Von der Konfiskationspraxis werde ich nun einen Fall dem hohen Hause zur Kenntnis bringen, der geradezu zum Himmel schreit, das Haus möge mir nur eine ganz kurze Zeit Gehör schenken. Ich hab selbst in der Zeit, als damals Dr. Beneš die Reparationsfrage aufwarf, mich im Sinne unserer Anschauungen in einem unserer Provinzblätter mit dieser Frage beschäftigt. Wir befassen uns nicht vom kleinlichen und vom Stanspunkt der Schadenfreude mit diesen Dingen, sondern vom Standpunkt unserer grundsätzlichen Einstellung. In einem Blatt wurde eine einzelne Stelle beschlagnahmt, weil der Zensor, der offenbar nicht gut deutsch verstand, darin einen Angriff auf die èechoslovakische Bevölkerung erblickt hat. In einem anderen Blatt in Dux, also in einer Stadt mit überwiegend deutscher Bevölkerung, verfiel der ganze Aufsatz samt der Überschrift der Beschlagnahme. Dieser von mir verfaßte Aufsatz - um zu kennzeichnen, was hier als staatsgefährlich bezeichnet wird - lautete zum Schluß: "Die èechische Politik wird sich nun wohl damit vertraut machen müssen, daß die Erleichterung der ihrem Staate auferlegten Verpflichtungen nur zu lösen ist im Zus ammenhang mit einer umfangreichen Überprüfung der Friedensvertr äge. Die Losung des Kampfes gegen die Zinsknechtschaft, wie sie von den deutschen Nationalsozialisten gepredigt wird, gewinnt jetzt erhöhte Bedeutung. In diesem Zusammenhang muß aber auch noch auf einen anderen Umstand hingewiesen werden. Das "Prager Tagblatt", das Sprachrohr gewisser Prager Finanzkreise, veröffentlichte am 21. Feber einen Leitaufsatz über die Kurse der vers chiedenen Währungen, in dem es ganz offen feststellt, daß der wahre Sieger im Weltkrieg die internationale Spekulation ist. Das ist wohl richtig. Das Wirken dieser eigenartigen volkswirtschaftlichen Macht haben Deutschland, Deutschösterreich, Polen und Ungarn verspürt, jetzt kommt Frankreich an die Reihe. Nach welchem Lande sich hernach diese Spekulation richten wird, darüber können natürlich wir nur Vermutungen haben. Die ehrlichen Volkswirtschaftler aller Staaten werden sich immer mehr und mehr gezwungen sehen, dieser Frage ein erhöhtes Augenmerk zuzuwenden und über Mittel und Wege nachdenken, diesen Sieger des Weltkrieges nicht schrankenlos gewähren zu lassen. Je später sie dazu gelangen, desto größer wird das Unheil sein." Das ist beschlagnahmt worden und im Namen der Republik von dem Richter gutgeheißen worden. Nun können Sie sich vorstellen, welche Gefühle uns von der ernsten Presse erfüllen. Ich bin selbst 25 Jahre in diesem Beruf tätig und ich kenne meine Schicksalsgenossen und weiß ganz gut, wie wir Journalisten einem solchen Gesetz entgegensehen, das unter solchen Auspizien gemacht wurde. Sie werden, wenn Sie uns aufrufen würden zum Kampf gegen die Auswüchse der Preßfreiheit, zu einem Kampf gegen diejenigen, die die Preßfreiheit mißbrauchen und in das Familienleben eingreifen, alle ehrenhaften Journalisten, auf Ihrer Seite finden. Aber hier handelt es sich um eine gewollte Züchtung politischer Prozesse, politischer Tendenzprozesse. Sehen Sie sich diese Beschlagnahmen an, sehen Sie sich alle jene Fälle an, wo beim Justizminister wegen Beschlagnahme interveniert wird! Er antwortet nur: "Ich habe es da mit einem richterlichen Urteil zu tun, da kann ich nichts mehr machen!" Man weiß, daß die Zeitungen sich gar nicht getrauen, gegen ein solches Beschlagnahmeerkenntnis zu appellieren, weil sie ja wissen, daß dann der Fall eintritt, daß in neun von zehn Beschlagnahmefällen die Zeitung recht behält und nur im zehnten Falle die Beschlagnahme bestätigt wird, wo die Zeitung zwar moralisch den Sieg davonträgt, aber materiell den Nachteil doppelt trägt. Da kann man begreifen, daß keine Zeitung oder nur höchst selten eine gegen einen Spruch appelliert.
