Hohes Haus! Im Auftrag meines Klubs habe ich die Aufgabe übernommen, seine Stellung zu den vorliegenden Gesetz entwürfen zu präzisieren. Wir st ehen schon seit langem auf dem Standpunkt, daß die heutige Art der Gewährung von Arbeitslosenunterstützungen nicht so gestaltet ist, wie es eigentlich im Interesse der Arbeitslosen selbst liegen würde. Unser Klub und ebenso auch unsere Partei stehen auf dem Standpunkt, daß man Arbeitslosenunterstütz ungen zu gewähren hat, daß jedoch die heutige Form der Gewährung von Arbeitlosenunterstützungen, die eigentlich ein bloßes Almosengeben ist, nicht entspricht, sondern daß man die Gewährung der produktiven Arbeitslosenunterstützung vorziehen möge: Wenn unsere Partei auf diesem Standpunkt steht, so deckt sich derselbe eigentlich mit dem des hervorragenden Verterters der englischen Arbeiterpartei und zwar mit dem jetzigen Ministerpräsidenten Macdonald, der in einer der Sitzungen des Britischen Unterhauses die Stellung seiner Regierung zur Gewährung von Arbeitslosenunterstützungen in folgender Weise präzisierte: "Jede Regierung, welche in der Arbeitslosenfrage nichts anderes zu leisten imstande ist als Arbeitslosenunterstützungen zu bezahlen, muß vom Unterhaus verurteilt werden. Man muß die Kräfte für die Arbeit und nicht für die Erhaltung der Arbeitslosen anspannen." Wir wissen aus eigener Erfahrung, durch die Beobachtung der verschiedenen Verhältnisse, daß jetzt die Gewährung von Arbeitslosenunterstützungen zunächst bei den Beteilten nicht ausreicht und daß die jetzige Art der Arbeitslosenunterstützungen eigentlich in mancher Hinsicht auch korrumpierend wirkt. Wenn wir die Ziffern betrachten, die im Verlaufe der Zeit in Form von Kronen an Arbeitslosenunterstützungen bezahlt wurden und die einer der Herren Berichterstatter und zwar der Herr Abgeordnete Johanis selbst als sehr bedeutend bezeichnete, so müssen wir die Frage aufwerfen, welche Leistungen mit diesen so sehr hohen Beträgen hätten vollbracht werden können. Allerdings sind die Ziffern, die er nannte, nicht in voller Übereinstimmung mit jenen Beträgen, wie sie in anderen Orten ausgewiesen worden sind. So wurden für das Jahr 1919 an Arbeitslosenunterstützungen bezahlt rund 259 Millionen Kronen, 1920 95 Millionen, 1921 79 Millionen, 1922 220 Millionen Kronen, 1923 435 Millionen und zählt man hiezu die Beträge, die für das heurige Jahr in Anspruch genommen werden, und zwar 150 Millionen Kronen, dann ergibt sich eben nicht die Summe, die der Herr Berichterstatter Johanis mit 1·108 Miliarden Kronen hier beziffert hat, sondern es sind in Wirklichkeit rund 1 1/4 Milliarden Kronen. Es wäre nun interessant zu erfahren, wieviel Bleibendes und Dauerndes mit diesem so bedeutenden Betrag eigentlich geschaffen wurde. Ich glaube, daß auch in dieser Hinsicht im Ministerium für soziale Fürsorge gewiß eine Statistik geführt wird, um einmal späteren Zeiten sagen zu können, wieviel und welche Arbeiten von dauerndem Wert aus diesen Arbeitslosenunterstützungen geschaffen wurden.
