recht geurteilt, sondern sie haben sich vielfach von ihren Gefühlen leiten lassen, und deswegen, weil die Volksgerichte nach dieser Richtung versagt haben, sei deren Beseitigung notwendig und sind statt der Volksgerichte die ordentlichen Gerichte mit der Verfolgung der Wucherer zu betrauen. Wenn die Wuchergerichte versagt haben, so geschah dies vielfach wegen ihrer Zusammensetzung. Der Herr Berichterstatter hat gemeint, er sei schon deswegen für die Aufhebung der Wuchergerichte, weil sie politisiert wurden, und vielfach liege die Schuld ihres Versagens gerade darin, daß sie politisiert worden sind. Wir müssen feststellen, daß bei den Wuchergerichten eben vielfach Leute zu Gericht gesessen sind, die unmittelbar an dem Freispruch der Wucherer interessiert waren, und andererseits wollen wir dem Herrn Berichter, statter auch gern zugeben, daß die Sachverständigen versagt haben, die denselben Kreisen entnommen wurden, die die Bevölkerung bewuchern, und deren Einflußnahme vielfach maßgebend war für die durch die Gerichte vorgenommenen freisprechenden Urteile. Wenn die Gerichte versagt haben, wenn sie schlecht waren, ist es notwendig, sie zu bessern und bei der Zusammensetzung dafür zu sorgen, daß Richter eintreten, welche ihre Pflicht erfüllen, welche ein Interesse haben zu bestrafen, Richter, die aus dem Kreise der Konsumenten entnommen werden. Aber es geht nicht an, die Gerichte zu beseitigen.

Ebenso erblicken wir eine ungerechte Strafmilderung darin, daß die Anwendung der Strafarbeitsabteilungen eingeschränkt wird. Nach dem Willen der Regierung wäre diese Einschränkung noch weiter gegangen. Der Regierungsentwurf hat dahin gelautet, die Strafarbeitsabteilungen vollständig aufzuheben, weil meistens Leute verurteilt worden sind, für die die Arbeit keine Strafe bedeutete, wie es in der Begründung hieß, andererseits deshalb, weil es nicht möglich war, die Leute unterzubringen, da die Gemeinden oder öffentlichen Körperschaften sich geweigert haben, die Leute gegen Bezahlung zu verwenden. Im Rechts- und Verfassungsauschuß hat man sich nun diesen Argumenten der Regierung nicht angepaßt und es kam da - nicht erst im Rechts- und Verfassungsausschuß, was ich bei dieser Gelegenheit feststellen muß, sondern schon innerhalb der "Pìtka" - zu Auseinandersetzungen über diese Frage und die Regierung ließ endlich ihren Plan auf Aufhebung der Arbeitsstrafabteilungen fallen.

Wir haben es also mit der ovellierung einiger Gesetze zu tun und sehen, daß sich diee Koalitionsparteien ungeheuerlich bemühen, die Novellierung dieser Gesetze herbeizuführen. Aber glauben wir ja nicht, daß man sich deshalb darum bemüht, um dem Wucher mehr zu Leibe zu rücken, um wirklich eine Verfolgung des Wuchers herbeizuführen, sondern weil das Drängen innerhalb der Koalition seitens jener Parteien, die sich gegen den Bestand der Wuchergesetze zur Wehr setzen, ziemlich groß ist, denen eben daran liegt, eine Milderung der Bestimmungen der Wuchergesetze herbeizuführen.

