Úterý 24. èervna 1924

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 277. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 24. èervna 1924.

Øeè posl. dr. Kafky (viz str. 1029 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Die èechoslovakische Gesetzgebung hat eine gewisse Vorliebe für eine Art der legislativen Betätigung, die sonst im allgemeinen aus berechtigten Gründen perhorresziert wird; ich meine die sogenannten Gelegenheitsgesetze. Gelegenheitsgesetze sind etwas an sich Bedenkliches, auch wenn die Tendenz des Gesetzesem konkreten Falle eine begrüßenswerte sein mag, Gelegenheitsgesetze verleiten sehr leicht dazu den unmittelbaren Anlaß zu überwerten und Konsequenzen aus ihm abzuleiten, welche fernabliegen. Gelegenheitsgesetze führen dazu, daß man oft der Versuchung nicht widerstehen kann, unter dem Eindrucke eines unmittelbaren Anlasses gesetzgeberische Aktionen durchzusetzen, Normen zu erzielen, welche man bei ruhiger Stimmung und Überlegung durchzusetzen nicht in der Lage wäre. Und endlich vom Standpunkt der egislativen Technik: man ist mitunter geneigt, der Eile, mit der Gelegenheitsgesetze gewöhnlich zustande kommen, das Opfer einer vollkommenen Ausarbeitung des Gesetzestextes zu bringen.

Alle diese Bedenken und Mängel der sogenannten Gelegenheitsgesetzgebung haben wir in der Èechoslovakei am eigenen Leibe verspürt. Wir müssen nur die ganze Liste der Gelegenheitsgesetze Revue passieren lassen, die wir zustande gebracht haben. Es ereignet sich ein politischer Mord. Die Folge dieses verdammenswerten Ereignisses ist, daß ein Gesetz zum Schutz der Republik gemacht wird, mit einer Unmasse von Tatbeständen, die mit der Ermordung des dr. Rašín auch nicht den mindesten Zusammenhang haben. Es ereignen sich gewisse Preßkampagnen in der èechischen Presse, von denen einige zweifellos das Maß des Erlaubten überschreiten. Die Folge ist, daß wir ein Preßgesetz bekommen, welches die Freiheit der Presse knebelt. Es ereignen sich gewisse Affären, welche den Verdacht erwecken, daß Faktoren des öffentlichen und politischen Lebens nicht ganz ohne Zusammenhang mit gewissen wirtschaftlichen Unternehmungen sind, die ihrerseits wieder mit dem Staat in einem gewissen Zusammenhang stehen - ich will mich nicht näher ausdrücken. Die Folge ist, daß wir ein Inkompatibilitätsgesetz bekommen haben, ein außerordentlich gesundes Gesetz, aber in einer Formulierung, die ebenso ungesund, wie die Tendenz begrüßenswert ist. Es werden gewisse Beamtenbestechungsaffären bekannt - über anderen schwebt ein offenes Geheimnis die Folge davon ist, daß wir den Entwurf eines Gesetzes gegen Bestechlichkeit der Beamten erhalten. Ich will es von vornherein sagen: Mit der Tendenz dieses Gesetzentwurfes bin ich vollkommen einverstanden. Ich will auch hinzufügen, daß gerade bei diesem Gesetz die früher berührten Bedenken und Mängel der Gelegenheitsgesetzgebung fast ausgeschlossen worden sind. Ich will mich vorsichtig ausdrücken und dem Gesetz nicht zu großes Lob spenden, aber ich will doch sagen, daß das Gesetz in seiner jetzigen Gestalt als ein annehmbares Produkt legislativer Betätigung erscheint. Allerdings: ehe wir dazu gekommen sind, haben wir dem Entwurf des Justizministeriums einige gefährliche Giftzähne ausbrechen müssen. Unter diesen Giftzähnen befand sich vor allem der § 5 in seiner früheren Gestalt, der mit diesem Gesetz auch nicht das Mindeste zu tun hatte, der nichts anderes war als ein Paragraph zur Bestrafung der Verletzung des Amtsgeheimnisses in einer außerordentlich krudelen Art, wie sie sich sonst in der europäischen Gesetzgebung nicht findet. Das Subkomité und auch das Plenum des verfassungsrechtlichen Ausschusses sind auf diese Intention des Justizministeriums nicht eingegangen. Immerhin beweist aber schon der Titel des Gesetzes, daß hier Materien miteinander vermischt worden sind, die eigentlich ohne jeden inneren Zusammenhang miteinander sind. Das Gesetz nennt sich "Gesetz über die Bestechlichkeit und gegen die Verletzung des Amtsgeheimnisses". Meine Herren! Ich ha be schon früher im verfassungsrechtlichen Ausschuß davon gesprochen, daß eine solche Kumulierung von unzusammenhängenden Materien in einem Gesetz selbstverständlich nicht gerade dazu beiträgt, um die Gesetzgebung zu einer übersichtlichen und zu einer entspechenden zu gestalten. Immerhin will ich hinzufügen, daß das Gesetz mir in seiner jetzigen Gestalt annehmbar erscheint, daß zwar § 5 auch in seiner jetzigen Form von mir nicht akzeptiert werden kann, daß ich aber im ganzen und großen dem Gesetz mit Rücksicht auf seine Tendenz zustimmen werde.