Wenn ich vorhin sagte, daß das jetzige System der Arbeitslosenunterstützung korrumpierend wirkt, gestatte ich mir hier anzuführen, u. zw. als Tatsache, daß manche Arbeitslose, wenn sie zu Arbeiten herangezogen werden, einfach nicht zu haben sind (Hluk na levici.) Im Zusammenhang mit dieser Behauptung verweise ich auf eine Zeitungsnotiz, die in der "Národní Demokracie" am 5. Jänner dieses Jahres veröffentlicht war. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.)Zur damaligen Zeit hat man in Prag nach einem sehr großen Schneefall 500 Arbeiter zur Beseitigung der Schneemassen gebraucht und man hat die Erfahrung machen müssen (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.), daß von jenen, die sich eigentlich in erster Linie hätten melden sollen, im ganzen bloß 27 Personen selbst gemeldet haben. (Posl. Karpíšková: Ale vždy to není pravda!) Wenn das nicht wahr ist, dann geehrte Frau Kollegin, müssen Sie sich schon mit dieser Quelle auseinandersetzen. Ich verweise auch darauf, daß wir seinerzeit eine Interpellation eingebracht haben, in welcher darauf verwiesen wurde, daß in unserer Gegend, und zwar im Reichenberger Bezirk, die Arbeitslosenunterstützungen mit von Leuten in Anspruch genommen wurden, die dazu kein Anrecht mehr hatten, und zwar deshalb nicht, weil sie sich in Arbeitsstellen befunden haben. Weil mir zur damaligen Zeit der Vorwurf gemacht wurde, ich hätte keinen Namen genannt - ich werde auch heute Namen nicht nennen, weil ich es der Findigkeit des Ministeriums für soziale Fürsorge überlasse die Namen selbst ausfindig zu machen - will ich aus einem Briefe, den ich hier zur Verfügung habe, nur einen Fall anführen, der so eklatant beweist, welche Leute Arbeitslosenunterstützungen beziehen. Es heißt darin: "Außerdem bezieht jemand die Arbeitslosenunterstützung, der ein Haus und Grund im heutigen Wert von 70.000 Kè hat. Derselbe war früher selbständiger Glaswarenerzeuger, welches Geschäft er seit seiner zweiten Verehelichung niederlegte. Außerdem wird angeführt, daß seine zweite Frau auch ein Kino besitzt." Aus diesem einen Fall... (Posl. Heeger: Erzählen Sie, wie viele ihrer Bauernsöhne auf den Dörfern Arbeitslosenunterstützungen beziehen!) Führen Sie einen einzigen Fall an, in welchem ein Bauernsohn Arbeitslosenunterstützung bezogen hat. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn wir von Ihnen diese Auskunft bekommen könnten. (Posl. Heeger: Das können Sie haben!) Das ist also schon ein einzelner sehr sprechender Fall für die nicht richtige Inanspruchnahme der Arbeitslosenunterstützung. (Posl. Schweichhart: Herr Kollege, gehen Sie in den Mährisch-Schönberger Bezirk, dort können Sie nachfragen! Die Gemeindevorsteher haben erklärt: "Ich kann mir doch nicht die Fensterscheiben einschlagen lassen!" Darum gaben sie die Arbeitslosenunterstützung!)
Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím, aby øeèník nebyl vyrušován.
Posl. Windirsch (pokraèuje): Vielleicht sind das Ihre Parteigänger, die lernen genug von Ihnen! (Hluk. - Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù. - Místopøedseda Buøíval zvoní.)
Wenn von Arbeitslosigkeit gesprochen wird, dann sind wir der Meinung, daß eine Arbeitslosigkeit in der Zeit vom Frühjahr bis zum Herbst überhaupt nicht zu bestehen braucht. Es gibt in dieser Zeitperiode soviel Arbeitsgelegenheiten, daß es nicht eine einzige unbeschäftigte Hand zu geben braucht. (Smích a odpor nìm. soc. demokratických poslancù.) Ich verweise in diesem Zusammenhang nur darauf, daß die Landwirtschaft (Hluk na levici.) einen ganz bedeutenden Mangel an Arbeitskräften zu verzeichnen hat. Es gibt wenigstens in unserem Industriegebiet, in dem angeblich Arbeitslosigkeit herrscht, so viel offene Arbeitsstellen in der Landwirtschaft, daß wirklich schwere Sorge besteht, wie diese landwirtschaftlichen Betriebe, welche Arbeitskräfte benötigen, überhaupt mit den bevorstehenden Arbeiten fertig werden. (Posl. Langr: Zdali pak jim také øádnì platíte?) Dostanou velmi mnoho zaplaceno, pane kolego, já vám povídám, že to je tak. Ich möchte Ihnen, nur damit ich auch in diesem Zusammenhang Ihnen den Beweis nicht schuldig bleibe, anführen, daß z. B. ein Landwirt in Neuland, Bezirk Kratzau, bereits seit Mitte März dieses Jahres ein Mädchen und einen Burschen sucht. Bis heute hat der Betreffende, trotzdem er der Bezirksanstalt für unentgeltliche Arbeits- und Dienstvermittlung in Kratzau eine Anzahlung von 50 Kè geleistet hat, noch niemanden bekommen. (Výkøiky posl. Heegera.) Bitte, wir haben heute anfangs Juni und der betreffende ist noch nicht im Stande gewesen, die Lücke in seinem Arbeiterstande auszufüllen. Und was sagt da, und auch das ist ganz merkwürdig und bezeichnend für die Einschätzung der Arbeitsplätze in diesem landwirtschaftlichem Betriebe, was sagt dazu die Bezirksanstalt, für unentgeltliche Arbeits- und Dienstvermittlung in Kratzau? Sie schreibt: "Es ist ungemein schwer, nach Ihrem Ort irgend jemanden für landwirtschaftliche Arbeiten zu bekommen, der Sitz Ihrer Landwirtschaft in Neuland ist ziemlich exponiert." Weil also dieses Neuland nicht unmittelbar bei Reichenberg oder Kratzau liegt, ist für diesen abgelegenen Ort niemand zu bekommen.