Wenn wir schon von notwendigen Reformen und von der Novellierung von Gesetzen sprechen, glaube ich, daß es in dem Staate mehr Gesetze gibt, die der Reform bedürftiger wären als das Wuchergesetz. Wir haben uns erst vor einigen Tagen in diesem Hause mit der Frage der Preßfreiheit beschäftigt, u. zw. im Zusammenhang mit der Frage der Bekämpfung der Korruption. Damals hat der Herr Ministerpräsident in seiner Rede angekündigt, daß in der nächsten Zeit eine Reform der Geschworenengerichte vorgenommen werden soll und daß eigene Preßsenate eingesetzt werden sollen. Statt daß man die Preßgesetzreform durchführte und wirklich die Preßfreiheit, die Wahrung der Meinungsfreiheit herbeiführte, haben wir aus dem Munde des Herrn Ministerpräsidenten vernommen, daß es sich der Regierung um nichts anderes handelt, als durch Schaffung eigener Preßsenate die Preßfreiheit noch zu unterdrücken. Wie notwendig es wäre, daß man sich mit der Reform des Preßgesetzes beschäftigen würde, zeigt die heutige Konfiskation unseres Zentralorganes in Prag, die ich der besonderen Aufmerksamkeit des Herrn Justizministers anempfehlen möchte. In diesem Organ ist ein Artikel enthalten mit dem Titel: Gibt es Geheimverträge? Und nun hat der Staatsanwalt nichts Wichtigeres zu tun gefunden, als die kritischen Bemerkungen über die gegenwärtig schwebende Frage, ob es sich bei den in Deutschland publizierten Verträgen um Fälschungen handelt oder nicht - es waren nur kritische Bemerkungen, die daran geknüpft waren - und dabei natürlich auch kritische Bemerkungen über die Auslandspolitik des Herrn Ministers zu konfiszieren. Es wurde dort unserem Grundsatz Ausdruck gegeben, daß es unmöglich sein sollte, daß überhaupt solche Gerüchte verbreitet werden können, daß Geheimverträge überhaupt nicht zu schließen wären, daß die Vertretungskörper die Möglichkeit haben sollen, hiebei kontrollierend zu wirken. Nichts anderes war in diesem Artikel enthalten, und das hat nun der Herr Staatsanwalt konfisziert. (Výkøiky na levici.) Ich werde mir gestatten, dem Herrn Justminister den Inhalt dieses Artikels zur Kenntnis zu bringen, ich will ihn nicht verlesen, sondern ihn dem Herrn Minister geben, damit er sich ein Urteil darüber bilden kann, was bei uns heute noch konfisziert wird. Wenn ein Leser dieses Blattes vom konfiszierten Artikel die Aufschrift liest: "Gibt es Geheimverträge oder nicht?", so wird der Leser selbstverständlich sofort sagen, daß es Geheimverträge gibt, daß aber darüber nicht gesprochen werden darf, daß es geheimbleiben muß. Ich frage, ob es nicht dringender und wichtiger wär, statt eine Milderung des Wuchergesetzes vorzunehmen, diesen Skandal zu beseitigen, unter dem wir arg zu leiden haben. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. Luschky (viz str. 164 tìsnopisecké zprávy):

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen dem in Beratung stehenden Gesetzentwurf mit gemischten Gefühlen gegenüber. Wir können nicht leugnen, daß das ewige Novellieren der Gesetze der Revolutionsversammlung immer weitere Materien erfaßt und daß darin nicht nur sachlich notwendige Veränderungen vorkommen, sondern auch aus der verschiedenen Auffassung von damals und heute das Eingeständnis durchleuchtet, daß die Gesetze der Revolutionsvers ammlung in der Praxis undurchführbar und von einem Geiste beseelt sind, welcher auf die Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist. Es besteht ja überhaupt die Hauptarbeit der Parlamentes, wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann, in der Novellierung der überhasteten Gesetzesfabrikation, welche die Revolutionsversammlung betrieben hat und die wir immer als verfehlt gebrandmarkt haben. Von diesem Standpunkt aus begrüßen wir die Novellierungen, weil wir in ihnen vielleicht doch die Einsicht sehen, daß die Gesetzgebung im Siegesrausch schwere Wunden in die immer gleichbleibende Moral und in wirklich unveränderliche Rechte geschlagen hat und daß durch diese Gesetzgebung keine Quelle dauernder politischer, kultureller und wirtschaftlicher Wohlfahrt für die gesamte Bevölkerung eröffnet wurde. Es kann sein und hoffentlich ist es der Fall, daß daraus sich via facti auch eine neue Auffassung geltend macht, nämlich die, daß der Grundsatz, der oft als der maßgebende in diesem Staate gepredigt wurde, daß Gewalt vor Recht gehe, nicht mehr aufrecht erhalten wird und man davon absteht, jedem freie Hand zu geben, Lüge als Wahrheit, Unrecht als Recht, brutale Unduldsamkeit als höchste Staatsweisheit mit dem Glorienscheine der Tugend umgeben zu können.