Dieses Gesetz bringt aber noch etwas anderes mit sich: die Vergiftung der Richter! Es ist ein gefährliches Wort von der Befangenheit oder Unbefangenheit der Richter zu sprechen. Die Richter sind Menschen und können aus ihrer Haut ebensowenig heraus, wie die anderen Menschen. Der deutsche und der èechische Richter wird Deutscher oder Èeche bleiben. Der èechische nationaldemokratische und sozialdemokratische Richter wird sich von seiner geistigen Einstellung nicht immer ganz freimachen können. Das ist wahr. Eine wirkliche Arbeit an der Preßreform hätte dazu führen müssen, um manche Dinge, die noch vorhanden sind, zu bessern, um wieder auf jenen Zustand zu kommen, von dem einmal ein Franzose gesagt hat: "Il y a des jugesen Autriche." Einen solchen Zustand im Staate herzustellen ist des Schweißes der Besten wert. Die Art, wie das Gesetz gemacht wird, vergiftet den Richterstand, raubt ihm die Freiheit und Unabhängigkeit und führt zu einer Kabinetsjustiz der ungeheuerlichsten Art. Das werden heute die Opposition, morgen oder übermorgen die Zeitungen der Regierungsparteien wahrscheinlich am eigenen Leibe bitter spüren müssen.
Nun einige wenige Bemerkungen zu den einzelnen Punkten der Vorlage: Ich möchte einmal vom Herrn Berichterstatter wissen, was der Witz bedeuten soll, daß man den Wirksamkeitsbeginn des Gesetzes vom 4. auf den 12. April verlegt. Es wäre besser, ihn auf den 1. April zu verlegen. (Veselost na levici.) Das Gesetz schafft für die Verleger und Herausgeber der Zeitungen eine erhöhte Ersatzpflicht. Soweit das Gesetz diese Ersatzpflicht schafft, um den Redakteur von der Verpflichtung freizumachen, werden die aktiven, militanten Journalisten für eine solche Bestimmung nicht undankbar sein. Aber dann finden wir im § 2 die köstliche Bestimmung: Von jeder Ersatzpflicht ist nur einer frei, der Staat und seine Behörden. Wenn ich als Journalist eine Notiz schreibe, durch die sich jemand in seiner Ehre verletzt fühlt, so muß ich im Ausgleichsverfahren oder wenn ich verurteilt werde, für die Kosten aufkommen und das Urteil auf eigene Kosten veröffentlichen. Das ist ganz in Ordnung, dagegen ist nichts einzuwenden. Das Standpunkt des Schmerzensgeldes ist ein anderes Kapitel. Nun kommt aber das Köstliche: Wenn der Staat oder seine Behörden eine Unwahrheit sagen, und die Behörden sind etwas sehr in das Parteileben hinübergezogen und der Unabhängigkeit beraubt, dann wird die Zeitung, die im guten Glauben daran, daß der Staat doch nicht lügen kann, das abdruckte, verpflichtet, eine Berichtigung zu bringen. Die Dummheit oder Unerfahrenheit oder Sachunkenntnis, um nicht von böseren Sachen zu reden, eines Amtsorganes büßt die Zeitung, die im Vertrauen auf die amtliche Wahrhaftigkeit die Nachricht abgedruckt hat. Ja, das wird doch für die Behörden die Lügenfreiheit bedeuten gegenüber dem Privatinteressenten, der auf das schwerste belangt werden kann. Diese Bestimmung ist nur zu geeignet, um in gewissen Kreisen, die die Mitteilungen über andere Leute herauszugeben haben, auch bei den Gerichtsbehörden eine gewisse Laxheit hervorzurufen, die der Öffentlichkeit gar nicht erwünscht ist. Wenn ich von dem einzelnen Redakteur, dem armen vielgeplagten Menschen, verlangen muß, daß er alles in Evidenz hält, daß er sich die Bedeutung dessen, was er schreibt und in die Zeitung aufnimmt, zu Gemüte führt, dann muß ich doch von einer amtlichen Stelle erst recht verlangen, daß sie Nachrichten nicht herausgibt, wenn sie von deren Wahrheit nicht überzeugt ist; oder wenn die Behörde durch böse Zufälle irregeführt wird, dann hat der Staat als Contrat social erst die Pflicht des Schadenersatzes, nicht aber soll er sich schadlos halten auf Kosten der armen geplagten Zeitungen.
