Úterý 15. dubna 1924

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 262. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 15. dubna 1924.

1. Øeè posl. Jos. Fischera (viz str. 520 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Ich hatte bereits im Verfassungsausschuß und im Subkomité Gelegenheit genommen, zu den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen dieser Regierungsvorlage Stellung zu nehmen, und habe auch erklärt, daß meine Partei die Mißgeburt eines solchen Preßgesetzes auf das entschiedenste ablehnt. Ich gestatte mir nun, auch von dieser Stelle mein Urteil über diesen Gesetzesantrag, der ein weiterer Beweis für den Krebsgang in unserer Gesetzgebung ist, hier offen auszusprechen.

Ich möchte nun zuerst ganz kurz auf jene Paragraphen eingehen, die ganz besonders bestimmt erscheinen, unsere gesamte Preßfreiheit zu vernichten. Vor allem anderen ist es der berüchtigte § 5. Bisher war es der Stolz und eine unantastbare Eigenschaft unserer Schriftleiter, das Redaktionsgeheimnis zu wahren. Jetzt aber werden diese entweder durch die Aussicht auf Straflosigkeit verlockt oder folgen vielleicht sogar einem gewissen Zwange - der aber bei deutschen Redakteuren wohl nie zum Erfolg führen wird - das Redaktionsgeheimnis preiszugeben; damit wird direkt das Spitzel- und Denunziantentum in der unmoralischesten Weise statt verhindert nur gefördert. Der Redakteur, der die Verantwortung für eine Druckschrift übernommen hat, war es ja bisher immer, der alle Mitteilungen hinreichend überprüfte und gegenüber der Behörde die Verantwortung trug. Und nun soll er genötigt werden, das Geheimnis, das ihm als Schriftleiter anvertraut wird, preiszugeben. Ebenso grausam sind die Bestimmungen, die der § 6 mit sich bringt, wobei man zu so harten Strafen greift, wie sie nicht einmal immer für verbrecherische Taten angewendet werden, sogar zu Strafen bis zu sechs Monaten. Nicht genug mit diesen harten Freiheitsstrafen, hat man auch Bestimmungen aufgenommen, denen zufolge der durch die Tat angeblich geschädigte Kläger schadlos gehalten wird, beziehungsweise dafür, daß man seine unreellen Handlungen in der Öffentlichkeit kritisiert, ein Schmerzensgeld in der Höhe von 10.000.- Kronen, unter Umständen auch noch einen weit höheren Betrag, erhält. Zu diesen harten Maßnahmen kommt nun im § 19 noch dazu, daß der geklagte Redakteur auch zum Ersatz der ganzen Kosten verhalten werden kann. Wenn er finanziell schwach sein sollte, so wird der Schadenersatz sowie auch der Strafkostenersatz auf den Redakteur den Herausgeber und den Eigentümer aufgeteilt, um das Geld auf jeden Fall hereinbringen zu können. Den wahren Vernichtungsparagraph in dieser Novelle bildet wohl der § 17. Wenn der Redakteur trotz seiner Verurteilung nackensteif bleibt und sich getraut, seine Meinung auch weiterhin offen und unerschrocken zu äußern, beziehungsweise dort einzugreifen, wo es tatsächlich notwendig ist, also die Staatsverwaltung öffentlich zu kontrollieren und die Verhältnisse zu kritisieren, kann es bei einer öfteren Abstrafung so weit kommen, daß der betreffenden Druckschrift das sogenannte Postdebit, also die Begünstigungen der Post und Bahn, entzogen werden kann und zwar bei Tagesblättern bis auf die Dauer von einem Monat, bei Wochenblättern bis zu zwei Monaten und bei anderen periodischen Druckschriften sogar bis zu sechs Monaten. Was die Einstellung einer Zeitung, und wenn es nur für eine Woche geschieht, bedeutet, das kann heute jeder empfinden, für den die Zeitung nicht bloß ein Bedürfnis, sondern auch ein notwendiges Instrument geworden ist, das er zur Wahrung seiner Interessen täglich braucht. Selbstverständlich entstehen dabei einer Zeitung große Schäden; heutzutage ist ja der Existenzkampf unseres Zeitungswesens ungemein schwer, und viele Zeitungen können so vollständig zum Eingehen gebracht werden und der Vernichtung anheimfallen. Und zu diesen Grausamkeiten, wie ich sie bei den vorhergehenden Paragraphen skiziert habe, kommt nun der unmenschliche Paragraph 24 hinzu, nach dem sogar bei wiederholter Abstrafung der Redakteur auf drei Jahre von der Stelle eines verantwortlichen Redakteurs entfernt werden kann, wodurch er seiner Existenz verlustig wird. Wenngleich er vielleicht in anderer Weise als Redakteur eine Unterkunft finden wird, so ist er doch innerhalb zweier Jahre der Möglichkeit beraubt, irgendwo wieder einen leitenden Posten zu erhalten.

