Und endlich wird die Abschaffung der Geschworenengerichte zur Tatsache. Wenn man von Denunziation spricht, ist es notwendig, daß man sich damit vertraut macht, wie man in Journalistenkreisen über diese Dinge denkt. Es war mir sehr interessant, aus Journalistenkreisen zu erfahren, daß die Zeitungsschreiber, die Redakteure, es selbst dann als unehrenhaft betrachten, den Urheber zu nennen, wenn ihnen daraus eine materielle Schädigung droht. Das Gesetz selbst sieht bekanntlich die Straflosigkeit vor, wenn dem Redakteur eine materielle Schädigung oder die Entlassung droht und wenn er den Urheber nennt. Aber in den Kreisen der Zeitungsherausgeber und Redakteure besteht allgemein die Meinung - es ist ein besonderer Ehrenkodex - daß der Journalist nicht verpflichtet werden kann, die Urheber, die eigentlichen Verfasser zu nennen. Es scheint wohl, daß man hier den gröbsten Fehler im Gesetz gemacht hat, indem man einen ganz neuen Ehrbegriff für den Journalismus schuf, den der Journalismus selbst, sowohl der èechische, wie auch der deutsche, ablehnt. Es wäre notwendig gewesen, daß man sich gerade in diesem Punkte genauer mit der Standesorganisation ins Einvernehmen gesetzt hätte; denn wir haben allgemein gehört, daß gerade darin der Hauptangriffspunkt liegt. Und wenn wir heute in èechischen Zeitung lesen: "Umhüllet die Freiheit der Preße mit Trauerfloren" - und es ist eine sehr gemäßigte Zeitung, die diesen Ausspruch tut - so werden Sie doch darin finden, daß auch die èechische Zeitungswelt mit dem, was hier im Parlamente beschlossen wird, in keiner Weise einverstanden ist.
Die Denunziation wird belohnt und ich stelle hier im Gegensatz zum Herren Berichterstatter fest, daß wir - ich habe nicht gehört, ob er vielleicht auch hier das Gegenteil behauptet hat - bei Vernachlässigung der pflichtmäßigen Obsorge eine Verschärfung der Strafen haben, und zwar, wenn eine Zeitungsnachricht nicht gelesen wurde, wird das als Verbrechen mit Strafen bis zu sechs Monaten Arrest oder als Vergehen mit acht Tagen bis drei Monaten bestraft. Bisher war in letzterem Falle, ich erwähne noch einmal, im alten Preßgesetz eine Strafe von 20 bis 200 Gulden enthalten, die später auf 50-3000 Kronen erhöht wurde. Es wäre notwendig, daß wir hier ganz genaue Informationen bekommen, denn es scheint, daß hier noch allgemein Meinungsverschiedenheiten bestehen. Ich habe, so weit juristische Sachverständige erreichbar waren, in der Nacht und am Tage gefragt, und sie haben mir bestätigt, daß es nach dem neuen Strafgesetz so ist, das ja gerade in dieser Beziehung abgeändert ist. Das alte Gesetz besteht nicht mehr, aber wir haben jetzt Strafen für Vergehen von 50 zu 3000 Kronen, aber keine Arreststrafen. Diese Geldstrafe bekommt der Redakteur jetzt aber nur zugebilligt, wenn er den Urheber genannt hat, sonst ist die strengere Strafe vorgesehen. Das ist doch zweifellos eine schwere Verschärfung der heutigen Bestimmungen, die in gar nichts gerechtfertigt ist und die doch auch zweifellos dazu beiträgt, daß der gesamte Journalistenstand unbedingt dagegen Stellung nehmen muß. Es ist ja im alten Gesetzentwurf, der glücklich in die Versenkung verschwunden ist, noch viel schlimmer gewesen. Da hat es im § 4 geheißen, daß um Straflosigkeit zu erzielen, der Wahrheitsbeweis notwendig ist; wenn der Redakteur nur die Umstände der Wahrscheinlichkeit nachweist, muß er zugleich Denunziant sein; dann erst wird er straflos. Diese Bestimmung ist glücklicherweise gefallen. Es sind im Falle, wenn ihn die Umstände die Wahrscheinlichkeit der Nachrichten begründeterweise annehmen ließen und wenn er weiter dartun kann, daß das öffentliche Interesse geschützt werden soll Erleichterungen gewährt; es wurde ja auch im Entwurf der Ausdruck "zweifellos die