Aufrecht geblieben ist trotz angeblicher Verklausulierung der Versuch, dem Journalisten die Berufsehre, das Berufsgeheimnis zu nehmen. Man verklausuliert diese Bestimmung, aber wahr ist, daß sie immer noch da ist, wenn man Erleichterungen verspricht, wenn er das Geheimnis ohne Not preisgibt. Das empfinden alle Journalisten - Sie werden sich im Kreise Ihrer eigenen Kampfjournalisten nicht viel Ehre mit dem Gesetz holen - als etwas Unerhörtes, daß man einen Stand zwingen will, preiszugeben, was er durch Jahrzehnte als seine größte sittliche Ehrenpflicht gehalten hat, seitdem es eine öffentliche Presse überhaupt gibt. Ja, der Herr Berichterstatter sagt: der neue § 5 der Vorlage schließt die Verleitung zur Verletzung des Berufsgeheimnisses vollständig aus. Ja, aber die Bestimmung, wie sie hier enthalten ist, daß der Redakteur straflos bleibt, wenn er den Urheber nennt oder nachweist, daß er sonst entlassen worden wäre, wenn er ihn genannt hätte, oder materiell geschädigt gewesen wäre, gibt einen so weiten Spielraum, daß damit kaum viel anzufangen sein wird. Warum Sie das machen wollen, wissen wir. Aber das ist nicht auf gutem Wege. Sie wissen, daß manche Korruptionsaffären der letzten Zeit offenbar durch die kommunistische Presse herauskamen. Ich bin an der kommunistischen Presse wahrlich desinteressiert, wir stehen in einem solchen Gegensatze, in einem solchen Kampfe mit ihr, ob sie nun deutsch oder èechisch ist, daß ich mir nicht den Kopf darüber zerbreche, aber wir reden und denken doch sachlich und objektiv und wir wissen, daß viele unangenehme Dinge an die Öffentlichkeit kamen, die die Möglichkeit zur Reinigung des Staates, des öffentlichen Lebens gaben. Woher kam das? Offenbar deswegen, daß da und dort ein Beamter, ob aus Parteisucht oder nicht, das ist ganz nebensächlich, Zeitungen Mitteilungen gab oder sie wenigstens auf manche Dinge stieß. Nun ist gewiß die Frage des Amtsgeheimnisses des Beamten ungemein wichtig. Aber wir meinen: So ganz soll man den Beamten die Möglichkeit, an der Reinhaltung des Lebens seines Staates und seiner Nation mitzuwirken, nicht nehmen. Wir wissen, warum Sie die Bestimmung bezüglich des Urhebers gemacht haben. Sie wollen den Beamten, die hie und da ein paar dunkle Affären in die Öffentlichkeit gebracht haben, es ziemlich unmöglich machen, solche Dinge aufzudecken. Ob das gelingt, das ist die Frage. Sie haben nun versucht, dem Gesetz eine gute Seite zu geben, ind em in den Ausschußentwurf die Bestimmung aufgenommen wurde, die im reichsdeutschen Preßgesetz enthalten ist, daß dem Redakteur Straflosigkeit zugesichert wird, falls er nachweist, daß er in Wahrung berechtigter öffentlicher Interessen gehandelt hat. Das wird von uns Journalisten gerne quittiert, nur möchten wir eben auch in der ganzen Spruchpraxis der Gerichte, in den ganzen Anweisungen an die Staatsanwaltschaften usw. sehen, ob das hier ernst oder auch nur einseitig gemeint ist. Leider ist auch hier der Pferdefuß. Es heißt im Entwurf ausdrücklich: "zøejmì - offenbar". "Wenn er nachweist, daß er offenbar in der Wahrung berechtigter öffentlicher Interessen gehandelt hat." Dieses "offenbar" liefert den Journalisten wieder der Willkür, dem Ermessen des vorsitzenden Richters dieses Kmetengerichtes oder auch des Dreierkollegiums aus. Die Bestimmungen, die hier enthalten sind, was als Wahrnehmung berechtigter Interessen gilt, sind sichtlich gut. "Die Einhaltung der Gesetze und Verordnungen, Wahrung der Klasseninteressen, der Rechte der Nationalitäten, der Religi onsgenossenschaften, der Lohnverträge" u. dgl. mehr. Aber ich wiederhole: Es kommt nicht allein darauf an, daß man ein gutes Gesetz schafft, sondern daß man durch die ganze Art - und das erscheint uns nicht gewährleistet - die Gewähr schafft, daß ein dem Worte und Texte nach gutes Gesetz auch gut, einheitlich und gleichmäßig gehandhabt wird. Wir haben Fälle, wo ein kritisches Wort über einen èechischen Beamten im deutschen Sprachgebiet unnachsichtlich geahndet wird. Wir wissen Fälle, wo èechische Blätter im deutschen Gebiet und ein Blatt, das seinen Namen von der Gesinnungsgemeinschaft mit einer hier vertretenen èechischen Partei he leitet, die "Národní Demokracie", sich Tag für Tag in den wüstesten Angriffen gegen die ganze deutsche Nation gefällt, in den wüstesten Beschimpfungen unserer deutschen Beamten, in Drohungen gegen deutsche Abgeordnete. Es gibt niemand, der da eingreift. Zumindest sollen die Menschen, die ein solches Preßgesetz machen, soviel moralischen Einfluß auf ihre Preßorgane haben, um solche Auswüchse hintanzuhalten. (Potlesk na levici.)