Aber davon abgesehen weist dieser Gesetzentwurf, der in Beratung steht, doch auch sehr schwere Mängel formaler und meritorischer Art auf. Vor allem umfaßt diese Novelle nicht die ganze Materie und alle Fälle des Wuchers, wie es notwendig wäre, da der Wucher heute leider noch immer eine allgemeine Sucht und Disposition ist, ein Hauptübel der Zeit, dem mit aller Energie und in jeder Beziehung zu steuern wohl Pflicht der gesetzgebenden Körperschaften sein müßte In dem vorliegenden Entwurf aber verändert man nur einige Bestimmungen des alten Wuchergesetzes und läßt noch vieles auch in formaler Beziehung aufrecht, was bereits für die Gegenwart als überholt anzusehen ist. Es ist zum Beispiel in diesem Gesetzentwurf noch nicht darauf Bedacht genommen, daß eigentlich ein Kriegswucher nicht mehr bestehen kann, weil kein Krieg mehr ist, daß daher auch die ganze Terminologie als überholt und für die gegenwärtigen Zeitläufte als verfehlt anzusehen ist, daß endlich gerade mit Rücksicht darauf verschiedene gesetztliche Strafbestimmungen über Verheimlichung der Vorräte, Verletzung der Lieferungspflicht usw. einfach ganz entbehrlich sind und, weil nicht mehr in einem zwangswirtschaftlichen System begründet, aufgehoben werden müßten. Man hätte dem in einer kurzen Stilisierung auch Rechnung tragen sollen, um der Materie der Novelle in gesetzestechnischer Beziehung eine Abrundung zu geben und nicht überlebte Tatbestände noch immer in der Justiz über den Wucher weiter fortzuschleppen.

Aber, meine verehrten Damen und Herrn, einer der Vorzüge dieses Gesetzes ist nach Ansicht des Herrn Justizministers, daß unwer sentliche Verschulen nicht strenge bestraft werden sollen, daß die Bestraffung des Wuchers jetzt aber zum Schutze der Konsumenten in die Hände von Berufsrichtern zu geben ist. In letzterer formaler Beziehung müßte ich feststellen, daß darin keine Begründung dafür vorhanden ist, daß man mit den Wuchersenaten aufräumt, denn es ist noch nicht der Beweis erbracht, daß durch die starre Doktrin der gelehrten Richter dem Volksempfinden über Wucher mehr Rechnung getragen wird als es bisher durch die Wuchersenate der Fall war. Die Unterordnung jeder Materie unter das berufsrichterliche Verfahren halten wir für verfehlt, weil wir überhaupt in der möglichst demokratischen Rechtssprechung durch die Volksgerichte eine Errungenschaft sehen, welche unter keinen Umständen wieder verschwinden soll und welche, soweit sie Unzulänglichkeiten aufweist, verbessert werden kann, aber niemals im Grundsatze selbst unrichtig ist und für die weitere Behandlung als verfehlt und überflüssig angegeben werden darf. Es ist unserer Überzeugung nach die Auffassung, daß die Wuchergerichte abgeschafft werden sollen, eine irrige. Wir würden es lieber sehen, daß entsprechende Anpassung und Veränderung der Formalien an die Notwendigkeiten zur Verbesserung in der Rechtssprechung schon eine genügende Reform wäre, und der Grundsatz der Aufrechterhaltung der Wuchersenate eingehalten werden würde.

In meritorischer Beziehung ist eine notwendige Folgerung der Ausführungen des Herrn Ministers im Gesetz nicht gezogen, nämlich daß die wesentlichen Verschulden bei Wucher energischer bestraft werden sollen; darüber finden sich keine Bestimmungen im Gesetz, wie sich der vorliegende Entwurf überhaupt nur daran hält, einzelne Abänderungen zu treffen - wie ich bereits betont habe - und der Materie nicht auf den Grund geht. Eine einzige Bestimmung ist neu. Der Wucher bei Vermietungen und Untervermietungen von Wohnungen wird als ein spezieller Tatbestand formuliert, welcher unter die Bestimmungen des Wuchergesetzes fällt. Nun, meine Herren, da ist wohl eine Voraussetzung dafür notwendig, daß damit nicht auch gleichzeitig eine Vermehrung der Tatbestände eintritt. Der Wohnungswucher ist sicher so zu bekämpfen wie jeder andere Wucher, aber man darf dem Wohnungswucher nicht dadurch Vorschub leisten, daß man bei der kommenden Novellierung des Mieterschutzgesetzes eine allgemeine Erhöhung der Mietzinse verfügt und damit ungezählte Existenzen verzweifelter zahlungsunfähiger Mieter nun in einen derartigen strafbaren Tatbestand von Wohnungswucher hineintreibt. Es wäre das ja leicht gegeben für den Fall, als die Erhöhung der Mietzinse eine derartige wäre, daß ein großer Teil der bisherigen Mieter die Mietzinse nicht mehr zahlen kann und deshalb an Abgabe von einzelnen Zimmern an Untermieter schreiten muß und leicht der Versuchung des Wohnugs wuchers unterliegen könnte. Für unwesentliche Verschulden gebe ich die Berechtigung glatt zu, daß man den bisherigen verminderten Strafsatz von sechs Monaten abbauen muß, weil er in einzelnen Fällen zu ganz außerordentlichen Härten geführt hat. Es schwebt mir da noch immer ein Fall vor, daß in Katharein bei Troppau eine 47jährige Beamtenswitwe wegen Preistreiberei mit 6 Monaten unter Publikation dieser Preistreibereien in den Zeitungen verurteilt wurde, weil sie ein Kilogram Fische um 17 Kronen verkauft hat. Das ist natürlich für ein solches Delikt im Rahmen so vieler schwerster Wucherdelikte, die vorkommen und ungesühnt bleiben, unglaublich hart, und von diesem Standpunkt aus ist der Abbau des Strafsatzes bei kleineren Verschulden unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes wohl am Platze.