Die Tendenz des Gesetzes ist die Reinigung des öffentlichen Lebens, wenigstens soweit es sich um die Bestechlichkeit der Beamten handelt. Daß ein großer Erfolg damit rzielt werden wird, wage ich nicht zu behaupten, aber ich sehe ein, daß man eine strafgesetzliche No rm in dieser Hinsicht nicht entbehren konnte. Man muß sich aber, wenn man die Tendenz ernstlich hat, darüber klar sein, daß es nicht angeht, allein mit einer strafgesetzlichen Norm einer derartigen Erscheinung des öffentlichen Lebens zu begegnen. Man muß sich darüber klar sein, daß man gegen die Bestechlichkeit einzelner Beamten, nicht allein motivierend einwirken kann durch Strafandrohung, sondern daß man sich wohl auch die Mühe geben muß, ein wenig näher die Ursachen zu prüfen, aus denen diese Erscheinung des öffentlichen Lebens hervorgegangen ist. Gewiß, die demoralisierende Wirkung der Kriegsjahre soll nicht vergessen werden, und diese Erscheinung ist eine allgemeine in allen Staaten, keineswegs spezialisiert für die Èechoslovakische Republik. Gewiß darf auch die Situation der Nachkriegszeit, die wiederum eine generelle ist, nicht übersehen werden, jene psychische Situation, in der das Schiebertum und die Erfolge der sogenannten Revolutionsgewinner vergiftend auf die Moralität der weitesten Volksschichten gewirkt haben. Dazu kommen aber andere Momente, die spezielle Momente der Beamtenschaft und spezielle Momente der Èechoslovakei sind. In dieser Hinsicht möchte ich vor allen Dingen hervorheben, daß schon durch die Art und Weise, wie beim Umsturz und nach dem Umsturz mit verdienten und bewährten Beamten des alten Regimes umgesprungen worden ist, das Sicherheitsgefühl der Beamtenschaft untergraben worden ist und sie begreiflicherweise Anfechtungen und Versuchungen zugänglicher gemacht wurden, die von den verschiedensten Seiten an sie herangetreten sind. Vor allen Dingen aber darf man an den einen Umstand nicht vergessen, daß die gesamte Beamtenschaft und Angestelltenschaft des Staates sich in einer Notlage befindet, die es gewiß nicht entschuldigt, wohl aber begreiflich macht, daß Anfechtungen nicht jener Widerstand entgegengesetzt wird, welcher von den Beamten unbedingt verlangt werden muß, wenn die Verwaltung und ihre Reinheit und Sicherheit nicht leiden sollen. Meine Damen und Herren! Es ist von einer Seite im verfassungsrechtlichen Ausschuß darauf hingewiesen worden, daß man gerade im Zusammenhang mit dem Bestechlichkeitsgesetz nicht von der Notlage der Beamten sprechen dürfe, weil daß so ausschaut, als ob man dem Beamten gewissermaßen sagen würde: Ja, da ihr so schlecht bezahlt seid, ist es begreiflich, daß ihr bestechlich seid! Diese Argumentation ist natürlich nicht einmal äußerlich irgendwie beweiskräftig, geschweige denn innerlich. Denn ein gewisser Zusamm enhang ist ganz klar Und wenn Sie daran zweifeln, brauchen Sie nur die Reden der Staatsanwälte, der Verteidiger und der Angeklagten in den jetzt schwebenden Prozessen durchzulesen, um zu finden, daß von allen Seiten, von Seiten der Anklagebehörde sowohl als auch von Seiten der Verteidigung darauf hingewiesen wird, daß die Notlage der Beamtenschaft gewiß eines der wichtigsten Momente für das Entstehen dieser bedauerlichen Erscheinungen des öffentlichen Lebens ist. Es muß hier Hilfe geschaffen werden, und diese Hilfe muß richtig geschaffen werden. Es muß eine allgemeine Erhöhung der Gehälter und Bezüge der Angestellten Platz greifen, es muß aber auch unterschieden werden; es darf hier nicht alles auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden und es ist sicher, daß die durch ihre Studien qualifizierte Beamtenschaft in anderer Weise bezahlt werden muß, als die minderqualifizierte Beamtenschaft. Wenn man sich bisher aus demagogischen und Popularitätsgründen gescheut hat, das in aller Offenheit zu betone, muß es heute geschehen. Dazu kommt, daß dem aktiven Beamten, der ohnehin nichts zu beißen hat, auch noch eine Pension winkt, mit der er noch weniger sein Leben fristen kann, die noch weniger zur Bestreitung der Existenz genügt. Und nicht nur, daß die Bezüge so gering sind: den Pensionisten des Staates werden auch unnötige Schikanen bereitet, wie sie ihnen bezüglich der Auslandsreisen und der Bestrafung der Auslandsreisen durch Entzug der Zulagen auferlegt werden. Ich habe in dieser Hinsicht eine Resolution eingebracht - und erbitte dafür die Zustimmung des Hauses - in welcher der Grundsatz, daß Pensionen im allgemeinen im Inland verzehrt werden müssen, vollkommen anerkannt, aber darauf hingewiesen wird, daß man in berücksichtigungswürdigen Fällen Ausnahmen zu bewilligen hat und daß man sich vor allem auf jene Tendenz aus den ersten Jahren des XIX. Jahrhunderts besinnen soll, aus welcher das alte österreichische Hofdekret, auf das man sich heute, zur Zeit der Entösterreicherung beruft, erwachsen ist.