Ich habe von der Konfiskationspraxis gesprochen. Im alten Österreich hatten wir ein vorsintflutliches Preßgesetz. Es kam auf die Handhabung an. Es gab Zeiten, wo oppositionelle Blätter überhaupt nicht erscheinen konnten. So war es in der Ära Badeni, Thun und in den folgenden Jahren. Daß es auf die Handhabung ankommt, ist klar. Von dem Tage an, wo Dr. von Körber den Erlaß herausgab, der von der gesamten Jou nalistik auf das lebhafteste begrüßt wurde, da wehte sofort ein anderer Wind, und was sich noch herausstellte: es hob sich sofort das politische Niveau der gesamten Presse. Wir wissen aus eigener Erfahrung, daß auch die Provinzpresse damals sofort ganz anders schrieb. Denn unter einer wirklichen Freiheit wird sich der wirkliche, anständige Redakteur die Zügel anlegen, die sich der Mensch dann anlegt, wenn er weiß, daß er in seiner Bewegungsfreiheit nicht durch überflüssige Polizeimaßregeln gehemmt wird. (Potlesk na levici.) Wir würden wünschen, da wir einen alten erfahrenen Juristen und Parlamentarier auf dem Sessel des Justizministers haben, daß einmal die Maßnahmen getroffen werden, damit die Konfiskationspraxis, die Preßzensur im Staate wirklich im modernen Geiste gehandhabt werde - und meine Herren, ich bitte nicht gekränkt zu sein - daß man die Preßzensur über die Zeitungen nur solchen Menschen anvertraue, die die Zeitung auch lesen können. Sie haben sich oft beklagt, daß im alten Österreich deutsche Beamte in Gegenden waren, wo sie mit der èechischen Bevölkerung zu tun hatten, sie aber nicht recht verstanden. Sie aber schicken in unsere Gebiete jetzt Beamte hin, von denen ich ehrlich glaube, daß sie den Willen haben, ihrem Staate treu zu dienen und auch gerecht zu sein, die aber nicht verstehen, worum es sich handelt. Mir ist es einmal in einer Versammlung vorgekommen, daß ich bei einer scharfen Kritik, wo mir bißchen mein Herz durchgegangen ist, gar nichts erlebt habe. Und als ich erwähnte, daß wir wissen, daß das Wort des Präsidenten des Staates selbst: "Ihr sollt nicht stehlen!" auf die Reinigung der Verwaltung hinweise, da wurde mir mit der Auflösung gedroht. Offenbar hat man gemeint, daß es auch hier eine Bestimmung gibt, wie im alten Österreich, daß man den Kaiser nicht in die Debatte ziehen dürfe oder verstand mich der Beamte nicht recht, was oft vorkommt. Wir haben eben ein Recht darauf, daß man zu uns Beamte schicke und auch unsere Zeitungen Leuten in die Hand gibt, die wenigstens so weit in den Geist unserer Sprache eingedrungen sind, daß sie unsere Aufsätze auch verstehen und sie erfassen können. Vom Justizminister erwarten wir, daß er endlich einmal dem Beispiele, das Dr. Körber vor 22 Jahren im alten Österreich gab, folge und die Möglichkeit schaffe für eine wirklich moderne, liberale, und wenn Sie wollen, demokratische Handhabung der Preßzensur in der ganzen Èechoslovakischen Republik.