Aber, wie gesagt, zur Beurteilung des Gesetzes ist wohl die erste Frage: Was ist überhaupt Wucher? Wucher ist nach der Lehre der Juristen die Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinnes und der Unerfahrenheit, um sich Vermögensvorteile versprechen oder gewähren zu lassen, die den Umständen nach in auffallendem Mißverhältnisse zur Gegenleistung stehen. Ich glaube, meine Herren, wenn man das so liest und hört, bekommt man den Eindruck, daß man da all zu oft die Kleinen henkt und die Großen laufen läßt, und daß das Kriterium des Wuchers auch noch heutzutage das sein müßte, daß auch die Ohnmacht, in der sich jemand befindet, also die Notlage, die durch den Mangel an irgendwelchem Rechtsschutz oder sonstigem Schutz entsteht, wenn sie ausgebeutet wird, und zu einer Bewucherung des Betroffenen führt, auch unter Strafsanktion stehen müßte. Da fallen einem ohneweiters die vielfachen Klagen ein, die bei der Bodenreform geltend gemacht werden, daß z. B. der Übernahmspreis für beschlagnahmten Grundbesitz gegenüber dem späteren Verkaufspreis bei der Bodenzuteilung eine Differenz von 200 bis 300% aufweist, was nach früheren Begriffen ein glatter Wucher war und heute auch noch nach dem gleichbleibenden Rechtsempfinden sicher dasselbe ist und nicht anders genannt werden kann, daß bei der Vermögensabgabe für den enteigneten Großgrundbesitz der Wert des Jahres 1919 zugrunde gelegt wird, während die Enteignung selbst nach dem Durchschnittswert aus den Jahren 1912 bis 1914 geschieht. Das sind doch Differenzen, welche den Ruin der Wirtschaftseinheiten und der daran hängenden Personen zur Folge haben können und welche sicher auch hart an der Grenze, wenn nicht überhaupt im Rahmen des Begriffes "Wucher" zu beurteilen sind. Eine Tatsache ist auch, daß man gegenüber den Mächtigsten, d. i. den Bankkartellen, wie den großen Unternehmungen, welche sich des besonderen Schutzes hochgestellter Gönner erfreuen, nicht genug dahintersieht, ob sie nicht in ihren Geschäften eine Bewucherung einzelner oder der Gesamtbevölkerung vornehmen. Es ist auffallend, um für den kleinen Mann zusprechen, daß man es z. B. ganz außer Acht läßt, daß in so und so vielen Zwangsdepots die Vorkriegsrenten und die bisher ganz wertlosen Kriegsanleihen einer Vergebührung unterzogen werden, obzwar sie an sich kein Erträgnis abwerfen, Auslagen erfordern, welche in gar keinem Verhältnis auch nur zu den Hoffnungen stehen, die man sich auf die seinerzeitige Verwertung der Papiere machen kann. Auf der einen Seite nichts bekommen, und nichts beheben können, weil auch die Behebung dieser Zwangsdepots ausgeschlossen ist, auf der anderen Seite aber auch noch zu Zahlungen verpflichtet werden, ohne daß man Rechtsschutz genießt, ist eine Härte und kann unter Umständen, in Prozenten umgerechnet und ausgedrückt, zu dem Tatbestande des Wuchers werden, worüber der vorliegende Entwurf handelt. Das, meine Herren, ist Wucher nach dem Gelde. Es gibt aber, meist im Zusammenhang oder unabhängig davon, noch einen andern Wucher, über den man in diesem Hause wohl sprechen müßte: das ist der Machtwucher, der sich so oft bemerkbar macht bei jenen, welche zur Macht berufen sind, oft noch mehr bei jenen, die die Schmarotzer der offiziellen Macht genannt werden können. Diese setzen scheinbar eine besondere Ehre darein, ihre Macht so rücksichtslos auszunützen, daß sie damit den anderen an wesentlichen Werten, an Rechtsfreiheit und Ehre, nahetreten können und dabei vollkommen straffrei sind, ja im Gegenteil womöglich noch als besondere Patrioten gelten dürfen. Solche Fälle von Machtwucher haben wir z. B. zur Zeit der Volkszählung erlebt und wiederholt hier in diesem Hause zur Sprache gebracht. Meine Herren, die Volkszählung hat, wie sich jetzt immer mehr herausstellt, die größte Bedeutung für die rechtliche Stellung der einzelnen Staatsbürger in Ansehung ihrer Nationalität und Sprache und auch anderer Vorteile, welche sie erhalten können, wenn sie der Staatsnation zugehören, bezw. nicht erhalten, wenn das nicht der Fall ist. (Posl. Schälzky: Siehe Hultschin!) Ja, Hultschin! Da möchte ich heute einen Fall hervorheben, der so recht bew eist, wie das freie Schalten und Walten der Kräfte geradezu paradoxe Auffassungen hervorbringen kann. Im Hultschiner Land ist ein ein einfacher Maurer bei der Volkszählung als Mährer, in der dortigen Auffassung der Nationalität also als Tscheche gezählt worden. Er hat dagegen Berufung eingelegt und einen abweislichen Bescheid folgenden Inhalts bekommen: "Laut § 20, Lit. d) der zitierten Regierungsverordndnung über die Durchführungsverordnung zum Volkszählungsgesetz muß die Angabe der Nationalität wahrheitsgemäß festgestellt werden. Schon aus dieser Bestimmung geht hervor, daß das Bekennen der Nation der objektiven Wahrheit ebenso entsprechen muß wie jede andere Angabe, zu welcher sonst die Partei bei der Volkszählung verpflichtet ist. Es ist demnach die Meinung, daß es dem Rekursführer nach Belieben frei gegeben ist, seine Nation zu bestimmen, vollkommen falsch, da die amtliche Volkszählung die kontrollierbaren objektiven Merkmale, niemals aber die subjektiven Anschauungen und die persönliche Überzeugung festzustellen hat. Wenn der Einreicher des Rekurses einwenden wollte, daß das Nationalitätsbekenntnis irgend eine persönliche Sache ist und damit sagen will, daß die Nationalität persönliche 'berzeugung und durch eine dritte Person unkontrollierbar ist, so wird erwähnt, daß die Volkszählung die objektiven Merkmale, niemals aber persönliche Anschauungen und Überzeugungen feststellt und das es daher unentscheidend bleibt, welche Nation sich jemand wünscht oder was er empfindet.