Um das Vernichtende in der Preßgesetznovelle am Schlusse noch ganz besonders zum Ausdruck zu bringen, hat man dabei auch das bisher in Preßdelikten zuständige Geschwornengericht vollständig ausgeschlossen und der Redakteur, eventuell der Herausgeber und der Eigentümer des Blattes, wird vor einem Strafsenat abgeurteilt, bestehend aus drei Berufsrichtern, denen zwar eventuell zwei sogenannte Laienrichter als Beisitzer bei ezogen werden, die aber dort wohl nur zur Dekoration dienen, oder als Zuhörer, vielleicht als Zuschauer fungieren, um zu sehen, wie ein Mensch, der für Freiheit und Recht gekämpft hat, nun dafür büßen soll. Warum das Gesetz ausgerechnet mit dem 12. April rückwirkend in Wirksamkeit treten muß, bleibt wohl ein Rätsel. Man ist von dem ursprünglich festgesetzten 4. April abgekommen und hat sich auf den 12. April kapriziert, ein Beweis für das eigensinnige Festhalten an Richtlinien, die von Hintermännern gegeben werden.

Wir haben uns eine Preßgesetznovelle ganz anders vorgestellt. Seit Eröffnung des Parlamentes wurde eine Unzahl von Interpellationen von seiten unserer Abgeordneten eingebracht unter Hinweis darauf, daß im alten Österreich der Blaustift lange nicht so gewütet hat, wie in dem gegenwärtigen Freistaat, der Èechoslovakischen Republik. Unser Parteiblatt "der Landbote" in Karlsbad zum Beispiel hat unter dem Zensor ganz besonders zu leiden, der dort zu den ausgesucht rabiatesten Mitteln greift. Trotzdem ich und andere Kollegen schon wiederholt diesbezüglich Interpellationen eingebracht haben, lautet die Antwort immer in der bekannten Art und Weise, daß der betreffende Zensor den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend ganz richtig gehandelt habe. Und doch ist seine Praxis gegen unsere Presse direkt eine haßerfüllte, denn er läßt es nicht dabei bewenden, wenn ihm der erste Abzug der Zeitung überreicht wird, sondern wartet ab, bis die ganze Auflage fertig ist und gibt dann erst das Erkenntnis hinaus, daß das Blatt konfisziert ist. Unserem Blatte ist das im März zweimal geschehen und dadurch ein Schaden bis 5.000 Kè bei einer Nummer erwachsen. Eine solch gewaltige Schädigung eines Parteiblattes, das der Aufklärung, Belehrung und Erziehung dient, ist wohl von keiner Stelle aus zu verantworten. Dazu kommt, daß die Art der Zensur eine ganz eigentümliche ist. So wurde zum Beispiel die Rede des Kollegen Josef Mayer, die er auf dem Parteitag im Karlsbad am 30. März gehalten hat, in der "Landpost", welche in Prag erscheint, ganz unbeanständet gelassen, während sie im "Landboten" zur Gänze der Konfiskation verfiel. (Výkøiky na levici.) Entweder hängt die Beschlagnahme davon ab, wie der Herr Zensor ausgeschlafen hat, wie er aufgelegt ist, oder es fehlen eben jene gesetzlichen Bestimmungen, nach denen er vorzugehen hat. Deshalb haben wir gehofft, daß in einem freiem Staate eine gesunde Reform des Preßgesetzes Platz greifen werde. Statt vor der erwarteten gesunden Refor stehen wir heute an der Leiche der Preßfreiheit. Die bösen Geister der Republik setzten sich zusammen und präsentieren heute dem Hause die Mißgeburt eines Gesetzes, das sie "Abänderung der Kompetenz der Verantwortlichkeit für den Inhalt von Druckschriften in Sachen der durch die Presse begangenen Verleumdungen und Ehrenbeleidigungen" heißen. Die wahre Tendenz dieses Regierungsantrages besteht in der Vernichtung der oppositionellen Preße.