Absicht bestand" umgewandelt in "wenn die Absicht offenbar ist, das öffentliche Interesse zu schützen". Hier kann tatsächlich von einer Verbesserung gesprochen werden. Es ist aber nur die Ahnung eines modernen Geistes. Es scheint wohl beinahe so, als ob man die Öffentlichkeit durch diese Bestimmung nur täuschen wollte, damit sie die übrigen Bestimmungen des Gesetzes nicht so deutlich lesen und sie schneller vergessen und übersehen soll. Wir haben hier als öffentliche Interessen bezeichnet die Einhaltung der Gesetze und die Beseitigung der Übeltäter aus der öffentlichen Verwaltung, Wahrung der gemeinsamen Interessen von Klassen, Ständen, Nationen, Religionsgesellschaften, gewiß öffentliche Interessen, die von der Presse verteidigt werden üssen und die den vollen Schutz beanspruchen. Es bleibt aber leider noch genug Denunziantentum im Entwurf übrig. Ich habe einen Fall bereits erwähnt. Es ist auch merkwürdig, daß der verantwortliche Redakteur erst dann straflos wird - selbst wenn ihm eine materielle Schädigung droht - wenn er den Urheber genannt hat. Auch hier war - und das zeigt wieder das Reaktionäre - zuerst auch die unbedingte strenge Vorschrift der Wohnungsangabe. Ob der Redakteur diese Wohnung weiß oder nicht, ob der Betreffende nach Amerika gezogen ist usw., ist ganz gleichgültig, das Gesetz verlangt es und der Redakteur muß die Wohnung nennen. Auch dies hat man umgewandelt und durch die Aufnahme der Bestimmung, daß er nur die Wohnung angeben muß, wo der Urheber zur Zeit der Herausgabe gewohnt hat, die Lage des Redakteurs erleichtert. Wir finden noch eine Menge von Bestimmungen, die sich keineswegs in einem modernen Strafgesetz für Preßdelikte rechtfertigen lassen. Wenn der Redakteur im Augenblicke der Veröffentlichung wissentlich einen unrichtigen Besteller oder eine falsche Wohnung genannt hat, bekommt er nicht nur Arrest, sondern strengen Arrest. Es scheint, daß unsere Gesetzgebung die modernen Verkehrsmittel ganz und gar außer acht läßt, denn sie weiß eigentlich nicht, daß der Redakteur nicht immer in persönlichen Verkehr mit dem betreffenden steht, der ihm die Nachrichten liefert, sondern daß heute viele Nachrichten selbstverständlich durch Telefon und Telegrafen übermittelt werden und daß wir uns heute auch schon der Radiotelegrafie als Beförderungsmittel für Pressenachrichten bedienen, und es wird für den Redakteur unendlich schwer sein, denjenigen festzustellen, der in der Aufgabestation die betreffenden Nachrichten verbreitet hat. Es wird dem Redakteur, um sich zu schützen, ungeheuer schwer sein, festzustelle wer telefonisch anruft, und immer auch zum Namen des Urhebers die Wohnung zu erhalten. Gewiß, heißt es, man muß sich Gewißheit verschaffen. Aber wie steht es denn heute mit dem modernen Zeitungswesen? Hat denn das auch die geehrte Regierung nicht erkannt, daß es beim modernen Zeitungswesen nicht mehr der Redakteur ist, der dasitzt, mit der Schere aus den Zeitungen Nachrichten schneidet oder alles das liest, was in sein eigenes Organ hineinkommt? Es wäre doch eigentlich interessant, gerade die Herren der Regierung - und ich glaube, es sind 11 Herren in der Regierung, welche mit der Presse früher als Redakteure oder noch heute als Zeitungsherausgeber im Zusammenhang stehen - zu fragen, ob Sie mit diesen Bestimmungen unbedingt einverstanden sind. Ich glaube, ein großer Teil der Herren müßte sie unbedingt ablehnen und sagen, daß sie darin eine Gefahr für das Pressewesen selbst, allerdings nicht für die hohe Regierung, sehen. Das ist etwas anderes. Sie müßten sich zurückerinnern an jene Tage, wo sie nichts weiter waren als verantwortliche Redakteure und dürften nicht zu gleicher Zeit daran denken, daß sie heute auch verantwortliche Redakteure für die Koalition sind.
