Der Budgetausschuß hat seinerzeit an der Regierungsvorlage eine immerhin nicht unbedeutende Änderung vorgenommen. Die Regierungsvorlage wollte wie bei der Kriegsanleihe diesen Gläubigern eine èechoslowakische 3% ige nicht verlosbare Staatsschuldverschreibung geben, der Herr Berichtserstatter Kollege Remeš, der offenbar als Finanzreferent von Pilsen die Notlage der Gemeinde dort und eines Betriebes kennt, der seine Arbeiterschaft nicht voll beschäftigen kann, hat es durchgesetzt, daß dieses Papier in ein 3%tiges verlosbares Staatspapier umgewandelt wurde. Das muß nicht viel sein, ist aber immerhin etwas, wenn auch seine Verlosbarkeit auf 90 Jahre ausgedehnt wurde, vom 1. April 1935 bis zum Schluß des Jahre 2024. Ich will schon sagen, daß die Wahl dieses Datums über das Jahr 2000 hinaus, üer das bloß einmal ein amerikanischer Schriftsteller in seinem "Rückblick aus dem Jahre 2000" geschrieben hat, in allen Kreisen der Republik einigermaßen Aufsehen und Kopfschütteln erregt hat. Wir wollen uns mit diesem guten Glauben an die Standfestigkeit und Haltbarkeit des Staats im Augenblicke abfinden und dem Herrn Referenten seine rosarote Gesinnung nicht rauben und nur feststellen, daß die heutige Fassung gewiß besser ist als die vorhergehende, zumal wir erleben mußten, daß nach der Änderung, die an diesem Gesetz vorgenommen wurde, ja auch die Bestimmung der Kriegsanleihevorlage geändert wurde, nach welcher die wenigen armen Teufel, die durch das jüngst angenommene Gesetz, wie man hier im amtlichen Stile sagt, begünstigt werden, ein unverlosbares Papier hätten erhalten sollen. Man konnte einfach diese Bestimmung nicht aufrecht erhalten und mußte dieser Gruppe 3%ige verlosbare Papiere geben. Trotzdem enthält das Gesetz, wie wir feststellen müssen, auch eine Reihe schwerer Härten. Auch das nach der neuen Fassung ausgegebene Papier wird bei den heutigen Marktverhältnissen keinen viel höheren Wert haben, als etwa 20 Kè für 100 Kronen alter österreichischer Forderung, weil man ja den Gläubiger nur 50% ihrer Forderungen anerkannt hat. Und wenn man nun bedenkt, daß das erhaltene Entgelt auch noch der Vermögensabgabe und der Vermögenszuwachsabgabe unterliegt, kommt ein Betrag von kaum 16 Kè heraus. Diejenigen Gläubiger, denen man bei den Verhandlungen in Wien schon die Hälfte ihrer Forderungen abgehandelt hat, erhalten für 100 Kronen Forderungen gar nur 8 Kè, und das ist für manche mittleren und größeren Unternehmer keine glänzende Bezahlung, wenn man bedenkt, daß das alte Österreich ihm ja für die Übertragung der Heereslieferung ganz gewaltige Posten von Kriegsanleihe angehängt hat, die jetzt von der Èechoslovakischen Republik ebenfalls nicht angenommen werden. Was von den Großunternehmern gilt, gilt mit viel größerer Wucht noch von der großen Zahl mittlerer und kleiner Unternehmer, die von den Wohltaten der èechoslovakischen Gesetzgebung in ihrer Wirtschaft nahezu erdrückt werden.