Die Strafverfolgung der Abgeordneten und dieses Preßgesetz bilden eine richtige Introduktion zu der Passionswoche, zu der Leidenswoche für das deutsche Volk in diesem Staate. Und da meinen Sie, daß wohl, wenn dieses Gesetz strenger gehandhabt wird, es nicht mehr so leicht ein Auferstehen für unsere Freiheit und Selbständigkeit in der Äußerung unserer Meinung geben wird. Ja, geschickt wurde es gemacht: den Abgeordneten wurde die Immunität genommen, der Rest, der übrig bleibt, ist nicht mehr wert, Immunität genannt zu werden, und der Sekundant des Abgeordneten, der Journalist, wird ebenfalls mundtot gemacht, so daß Sie nichts mehr zu fürchten haben, obwohl Abgeordnete und Journalisten bisher im öffentlichen Interesse gearbeitet haben. Nun werden beide vielleicht mit aller Strenge behandelt werden und - das läßt sich gegenüber der deutschen oppositionellen Preße wohl voraussagen - statt öffentlich zu erziehen, Stammgäste in Karthaus oder in Bory sein.

Dieses Preßgesetz ist volksfeindlich und grausam. Man schaltet nicht bloß die Volksgerichte aus, sondern, wie wiederhalt von Juristen zum Ausdruck gebracht wurde, es fehlt auch der sachliche Ernst des Juristen und die Verantwortung der Regierung hiefür. Zwei Monate hatte man Zeit gehabt - ich spreche hier nicht vielleicht von jenem oppositionellen Standpunkt, der jede Gesetzgebung hier verneint, sondern wir treten für die Schaffung von vernünftigen Bestimmungen ein - Fachleute hinzuzuziehen, um etwas Taugliches, Brauchbares zu schaffen. So aber ließ man zwei Monate untätig verstreichen, die Abgeordneten wurden ausgeschaltet und Sie haben wieder zu Ihrer bekannten Methode gegriffen, im letzten Augenblick, wenn Ihr Produkt vorliegt, uns einzuberufen. Nun wird im D-Zugstempo die Vorlage durchgepeitscht mit der Absicht, uns dabei mürbe zu machen, daß unsere Spannkraft nachläßt, um alle Fußangeln und Fangeisen, die Sie im Gesetze haben, nur schön unter Dach und Fach bringen zu können. Ich glaube, die Antwort steht personifiziert vor mir, wenn ich frage: auf wessen Kommando wurde dieses Gesetz gemacht? Oder ist Gefahr im Verzug? Oder sieht man, wie sich der Herr dr. Hajn auszudrücken beliebt hat, in uns fortwährend nur Staatsfeinde, sieht man fortwährend Gespenster in den Reihen der oppositionellen Parte en? Sie haben mit dieser Novelle sich einen ganz gewaltigen Ruck nach rückwärts gegeben, Sie nähern sich wieder den Tagen des Vormärz; aber lassen Sie es sich gesagt sein: wenn Sie auch glauben, dadurch die freiheitlichen Bestrebungen jener Parteien, die nach Gesundung ringen, zu vernichten, die Funken, die unter der Asche glühen, sind vielleicht gefährlicher. Ungeheuerliche Gerüchte werden entstehen - das Volk wird sich fragen, da in den Zeitungen keine diesbezüglichen Mitteilungen erscheinen dürfen: Was geht in Prag vor, was ist dort los? Dieses Langen und Bangen schafft in der Menge einen Zustand, bei dem nicht zwischen Wahrheit und Dichtung unterschieden wird, wobei eine Fama entsteht, die gefährlicher ist, als wenn Sie in der Preße offen und ehrlich die Korruption und die Bestechungsaffären ruhig besprechen und verurteilen ließen. Sie irren, wenn Sie glauben, jene Ruhe herzustellen, die notwendig wäre, um von Prag aus unbesorgt regieren zu können; das ist nicht die Ruhe des Friedens und nicht die Ruhe des Vertrauens, sondern das ist die unheimliche Ruhe vor dem Sturm, der einmal, eher als Sie es ahnen, auch kommen wird, und ich weiß nicht, ob die Koalition und die derzeitigen Herren der Regierung gerade ein Privileg besitzen, ewig von dieser Stelle aus hier zu dirigieren und zu regieren. Dieses Gesetz, wie ich bereits erwähnte, liefert den Redakteur, den Herausgeber