Und nun bezüglich der Einführung der Kmeten, der Ältesten oder, wie wir im Deutschen sagen, der Schöffen, in diesem Gesetz. Wir haben an dieser Stelle schon der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Journalistik nicht ablehnt, zu diskutieren über die Ausschaltung der Geschwornen bei Ehrenbeleidigungsprozessen. Ich bringe diesen Standpunkt nicht etwa vor, weil einzelne Fälle von Fehlurteilen hiezu veranlassen; auch der Berufsrichter ist nur ein Mensch, er kann irren und fehlen und Fehlurteile fällen, die manchmal von höheren Gerichten korrigiert werden. Was uns dazu bringt, ist die Tatsache, daß Klagen vor dem Schwurgerichte dem einzelnen Staatsbürger, der nicht sehr wohlhabend ist, nahezu ein Ding der Unmöglichkeit sind, daß die Rechtsprechung möglichst wohlfeil und billig für jeden gestaltet werden soll. Aber da wundern wir uns über das eine: Der alte österreichische Entwurf hat das Laienelement mit dem gelehrten Berufsrichter gleichgestellt. Die Schöffen, die nach dem letzten österreichischen Ausschußbericht aus dem Frühjahr 1914, den ich in der Hand habe, über Preßangelegenheiten urteilen sollten, standen drei zu drei unter Vorsitz des Richters. Das war eine ganz klare Sache. Es handelte sich darum, nicht von vornherein einen übermäßigen Einfluß der Berufsrichter gegenüber der freien Urteilsbildung der Richter aus dem Volke aufkommen zu lassen. Bei Ihnen aber wird der Schöffe mehr nur eine nebensächliche Figur, wessen wir da gewärtig sein müssen, ist eine andere Frage. Aber an etwas will ich Sie erinnern: Als bei der ersten Ankündigung über die Preßgesetzvorlage durch den Ministerpräsidenten ein lebhafter Sturm durch das Haus wogte, hat ein Vertreter der èechischen Presse, der selbst Journalist ist, der Herr Kollege Stivín, der Meinung Ausdruck gegeben, die Novellierung werde so ausfallen müssen, daß zu diesen Ältesten vornehmlich Angehörige des Journalistenstandes berufen werden. Eine alte Forderung der Journalisten aus dem alten Österreich ohne Unterschied der Nation besagt: Wenn beim Handelssenat über jeden Käsehandel Fachleute entscheiden müssen und wenn es wahr ist, daß einfache Leute aus dem Volke als Geschworne irren können, warum macht man sie dann zu Schöffen oder zu Kmeten, warum nimmt man nicht den gerechten Standpunkt ein, journalistische Standesvertretungen zu schaffen, die dafür zu sorgen hätten, daß Vertreter dieser Gruppe ihre ältesten und erfahrensten und reinsten Männer als Schöffen und als Kmeten im Gerichte sitzen und über ihre eigenen Standesgenossenn urteilen? Als Kollege Stivín das damals sagte, habe ich mir sofort gedacht: "Die Botschaft höre ich wohl! ..." Das sollte sozusagen ein Mittel sein, der Öffentlichkeit ein Zuckerl hinzuwerfen und sie zu beschwichtigen. Heute denkt kein Mensch daran. Das aber wäre etwas für die èechoslovakische Gesetzgebung gewesen, das wäre in Mitteleuropa ein Novum gewesen, in die Judikatur in Preßangelegenheiten als Geschworne Angehörige des Journalistenstandes einzuführen. Wo es sich darum handelt, einen Schritt abwärts von der Demokratie zu tun, da tun Sie es. Wo Sie aber einen Schritt nach aufwärts tun können, da fällt es Ihnen gar nicht ein. (Souhlas na levici.)