Meine Herren! Fest und steif zu beh upten, daß es nicht an der eigenen Überzeugung liegt, welcher Nation man ist, sondern daß die Nationalität erst durch die Behörde festgestellt wird, das ist wohl eine paradoxe Auffassung über Nationalität und Demokratie. Nichtsdestoweniger hat auf Berufung des Betreffenden, der zum Beweise seiner deutschen Nationalität ausführte, daß er durch acht Jahre nur deutsche Schulen besucht hat, durch sieben Jahre in Deutschland beim Militär gedient hat, nur die deutsche Sprache könne und von der mährischen Sprache, geschweige denn von der mährischen Nationalität keine Kenntnis hatte, daß er zwölf Jahre als Maurer in Deutschland gearbeitet hat und daß weder er noch seine Gattin mährisch lesen oder schreiben können, hat das Ministerium des Innern am 29. Dezember 1923 diese Eingabe mit der Begründung abgewiesen, daß sie über die Eingabe nicht verhandeln könne, weil sie in deutscher Sprache abgefaßt und weil es der Partei nach dem Sprachengesetz vom 29. Feber 1920 nicht erlaubt sei, in einer anderen als der Staatssprache Eingaben zu machen. (Výkøiky na levici: 19·8%!) Diese berüchtigten 19.8%, welche der deutschen Nationalität im Hultschiner Bezirk zugeschrieben wurden, waren für diese Entscheidung tatsächlich die Grundlage, weil wieder darauf Bezug genommen ist, daß sich bei der letzten Volkszählung in diesem Gerichtsbezirk nicht 20% der Staatsbürger zur deutschen Nationalität bekannten oder besser gesagt, bekennen durften. Hiedurch wurde es zur Tatsache, daß die Nationalität des Betreffenden unentschieden bleibt und daß zur Rechtskraft geworden ist, daß niemand seine Nationalität nach seiner eigenen Überzeugung feststellen darf. Ich glaube, das ist wohl ein Fall, der in diesem Hause vorgebracht zu werden verdient.