und den Eigentumer einer Zeitung vor die Berufsrichter; alle Hochachtung auch von dieser Stelle aus vor unserer Justiz; doch wird sie unter Umständen nach dem deutschen Sprichwort handeln müssen: "weß Brot ich esse, deß Lied ich singe," und dabei wird der Redakteur in den meisten Fällen den härtesten Strafen entgegengehen; und wenn auch davon gesprochen worden ist, daß es nicht sogleich zu einer Entziehung des Postdebits kommen wird, so wird dies doch geschehen, wenn die radikale oder oppositionelle Preße es wagt, offen der Regierung und jenen Totengräbern dieses Staates entgegenzutreten, den Sie geschaffen haben und durch Ihre chauvinistische Politik direkt vernichten, wenn Sie mit den Deutschen weder irgend eine Aussprache noch irgend eine Verständigung suchen, weil Sie in den Deutschen nur jenes Volk sehen, das in den sogenannten verdeutschten Gebieten entweder sich èechisieren lassen muß oder das Maul zu halten hat. Mit diesen Knebelungen werden Sie das alles nicht erreichen. Ich weiß nicht, ob sie dabei übersehen haben, welch großen Wert unsere Presse bisher besessen hat, aber es ist bekannt, daß unsere deutsche Presse durchgehends eine gute zu nennen war, die durch die Er ziehung zur Reinheit im öffentlichen Leben qualitativ nur Gutes geleistet hat; Sie werden auch von vornherein mit all ihren Mitteln nichts erreichen und wenn auch durch Sie Märtyrer geschaffen werden, werden wir ihnen die Dornenkrone nicht aufsetzen, Sie werden das wohl selber besorgen, aber unerschrocken werden unsere Leute weiterhin das Pressegeheimnis bewahren, sie werden es sich auch nicht nehmen lassen, die Eiterbeule anzuschneiden, wo es notwendig ist, und die Öffentlichkeit aufzuklären, und die weißen Flecke in der Zeitung oder das Nichterscheinen werden dieopposition im Staate erst recht fördern und erst recht werden jene Parteien heranwachsen, jene Männer, deren Meinung Sie zu unterdrücken bestrebt sind; glauben Sie nicht, daß einmal ein anderer Wind wehen kann, daß das Staatsschiff einen anderen Kurs nehmen muß, oder daß, wie mein hochverehrter Kollege dr. Haas sich im Subkomitee ausgedrückt hat, die Koalition grundbücherlich und pupillarsicher eingetragen ist, daß Sie ewig die Regierungsparteien bleiben werden? Die Opposition wird sich durch diese absolutistische Gesetzgebung nicht aufhalten und auch nicht unterdrücken lassen. Es ist ein unvernünftiger und ein sinnloser Chauvinismus, der eben mit Gewalt und mit den Mitteln der Unterdrückung die Opposition auszuschalten gedenkt. Aber das Hoffen des deutschen Volkes, daß nach dieser Leidenszeit auch für uns ein Ostern und eine Wiederauferstehung kommt, wird erfüllt werden, früher oder später. Sie hören nicht auf die Stimme des Volkes, wie man auch in Wien und in Österreich seinerzeit nicht auf jene Stimmen gehört hat, die aus Böhmen hinüberdrangen und wie hier inzwischen jene Saat reifte, die Sie wohl schon vor vielen hundert Jahren säten, bis sie eines Tages eben reif war. Sie hören auch nicht auf die Stimme des deutschen Volkes, nicht auf die Stimme der Minderheitsvölker in diesem Staate überhaupt, und treiben eine Politik, über die die ewigen Gesetze der Freiheit und die Gesetze des Rechtes einst entscheiden werden, aber nicht für Sie, sondern gegen Sie und gegen diese Politik, die Sie bei der Gesetzgebung in diesem Staate betreiben. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. Raddy (viz str. 523 tìsnopisecké zprávy):

Der Abgeordnete Hajn hat im Verfassungsrechtlichen Ausschusse der gesamten Opposition den Vorwurf gemacht, daß sie nur aus reiner Staatsfeindlichkeit gegen die Gesetzesvorlage Stellung nimmt mit der offenkundigen Absicht, den Staat zu untergraben.