Es gibt leider auch eine Reihe anderer strafgesetzlicher Ungeheuerlichkeiten in diesem Entwurf, die unsere Anerkennung niemals finden können. Ich erwähnte bereits, daß man den verantwortlichen Redakteur in vielen Beziehungen schlechter behandelt als einen Schwerverbrecher. Ich möchte sagen, es war zuerst sogar in dem ersten Entwurf - und das ist doch unbedingt als reaktionär zu bezeichnen - die Bestimmung enthalten, daß der Redakteur die Erklärung, daß er die Nachricht gelesen und in Druck gegeben, nicht widerrufen darf. Es ist ja heute bei jeder Verteidigung doch ein strafgesetzlicher und strafprozessualer Grundsatz, daß man dem Angeklagten zubilli gt, daß er seine Verteidigung so einrichten kann, wie er es für sich am zweckmäßigsten findet. Er kann das verschweigen, was er in der Verhandlung nicht vorbringen will, er kann auf der anderen Seite gewiß auch einmal einen Weg gehen, der ihn aus der Schwierigkeit herausbringt. Man billigt ihm also von vornherein einen anderen Standpunkt zu, als man jemandem zubilligt, der nicht als Angeklagter, als Beschuldigter dasitzt. Nun hat der Redakteur nach dem vorliegenden Preßgesetzentwurf einen Wahrheitsbeweis angetreten, obgleich ihm Umstände bekannt waren, die die Wahrheit der Nachricht ausschließen. Das ist reine Ermessenssache, denn es können mir natürlich Umstände bekannt sein und ich kann aus ihnen schließen, daß die Sache wahr sei, und es können dieselben Umstände sein, aus denen ich schließe, daß die Sache nicht wahr ist. Ich habe mir im Ausschuß erlaubt, solche Umstände anzuführen. Wir können uns einen ganz bestimmten Fall denken, sagen wir, einen Korruptionsfall. Der Betreffende erfährt, daß über diesen Korruptionsfall weiter keine Untersuchung eingeleitet worden ist. Er würde natürlich bona fide glauben müssen, daß der Fall in gutem Sinne erledigt worden ist. Oder: Es wird im Parlament oder in einer Regierungszeitung erklärt, daß ein Mitglied der Regierung aus Krankheitsgründen zurückgetreten ist. So werde ich natürlich als gutgläubiger Mensch aus diesem Umstand die Wahrheit schließen müssen. Ich kann mich aber sehr schwer täuschen und kann nun möglicherweise einen Wahrheitsbeweis nach der entgegengesetzten Richtung antreten wollen, um den Korruptionsfall weiter aufzudecken, der hier mit einem Schleier der Vergessenheit, mit dem Schleier der Nächstenliebe überdeckt wurde. Und nun gelingt mir der Wahrheitsbeweis nicht, ich bin nicht imstande, das Material in so kurzer Frist, ich glaube in 14 Tagen, oder sagen wir selbst in 4 Wochen, aufzubringen. Jetzt wird mir dieser Umstand gerade als erschwerend gebucht und es wird der Wahrheitsbeweis dazu verwendet, daß der Arrest in strengen Arrest umgewandelt wird. (Posl. dr. Kramáø: Ale materiál máte najíti, než to napíšete!) Das Material wird in solchen Fällen nicht so leicht zu haben sein. (Posl. dr. Kramáø: Máte ho mít døíve, než píšete!) Dann darf ich überhaupt nichts schreiben, denn ich kann natürlich einem solchen Fall nicht nachgehen, das ist unmöglich, und es hängt immer nur von der Würdigung ab, daß der Betreffende tatsächlich nichts weiter mamachen wollte, als öffentliche Interessen zu verfolgen und dem Gemeinwesen, dem Staatsorganismus, dem Ganzen wirklich zu dienen. Und da schließlich auch die abdruckende Zeitung mit in Anspruch genommen werden kann, können sich da sehr schwere Fälle ergeben. Denn der Wahrheitsbeweis ist in diesem Falle mißlungen und statt Arrest bekommt der Redakteur schweren Arrest. Auch die Worte, die da gebraucht sind, "wenn er offenbar einen aussichtslosen Wahrheitsbeweis antritt", - und dann kommt die höhere Geldstrafe - auch das ist für den verantwortlichen Redakteur eine sehr unangenehme Sache. Wir haben noch weitere Unzulänglichkeiten. Es wurde ja auch schon im Ausschuß betont und ich wiederhole auch hier immer wieder, daß der erste Entwurf ein Muster war, wie man Gesetze nicht machen soll. Ich will nur hier gleich einen Fall anführen. Es steht im § 2 des Gesetzes, daß eine Redaktion auch die Mitteilung einer Behörde annehmen muß, wenn die Behörde eine derartig unrichtige beleidigende Mitteilung hineingegeben hat. In dem Entwurf war nun die Bestimmung enthalten, daß das Druckerpersonal und alle die, die dabei mit dem Drucke beschäftigt waren, nicht zur Verantwortung gezogen werden, daß sie dadurch nicht betroffen werden. Vergessen waren der Redakteur