Weiters ist auch eine andere Art der Ausnützung der Macht gerade in diesem Gebiete, im Hultschiner Gebiet, an der Tagesordnung. Es bekommen z. B. - und das wird ganz offiziell von allen Seiten zugegeben und gesagt - nur diejenigen bei der Bodenaufteilung etwas, die zur Staatsnation gehören, bezw. sich, wie es dort heißt, als Mährer bekennen und nicht diejenigen, die zu den Deutschen gehören und schon gar nicht diejenigen, die auf einer deutschen Kandidatenliste zu finden waren. Die haben darauf keinen Anspruch, sondern nur die anderen. Da wird eine Bodenreform gemacht und behauptet, ein Siedlungsproblem zu lösen, es wird behauptet, damit im Interesse der Gesamtheit moderne Entwicklungen zu schaffen. Und in Wirklichkeit bezweckt diese Bodenreform nichts anderes, als diese Gebiete speziell der bodenständigen Bevölkerung zu nehmen, diese zu entwurzeln, wirtschaftlich zu schädigen oder zur Auswanderung zu treiben und denjenigen, insbesondere, welche sich für Zwecke politischer Parteienund politischer Körperschaften eignen, Boden zu verschaffen, dam-it sie unsere Gebiete durchsetzen und unsere angestammte Heimat èechisieren. So ist die Durchführung in Wirklichkeit und kein Wort von den großen Zielen der Bodenreform wird verwirklicht, sondern es bleibt bloß einzig und allein bei dieser kleinlichen und gehässigen Aufzäumung der Bodenreform, um die Macht zu zeigen und diejenigen, die sich der Macht auf Grund der Gesetze zu fügen nicht verpflichtet fühlen, mit allen Schikanen zu treffen, sie wirtschaftlich und sozial zu entwurzeln und niederzudrücken.

So weit ist eben auch die Auffassung über Moral verschieden und nicht zuletzt auch bei Beurteilung des Wuchers. Deshalb sind wir der Ansicht, daß es nur eine Moral geben kann, eine Gesetzesmoral, die vollkommen gleich ist für jedermann in den Rechten und Pflichten. (Sehr richtig!) Es gibt nur eine Auffassung über Wucher, die jedermann gegenüber in gleicher Weise gelten muß; dafür haben wir nicht die Gewähr, daß die gleiche Behandlung allen widerfährt und daß alle, die Wucher treiben, der gleichen Strafe unterzogen werden.

Deshalb haben wir keinen Anlaß, für dieses Gesetz, das nur ein Stückwerk ist auf dem Wege zur Entwicklung einer verbesserten Gesetzeskodifikation über Wucher zu stimmen und sind in Erfahrung der Tatsachen, die wir täglich erleben, wohl eingedenk dabei eines großen Wortes des Philosophen Descartes - ich bringe ausdrücklich das Zitat eines französischen Philosophen, vielleicht wird er eher gehört: "Ich habe die menschliche Komödie kennen gelernt, aber die Wahrheit ist mehr wert!" (Potlesk na levici.)