Daraus ist gewissermaßen zu entnehmen, daß wenn die Landwirte draußen jemanden bekommen wollen, ihr Wirtschaftsbetrieb so liegen muß, daß die Leute dort nicht soweit ins Kino oder in die Stadt haben. (Výkøiky posl. Heegera, Schweichharta a Häuslera.) Sie selbst (obrácen k nìm soc. demokratickým poslancùm) sind ja ein lebendes Beispiel dafür! Warum sitzen Sie, meine Herren, denn nicht draußen am Lande, sondern liegen in den Städten? (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù. - Hluk.)
Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím o klid.
Posl. Windirsch (pokraèuje): Sie sind selbst ein sprechendes Beispiel, weil Sie die Oede des Landlebens einfach nicht vertragen. (Posl. Heeger: Wo sitzen denn Sie?) Ich sitze dort, wo mein Arbeitsplatz ist. (Posl. Heeger: Wir auch!) Außerdem will ich darauf verweisen, daß die Arbeitsvermittlungsanstalt in Kratzau seit längerer Zeit etwa 150 männliche und weibliche Arbeitskräfte für forstliche Kulturarbeiten sucht und dieselben nicht bekommen kann. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù: Scharfmacher ärgsten Ranges!) Meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, ich rede nicht für Ihre Partei, sondern ich rede für unsere Leute und für unsere Bedürfnisse. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.)
Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím, aby pan øeèník nebyl vyrušován.
Posl. Windirsch (pokraèuje): Wir müssen über alle Dinge, die uns als schädigend erscheinen, einfach offen diskutieren, es bleibt uns nicht anderes übrig. Ich möchte gerade noch ein Beispiel für die Würdigung der landwirtschaftlichen Arbeit anführen. Statt, daß man die Arbeitskräfte, die schließlich im landwirtschaftlichen Betriebe schon vorhanden sind, erhält, reitet das Ministerium für soziale Fürsorge darauf herum, daß Arbeitskräfte, die aus Deutschland in den Bezirk Reichenberg zugewandert sind, einfach ihre Arbeitsplätze verlassen. Im Zusammenhang damit verweise ich unter anderem auf den Fall Täubner in Görsdorf, der seit zwei Jahren ein reichsdeutsches Dienstmädchen hat, das, weil es dem Zentralarbeitsamt in Prag so gepaßt hat, aus der Arbeitsstelle scheiden sollte. Ich habe in dieser Sache interveniert und bis heute ist das Mädchen noch dort geblieven. Aber ich meine nur, daß gerade dieser Fall für unsere Verhältnisse ungemein bezeichnend ist, wie überhaupt die Arbeit in der Landwirtschaft gewürdigt wird. Wir hätten zur Ausfüllung der Periode vom Frühjahr bis in den Herbst eine Menge Arbeitsgelegenheiten in den Rekultivierungen, Meliorationen und Regulierungen von Wasserläufen, welche Arbeiten nicht nur im Interesse der Landwirtschaft unmittelbar gelegen wären, sondern die Durchführung solcher Arbeiten hätte auch für die Allgemeinheit große Bedeutung. Ich erinnere diejenigen, welche die Verhältnisse im Iser- und Riesengebirge kennen, daran, welche ungeheuer großen Komplexe von Land dort mit Steinen übersät und sumpfig sind und nichts weiter hervorbringen als saueres Gras. Wenn es gelänge, diese Flächen in kulturfähiges Land zu verwandeln, wäre dies ein bedeutender Erfolg für die Volksernährung im allgemeinen. Aber nicht nur bei uns oben in den Sudetenländern gibt es solche Arbeiten, die ausgeführt werden könnten, sondern ich habe mir auch heuer gelegentlich eines längeren Aufenthaltes in der Slovakei in Pistyan die Gegend angeschaut und gesehen, daß die nächst Pistyan gelegenen Gemeinde Ratnovce als ganze so bedroht ist durch Lehmlagen, die mit jedem Wasser in das Waagtal herabgeführt werden. Es würde im Interesse des Ortes und der dortigen Landwirtschaft liegen, einfach für die Befestigung des Landes mitzusorgen. Dabei könnte eine große Anzahl Arbeitskräfte beschäftigt werden. Es wäre überhaupt wichtig, durch die Inanspruchnahme