und der Verleger. Gerade diese Personen hätte man bei der Mitteilung einer beleidigenden Nachricht durch eine Behörde in Anspruch nehmen können. Das sind doch Entwürfe, die - eigentlich auch juristisch - so unvollkommen in die Welt gesetzt worden sind, daß Verfassungs- und Rechtsausschuß so etwas nicht so ohne weiters verträgt, denn er kann dann nicht in diesem Tempo daran gehen, zu dem auch wir hier wieder gezwungen worden sind. Es bleibt aber auch heute - noch im Entwurf, wie er jetzt vorliegt, der § 2 der Bestimmung enthalten, daß die Behörde den Fehler gemacht hat und der Zeitungsredakteur den Schaden tragen muß, etwas, was zivilrechtlich meiner Ansicht nach auch nach unserem Preßgesetz keineswegs zu rechtfertigen ist. Denn wenn die Behörde - einen Fehler gemacht, eine unrichtige, beleidigende Nachricht herausgegeben hat, ist sie allein dafür verantwortlich zu machen, und es ist schwer zu verstehen, wieso die anderen verpflichtet sein sollen, den Schaden zu tragen. Hätte man wenigstens die tarifmäßige Insertionsgebühr zugebilligt! Aber auch das wurde im Ausschuß abgelehnt. Es gibt also keine Bezahlung. Zeitung und Redakteur muß das abdrucken, geschieht es nicht, so kann der Redakteur überdies auch noch bestraft werden. Das ist zweifellos des Guten zu viel und ich glaube, man muß eine solche Bestimmung als unvollkommenes Gesetz unbedingt ablehnen. Daß die Postbegünstigungen entzogen werden, ist eine unerhörte Strafe, selbst bei zehnmaliger Versäumung der pflichtgemäßen Obsorge. Der verantwortliche Redakteur ist heute in den Zeitungen bei weitem nicht dem gleich zu achten, der früher jede Nachricht von einem kleinen Blatt lesen konnte. Er ist verantwortlicher Redakteur und sitzt in der Zeitung, um die Verantwortung zu tragen. Je mehr wir aber solche Gesetze machen, desto mehr wird diese Verantwortung in ein Sitzen umgewandelt, er wird ein reiner Sitzredakteur und wird zu guter Letzt sich zur Verfügung stellen müssen, wenn ein derartiger Angriff durch die Presse vorgekommen ist. Das unterscheidet sich aber doch wohl von einer wirklichen Preßfreiheit, und derartige Bestimmungen können auch nicht dazu führen, daß wir, wenn wir schon eine unanständige Presse haben, diese langsam und fürsorglich auf die Bahn eines besseren Lebens lenken. Wir haben weiter auch die schwere Bestimmung im § 26, daß ein Redakteur zwei Jahre lang von seinem Beruf ausgeschlossen werden kann, wenn ihm der Wahrheitsbeweis mißlungen ist. Auch das ist eine derart schwerwiegende Bestimmung, daß man wenigstens sagen müßte, er müßte zumindest schon zweimal verurteilt worden sein, denn nach der ersten Verurteilung sollte eine derartige schwerwiegende Strafe nicht verhängt werden können. Auch das hat der Ausschuß nicht anerkannt, sondern sich auf den Standpunkt gestellt, daß wir hier in der Beschränkung nur immer weitergehen müssen. Daraus ergibt sich wohl die volle Berechtigung der Behauptung, daß die verfassungsrechtlichen Grundsätze über die Freiheit der Presse und der freien Meinungsäußerung durch den vorliegenden Entwurf, den ich mir erlaubt habe, bezüglich seiner materiell-rechtlichen Bestimmungen einigermaßen zu kritisieren, tatsächlich schwer verletzt worden sind, und ich sage: Wenn die Zeitungen jetzt davon sprechen, man müsse die Freiheit der Presse betrauern, die durch dieses Gesetz in Verlust gerät, so sage ich, daß auch das Parlament guten Grund hätte, bei einer derartigen Beratung und Beschlußfassung, die ja voraussichtlich heute stattfinden wird, Trauerfahnen zu hissen. Es wäre auch notwendig, hier die Angriffe, welche durch das Preßgesetz tatsächlich auf die Geschworenengerichte geübt werden, einer ausführlichen Erörterung zu unterziehen. Es wäre auch notwendig gewesen, daß man im Ausschuß nicht nur in der Generaldebatte, sondern auch späterhin bezüglich der Geschwornengerichte und ihrer Einführung sich etwas ausführlicher ausgesprochen hätte. Leider fand sich auch da kein Verteidiger der eigentlich beschließenden Parteien, die Opposition hat hier zum größten Teil ihre Grundsätze entwickeln müssen, aber wir erfahren nicht, ob die Mehrheitsparteien die Geschwornengerichte ablehnen oder nicht. Ich glaube, es ist hier klar erwiesen, daß bezüglich eines der wichtigsten Delikte, die Preßdelikte, ein Vorstoß gegen die Geschwornengerichte unternommen wurde, der die ganze Preßfreiheit als solche trifft.