Die oppositionellen Parteien beeilten sich zu versichern, daß sie nur sachliche und beileibe keine staatsfeindliche Opposition betreiben.

Ich als Vertreter der Deutschen Nationalpartei im Verfassungsrechtlichen Ausschusse konnte mich dieser Versicherung nicht anschließen, weil wir der Ansicht sind, daß durch solche Ausnahms- und Henkergesetze wie das vorliegende die Verfassung des Staates und der Staat selbst langsam aber sicher untergraben werden, was uns mit Genugtuung erfüllt. (Sehr richtig!)

Wenn durch solche Gesetze die Abneigung gegen den Staat erweckt und gefördert wird, so ist dagegen von unserem grundsätzlichen Standpunkte nichts einzuwenden.

Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht! (Potlesk na levici.)

3. Øeè posl. dr. Czecha (viz str. 537 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Das alte Spiel wiederholt sich. Monatelang ließ man das Parlament unbeschäftigt und nun versetzt man es wieder einmal in einen Zustand veritabler Betäubung, um ihm in wenigen Tagen eine ganze Reihe von Vorlagen abzuzwingen, die uns in der demokratischen Entwicklung wieder einmal ein Stück zurückwerfen und uns, wenn es so weitergeht, sehr bald dem Niveau autokratisch regierter Staaten angleichen werden. In welchem anderen Land hat man ähnliches je erlebt? Wo findet sich ein Parlament, dem man solches zumuten dürfte? Wo ein Parlament, das auf ein solches Ansinnen anders als mit einem einmütigen Sturm der Entrüstung reagieren würde? Wo hätte man dergleichen im alten Österreich gewagt, und wie hätte man auf èechischer Seite darauf geantwortet? In anderen Ländern bilden Fragen, wie Preßreform, Inkompatibilität und Immunität den Gegenstand jahrelanger parlam ntarischer Vorbereitung und Verhandlung; dort werden Männer der Wissenschaft, Staats- und Strafrechtslehrer, Praktiker aus allen Gebieten des öffentlichen Lebens, kurz alle interessierten Kreise gehört, ehe man sich an das Werk heranwagt; dort wird den Parlamentariern Gelegenheit zu gründlichem Studium, zu gewissenhafter Nachprüfung gegeben und alles für und wider erwogen. Bei uns aber werden die kompliziertesten Rechtsprobleme über Nacht ins Haus geschleudert, einzelne Rechtsfragen aus dem Komplex der schwierigsten Gesetzesmaterien ganz willkürlich herausgerissen, nach dem Bedürfnis des Augenblickes geformt, mit Verleugnung aller demokratischen Grundsätze in das Gegenteil verkehrt und mit dem Befehl des Ministerrates in das Parlament hineingeworfen, sie binnen wenigen Tagen der Regierung zu apportieren; alles das mitten in atembeklemmender parlamentarischer Bedrängnis, alles das auf einige wenige Tage gestellt, das eine Mal knapp vor dem Heiligen Abend, das andere Mal spätestens am Gründonnerstag, als ob der Staat aus den Fugen gehen würde, wenn der nun zu einem System ausgebaute Krebsgang der èechoslovakischen Demokratie 14 Tage oder 3 Wochen später beginnen würde. Gegen diesen die Demokratie und den Parlamentarismus entwürdigenden Vorgang protestieren wir vor aller Welt und prägen diesem Gesetze das Brandmal unserer Verwünschungen auf die Stirne, um es so der Verachtung aller demokratisch fühlenden Menschen für ewige Zeiten anheimfallen zu lassen.