Hart ist auch die Bestimmung, daß nach dem vorliegenden Gesetz die Geltendmachung jedes weiteren Anspruches grundsätzlich ausgeschlossen ist. Die èechoslovakische Republik will die Heeresforderungen in ihrem vollen Umfang bei der Reparationskommission anmelden, sie raubt aber im Gesetz dem Gläubiger die Möglichkeit, einmal der Èechoslovakischen Republik gegenüberzutreten und von ihr Berücksichtigung zu verlangen für den Fall, daß sie bei der Verrechnung mit der Reparationskommission günstiger abschneidet, als sie ihn selbst behandelt hat. Da hat uns der Herr Referent heute auf einmal mit einer Mitteilung überrascht, von der im Ausschuß keine Rede war. Er hat in seinem Bericht festgestellt, er könne mit Zustimmung der Finanzverwaltung erklären, wenn es gelingen sollte, bei der Reparationskommission durchzusetzen, daß diese Forderungen vollständig von der Reparationsverbindlichkeit der Èechoslovakei abgeschrieben werden, d. h. von den Verbindlichkeiten, welche die Èechoslovakische Republik gegenüber der Reparationskommission für die Übernahme der Staatsgüter aus der Hinterlassenschaft des alten Österreichs hat, dann werde auch die Staatsverwaltung gewiß nicht zögern, den ursprünglichen Gläubigern in geeigneter Weise das zu ersetzen, worum sie sich durch die Verrechnung nach der vorliegenden Vorlage gewissermaßen bereichern würde. Meine Herren, das is ein Wechsel auf lange Sicht! Wir haben keine Ursache, den guten Glauben der Herren, die dem Herrn Berichterstatter diese Worte in den Mund gelegt haben, zu bezweifeln, wir haben keine Ursache, in die ehrliche Meinung des Herrn Berichterstatters - im politischen Leben muß man hie und da noch Treu und Glauben hochhalten, solange man nicht jeden Tag vom Gegenteil überzeugt wird - Zweifel zu setzen, aber wenn man sieht, wie in diesem Staate oft Gesetze übel ausgelegt werden, muß man umsomehr bezweifeln, daß morgen eine Regierung eine Verpflichtung einlöst, die ihre Vorgängerin heute eingegangen ist. Ich erinnere mimich z. B., um ein politisches Faktum zu erwähnen, als wir deutschen Parlamentarier eine Regelung gewisser innerpolitischer Verhältnisse verlangten, daß der jetzige Herr Ministerpräsident Švehla als Minister des Innern amlo. Juli 1920 von dieser Stelle aus erklärt hat: Die Durchührungsverordnung zum Sprachengesetz wird im Herbst erscheinen und sie wird vor ihrer offiziellen Erlassung, das heißt vor der Veröffentlichung in der Sbírka zákonù a naøízení dem Verfassungsausschuß des Abgeordnetenhauses vorgelegt werden. Das sollte damals bedeuten, daß auch die Deutschen Gelegenheit haben werden, ihre Vorschlägek Bedenken und Erfahrungen vor Erlassung der Durchführungsverordnung zur Geltung zu bringen. Das war eine feierliche, in feierlichstem Ton unter atemloser Stille des ganzen Hauses abgegebene Erklärung des damaligen Herrn Ministers des Innern und jetzigen Chefs der Regierung. Solche Fälle, wie èechische Ministerworte heute gegeben und morgen nicht gehalten werden, erleben wir alle Tage, nicht einmal, sondern sehr oft, und darum muß ich auch sagen, daß ich nicht verstehe, warum der Herr Berichterstatter es ablehnen kann, eine Bestimmung, welche die klare Verpflichtung der Èechoslovakischen Republik ausspricht, in finanzieller Beziehung gegen ihre Staatsbürger nicht unmoralisch zu sein, in das Gesetz aufzunehmen und warum er sich damit begnügen will, uns damit zu vertrösten, daß er heute im Namen der Finanzverwaltung - das ist an und für sich ein dunkler Begriff, nicht personell gefärbt, - eine Erklärung abgibt. (Posl. Knirsch: Švehla hat damals gesagt, im Herbst. Er hat aber nicht gesagt, in welchem Herbst!) Nein, nein, ich weiß es genau, er sagte "im Herbste dieses Jahres". Ich habe es oft und oft nachgesehen.