Aus diesen Gründen werden Sie wohl nicht annehmen können, daß wir uns für das Gesetz begeistern. Man muß es auch schon deswegen ablehnen, weil es nicht die solange angekündigte und im alten Österreich schon so sehr umkämpfte wirkliche, durchgreifende Reform des Preßgesetzes schafft, sondern lediglich einen Punkt herausgreift, um ein Gelegenheitsgesetz zu sch affen. Wenn der Herr Berichterstatter im Ausschußbericht sagt, es sei kein Gelegenheitsgesetz, hat uns sein Parteikollege Dr. Hnídek eines Besseren elehrt, daß es ein Gelegenheitsgesetz ist, geboren aus den unglücklichen Verhältnissen, um eine reinigende und erziehliche Wirkung zu erzielen. Also ein Gelegenheitsgesetz im besten, oder wenn Sie wollen, im schlechtesten Sinne des Wortes. Die wirklich mannhafte und unbeugsame Presse wird kein Preßgesetz mundtot machen. Sollten Sie aber versuchen, in der Knebelung der Presse so weit zu gehen, wie wir es in den bösesten Zeiten des alten Österreich erlebt haben, in der ruhmreichen Ära Badeni - Herr Dr. Kramáø weiß es noch sehr genau... (Posl. dr. Kramáø: Ale pøed Badenim bylo také nìco, tenkrát jsme byli konfiskováni!) Wir auch, Herr Doktor! Gott sei Dank, oder, wenn Sie wollen, leider, hatten auch wir dasselbe Schi cksal gehabt. Die deutschnationale Presse, die nicht nach dem Mund der Herren in Wien sang, hat im alten Österreich dasselbe Honiglecken gehabt wie in der Èechoslovakischen Republik, genau denselben unangenehmen Stand, und bei unseren journalistischen Tagungen gab es überhaupt keinen Redakteur, der nicht von einem österreichischen Gericht wegen eines Presse- oder politischen Deliktes eingesperrt gewesen wäre, so daß es sozusagen als Berufsehre galt, von österreichischen Gerichten abgeurteilt und eingesperrt gewesen zu sein. (Souhlas na levici.) Ich meine das nur, weil man manchmal von èechischer Seite so geschrieben hat, als wäre das von denen, die damals die Macht in Händen hatten, einseitig ausgenützt worden zu Ungunsten anderer Nationen, zu Gunsten der Deutschen gegen die èechische Nation. Wir wissen, daß es nicht wahr ist. Das war das österreichische System, der politische Luogo di trafico des Herrnrrn Grafen Taaffe und in anderer Beziehung der Polizeistaat, der um des Glaubens Willen, auf diese Weise die alte Habsburger Monarchie "indivisibiliter ac inseparabiliter" zusammenzuhalten, mit Polizeimitteln die freiheitliche Regung bei jeder Nation und Gruppe niederzuhalten suchte. Das war aber der Irrtum.
Gestatten Sie noch ein Wort, ein ehrliches Wort. Heute schon ringt sich in der deutschen und auch in der èechischen Öffentlichkeit das Gefühl durch, das sagt: Was müssen die Parteien zu verbergen haben, daß sie jetzt mit einem solchen Gesetze kommen! Vielleicht denkt dann manchmal einer von Ihnen daran, daß solche Zweckgesetze in der Öffentlichkeit das Gefühl hervorrufen, das an Shakespeares "Julius Cäsar", an die Leichenrede Mark Antons erinnert: "Brutus ist ein ehrenwerter Mann, das sind sie alle, alle ehrenwert! " Und ich sage Ihnen noch etwas: Die Presse hilft sich und wirt sich auch hier helfen, wenn Sie mit den Mitteln des Polizeistaates, wie das alte Österreich, das freie Wort erschlagen werden. Da wird sich die Presse mit der Satire helfen, wir werden auch einmal hingehen und Ihre eigenen Maßnahmen und Sie alle über den grünen Klee loben, daß Ihnen der Ekel darüber aufsteigen wird, wenn wir sagen: "Ja, Sie sind alle, alle ehrenwert." Und dann werden Sie das Gegenteil von dem erreicht haben was Sie mit diesen Gesetzesmitteln erreichen wollen. Der Entwurf des verfassungsrechtlichen Ausschusses erscheint uns als der Versuch, die etwas ungeschminkte Blöße eines recht dürftigen und durchgehetzten Machwe kes mit ein paar moralisierenden Flicklumpen - Lumpen im Sinne von Fetzen gemeint, es ist keine persönliche Bemerkung - zu behängen. Der Versuch wird nicht gelingen; wer die Freiheit der Presse liebt, muß das Machwerk auch in dieser Form grundsätzlich ablehnen. (Potlesk na levici.)