Damals hatte es sich nur darum gehandelt jene Auslandsreisen zu treffen, welche zum dauernden Aufenthalt der Pensionisten im Ausland geführt haben. Wenn aber jemand 2 bis 3 Tage ins Ausland fährt, um seine Verwandten zu besuchen oder irgendwelche Geschäfte zu erledigen, erscheint es mir eine unnötige Schikane zu sein, diesen Beamten mit dem Bewilligungsverfahren und eventuell mit dem Entzug der Zulagen zu bestrafen, ganz abgesehen davon, daß eine Änderung in dieser Richtung nicht nur im Interesse der Pensionisten gelegen ist, sondern auch im eminentesten Interesse des Staates selbst, da durch den Wegfall des unnötigen Bewilligungsverfahrens die Verwendung eines kostspieligen Beamtenapparates erspart würde.

Meine verehrten Damen und Herren! Aber die drückend schlechte finanzielle Situation der Beamten ist nicht das einzige Moment allgemeiner Natur, welches berücksichtigt werden muß, wenn man es ehrlich meint mit einer Reinigung des öffentlichen Lebens. Die Bestechli chkeit ist nicht die einzige Krankheitserscheinung. Das Wichtigste und Entscheidende, was wir anstreben, ist, daß die Verwaltung nach Gesetz und nach Gerechtigkeit geführt wird. Jedes Abweichen von dieser Linie, mag es um Geld oder aus irgend welchen anderen Motiven geschehen, muß auf das Entschiedenste bekämpft werden. Nun kämpfen Sie gegen die Bestechlichkeit mit Geld. Aber Sie kämpfen nicht gegen den anderen Geist, der auf das öffentliche Leben korrumpierend gewirkt hat. Die Verwaltung, die nach Gesetz und nach Gerechtigkeit zu entscheiden hat, wird nicht so sehr allein durch Geld beeinflußt, sondern auch in durchaus nationalpolitisch und parteipolitisch unzuläßiger Weise. Wenn Sie hier eine Reinigung herb eiführen wollen, dann müssen Sie, bevor Sie die Reform an den Gliedern vornehmen, die Reform am Haupte, an den maßgebenden politischen Faktoren vornehmen. Ich will in diesem Zusammenhang nicht von der politischen Korruption im gewöhnlichen Wortsinne sprechen, daß eine Partei oder ein aßgebender Faktor einer Partei aus irgend welchen Geheimfonden Bezahlung genommen hat, denn ich pflege keine Behauptung aufzustellen, die ich nicht beweisen kann. Aber eine andere politische Korrupption ist sicher da, und die besteht darin, daß die Regierung und auch der Parlamentarismus angekränkelt ist von den Einflüssen parteipolitischer und nationalpolitischer Natur, daß dasjenige, was für den einen recht ist, für den anderen nicht billig ist, wenn er nicht zu der herrschenden Nation, gehört, von parteipolitischen Nuancen ganz zu schweien. Ja, wo soll denn so ein armer Beamter das Gefühl bekommen, daß er verpflichtet ist, unter allen Umständen und ohne auf die Person zu sehen, nach Gesetz und nach Gerechtigkeit zu urteilen und zu entscheiden, wenn er sieht, wie im Parlamente, wie in der Regierung und seitens der Regierung in großen Fragen mit diesen Grundsätzen verfahren wird? (Posl. dr. Luschka: Er muß sich auf fünf Koalitionssessel setzen!) Gewiß, er muß sich bemühen, dieser oder jener Partei etwas zuliebe zu tun. Vor allem aber sieht er nationalpolitisch immer und ewig das Unrecht, das oben begangen