Unbillig ist auch folgende Bestimmung: Die èechoslovakische Finanzverwaltung behält sich das Recht vor, die Schuldverschreibungen, die sie für die alten Heeresforderungen geben will, zur Bezahlung von Steuerrückständen zurückzubehalten. Angenommen, daß das recht ist: der Staatsbürger wird vielleicht froh sein, in guter Manier von alten Steuerrückständen loszukommen, aber zu verstehen ist dann nicht, warum die èechoslovakische Staatsverwaltung das on ihr ausgegebene Papier vom Staatsbürger beim Steuerzahlen nicht zum Nominalwert zurücknehmen will, zu jenem Wert, den sie dem Papier selbst verleiht, sondern zu einem näher zu bestimmenden Wert, wahrscheinlich zu dem, den die Kulissenschieber an der Prager Börse diesem Staatspapier verleihen. Weiters verstehen wir nicht, warum man in das Gesetz nicht die Bestimmung aufnehmen will, daß das èechoslovakische Staatspapier, welches für gelieferte gute Ware gegeben wird - es laufen heute noch èechoslovakische Soldaten in den alten Uniformen herum - nicht auch zur Zahlung von Steuern für die Gegenwart und Zukunft, sagen wir zumindest innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, verwendet werden kann. Klaren Aufschluß möchten wir von der Finanzverwaltung auch über die Art der Vorauszahlung an die Kleingewerbetreibenden und kleinen Kaufleute haben, denn man kann aus § 5 die Möglichkeit herauslesen, daß man einem solchen Menschen, wenn man ihm 10 K zuviel gezahlt hat, noch eine Rückerstattung auferlegen könnte. Der Herr Berichterstatter hat, bevor wir noch gesprochen haben, gegen unsere Anträge polemisiert und für Recht gefunden, daß von der Begünstigung ausgeschlossen werden solche èechoslovakische Staatsbürger, die nicht seit Ausrufung der Republik in Prag ununterbrochen ihren Wohnsitz im Staatsgebiet gehat haben; er meinte, der Staat könne nur jenen Staatsbürgern entgegen kommen, - was man so "Entgegenkommen" nennt, - die ihre Betriebe im Inland aufrecht erhalten wollen. Meine Herren! Jede Medaille hat ihre Kehrseite. Ist nicht vielleicht gerade durch die èechoslovakische Finanz- und Wirtschaftspolitik mancher betriebsame und mancher erwerbsfrohe Mensch ins Ausland, ins "Elend" wie der altgermanische Ausdruck lautet, getrieben worden, weil er hier nicht eine Heim stätte fand, weil die èechoslovakische Wirtschaftspolitik namentlich an den Grenzen Tausende und Tausende von Kleingewerbetreibenden zu Bettlern machte, zumal diese Menschen dann von keinem Staat für das, was die Èechoslovakische Republik von ihnen übernahm und womit sie womöglich bei der Reparationskommission auftrumpfen will, auch nur einen Heller Entschädigung erhalten. Dem èechoslovakischen Staatsbürger verweigert sein Staat, aus dessen Gefilden er auswandern mußte, weil er nicht genug Brot und Verdienstmöglichkeit fand, jedes Entgegenkommen; der fremde Staat bedankt sich natürlich bei ihm erst recht schön dafür. Das muß uns umsomehr verwundern, als bei der Art der Behandlung, bei dem geringen Entgegenkommen gegenüber den Staatsgläubigern, wie sie genannt werden müssen, die èechoslovakische Regierung gegen andere Kriegs- und Heereslieferanten nicht so unnobel ist, sondern sich überaus nobel zeigt: ich meine das Verhalten gegenüber dem großen Armeelieferantennn der französischen Republik, französische Brudernation genannt. Bei seiner letzten Reise in Frankreich hat Herr Minister Uržal wieder verschiedene Abschlüsse getätigt, aber vor allem dem französischen Bundesgenossen ein Loblied gesungen, ein Loblied, das in sehr disharmonischem Gegensatz steht zu den schrillen Todesschreien der Dutzende und Dutzende Piloten der èechoslovakischen Wehrmacht, die sich zu Tode stürzten in den glänzenden Aëroplanen, die die französische Armee als altes Wrack verworfen und dem èechoslovakischen Bundesgenossen um teueres Geld aufgehalst hat.
Es gibt eine Reihe von Gründen, meine Herren, welche auch vorliegendes Gesetz als getragen vom Unrechtssystem der èechoslovakischen Staatsverwaltung und als mangelhaft erscheinen lassen, so daß wir für das Gesetz in der gegenwärtigen Form nicht stimmen können. Aber wir stellen fest: wenn die èechoslovakische Republik wirklich daran denkt, ihren Staatskredit im In- und Auslande auch nur auf ein etwas höheres Niveau zu bringen, wird auch dieses Gesetz in der Frage, die es betrifft, die endgiltige Lösung nicht bedeuten, sondern einmal einer Novellierung und Ergänzung unterzogen werden müssen. (Souhlas na levici.)