Die Preßgesetznovelle ist sowohl nach ihrem Inhalte, als auch nach ihren charakteristischen Merkmalen, wie auch nach der Art ihrer Entstehung ein Gelegenheitsgesetz schlimmster Art. Sie ist eine Sumpfpflanze, die nur aus morastischem Boden zu sprießen und nur auf diesem zu gedeihen vermag. Sie ist die Antwort auf das scheinbar verletzte Recht einer Machtkoterie, die sich in ihrem Vormarsch bedroht fühlt, ihre Machtpositionen verteidigt und zum Schlage ausholt, um die drohende Gefahr zu bannen. Der èechische Kapitalismus, beutegierig wie seine Vorgänger, schreitet über alle Hindernisse und Schranken hinweg, sucht sie gewaltsam niederzureißen und alles niederzutreten, was sich ihm in den Weg wirft. Gerade ist er im Begriffe, auch die Demokratie seinen Zwecken dienstbar zu machen, nachdem er sich das Wirtschaftsleben für seine Zwecke zurechtgezimmert hatte. Den Aufschrei der Presse gegen die Korruption, die das ganze politische Leben in diesem Lande und das ganze Wirtschaftsleben verseucht und unterwühlt, den Kampf gegen diese Pestbeule am Wirtschaftskörper beantwortet er mit einem Handstreich gegen das freie Wort, gegen die freie Presse, gegen diesen Grundpfeiler der staatsbürgerlichen Freiheit. Und alles das geschieht unter der Parole des Ringens um die moralische Wiedergeburt des öffentlichen Lebens, unter dem Kampfrufe gegen die Skandalisierung und die Revolverpresse, unter der Flagge des Kampfes gegen den Mißbrauch der Presse.

Meine Herren! Das Wort vom Mißbrauch der Presse ist nicht erst von heute. Wir hören es heute aus dem Munde der Lenker dieses Staates, die sich auf ihre demokratische Toilette gar so viel zugute tun. Aber es gehört auch zum Lexikon aller autokratischen Herrscher. Als der österreichische Kaiser in den Märztagen des Jahres 1848 die von der Revolution erzwungene Preßfreiheit kaum 14 Tage darauf am 31. März 1848 beseitigte und ein neues reaktionäres Preßgesetz schuf, da berief er sich gleichfalls - ich zitiere wörtlich - auf den Mißbrauch der Presse, welcher entschiedene Abwehrmaßnahmen erfordere. Aber der Unterschied zwischen damals und heute ist der, daß jenes reaktionäre Preßgesetz nur auf dem Papier blieb und niemals Wirklichkeit wurde, niemals vollzogen wurde, da sich die ga nze Bevölkerung damals, im Jahre 1848, gegen dieses reaktionäre Gesetz erhob, während heute das èechische Bürgertum und ein Teil der übrigen èechischen Öffentlichkeit diesem Anschlage völlig gleichgültig gegenüberstehen. All dies in vollständiger Verkennung der großen Gefahren, die daraus für das wichtigste Grundgesetz des Staates, für das Recht der freien Meinungsäußerung erwächst. In ein er im Jahre 1902 unmittelbar nach dem Erscheinen des Koerberschen Gesetzentwurfes erschienenen Monographie geißelt Dr. Ingwer eine ähnliche Erscheinung im alten Österreich in den allerschärfsten Worten, beklagt sich bitter über die Teilnahmslosigkeit der interessierten Kreise und ruft zum Schluß; "So tief sind sie gesunken, daß sie das Wesen der Freiheit gar nicht erfassen können! Ja" - sagt er - "zum Teufel ist der Spiritus, das Phlegma ist geblieben." Das war damals. Wir aber haben heute unter beiden, unter Phlegma und Spiritus, zu leiden. Das neue Gesetz ist ein Ausnahmsgesetz par excellence. Es reiht sich würdig an die bisherigen Ausnahmsgesetze, vom Terrorgesetz angefangen, über das Gesetz zum Schutz der Republik hinweg, zum Immunitätsgesetz, es reiht sich würdig an alle diese Ausnahmsgesetze, welche wahre Leidensstationen der èechischen Demokratie bilden, die das Grab der Meinungsfreiheit in diesem Lande darstellen, die in diesem Lande jene Kirchhofsruhe schaffen wollen, die der herrschenden Klassen die volle politische, wirtschaftliche und soziale Ausbeutungsfreiheit garantieren soll. War schon das Leben unter dem alten Preßgesetz für alle freiheitlich denkenden Menschen unerträglich, in der Stickluft der neuen Preßgesetznovelle wird es überhaupt kein Athmen geben. Als die èechische Regierung im Jahre 1921 dem Abgeordnetenhause eine Preßgesetznovelle überreichte - das Werk ist schon längst in Vergessenheit geraten - begründete sie das Bedürfnis nach einem modernen Preßgesetz damit, daß es unmöglich sei - ich zitiere wörtlich - in einem Staate, in welchem die Demokratie für die freie Entwicklung aller Staatsbürger und aller Staatsangehörigen arbeiten wolle, ein Preßgesetz bestehen zu lassen, das, wie der Motivenbericht sagt, vom Polizeigeist beherrscht ist und jede freie Entwicklung der Presse erstickt. Was wäre näherliegend gewesen, als daß sich die Regierung bei dieser Sachlage beeilte, die Verabschiedung des Preßgesetzentwurfes zu beschleunigen, den letzten Rest des Polizeigeistes aus diesem Staate ausz umerzen und daß sie dies, wenn schon nicht in einem früheren Zeitpunkte, so doch zumindest in dem Augenblick besorgte, in dem sie daran geht, das Preßrecht zu novellieren. Denn gerade die èechische Presse hatte im alten Österreich unter dem Druck des alten österreichischen Preßgesetzes zu leiden und hat unter dem Drucke des objektiven Verfahrens Unerhörtes erdulden müssen. Wie hat gerade die altösterreichische Konfiskationspraxis zahlreichen èechischen Blättern das Leben unmöglich gemacht, das Leben vollständig ausgelöscht! Wie hat die Rückständigkeit des österreichischen Preßgesetzes das politische Leben gerade der Èechen im alten Österreich erschwert, wie war zeitweilig jede politische Regung, jede politische Betätigung der arbeitenden Menschen im alten Österreich unterbunden! Was wäre selbstverständlicher gewesen, als daß sich gerade die èechischen Machthaber beeilen, just bei der Novellierung des Preßgesetzes alles zu beseitigen, was - ummit dem Motivenbericht aus dem Jahre 1921 zu sprechen - die freie Presse in ihrer Entwicklung hemmt und erstickt? Doch, wir mögen in der letzten Preßgesetznovelle blättern, wie lange wir wollen, und weit und breit herumsuchen, kein Atom von dem alten Polizeigeist wurde ausgetilgt und abgebaut, dafür ein gutes Stück vormärzlicher Reaktion in das Preßrecht hineingetan. Die Koerber’sche Vorlage aus dem Jahre 1902 machte sich an die Schwurgerichte heran, um sie zu Fall zu bringen, aber sie bot als Kompen sation dafür die Aufhebung des objektiven Verfahrens, die teilweise Beseitigung des Konfiskationselends. Die neue Vorlage behält alle reaktionären Bestimmungen des alten Preßgesetzes bei und dafür beseitigt sie gleichzeitig den letzten Rest der Garantien der freien Meinungsäußerung, die Rechtsprechung durch die Geschworenen.