von Arbeitslosen für solche Kulturarbeiten (Posl. Schweichhart: Für welche Bezahlung denn?) auch eine Menge neuer landwirtschaftlicher Existenz zu schaffen. Wir haben gerade über diesen Gegenstand in der gestrigen Sitzung des Budgetausschusses gesprochen, u. zw. gab dieser Gegenstand im Zusammenhange mit einem von uns eingebrachten Resolutionsantrage mimit den Anlaß zu Auseinandersetzungen. Wir haben in dem Resolutionsantrag, den wir auch heute dem Hause vorgelegt haben, einfach beantragt, daß aus den für die Arbeitslosenunterstützung gedachten Millionen ein Teil den Selbstverwaltungskörpern zugewiesen werde, damit eine Reihe notwendiger Arbeiten, die ich vorhin aufgezählt habe, durchgeführt werden kann. Da wurde nun die Frage aufgeworfen, die eben Kollege Schweichhart an mich stellt, was dafür gezahlt wird, daß die Arbeitslosenunterstützung allein nicht hinreicht. Aber, wenn zur Durchführung dieser Arbeiten nicht allein die Beträge aus der Arbeitslosenunterstützung zur Verfügung stehen, sondern wenn noch Beiträge hinzukommen, die das Ministerium für öffentliche Arbeiten und das Landwirtschaftsministerium gewähren, so läßt sich ohne besondere Belastung der Selbstverwaltungskörper die Durchführung dieser Arbeiten ermöglichen und es besteht auch gleichzeitig die Möglichkeit, daß auch die Arbeitslosen, die dabei beschäftigt sind, eine entsprechende Zahlung erhalten können. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù: Die Beträge sind doch sehr gering! Posl. Hackenberg: Jetzt dreht er!) Das haben wir schon gestern festgestellt, Herr Kollege Hackenberg. Ich stelle fest, daß unsere Meinung in der gestrigen Sitzung nicht anders war, als wie sie heute von mir dargelegt wird. Die Arbeitslosenfürsorge resultiert, nach unseren Dafürhalten aus der kritischen Lage, in der sich das industrielle Gewerbe befindet. Im Zusammenhang damit muß ich auf eine Quelle verweisen, die Ihnen allerdings nicht entsprechen wird, das ist Herr Dr. Kramáø. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù: Reif für die Pìtka! Herr Minister Windirsch!) Der Herr Abgeordnete Dr. Kramáø hat in einer Versammlung des Textilindustriellenverbandes im Mai d. J. auf die industriellen Verhältnisse in diesem Staate hingewiesen. (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.) Und bei dieser Gelegenheit führte er an, daß aus dem Staatsverbande des alten Österreich heraus der neue Staat, das ist die Èechoslovakei 75 % der alten östereichischen Industrie übernehmen mußte. Aus dieser Tatsache wird nun abgeleitet... (Výkøiky nìm. soc. demokratických poslancù.)
Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím o klid. Prosím, aby nebyl øeèník vyrušován.
Posl. Windirsch (pokraèuje): ...... daß dieses kleine èechoslovakische Wirtschaftsgebiet nicht imstande ist die ganze Erzeugung der jetzigen èechoslovakischen Industrie aufzunehmen, daß infolgedessen die Industrie zu nichts anderem bemüssigt ist, als zu exportieren. Um aber exportieren zu können, ist notwendig, daß man auch exportfähig ist, das heist, daß man imstande ist, die Konkurrenz mit dem Auslande aufnehmen zu können. (Posl. Schweichhart: Was soll das heißen?) Jetzt werden Sie es gleich hören. Auch da werden wir uns sofort in die Haare geraten. Um export-, d. h. konkurrenzfähig sein zu können, ist notwendig, einen entsprechenden Einfluß auf die Löhne, auf die Höhe der Leistungsfähigkeit der Arbeiter und weiter auf die Arbeitszeit zu nehmen. Insolange auf diese vers chiedenen Verhältnisse, die für die Gestehungskosten in der Industrie maßgebend sind, nicht Einfluß genomme wird, ist es sehr leicht möglich, daß die Produktionskosten in der Èechoslovakei ungemein hoch sind, so daß einfach die Erzeugnisse der einheimischen Industrie nicht exportiert werden können. (Hluk na levici.)