12. Øeè posl. dr. Holitschera (viz str. 1961 tìsnopisecké zprávy):
Sehr geehrte Damen und Herren! In die kurze Septembertagung, die knapp drei Wochen gedauert hat, preßt die Regierung, preßt die Koalition eine Reihe der wichtigsten Gesetzesvorlagen hinein, die jemals in diesem Hause beraten und beschlossen worden sind. Im Eiltempo, wie wir es hier schon gewohnt sind, wurde die Einlösung der Kriegsa eihe verhandelt, haben wir in wenigen Tagen die Sozialversicherungsvorlag beraten und beschlossen, und nun wird zum Schluß noch eine Reihe von Finanzvorlagen auf den Tisch dieses Hauses gelegt, mit denen die Regierung, wie sie sagt, Ordnung schaffen will, durch die sie alte Reste von Schulden, die hier im Laufe der Jahre sich angesammelt haben, begleichen will, durch die sie Ordnung schaffen will auch auf wirtschaftlichem Gebiete in diesem Staate.
Wir sind gerne bereit, der Regierung, sogar dieser Regierung, wenn wir ihr Tun und Lassen auch mit sehr wenig Vertrauen begleiten, dabei zu helfen, daß sie Ordnung schafft und daß sie endlich gewisse unerträglich gewordene Mißstände aus der Welt schafft, die seit Jahren der Bevölkerung dieses Reiches zum schwersten Nachteil gereichen. Aber wie will die Regierung Ordnung schaffen? Die zwei Vorlagen, die gegenwärtig im Augenblick beraten werden und über die wir in wenigen Minuten Beschluß fassen sollen, die Art und Weise, wie diese Vorlagen ausgearbeitet wurden und diese beiden Probleme gelöst werden, zeigt aufs neue, mit wie wenig Ernst und Gewissenhaftigkeit die Regierung und die Koalition an derartige Dinge herantreten. Aus den Vorlagen atmet derselbe Geist, der heute unsere ganze politische Entwicklung beherrscht. Es ist der Geist, die Macht und den Einfluß der Regierung zu stärken, ins Unermeßliche zu erweitern. Die Volksvertreter übertragen in jedem neuen Gesetz, das hier geschaffen wird, der Regierung neue diskretionäre Gewalten, durch welche der Geist der Demokratie, soweit er überhaupt noch in diesem Staate lebt, vollständig ausgetrieben wird. Sehen wir uns nur diese beiden Vorlagen an, die heute vor uns auf dem Tische liegen. Immer wieder finden wir in jedem zweiten oder dritten Paragraph das verhängnisvolle Wörtchen "kann", niemals, wie in anderen Staaten, auferlegt die Volksvertretung der Regierung die Pflicht, so zu handeln, wie es die Volksvertreter wollen. Überall wird der Regierung Freiheit gelassen, so zu handeln, wie sie will. Sie "kann", heißt es hier, dem und jenem seine Schuld bezahlen, die er vom Staat für Kriegslieferungen zu fordern hat. Sie "kann" wenn sie will, ihm etwas geben. Es steht ihr aber frei, ohne daß sie irgend jemand Rechenschaft darüber zu geben braucht, ihm auch nichts zu bezahlen.
Die Regierung ernennt nach der anderen Vorlage, mit der wir uns gleich dann zu beschäftigen haben werden, das Kuratorium, das über ungeheuere Summen zu verfügen hat. Wiederum wird es in die diskretionäre Gewalt der Regierung gestellt, wen sie ernennt, wer über diese Summen zu verfügen hat, und keine Kontrolle gibt es darüber. Die Volksvertretung degradiert sich, sie entmannt sich, sie gibt der Regierung eine Gewalt, die nicht ihr, sondern der Volksvertretung gehört, und deshalb fällt auch alles das so schlecht aus, was in diesem Staate an derartigen Dingen gemacht wird. Darum müssen wir auch diesen beiden Vorlagen, so sehr wir mit den Grundgedanken, die ihnen zugrunde liegen, übereinstimmen, mit tiefstem Mißtrauen entgegentreten. Wir wissen im vorhinein, was geschehen wird, sowohl wenn es sich um die Bezahlung der Kriegslieferungen handeln, als auch wenn es sich darum handeln wird, Subventionen an Banken, Genossenschaften usw. zu erteilen, die darauf Anspruch zu haben glauben. Wir wissen, daß die Parteien einen Wettlauf entfalten werden, daß diejenigen etwas kriegen werden, die gut angeschrieben sind, und die anderen nicht. Wir wissen, daß hier eine neue Gelegenheit zur Korruption geschaffen wird und darum können wir die Vorlagen, so wie sie uns vorliegen, auf keinen Fall akzeptieren.