Die Herren von der Koalition tun sich ungeheuer viel darauf zu gute, daß sie dem ersten Entwurf der Novelle einige Giftzähne gezogen haben, daß das Gesetz gemildert, daß es verbessert wurde. Aber der Triumph der Herren wäre wohl ein noch viel größerer gewesen, wenn sie in dem ersten Entwurf gleich mit der Todesstrafe für Preßdelikte begonnen hätten, um dann gnädig eine sechsmonatliche Arreststrafe für gewisse Fälle der Vernachlässigung der pflichtgemäßen Obsorge festzusetzen. So bleiben denn auch weiter noch all die Gräßlichkeiten des alten Preßgesetzes erhalten; nach wie vor bleibt das Kolportageverbot bestehen, die Verbreitungsmöglichkeit der Presse in diesem Lande ist unterbunden; nach wie vor bleibt die Plakatierung an die behördliche Bewilligung geknüpft und die Möglichkeit des Verbotes deutscher Maiplakate, wie im Vorjahre in Prag, für gew isse Herrschaften gesichert. Weiter soll das Buchdruckereigewerbe an das Konzessionssystem gebunden, weiter soll die für das politische Leben und für die Presse gleich ruinöse Konfiskationspraxis aufrechtbleiben, auch weiterhin soll es bei all den Zuständen bleiben, die durch ein Erlebnis des seinerzeitigen mährischen Statthalters Löbl charakterisiert sind, der, als ihm sein Leiborgan, der "Tagesbote", nicht just zum Frühstück hingereicht wurde und er bei der Staatsanwaltschaft Erkundigungen einzog, ob das Blatt konfisziert sei, die Antwort erhielt: "Noch nicht, Excellenz, aber es wird sofort geschehen". (Veselost na levici.) Nach wie vor werden wir Zeugen der Kulturschande sein, daß mitten in der Verhandlung der Preßgesetznovelle eine in einem politischen wissenschaftlichen èechischen Blatte "Pøítomnost", erschienene Abhandlung des èechischen Politikers und Universitätsprofessors Stránský über Presse und Schwurgericht konfisziert wurde. Doch mag, was bisher geschehen ist, für den demokratisch denkenden Menschen unerträglich sein, was kommen wird und soll, ist und bleibt für alle Zeiten eine Allerweltsschande. Die Ausdehnung des Kreises der preßgesetzlich strafrechtlich verantworlichen Personen auf die Informatoren des Blattes mit allen Konsequenzen, die sich an eine solche Bestimmung für die Presse knüpfen, eine Geldbuße für Ehrenbeleidigungsdelikte, Beseitigung der Geschworenengerichte und Ersatz durch Schöffengerichte mit einer berufsrichterlichen Mehrheit, Nominierung einer wenn auch gemilderten Rückwirkungsklausel und die Kreierung der Denunziationspflicht für Redakteure unter gleichzeitiger völliger Beseitigung des Redaktionsgeheimnisses: all das prägt dem ganzen Gesetz den Stempel finsterster Reaktion und unauslöschlicher Kulturwidrigkeit auf.

