Ètvrtek 2. dubna 1925

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 341. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 2. dubna 1925.

Øeè posl. Schweichharta (viz str. 80 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Berge kreißten und geboren wieder einmal eine Maus. Die versprochene Lösung der kirchenpolitischen Fragen begann mit der lendenlahmen Regelung der Feiertagsfragen. Nun folgt diese stümper hafte, uns beschäftigende Vorlage. Wo ist die Erfüllung der beim Umsturz gemachten Versprechungen, wo ist die stolze antiklerikale Vergangenheit des èechischen Volkes? Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das, was in der Unabhängigkeiterklärung des èechoslovakischen Volkes durch seine provisorische Regierung am 28. Oktober 1918 feierlich verkündet wurde. In dieser Proklamation heißt es: "In fortwährendem Streben nach Fortschritt wird der èechoslovakische Staat vollständige Freiheit des Gewissens, der Religion und Wissenschaft, der Literatur und Kunst, der Sprache und Presse und des Rechtes auf Versammlungen und Petitionen gewährleisten. Die Kirche wird vom Staate getrennt werden." Was von diesen Versprechungen bisher erfüllt oder nicht erfüllt wurde, ist uns ja alen bekannt. Daß die Blütenträume der èechischen Demokratie und des èechischen Freisinns bisher nicht gereift sind, ist wohl auf den Fluch des Nationalismus, der die Koalition geschaffen hat und so eigentlich der Reaktion dient, zurückzuführen. Im Gegensatz zum èechoslovakischen Staat möchte ich auf Frankreich hinweisen, das in dieser Beziehung eine mustergiltige Gesetzgebung aufweist. Frankreich ist ja der Freund des èechoslovakischen Staates, respektive der Koalition und der Regierung, und immer wird Fr ankreich als Muster hingestellt. Nur in dieser Beziehung ahmt man das Beispiel Frankreichs nicht nach. Ich möchte darauf hinweisen, daß die französische Republik keinen Kult bezahlt oder unterstützt, sämtliche Zuwendungen von Seiten des Staates, der Departements und der Gemeinden sind seit dem Jahr 1905 vollständig eingestellt und es verbleiben nur die Ausgaben für religiöse Übungen an öffentlichen Anstalten, angeschlossenen Schulen bei Asylen und Gefängnissen. Die Gebäude, in denen der Kult abgehalten wird, gehören seit der großen französischen Revolution dem Staate, den Departements und Gemeinden und sind heute noch mit dem gesamten Mobilar Eigentum dieser öffentlichrechtlichen Körperschaften. Die Religionsgenossenschaften unterstehen dem Vereinsgesetz und haben ausschließlich den Zweck, dem Kultus zu dienen. Es ist genau vorgeschrieben, welche Mitgliederanzahl notwe dig ist, um eine solche Religionsgemeinschaft zu bilden. Der Mindestsatz beträgt 7 bis 25 erwachsene Mitglieder. Man kann genau wie bei jedem an deren Vereine austreten, wenn man die Gebähren bezahlt. Interessant und kennzeichnend ist auch der Umstand, daß alljährlich in diesen Religionsgemeinschaften eine Generalversammlung stattzufinden hat, wo Rechnung gelegt wird. Unsere Herren Geistlichen sind zu diesen Dingen nicht verpflichtet. Diese Assoziationenund Kirchengemeinden können nach dem französische Vereinsgesetz Verbände bilden. Es ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß der Reservefond höchstens das dreifache des Jahresbudgets betragen darf. Die Kultusgebäudesind teuerfrei, die Priesterwohnungen und Seminare dagegen nicht. Religionsübungen dürfen nur in dazu bestimmten Gebäuden abgehalten werden und unterliegen der Anzeige an die Behörden; allerdings braucht eine solche Kirchengemeinde nur einmal im Jahre anzugeben, an welchen Tagen sie den Gottesdienst abhält. Ich möchte noch erwähnen, daß das Glockengeläute durch eine Gemeindeverordnung, im Streitfalle durch eine Verordnung des Präfekten geregelt ist. Es ist ausdrücklich verboten, daß irgendwelche religiösen Embleme an öffentlichen Gebäuden oder Plätzen angebracht werden. Wir sehen also, daß in Frankreich ganz andere Verhältnisse bestehen, als in unserem Staate und daß sich unser Staat in der Richtung ein Beispiel nehmen könnte. Die Unnatur der allnationalen Koalition bedingt eben, wie auch im Ausschuß heute zugegeben wurde, ein faules Kompromiß, und das vorliegende Gesetz ist ja eines der übelsten Kompromisse. Man tröstet sich allerdings mit der Täuschung, daß weitere kirchenpolitische Fragen später gelöst werden. Es frägt sich nur wie.