Die Vorlage 4814 ermächtigt die Regierung zur Übernahme der sogenannten Kriegsforderungen. Es scheint auch durchaus gerecht zu sein, daß diese alten Schulden endlich bezahlt werden. Die èechoslovakische Regierung behauptet, daß sie es vollständig freiwillig tut, daß sie nach den Friedensverträgen gar nicht genötigt sei, es zu tun. Sie stützt sich hier auf den toten Paragraphen und erkennt nur zögernd und widerwillig die moralische Verpflichtung an, die ihr durch das Sittengebot gegeben wird, diese Kriegsforderungen einzulösen, an. Wir wissen, daß es unter den Kriegslieferanten die ärgsten Kriegsgewinner und Wucherer gibt, die sich auf der anderen Seite dafür, daß sie Kriegsanleihe zeichnen mußten und daß sie lange auf die Bezahlung warten mußten, reichlichst entschädigt haben. Es sind unter diesen Kriegslieferanten die größten Unternehmungen dieses Staates, denen es trotz alledem, was ihnen widerfahren ist, sehr gut geht, und die zu bezahlen wahrlich nicht notwendig erscheint, da sowiele kleinen Leute, die Kriegsanleihe gezeichnet haben, um ihr letztes Stückchen Brot gebracht worden sind. Jene Leute aber haben ihre Verluste reichlich und vielfach wieder hereingebracht. Daneben gibt es wieder eine Reihe von armen Teufeln, kleinen Gewerbetreibenden, die durch die Nichtbezahlung ruiniert worden sind. Aber wir haben heute nicht die geringste Sicherheit dafür, daß das Finanzministerium bei der Übernahme sich von rein sachlichen und, sagen wir es heraus, auch menschlichen Erwägungen wird leiten lassen. Im Gegenteil, wir sind fest davon überzeugt, daß die politische und nationale Haltung der Lieferanten entscheidend sein wird. Wir wissen im vorhinein, daß sich ein Wettlauf der Parteien entwickeln wird, um ihren Schoßkindern zu helfen, und daß den Machtverhältnissen entsprechend jene Lieferanten, die zum Živnokonzern gehören, eine Vorzugsstellung einnehmen werden, in die sie sich allerdings zu ihrem Bedauern mit agrarischen und anderen, nationaldemokratischen Lieferanten werden teilen müssen. Wir können mit Sicherheit voraussagen, daß deutsche Gläubiger, auch wenn sie noch so berücksichtigungswert sein werden, gar nichts bekommen, oder doch nur unter der Bedingung, daß sie ihre Loyalität beweisen, und was das in der Republik heißt, haben wir leider mehr als genug oft erfahren. Es liegt auf der Hand, daß zwar die großen Unternehmungen etwas davon haben werden, wenn sie für den vierten Teil ihrer Forderungen entschädigt werden - die eine Hälfte hat man ihnen schon voraus im Verhandlungswege weggenommen, die andere Hälfte nimmt man ihnen jetzt weg, da sie für je 100 Kronen ihrer Forderungen nur 50 Kronen von dem aufzulegenden Papier bekommen - für diese großen Leute mag es eine Bedeutung haben, wenn sie ein 3% iges, allerdings verlosbares, Anleihepapier bekommen, das an der Börse nur mit einem sehr geringen Kurswert notiert werden wird. Die kleinen Leute aber werden gezwungen sein, wenn sie irgend etwas haben wollen, dieses Papier zu verkaufen, und sie bekommen daher für ihre ursprüngliche Forderung beinahe nichts, für 100 Kronen, die sie zu verlangen haben, vielleicht 6 oder 7 Kronen. Diese kleinen Leute werden darum wirklich als Opfer bezeichnet werden können und sie werden von dieser Vorlage so gut wie nichts bekommen. Bei der "Prager Eisen" und bei den Skodawerken, wo es sich um Hunderte von Millionen handelt, wird es allerdings etwas ausmachen und die werden das Papier, das sie heute bekommen, als Aktivum in die Bilanz einstellen können. Sehr viel wird ihnen voraussichtlich auch damit nicht gedient sein. (Pøedsednictví se ujal pøedseda Tomášek.)