In allen Zeiten war das Redaktionsgeheimnis ein unveräußerliches Requisit der freien Presse. An dem Schutz des Redaktionsgeheimnisses haben sich bisher alle reaktionären Gewalten den Kopf eingerannt. Obwohl der Schutz des Redaktionsgeheimnisses nirgends gesetzlich festgelegt war, wurde es bis auf wenige Ausnahmen von allen Gerichten respektiert. Als Deutschösterreich vor zwei Jahren daranging das Presserecht zu reformieren und mit dem Polizeigeist aufzuräumen, alle Fesseln der freien Presse zu beseitigen, war es das erste, daß Deutschösterreich den Schutz des Redaktionsgeheimnisses, die Zulässigkeit der Verweigerung der Zeugnispflicht für die Redakteure gesetzlich statuierte. Auch in der Èechoslovakei war bisher der Schutz des Redaktionsgeheimnisses Gemeingut aller anständigen Menschen. An diesem Moralgrundsatz zu rütteln, hatte sich bisher niemand weit und breit unterfangen. Nun soll es anders werden. Statt den überlieferten Moralgrundsatz, des Schutzes des Redaktionsgeheimnisses durch eine ausdrückliche Gesetzesbestimmung zu legalisieren, soll das Redaktionsgeheimnis aufhören, seine Verletzung unter eine Prämie gestellt, die Unmoral, die in seiner Preisgabe liegt, förmlich aufgezüchtet und durch erpresserische Gesetzesbestimmungen förmlich zur Staatsbürgerpflicht erhoben werden. Umsonst war der Aufschrei, den die Aufnahme dieser Gesetzesbestimmmmung in die Novelle hervorrief. Trotz einiger wesentlicher Änderungen bleibt es bei den denunziatorischen Bestimmungen, welche für immerwährende Zeiten für diesen Staat einen Schandfleck bilden und die èechoslovakische Demokratie vor der ganzen Welt auf das schwerste kompromitieren werden.

Vor einer halben Stunde hat hier ein Mitglied der Koalition eine Rede gehalten, und von allen, die in Zeitungen schreiben, den Mut des Bekenntnisses erlangt. Er hat gemeint, daß die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses ganz unbegründet sei, da jeder, der etwas schreibt, den Mut haben muß, hervorzutreten und mit seinem Namen zu decken, was er in ein Blatt lanciert oder für das Blatt geschrieben hat. Das ist für einen Abgeordneten, von dieser Tribüne gesprochen, eine recht schöne Pose, aber ich frage: Warum haben die èechischen bürgerlichen Parteien, die heute hinter diesem Gesetz stehen und sich gegen das Redaktionsgeheimnis stellen, auch nicht im alten Österreich denselben Mut bekundet, den sie uns hier in der Èechoslovakei predigen? Und noch etwas! Was wäre geschehen, wenn sie diesen Mut gehabt hätten? Ich frage: Was denken die Herren, die für diesen Standpunkt eintreten, auch hier in der Èechoslovakei von dem Schicksal des Arbeiters, des Eisenbahners, der öffentlichen Angestellten, der sich erkühnen würde, in einer Zeitung mit seinem Namen die Berichte über Mißstände in seinem Unternehmen oder in einem staatlichen Betriebe zu decken?


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