Im Motivenbericht zur Gesetzesvorlage, über die wir sprechen, heißt es nun: Besonders notleidend sind die Metallindustrie, die Holzindustrie, die chemische, die Bekleidungs-, die Glas- und Bauindustrie. Aber wenn ich die Bauindustrie, das Baugewerbe, erwähne, da muß ich wieder etwas sagen, was Ihnen gewiß nicht passen wird. Das Baugewerbe ist etwas, was zu seiner Ausführung unbedingt die gute Jahreszeit benützen muß, und wir wissen aus der Erfahrung, daß mit dem Momente, wo im Frühjahr die Bauarbeiten beginnen sollen, die berufene Vertretung der Bauarbeiter nichts anderes zu tun hat, als sie einfach zu alarmieren in der Richtung, daß ja nicht etwa zu niedrigen Löhnen gearbeitet, oder daß ja nicht die festgesetzte Arbeitszeit überschritten wird, oder daß man, wie wir es wiederholt schon gesehen haben, statt, daß im Frühjahr gebaut wird, einfach streikt. (Výkøiky: Also für Sie gibt es überall zu hohe Löhne und zu billige Lebensmittel!) Als Grund unserer Arbeitslosigkeit führe ich aber auch die verfehlte Wirtschaftspolitik im Staate als solche an. Ich möchte mir im Zusa mmenhang damit nun erlauben, zwei Fälle herauszugreifen, und zwar möchte ich auf etwas verweisen, das keinesfalls mit der Landwirtschaft unmittelbar zusammenhängt, das ist die Handschuhindustrie. Über die Handschuhindustrie habe ich einen sehr instruktiven Aufsatz in der "Národní Politika" vom 6. Juni d. J. gelesen. Darin wird angeführt, daß im Jahre 1919 an Handschuhen 80.000 kg ausgeführt wurden. (Posl. inž. Jung: Národní Politika! Auch eine Quelle!) Ich muß ja Quellen angeben, sonst könnte es möglich sein, daß die Herren meine Worte bezweifeln. Aber wenn Sie wünschen, kann ich auch Ihre Quellen mitteilen. Im Jahre 1923 wurden 200.000 kg Handschuhe im Werte von 86 Millionen Kronen ausgeführt. Bei einem Vergleich dieser Ausfuhrziffer mit den Vorkriegsverhältnissen, und zwar des Jahres 1913, ist zu erkennen, daß die angef ührte Menge bloß ein Drittel der Vorkriegsausfuhr darstellt.
Dagegen hat man im Vorjahre 1923 neben diesen Handschuhen ins Ausland 1,100.000 kg Rohzickelfälle, die das Rohmaterial für die Handschuherzeugung darstellen, aus eführt. Diese Zickelfälle repräsentieren einen Wert von 22 Millionen Kronen und nun wird gesagt, daß es viel wichtiger wäre, statt das Rohmaterial für die Handschuherzeugung ins Ausland zu geben, einfach aus diesem Material im Inlande Handschuhe zu erzeugen und dann diese Fertigprodukte auszuführen. Freilich wird da eingeworfen, daß die Erzeugung zu teuer kommt, denn vergleichen wir die Preise bezüglich der Handschuhe z. B. mit England, so findet man, daß ein Dutzend prima Glacé Damenhandschuhe in England 250 Kronen kostet, während in der Èechoslovakei dafür 280 Kronen verlangt werden. Damit ist die Èechoslovakei um 27-30 % teuerer. Allerdings ist in diesem Falle nicht schuld die Höhe der Löhne. (Rùzné výkøiky soc. demokratických poslancù.) Lassen sie mich doch ausreden, nehmen Sie mir nicht das Wort aus dem Munde, Herr Dr. Holitscher. Ich bin selbst aus einer Handschuhgegend, aus Kaaden, und kenne die Not der Handschuhindustrie noch aus einer Zeit, wo Sie sich noch lange nicht erinnert haben, daß Sie Sozialdemokrat sind. Ich weiß, welche Schmutzlöhne den Leuten gegeben werden, ich weiß das aus eigener Erfahrung, lassen Sie mich also ausreden. Ich weiß es deshalb aus eigener Erfahrung, weil ich in meiner Verwandschaft Handschuharbeiterinnen gehabt habe und ich weiß, welche Arbeitsstunden bei elenden Löhnen, um elenden lausigen Lohn verbracht werden mußten. Sie erzählen mir damit nichts neues. Ich will bloß sagen, daß nicht die Lohnhöhe in dem Falle maßgebend ist.
Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen auf die verfehlte Wirtschaftspolitik hingewiesen, die einerseits in der Übersteuerung, andererseits in der Favorisierung gewisser Industrien besteht. Eine dieser Industrien ist in diesem Staate die chemische Industrie. Diese besitzt heute in diesem Staate eine förmliche Monopolstellung, denn vergleicht man die Preise ihrer Erzeugnisse mit denen des Auslandes, so findet man, daß die einheimische chemische Industrie dieselben Stoffe, die man aus dem Ausland beziehen kann, um 100 bis 200 % teuerer verkauft. Ich brauche nur auf eine Notiz zu verweisen, die im Zus ammenhang damit im heutigen "Prager Tagblatt" veröffentlicht wird. Es handelt sich um eine Notiz, welche die deutsche Technik betrifft. Darin wird darauf verwiesen, daß es nicht möglich ist, mit den budgetären Mitteln, welche die deutsche Technik erhält, ihr Auslangen zu finden, weil z. B. der Verbrauch an chemischen Hilfsmitteln ein derart teuerer ist, daß man nicht im Stande ist, alle die Arbeiten, welche die Technik auszuführen hat, mamachen zu können. Und was trägt daran die Schuld? Die vielfache Überteuerung der chemischen Hilfsmittel, welche die deutsche Technik für ihre Laboratorien haben muß.
Ich möchte im Zusammenhang damit noch auf einen anderen Umstand der verfehlten Wirtschaftspolitik hinweisen und das ist die Mühlenindustrie. Heute, als wir in das Haus kamen, wurde uns ein Bericht über eine Manifestationsversammlung der Müller eingehändigt, die in Prag stattgefunden hat. Aus Zeitungsnachrichten, aus verschiedenen mündlichen Meldungen entnehmen wir, daß die Mühlenindustrie schwer notleidend geworden ist und zwar dadurch, daß man ihr einfach keine Beschäftigungsmöglichkeit gibt.
Místopøedseda Buøíval (zvoní): Prosím, abyste ukonèil, vaše lhùta øeènická uplynula.
Posl. Windirsch (pokraèuje): Man schafft aus dem Auslande unheimliche Mehlmengen herein, statt daß man, wenn schon schließlich etwas eingeführt werden muß, Getreide importieren würde, damit auch die Mühlenindustrie beschäftigt werden könnte. Daher kommt es, daß eine sehr große Zahl von Mühlenbetrieben stillgelegt ist, die nicht beschäftigt werden können, daß der Staat infolgedessen Steuerentgänge zu verzeichnen hat und daß schließlich ganz bedeutende Beträge für die in der Mühlenindustrie arbeitslos Gewordenen aufgewendet werden müssen.
Sie sehen also aus dem, was ich hier gesagt habe, daß es eine ganze Reihe von Umständen gibt, die, wenn eine Besserung eintreten würde, von vornherein die Möglichkeit schaffen, die Arbeitslosigkeit auf ein Minimum einzuschränken. Ich habe eingangs meiner Ausführungen gesagt, daß wir, wie heute die Verhältnisse liegen, mit der gegenwärtigen Art der Gewährung von Arbeitslosenunterstützung nicht einverstanden sind und daß wir deswegen auch diesen Gesetzanträgen nicht zustimmen können. (Potlesk a odpor na levici.)
5. Øeè posl. Böhra (viz str. 891 tìsnopisecké zprávy):
Hohes Haus! Zu der jetzt in Verhandlung im Plenum des Abgeordnetenhauses befindlichen Regierungsvorlage über die weitere Geltung der mit Ende Juni ablaufenden Gesetze, betreffend die Arbeitslosenunterstützung, liegen uns zwei zustimmende Berichte des sozialpolitischen und des Finanzausschusses mit Anführung verschiedener Beweggründe vor. Als Hauptsatz klingt heraus, daß die Arbeitslosenunterstützung nicht aufhören darf, weil die Arbeitslosigkeit sich nur verringert, aber nicht aufgehört hat, und weil die Inkraftsetzung des sogenannten Genter Systems noch untunlich und unzeitgemäß ist und überhaupt in allen Arten und Richtungen der Arbeitergewerkschaften unter den jetzigen Verhältnissen großen Bedenken und ernsten Wünschen für eine zeitgemäße Umarbeitung begegnet. Diese Motive sind nicht abzuweisen und darum ließ ich mich als Redner vormerken, obwohl wir von Seiten der deutschen christlichsozialen Volkspartei wiederum gewichtige Mängel an dem Gesetze auszustellen haben und deshalb Abänderungsanträge wie im Ausschuß so auch im Plenum vorbringen.