Wenn wir daher auch damit einverstanden sind, daß die Kriegslieferungsforderungen endlich bereinigt werden, so können wir doch die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht akzeptieren. Aber auch wegen der Art und Weise, wie die Sache bei der Kürze der Zeit im Ausschuß behandelt wurde, wobei eine ganze Reihe heterogener Gesetzentwürfe zusammengefaßt wurde, so daß eine gründliche und gewissenhafte Prüfung und Erwägung unmöglich war, beantragen wir die Rückverweisung der Vorlage an den Budgetausschuß, damit wenigstens die gröbsten Fehler daraus ausgemerzt werden.
Denselben Vorschlag machen wir auch bezüglich der zweiten zur Verhandlung stehenden Vorlage, welche die Errichtung eines Spezialfondes zur Milderung der aus den Nachkriegsverhältnissen entstandenen Verluste betrifft. Auch hier handelt es sich um eine an sich gute und gesunde Idee, die aber in einer so verzerrten und unerträglichen Form durchgeführt werden soll, daß der schärfste Widerspruch hervorgerufen werden muß. Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine ganze Reihe von Spar- und Vorschußkassen, ganz besonders viele Erwerbs- und Konsumgenossenschaften durch die Nachkriegsverhältnisse, durch die Deflation und Inflation, durch die ganz abnormalen wirtschaftlichen Verhältnisse schwere und dabei durchaus unverschuldete Verluste erlitten haben, die ihre verderbliche Wirkung auf die ganze Bevölkerung ohne Unterschied erstreckt haben. Wir weisen besonders auf die großen Verluste hin, die den Konsumgenossenschaften durch die plötzliche Herabsetzung des Mehlpreises erwachsen sind, wie sie durch die Verordnung Srba herbeigeführt worden ist. Diese Konsumvereine mußten große Vorräte von Mehl auf Lager haben, um für alle Fälle gewappnet zu sein, um nicht plötzlich einem Vacuum gegenüberzustehen. Sie haben an den Mehlvorräten ungeheuere Verluste erlitten und es ist nur gerecht und billig, wenn die Konsumgenossenschaften für diese Verluste sowie für alle anderen, die sie in dieser schweren Zeit, durch diese überstürzten wirtschaftlichen Vorkommnisse, die auch vom besten Lenker der Konsumgenossenschaft nicht vorausgesehen werden konnten, erlitten, entschädigt werden, vom Staate aus der bösen Lage, in die sie unverschuldet geraten sind, befreit werden. Wir finden es durchaus in Ordnung, wenn derartige Institutionen, die eine unentbehrlich notwendige gesellschaftliche Funktion erfüllen, von der Gesellschaft und ihrem vornehmsten Organ - das ist der Staat - unterstützt werden. Die Erwerbs- und Konsumgenossenschaften bedeuten in dem Chaos, in dem sich in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung die Gütererzeugung und die Güterverteilung befindet, den einzigen Regulator und wir hoffen und wünschen, daß sie immer mehr in die Lage versetzt werden, diesen regulierenden Einfluß auf die Erzeugung und Verteilung der Güter auszuüben. Denn wir sehen tagtäglich mit neuem Entsetzen, welche Verwirrung herrscht, wie bei der Erzeugung und Verteilung der Güter niemals auf den Bedarf der Bevölkerung Rücksicht genommen wird und wie niemals und nirgends auf dem einfachsten Wege vorgegangen wird, wodurch ungeheuere Mengen von Menschenkraft, von Menschengut erspart werden könnten; unter diesen Verhältnissen zeigen die Genossenschaften den Weg, den wir gehen müssen, um aus diesem Chaos herauszukommen. Darum