3. Øeè posl. Windirsche (viz str. 170 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Von unserer Seite wurde das Gesetz zur Bestrafung des Kriegswuchers immer als ein Ausnahmsgesetz betrachtet und wir glaubten, da wir uns im sechsten Jahre nach dem Kriegsende befinden, daß dieses Gesetz sich von selbst beseitigen werde. Trotzdem nun dieses Gesetz weiter besteht, bemerkt man im allgemeinen, daß eine zunehmende Teuerung platzgreift, und man muß sich die Frage vorlegen, wieso das möglich ist. Der Grund hiefür liegt darin, daß dieses Gesetz hauptsächlich gegen die Kleinen angewendet wird, getreu dem Sprichwort: "Die Kleinen henkt man, die Großen läßt man laufen." Eine Zielscheibe der Wuchergerichte namentlich in Nordböhmen, sind immer die Landwirte gewesen. In Nordböhmen, und zwar in allen nordböhmischen Bezirken, hat man seinerzeit die Landwirte zu Tausenden bei den Gerichten wegen angeblichen Wuchers zur Anzeige gebracht, wovon die kleins ten, also wehrlosesten, betroffen wurden. So erfolgten Anzeigen wegen angeblich über mäßiger Forderung von Preisen für Milch, Butter, Eier, kurzum all das, was hauptsächlich die kleinen Landwirte unmittelbar an den Verbraucher abgeben, schien in allen Fällen zu teuer. Einig war man, als diese Fälle beim Wuchergericht anhängig wurden, auch immer in der Verurteilung der Angezeigten. Einig waren da die Beisitzer der Wuchergerichte, ebenso auch die Richter; die Beisitzer der Wuchergerichte wohl hauptsächlich deshalb, weil sie nicht nur Konsumenten, sondern auch in sehr vielen Fällen parteipolitische Gegner der Landwirte gewesen sind. Freilich waren nicht immer ausgesprochen parteipolitische Gegner der Landwirte in den Senaten der Wuchergerichte, sondern es befanden sich dort hie und da selbst Vertreter bürgerlicher Parteien, aus den Städten. Aber auch sie erkannten immer, weil sie gleichzeitig Konsumenten waren, in den Landwirten das Wucherelement, und deswegen stimmten sie dann immer der Verurteilung zu. Die Richter dagegen, die das Urteil aussprachen, waren nicht nur Konsumenten und dadurch mehr oder minder befangen, sondern sie waren auch gleichzeitig schlecht bezahlte und dabei überarbeitete Beamte.

Auch heute noch sind die Lan dwirte der Verfolgung durch Wuchergerichte ausgesetzt, obwohl längst dargetan ist, daß die landwirtschaftliche Betriebsführung im allgemeinen passiv ist. So konnten wir erst heute in der Ausschußsitzung der deutschen Sektion des Landeskulturrates für Böhmen - und zwar aus dem Munde des dort anwesenden Vertreters des staatlichen Institutes für Betriebslehre und Buchführung - hören, daß eine Verringerung der Betriebseinnahmen für 1923 gegenüber 1922 per 1 ha Fläche um 620 Kronen zu verzeichnen war. Dieses Ergebnis, das ich hier anführe, entstammt kleinen Betrieben, die ihre Betriebsbuchführung, um zu erfahren, ob sie einwandfrei ist, eben durch das staatliche Institut für Betriebslehre und Buchführung kontrollieren lassen. Größ ere Betriebe führen die Bücher selbst, und daraus ist längst schon einwan dfrei dargetan, daß bei diesen größ eren Betrieben die Mindererträge noch bedeutend größer sind. Wenn sich trotzdem die Landwirte noch zu behaupten vermögen, ist das hauptsächlich zurückzuführen auf die Nichtbeachtung des Achtstundentages in der Landwirtschaft. Der Landwirt, der von früh bis spät in die Nacht mit seiner ganzen Familie arbeitet, muß selbstverständlich durch diese übermenschlichen Leistungen oft schon in einem gewissen Vorteil sein, und zu diesem Übereifer gesellt sich noch die äußerste Sparsamkeit, die vom Landwirt und seinen Familienangehörigen befolgt wird. Trotzdem nur dargetan ist, daß sich die Landwirte in der miserabelsten Situation befinden, hat man die Wahrnehmung gemacht, daß im Laufe der letzten Zeit, besonders in der allerletzten Zeit, Organe des Ernährungsministeriums Landwirte hauptsächlich im Bezirke Kratzau, politischer Bezirk Reichenberg, aufsuchten und dort der Höhe der Milchpreise nachgespürt haben. Das Ergebnis dieser Erhebungen war, daß die betreffenden Landwirte wegen Forderung von angeblich übermäßig hohen Milchpreisen beim Wuchergericht zur Anzeige gebracht wurden. Die betreffenden Organe des Ernährungsministeriums, welche die Erhebungen durchführetn, haben gänzlich außer Acht gelassen, daß heute schon wieder der volkswirtschaftliche Grundsatz in Geltung tritt, wonach die Preishöhe durch das Angebot reguliert wird. Bezüglich der Milch ist es nun sicher, daß so viel Milch vorhanden ist, daß schließlich die ganze Milch, die erzeugt wird, nicht an den Mann gebracht werden kann. Aber trotzdem hat man die betreffenden Landwirte dem Gerichte überantwortet und diese müssen jetzt, wo sie eigentlich draußen auf dem Felde hinreichend zu tun hätten, ihre wertvolle Zeit damit verlieren, daß sie zum Gericht fahren und dort viele Stunden zubringen müssen. Ich möchte infolgedessen gerade diese Gelegenheit dazu benützen, um den anwesenden Herrn Justizminister auf diesen Umstand aufmerksam zu machen und an ihn zu appellieren, daß sich das Justizministerium, wie es schon des öftern bekundet hat, von anderen Gesichtspunkten leiten lasse, als seine untergeordneten Organe, welche schablonenmäßig die ihnen zugekommenen Anzeigen bearbeiten und dadurch die Angezeigten von der Arbeit abhalten.