So oft die Regierung die Wirksamkeit des Arbeitslosenunterstützungsgesetzes vom 12. August 1921 verlängerte, haben wir vor allem gegen die zu kurze Befristung dieser Verlängerung Einspruch erhoben; denn es drängte sich immer die Gewißheit auf, daß die Ursachen der Geschäftsstockungen noch über die zu kurze Geltungsdauer dieser Notgesetze andauern werden. Die Folgezeit hat uns Recht gegeben und auch heute wieder. Die jetzigen wirtschaftlichen Verhältnisse nötigen leider noch auf lange hin mit erheblicher Arbeitslosigkeit in den verschiedensten Gegenden und Belangen zu rechnen. Wenn das statistische Staatsamt im Mai 1923 29.000 Arbeitslose an, gibt mit 35.000 Haushaltungsmitgliedern und 10.450 zeitlich Arbeitslose mit 5950 Angehörigen, und wenn darauf hingewiesen wird, daß dagegen im Mai 1920 112.538 Arbeitslose un mittelbar vom Staat die staatliche Unterstützung bezogen, so wäre allerdings der große Unterschied lebhaft zu begrüßen. Aber, meine Herren, obigen Ziffern ist leider nicht beizumessen, daß sie die Zahl aller tatsächlich Unbeschäftigten erfaßt. Diese Statistik rechnet nämlich nur mit jenen Arbeitslosen, die noch derzeit die staatliche Unterstützung beziehen. Nun wissen wir aber, wie ja die geltenden Bestimmungen Beschäftigungslose nach Ablauf der Unterstützungsfrist auch bei Andauer ihrer unverschuldeten Arbeitslosigkeit ausscheiden, wie ferner manche Behörden die Zahl der zu Unterstützenden zu fiskalisch einschränken, und daß nach dem Gesetz ein erheblicher Teil der Arbeitslosen, z. B. des Gewerbestandes und einige Gruppen von Saisonarbeitern, auch innerhalb der Saison leer ausgeht.
Die Vorlage verlangt die Geltungsdauer des Gesetzes bis zu dem Zeitpunkt, wo das Gesetz vom 19. Juli 1921, betreffend den Staatsbeitrag zur Unterstützung der Arbeitslosen nach dem Genter System, Wirksamkeit erlangt längstens aber bis 31. März 1925, und sieht wieder einen weiteren Kredit von 80 Millionen Kronen vor. (Posl. dr. Luschka: Das ist viel zu wenig!) Gewiß. Die Einsetzung von bloß 80 Millionen läßt die Befürchtung aufkommen, daß die Unterstützungen noch mehr verringert werden, oder daß das Genter System vor dem 31. März 1925 eingeführt werde. Nun aber haben, wie auch der Ausschußbericht erwähnt, gegen das Genter System alle Gewerkschaften ohne Unterschied der Richtung ihre Bedenken geäußert, weil diese Art der Unterstützung mit normalen wirtschaftlichen Verhältnissen rechnet, während hier noch auf lange hinaus wir mit abnormaler Arbeitslosigkeit zu rechnen haben. Die Regierung darf aber ihre soziale Pflicht, die Opfer der Wirtschaftskrise zu unterstützen, nicht kürzen.
Es scheint mir für das Unzureichende an sozialem Geist bezeichnend, daß über die Erhöhung der Unterstützungsbeiträge für die Arbeitslosen immer gleich die ärgsten Bedenken geäußert werden, während man ohne Bedenken oder ohne vieles Bedenken das Vielfache dieser Aufwendung für unproduktive Ausgaben bewilligt. Vor wenigen Viertelstunden erst hätten sich Millionen durch eine andere Festsetzung der Heeresfriedens tärke, ohne den absoluten Verteidigungserfordernissen Abbruch zu tun, leicht ersparen lassen. Auch der sich eben in Prag abspielende Benzinprozeß legt solche Gedanken uns allen sehr nahe. Wenn nun schon einmal das beschlossene Genter System tatsächlich eingeführt werden sollte, dann verlangen wir eine zeitentsprechende Novellierung dieses Gesetzes unter Berücksichtigung aller jener berechtigten Forderungen, die von den verschiedenen Gewerkschaften ohne Unterschied, ob diese christlich oder sozialdemokratisch oder sonstwie orientiert sind, gestellt wurden.