ist es recht und billig, daß die Gesellschaft diese Genossenschaften fördert, wo es nur möglich ist. Wir würden darum sehr gerne ein gutes Gesetz unterstützen, das uns den Weg zeigt, der notwendig ist, um diese Funktion zu erfüllen. Hier aber werden diese nützlichen und notwendigen Organisationen, die Sparkassen, die Vorschußkassen, die Konsumgenossens chaften zusammengefaßt, zusammengepfercht in einer Vorlage mit jenen großen Banken, die ihre ungeheueren Verluste keineswegs erlitten haben hauptsächlich oder ausschli ßlich durch die Nachkriegsverhältnisse, sondern durch die waghalsigen, verwegenen, verbrecherischen Spekulationen, zu denen sie die Inflation, nicht nur hier in der Èechoslovakei, sondern in ganz Europa verleitet hat und in die unzählige Menschen mehr oder weniger aus eigener Schuld mit hineingezogen worden sind. Ich brauche nicht auf die Einzelheiten dieser Vorgänge, die wir im Frühjahr 1923 schaudernd miterlebt haben, einzugehen. Ich erinnere nur an die Debatte, die über den Bankkrach im Frühjahr 1923 im Budgetausschuß abgeführt wurde, wo sie, um einen populären deutschen Ausdruck zu gebrauchen, abgekragelt worden ist, ferner an die Debatte, die im Hause stattfand, bei der unser Parteigenosse R. Fischer unsere Meinung zum Ausdruck gebracht hat. Diese Verluste, die damals von den Banken wegen und durch ihre unerhörten Spekulationen erlitten worden sind, werden nun in einen Gesetzentwurf hineingepreßt mit Verlusten, die tatsächlich unverschuldet durch die Nachkriegsverhältnisse herbeigeführt worden sind. Das ist eine Irreführung, das ist eine Täuschung der Öffentlichkeit, gegen die wir protestieren müssen.
Und wie soll die Sanierung nun geschehen? Die Banken und die anderen Organisationen sollen Beiträge leisten, außerdem aber soll der Staat Geld dazu hergeben, und zwar nicht gerade wenig Geld, durch 50 Jahre jährlich bis 50 Millionen. Ich weiß natürlich sehr gut, daß in der Vorlage steht, es müssen nicht jedes Jahr 50 Millionen hergegeben werden. Der Staat kann nur, wenn es notwendig ist, bis zu 50 Millionen hergeben, wenn es verlangt wird. Aber wir wissen schon, daß sich immer Leute finden werden, die erklären werden, daß 50 Millionen notwendig sind, und wir erklären heute schon, daß dies eine Belastung des Staates mit 2 Milliarden bedeutet, und es bedeutet dies weiters eine ungefähr 7%ige Erhöhung der gesamten Steuern, die die Bevölkerung der Èechoslovakischen Republik jährlich zahlen muß. Und über diese 2 Milliarden - allerdings in 50 Jahren, aber immerhin - entscheidet ein Kuratorium, dessen Mitglieder vom Finanzminister, von der Regierung ernannt werden, auf deren Bestellung die Bevölkerung und die Volksvertretung nicht den mindesten Einfluß haben. Der Finanzminister kann hineinberufen, wen er will, und wir können uns schon vorstellen - und es wäre gar nicht zu begreifen, wenn es anders wäre - daß der Finanzminister nur solche Leute hineinsetzen wird, die so tanzen, wie er pfeift. Er muß aus verschiedenen Interessentengruppen je drei Vertreter hineinnehmen. Aber in jeder dieser verschiedenen Interessentengruppen werden sich schon drei Leute finden, die ein nicht allzusteifes Rückgrat haben und die dem Herrn Finanzminister zu Willen sein werden, besonders wenn er die Institute, aus denen die Leute gerade genommen sind, ein bischen besser behandelt.