Das Ergebnis der Revolution sowohl im Jahre 1848 als auch in den späteren Zeiten war ja, daß man das Empfinden des Volkes auch als Richter wiederum einführen wollte, und wenn wir heute schöne Worte über Autonomie oder auch über Selbstbestimmung in der Verfassung finden, so sind das Worte, die dem Volke eigentlich wiederumm große Rechte zuführen. Warum nehmen wir aber dem Volke auf der anderen Seite dieselben Rechte wieder weg, die es gerade bei der Richterfunktion und bei dem richterlichen Amt sehr wohl ausüben kann? Das Volk wird ja in vielen Fällen mit seinem naturgemäßen Empfinden vielleicht das wieder gutmachen, was das überjuristische Denken schlecht gemacht hat. Es gibt für gewisse Fälle kein Gesetz. Das Volk muß aus seinem Empfinden heraus das Richtige finden. Glauben wir daran, dann haben wir Demokratie, glauben wir nicht daran, dann gibt es überhaupt keine Demokratie. Ich glaube daran und darum muß ich es auch hier bei diesem Gesetze tadeln, daß wir den Volksgerichten, den Geschwornengerichten, bei Preßdelikten eigentlich einen Stoß versetzen. Ich köntte auch Beispiele anführen von Urteilen von Rechtsgelehrten in andern Ländern über diese Frage. Auch Frankreich hat ja die Geschwornengerichte, ebenso wie England, wennnn auch zum Teil in einer anderen Form. Wir haben die Geschwornengerichte in Süddeutschland, und gerade dort sind die Preßdelikte viel seltener als in Norddeutschland. Das Geschwornengericht hat eben aus gesundem Empfinden mehr der Freiheit Raum gegeben. Wo ist der "Simplizissimus", die "Jugend" entstanden? In München. Wo sind derartige Freiheiten ausgebildet worden? Nicht in Preußen, sondern in Süddeutschland.
Wenn man schon dem Beweggrunde Rechnung trägt, daß die Geschwornengerichte zu teuer kommen, müßte man doch ein Schöffengericht schaffen, in dem drei Schöffen und drei Berufsrichter sitzen. Das würde einen sehr guten Ausgleich geben. Den einen Schöffen stellt der Beklagte, den anderen der Kläger, nur der dritte Schöffe wird aus der Liste gewählt. Dadurch wäre ein vollständiger Ausgleich geschaffen und dabei immer noch dem Laienelement Rechnung getragen. Es wird hier - ich komme damit zum Schluß - wenig zur Moral beigetragen, wenn wir diese Moral durch Gesetze fördern wollen, denn das Gesetz selbst ist in seinem innersten Kern meiner Überzeugung nach als unsittliches Gesetz zu bezeichnen. Es ist von einem Publizisten in Deutschland einmal gesagt worden, daß die ganze Regierungskunst in einem Staate darin besteht, daß sie die Zeichen der Zeit richtig verstehe und danach handle. Ich meine, in dem Gesetz sind die Zeichen der modernen Zeit nicht verstanden. Und ein Engländer hat einmal gesagt, und damit will ich schließen: "Erfindet die Presse, und Ihr erfindet die Demokratie." Ich möchte das ins Gegenteil umwenden: "Erschlagt die Presse, und Ihr erschlagt die Demokratie." (Potlesk na levici.)