3. Øeè posl. Stenzla (viz str. 588 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Diesem Hause wurden bereits eine Unzahl von Gesetzesanträgen vorgelegt, die von der Regierungsmehrheit das sichere Geleite hatten, ohne jedwede Abänderung und wäre es auch nur die geringste, angenommen zu werden. Sowie alle früheren Vorlagen nur zumeist da waren, um der herrschenden Nation Vorteile zu bieten bzw. zu schaffen, ist auch das vorliegende Gesetz über die Einschränkung der Freiheit der Presse seinem Wesen nach nichts anderes als gewissermaßen ein Versicherungsgesetz für die Koalitionsmitglieder, die es nicht gerne sehen, wenn man ihren Parteien den krähenden Hahn auf des Dach setzt. Es ist jedenfalls aber eine Kulturschande, die die Regierung durch den vorliegenden Gesetzesantrag, der nur darauf eingestellt ist, in einem demokratischen Staate das geschriebene Wort auf das ärgste einzuschränken, begeht, wobei ich überzeugt bin, daß die Spitze dieses Gesetzes in erster Linie nur gegen die angeblich nicht gefügigen Völker der Èechslovakei gerichtet ist. Ich als Angehöriger der Opposition in diesem Hause betrachte es nicht als eine Ehre, von diesem Platze über die Vorlage zu sprechen, da ja selbst die besten Anregungen und Abänderungsanträge stets rundweg abgelehnt werden. Ein Parlamentarismus im wahrsten Sinne des Wortes besteht in diesem Staate nicht, sondern wir befinden uns hier in einem Zustand der modernen Diktatur, die aber niemals dazu beitragen kann, die inneren Verhätnisse dieses Staatswesens zu konsolidieren Insolange sie auch nach allen Seiten unterdrückend wirken und in letzter Linie noch die Freiheit des gesprochenen und geschriebenen Wortes zu unterbinden versuchen, werden Sie keinesfalls auf Seiten der Minderheit Lob, sondern verbitterten Haß ernten, deren Folgeerscheinungen auch auf den Staat zurückfallen Eine so unmoralische Gesetzgebung wird aber auch die radikalen Elemente, die immer mehr aufgeschürt und gestärkt werden, in vollster Empörung gegen den Staat finden. Der herrschenden Nation bleibt allenfalls die weitere Verantwortung überlassen. Im alten österreichischen Parlament, also zur Zeit der absoluten Monarchistenherrschaft, haben jene èechischen Herren der Koalition wie überhaupt ihre Volksvertreter gewiß nicht das erlebt, was wir deutsche Abgeordnete jetzt in diesem Hause erleben. (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda dr. inž. Botto.) Es klingt wie ein Hohn, wenn man sich der einleitenden Worte des Verfassungsgesetzes dieses republikanischen Staates, die so herrlich von demokratischer Gerechtigkeit und Gleichberechtigung sprechen, erinnert, und ich versichere Sie, daß nicht nur das deutsche Volk und die anderen diesen Staat bewohnenden Völker, sondern auch viele vernünftig denkende Èechen die Stimme gegen eine derartige geplante Beraubung der Preßfreiheit erhoben haben. Und was wird schließlich und endlich das Ausland sagen, wenn es erfährt, daß man ein solches Henkergesetz für die Journalistik geschaffen, beziehungsweise angenommen hat? Das Ansehen der Èechoslovakei wird ohne Zweifel durch dieses Gesetz nicht gehoben werden, weil es direkt das Ausland auf Zustände aufmerksam macht, die bisher keineswegs geeignet waren, den Staat zu konsolidierten Verhätnissen zu führen. Das bereits beschlossene Gesetz zum Schutze der Republik genügte Ihnen nicht mehr; es mußtee in der vergangenen Woche die Tätigkeit der freigewählten Volksvertretung durch die schärfere Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen über die Immunität gehemmt werden und jetzt erdrosselt man noch die journalistische Tätigkeit. Ja warum dies alles im fünften Jahre des Bestandes der Republik? Durch die in der letzten Zeit zu Tage getreten Korruptionsfälle in den Mehrheitsparteien wurde der Koalition der Rettungsgürtel in der Form der vorliegenden Gesetzesvorlage zugeworfen. Die genaue Studie der Vorlage ergibt keinen anderen Beweis, als daß die Angst um Stellung, Ansehen und Erhabenheit der einzelnen Koalitionsparteien der Vater des Gedankens zur Bildung des Gesetzes war, die Furcht vor der Veröffentlichung weiterer Fälle tat sicherlich noch das ihrige, so rasch zur Einbringung der Vorlage zu schreiten. Eine Regierung, die aus Angst und Furcht vor Veröffentlichungen oder sagen wir einer Vorandeutung auf diesen oder jenen unhaltbaren Zustand in Regierungskreisen gezwungen ist, derartige Gesetze zu schaffen, steht auf sehr morschem Boden und schwachen Füßen und wird sich nur mehr schaden als nützen, weil das Vertrauen der diesen Staat bewohnenden Völker nur noch mehr schwinden muß. Das Gesetz wird keineswegs dazu beitragen, die sittliche Moral der Koalitionsparteien zu heben, umsoweniger aber auch in Zukunft die Korruptionsgeschichten verwischen können. Das Gesetz wird aber auch nicht in der Lage sein, Staatsbürger zu erziehen, über die eventuell neuaufgeckten Korruptionsaffären Schweigen zu gebieten, es wird vielmehr in den breitesten Schichten des Volkes einen Abscheu gegen die Regierung unter allen Umständen erwecken, insbesonders aber im deutschen Volke, denn gegen die deutsche Journalisstik wird das Gesetz jedenfalls am meisten in Anwendung gebracht werden. Das deutsche Volk weiß nur zu gugut, daß alle bisherigen Gesetze in erster Linie gegen dasselbe gerichtet wurden. Trotz alledem wird das deutsche Volk nicht rasten und ruhen, um zu seinem Rechte der Selbstverwaltung in jeder Beziehung und selbstverständlich auch wieder zur Freiheit des gesprochenen und geschriebenen Wortes zu kommen. Wir deutschen Volksvertreter werden aber auch nicht zurückstehen, unseren verantwortliichen Schriftleitern der deutschen Presse die vollste Unterstützung angedeihen zu lassen.