Meine Damen und Herren! Sie wissen, daß ich nicht zu denen gehöre, die scharf machen und die sich in der Politik brutaler Mittel bedienen. Aber das muß hier gesagt werden: ob die Absicht heute besteht oder nicht, es wird damit ein Korruptionsfonds geschaffen, wie man sich ihn nicht ärger vorstellen kann. (Sehr richtig!) Der Herr Berichterstatter ist über diesen meinen Ausspruch entrüstet. Ich muß ihn trotzdem aufrechterhalten. Es wird dieser Handvoll von Leuten die Möglichkeit gegeben, jährlich über 50 Millionen zu verfügen, ohne daß sie irgendeinem Menschen darüber Rechenschaft schuldig wären, der außerhalb dieses Kuratoriums steht, abgesehen vom Finanzminister und der Regierung. Das ist keine Kontrolle. Eine Kontrolle muß immer der Öffentlichkeit zustehen und in dem Augenblick, in dem diese Kontrolle aufhört - dafür gibt es in der Geschichte, dafür gibt es in ganz Europa und leider auch, wir sagen dies auf Grund der Erfahrungen, die wir hier in sechs Jahren gesammelt haben, in der Èechoslovakei, hundert- und tausendfache Vorbilder - kann man kein Vertrauen mehr haben! Wir können daher kein Vertrauen zu einer Vorlage haben, die an uns eine solche Zumutung stellt, die die Verfügung über derartige Summen einigen Menschen überläßt, die nicht von uns gewählt werden, die nicht der Öffentlichkeit verantwortlich sind, sondern die die Verteilung dieser Summen unter sich besorgen werden. Und wir wissen es am besten, wie in diesem Staate vorgegangen wird. Ich will vorläufig nicht von den Deutschen reden, das ist ein Kapitel für sich, aber selbst unter der èechischen Bevölkerung herrscht Empörung darüber, wie vorgegangen wird, wenn der Staat etwas zu vergeben hat.
Auch jetzt gibt es eine ganze Reihe von solchen Dingen, wo es heißt: der Staat kann, er muß aber nicht, er kann das und das geben, er darf das und das geben, wem er will.
Erst recht wir Deutschen fühlen es immer wieder, wie die Gerechtigkeit, wie die Billigkeit, die in diesem Staate herrscht, ihre Orgien feiert und wie wir bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt werden und wir wissen, das es auch hier bei der Durchführung dieses Gesetzes nicht anders sein wird. Darüber sind wir uns im vorhinein vollständig im klaren.
Eine Geschäftsordnung soll erlassen werden, nach der dieses Kuratorium vorgehen wird. Diese Geschäftsordnung soll in zwei Monaten fertig sein. Wir kennen sie nicht, wir wissen nicht, wie sie aussehen wird, wir werden keinen Einfluß haben, wie sie gemacht werden wird. Auch das erledigt die Regierung mit einigen Vertrauensmännern, die sie sich gut aussuchen wird, damit sie ihr nicht zu viel Opposition machen. Mit einem Wort, das ganze Gesetz gleicht einem weißen Blatte, das der Regierung übergeben wird und auf das sie schreiben kann, was sie will. Diejenigen werden etwas kriegen, die der Regierung zu Gesichte stehen; nicht nach sachlichen Erwägungen wird vorgegangen werden, oder wenigstens haben wir keine Sicherheit dafür, daß nach sachlichen Erwägungen vorgegangen wird, sondern nach persönlichen und Parteirücksichten und darum müssen wir die Vorlage, so wie sie ist, zurückweisen, obwohl wir, wie ich vorausgeschickt habe, der Ansicht sind, daß für diejenigen Organisationen, die durch die Nachkriegsverhältnisse unverschuldet in eine schwierige Lage gekommen sind, etwas seitens des Staates, seitens der Gesellschaft getan werden müßte.
Wir verlangen auch die Zurückweisung dieser Vorlage an den Budgetausschuß, weil wir damit zum Ausdruck bringen wollen, daß wir der guten Idee beipflichten, daß wir bereit sind, mitzuarbeiten an ihrer Durchführung, daß wir aber die Art und Weise, wie sie hier durchgeführt wird, zurückweisen müssen, weil sie nicht demokratisch ist, weil sie die Macht der Bürokratie und des Zentralismus in diesem Staate, die ohnehin schon so hypertrophisch entwickelt sind, noch mehr stärkt. Diese Methoden werden diesem Staat, ich sage es Ihnen heute von dieser Stelle, nicht zum Vorteile gelangen. Sie verlassen den Boden der Demokratie, Sie schneiden die Wurzeln ab, die diesen Baum, diesen Staat ernähren sollen. Wir warnen Sie. Nicht wir sind es, die die Grundlagen dieses Staates untergraben, wie Sie uns immer zum Vorwurf machen, Sie selbst sind es, und die Früchte, die Sie ernten werden, werden Ihnen ganz gewiß noch einmal die bittersten Stunden bereiten. (Souhlas a potlesk na levici.)