Man hat ja im allgemeinen immer auf die Landwirte ein scharfes Auge gehabt, während so und so viel andere unbehelligt wirklichen Wuchergewinnen nachjagen konnten. Wenn ich von unserer Gegend, dem politischen Bezirk Reichenberg spreche, will ich im Zusammenhang damit die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand lenken, der andere gewissermaßen in den Verdacht des Wuchers bringt. Es ist bekannt, daß auch die Landwirte ihre Wagen und Gewichte der Eichung unterziehen lassen müssen. Im Laufe der letzten Zeit haben nun im Bezirke Reichenberg viele solcher Aichungen stattgefunden und dabei wurde festgestellt, daß selbst ganz neue Wagen und ganz neue Gewichte aichbedürftig gewesen sind. Bevor die Gegenstände dann durch die aichorgane wirklich geaicht werden konnten, mußten sie repariert werden. Dabei hat sich herausgestellt, daß für die Reparaturkosten oftmals mehr berechnet wurde, als der Anschaffungspreis der Wage und Gewichte betrug. Als die Landwirte sich deswegen beschwerten, hat man ihnen einfach gesagt: "Ja, wenn Ihr damit nicht zufrieden seid, steht Euch der Weg zum Wuchergericht offen und es bleibt Euch überlassen, die Betreffenden, welche die Reparaturen ausführten und zu hohe Rechnungen präsentierten, anzuzeigen." Es wäre in dem Falle Sache der betreffenden Eichorgane gewesen, darüber zu wachen, daß man den Landwirten nicht zu viel abnehme!

Wenn schließlich von Wucher gesprochen wird, wollen wir nicht übersehen, daß auch verschiedene staatliche Institutionen eigentlich mit Wucherbestrebugen allen übrigen vorangehen. Ich verweise nur auf das Bodenamt, das zu billigen Preisen Boden übernimmt und ihn zu Wucherpreisen an die Bewerber wieder abgibt. Oder nehmen wir eine Anstalt unseligen Angedenkens, über welche ja bereits wohl nicht direkt, aber indirekt mein Vorredner, Herr Kollege Najman gesprochen hat, die Getreideanstalt. Der Staat hat seinerzeit zu ganz elenden Preisen den Bauern die letzten Körner abgepreßt, dieses Getreide vermahlen lassen, das Mehl aber keineswegs billig abgegeben, ebensowenig wie die Kleie. Und trotzdem hat es sich herausgestellt, daß diese Getreideanstalt ein Defizit von 4·7 Milliarden Kè erarbeitet hat.

Wenn wir uns also heute damit befassen, die wucherstrafgesetzlichen Bestimmungen einer Veränderung zu unterziehen, wäre wohl unser weitestgehender Antrag einfach der auf die gänzliche Aufhebung der bezüglichen Bestimmungen. Wir wissen, daß das nicht möglich ist, sondern daß der Antrag, wie er vorliegt, Annahme finden wird.

Wir finden, daß tatsächlich einige Bestimmungen dieser Vorlage Milderungen bedeuten. Zumindest ist es ein großer Vorteil, daß man die Ausübung der Wuchergerichtsbarkeit den Volksgerichten entzogen hat und damit nunmehr wieder endgültig die ordentlichen Richter bezw. Administrativbehörden betraut. Weiters ist es schließlich ein sehr großer Vorteil, daß die Möglichkeit gegeben ist, in manchen Fällen die Aufmerksamamkeit des Justizministeriums darauf zu lenken, daß offensichtlich Unrecht geschehen ist. Wenn dem Justizminister von einem der Herren Vorredner der Vorwurf gemacht wurde, daß den Gnadengesuchen in zu weitgehenden Maße Rechnung getragen worden sei, möchte ich dieses Vorgehen in der Weise richtig stellen, daß das Justizministerium - und auch wir vom Bezirk Reichenberg aus haben das Ministerium deswegen wiederholt in Anspruch genommen - weiter nichts anderes getan hat, als schließlich die Fehlurteile zu korrigieren, die von befangenen Richtern und parteipolitischdenkenden Volksrichtern seinerzeit gefällt wurden. (Souhlas a potlesk na levici.)


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