Das 3 1/2 Millionen Volk der Deutschen in der Èechoslowakei, welches bisher den auferlegten schweren Verpflichtungen dem Staate gegenüber jederzeit nachgekommen ist, wird durch das heutige System auf moderne Art und Weise geknechtet und geknebelt. Man schließt unser Volk, das in der Kultur, aus der auch so manche èechische Größe hervorgegangen ist, die höchste Stufe einnimmt, von jeder werktätigen Mitarbeit bei der Gesetzgebung aus und ist dabei von einem blinden Wahn befangen, der es verhindert, zu irgend einer ruhigen und ersprießlichen Arbeit zu kommen. Mit Recht hat einer meiner Kollegen vor einigen Tagen in dem Hause erwähnt, daß der Pfeil, den Sie hier abschießen, auf das èechische Volk beziehungsweise auf seine Vertreter zurückfallen und eine tödliche Verwundung herbeiführen wird.
Trotz allen möglichen Maßnahmen und Drangsalierungen wird die deutsche Gewerbepartei unentwegt für die Interessen des heute so schwer bedrückten deutschen Gewerbeund Kaufmannsstandes eintreten, die ja gleichfalls durch die Vergewaltigung der freien Meinung in Wort und Schrift neues Leid zugefügt erhalten.
Die Saat, die Sie durch dieses Gesetz dem Boden zur Entwicklung und Reife der von Ihnen gewünschten Früchte übergeben, wird niemals Früchte nach Ihrem Wunsche tragen und es kann sehr leicht möglich sein, daß Sie zur Zeit der Reife gesenkten Hauptes über ein verwüstetes Ackerland gehen werden, wobei Sie die damalige Aussaat verfluchen werden.
Auf die meritorische Behandlung dieses Gesetzes einzugehen, finde ich in diesem Hause bei einem solchen Parlamentarismus und auf Grund der Gepflogenheit der Nichtachtung noch so begründeter, der Allgemeinheit des Bürgerstandes zugute kommender Anregungen als völlig überflüssig und werde daher gegen diese Vorlage stimmen. (Potlesk na levici.)
4. Øeè posl. inž. Junga (viz str. 603 tìsnopisecké zprávy):
Verehrte Herren! Herr Dr. Kramáø hat heute seine ganze etwas langwierige Beredtsamkeit darauf verschwendet, diese Gesetzesvorlage zu verteidigen. Der Kern seiner Ausführungen schien mir darin zu liegen, daß erstens die Koalition der Staat sei. Die Herren schwärmen so sehr für Frankreich und für historische Erinnerungen und sie scheinen sich daher den Staatsbegriff Ludwigs XIV. "Der Staat bin ich" zu eigen gemacht zu haben. Immerhin liegt in der These, die Koalition sei der Staat, eine ziemlich große Aufgabe für die Koalition. Wenn sie von dieser hohen Meinung von sich selbst durchdrungen ist, so müßte sie sich auch irgendwie einen Augenblick der ungeheueren Verantwortlichkeit bewußt sein, die sie sich damit selbst auferlegt. Die gewissen Affären der letzten Zeit zeugen aber nicht gerade für dieses hohe Verantwortlichkeitsgefühl. Wir haben nicht vergessen, daß die ersten Beschuldigungen gegen Koalitionsparteien nicht von oppositioneller Seite erfolgten, sondern daß Regierungsparteien sich gegen Regierungsparteien wandten. Und das will man jetzt alles verwischen.