Die Arbeitslosen, aus deren zu unterstützenden Reihen das Gesetz ohnehin mit Recht die Arbeitsscheuen im vorhinein ausscheidet, verlangen kein Armengeld, sondern Arbeit. Wir erheben die Klage, daß die staatlichen Maßnahmen hinsichtlich produktiver Arbeitslosenfürsorge teils unzureichend sind, teils ganz ver sagt haben. Bezüglich Notstandsbauten wird viel herumkommissioniert, bei der Erledigung der Gesuche aber werden alle erdenklichen Schwierigkeiten gemacht. Und der Beginn solcher Bauten wird so immer länger hinausgeschoben und oft ganz unmöglich gemacht. Daß auch die seit dem 1. Jänner ruhende staatliche Bauförderung beiträgt zur Arbeitsstockung in vielen Zweigen der Industrie und des Gewerbes, liegt auf der Hand, obschon durch die staatliche Bauförderung allein auch der Wohnungsnot abgeholfen und dem Abbau des Mieterschutzgesetzes gedient werden könnte; denn zur Behebung der Wohnungsnot ist eine weitere staatliche Bauförderung unerläßlich, und dieser Überzeugung geben wir auch bei diesem Anlaß Ausdruck. Die Frist zur Arbeitslosenunterstützung wünschen wir gleich wenigstens bis Ende 1925 verlängert, anstatt daß wiederum nur so eine kurze Befristung eintritt.
Meine Damen und Herren! Von Ziffern und von zu verlängernden Zeitspannen in der Arbeitslosenunterstützung habe ich eben gesprochen. Es sei mir nun noch gestattet, ganz kurz und so gelegentlich auf eine andere Ziffer hinzuweisen. Ich berufe mich auf das Axiom, daß es gegen sichere Ziffern und Tatsachen keine Beweise, keine Einwendungen gibt. Zunächst deute ich auf die Ziffern der Einfuhr- und Ausfuhrsstatistik hin. Tschechische wie deutsche slovakische, ungarische und ruthenische Steuerzahler und Bürger dieser Republik wollen und sollen leben. Die Belebung der Produktion und des Verkehres ist zugleich die beste Behebung der Arbeitslosigkeit. Nun weisen aber die Hauptziffern der Ausfuhr hin auf Österreich und Deutschland und auf Ungarn, nicht aber dorthin, wohin jetzt die Außenpolitik einseitig und übermäßig gravitiert. Das Ablassen von dieser Ei nseitigkeit würde auch die Industrie, Handel und Wandel beleben und dadurch am besten der Arbeitslosigkeit steuern. Es wäre daher verlockend, auf die sogenannte "politische Arbeitslosigkeit", auf die Ausschaltung der Vertreter jener Millionen aus der Mitbe einflussung der Auslandspolitik hinzuweisen, welche die amtliche Ziffernsprache der Volkszählung als offensichtliche Widerlegung der haltlosen Phrasen von einem Nationalstaat, statt von einem Nationalitätenstaate, anführt.
Die staatlichen Beiträge für die Arbeitslosenunterstützung dürften seit 4 Jahren 1200 Millionen Kè übersteigen. Ich weiß, daß Beträge hievon jenen gemeinnützigen Gemeinde-, Bezirks- und Staatsunternehmen als Ergänzung des Taglohnes jener zuflossen, die aus der Reihe der Arbeitslosen zu Notstandsarbeiten herangezogen wurden. Aber vielmehr hätte der Öffentlichkeit, den Steuerzahlern und den Unbeschäftigten gedient werden können, wenn umsichtiger, großzügiger der produktiven Arbeitslosenunterstützung gedient worden wäre. (Posl. dr. Luschka: Und wenn die Ersparnisse herangenommen werden würden aus der Kriegsanleihe!) Ganz richtig, wenn die Kriegsanleihe honoriert worden wäre und oft in produktive Tätigkeit hätte umgewandelt werden können, wodurch tausendfach Arbeit und Arbeitsmöglichkeit in Fluß geraten wären. Der leidende, darbende, arbeitswillige Teil der Arbeitslosen wünscht Arbeit, nicht Almosen, und solange Wirts haftskrisen bestehen, ist die Regierung als naturrechtliche Pflichtstelle der Sorge um die öffentliche Wohlfahrt einfach verhalten, Unter stützungen über die Zeit der Krise zu bieten.