wird. Das kann ihn unmöglich zu besonderer Wertung der Pflicht, seiner einzigen Pflicht, nach Gesetz und nach Gerechtigkeit vorzugehen, begeistern. Meine verehrten Damen und Herren! Was soll sich so ein armer Beamter bei folgenden Erscheinungen denken? Wenn irgend ein kleiner Diebstahl aus Not oder aus Leidenschaft begangen wird, so wird er auf das härteste bestraft. Wenn aber bei hellichtem Tage das deutsche Landestheater den Prager Deutschen gestohlen wird, so ist das etwas, was in keiner Weise irgendwie als kriminell von der Öffentlichkeit empfunden wird und es finden sich noch Richter, welche diesen Diebstahl des deutschen Landestheaters in irgend einer Form bemänteln und als Ausfluß der ewig fließenden Quelle des Rechtes der Revolution bezeichnen! Auf der einen Seite werden für eine ganz geringe Anzahl èechischer Schulkinder Schulen errichtet, zu gleicher Zeit aber werden vollbesuchte deutsche Bildungsa stalten ohne jede sachliche Rechtfertigung gesperrt.

Und was soll der Beamte denken, wenn er die parlamentarischen Vorgänge beurteilt? Sie haben eine Geschäftsordnung geschaffen, die ein Musterwerk und ein Meisterwerk ist, für den Zweck, jede Obstruktion der Opposition zu bekämpfen. Das haben Sie vortrefflich gemacht. Sie haben aber leider an eines vergessen, und das ist die Bekämpfung der Obstruktion durch die Majorität oder durch eine Majoritätspartei. Wir haben jetzt seit mehreren Wochen, eine Reihe von Handelsverträgen auf der Tagesordnung. Ich glaube, diese ziemlich wichtige Materie der staatlichen Gesetzgebung wird nicht von der Opposition sabotiert, sondern von einer Partei der Mehrheit. Ja, Sie legen uns den Gedanken nahe, daß es in diesem Staate notwendig ist, in die Regierung zu kommen, um besser obstruieren zu können. (Posl. Koudelka: Proè pak by pan ministerský pøedseda nemohl obstruovati?) Er macht es ja auch. Sie sehen, meine verehrten Damen und Herren, daß auf diese Weise, daß durch diese Erscheinungen die ganze Atmosphäre des politischen Lebens vergiftet wird und daß die Bestechlichkeit oder Beeinflußbarkeit der Beamten nur eine Konsequenz und Teilerscheinung dieser Athmosphäre des politischen Lebens ist.

Wir haben in den letzten Tagen Worte gehört, die, wie ich glaube, ungeteilten Beifall wenigstens auf unserer Seite gefunden haben, die Worte, daß die Politik der Gewalt unter allen Umständen perhorresziert werden muß und daß keine Politik dümmer ist, als die Politik der Rache und des Hasses.

Ich habe dieser Charakteristik der Politik der Koalition nichts weiter hinzuzufügen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur das eine sagen: Wir stimmen für dieses Gesetz gegen die Bestechlichkeit in dem Bewußtsein, daß es ein Versuch ist, eine gefährliche Erscheinung zu bekämpfen, die allerdings auf diese Weise allein nicht bekämpft werden kann. Wenn Sie aber wirklich die Reinheit des öffentlichen Lebens haben wollen, dann müssen Sie dieses verderbliche System der Koalition beseitigen und an seine Stelle setzen einen moralischen Pakt der Zusammenarbeit. (Souhlas na levici.)


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