Die Vorlage behandelt lediglich die Regelung der gegenseitigen Verhältnis se der Religionsgemeinschaften und läuft im wesentlichen darauf hinaus, daß die alten österreichischen Gesetze übernommen, modifiziert und auf die Slovakei und Karpathorußland ausgedehnt werden. Es ist also eigentlich eine Unifizierung, wobei allerdings noch in Betracht kommt, daß der künftige Sejm von Karpathorußland das Recht hat, diese Vorlage eventuell abzuändern.

Ich will nicht auf Nebensächlichkeiten eingehen, sondern mich den allerwichtigsten Fragen, die der Regelung harren, zuwenden. Der § 8 ist von entscheidender Bedeutung. Dort ist die Rede von Beiträgen und Leistungen der einzelnen Religionsmitglieder. Wir sind für die Streichung dieses Paragraphen eingetreten und haben folgende Fassung beantragt: "Angehörige einer Kirche oder Religionsgesellschaft dürfen zu Geld- und Naturalbeiträgen oder zur Leistung von Arbeiten für Kultus- und Wohltätigkeitszwecke zugunsten einer anderen Kirche oder Religionsgesellschaft, der sie nicht angehören, nicht verhalten werden". Weiters: "Ebenso dürfen öffentliche (Staats-, Landes-, Gau-, Bezirks-, Gemeinde-) Mittel für Zwecke einer Kirche oder Religionsgesellschaft nicht verwendet werden".

Wir vertreten eben das Prinzip der vollständigen Trennung von Kirche und Staat im beiderseitigen Interesse, wie es ja in der Praxis längst zum Beispiel in den Vereinigten Staaten der Fall ist. Übrigens möchte ich hier auf die Tatsache hinweisen, daß durch das seinerzeitige österreichische sogenannte Gemeindegesetz ausdrücklich erklärt wurde, daß allgemeine Steuergelder für den Zweck einer Religionsgenossenschaft nicht herangezogen werden dürfen. Durch das Gesetz vom 7. Mai 1874, R.-G.-Bl. Nr. 50, ist sogar ausdrücklich gesagt, daß diese Religionsgenossenschaften ihre Mittel selbst aufbringen müssen. Wir verlangen, daß der § 35 dieses Gesetzes, betreffend die Konstituierung der Pfarrgemeinden, endlich auch hier durchgeführt wird. Warum ist das nicht geschehen? Kollege Myslivec hat vor einigen Tagen sich gerühmt, und auch der Herr Vorredner Dr. Buday hat davon gesprochen, daß die große Mehrzahl der Bevölkerung der Èechoslovakei Katholiken sind. Wenn das der Fall ist, was kann also geschehen, wenn diese zu regelmäßigen Zahlungen an ihre Kirchengemeinschaft verpflichtet werden, so ähnlich, wie es bei den Juden und Protestanten der Fall ist? Oder fürchtet man vielleicht in den klerikalen Kreisen, daß dann die sogenannten Gläubigen davonlaufen, daß sie bloße Scheinchristen sind? Es hat, beinahe den Anschein, daß dem so ist. Wir sind entschieden dafür, daß die vielen Millionen, die heute der Staat für verschiedene Zwecke den Kirchen widmet, erspart werden. Der Reichtum der katholischen Kirche ist so groß, daß sie sich wirklich von den ungläubigen Staatsbürgern nichts schenken lassen braucht. Ich verweise nur auf den großen Besitz an Grund und Boden, den die katholische Kirche in Böhmen allein hat. Hier verfügt sie über 150.395 ha, das sind 3% des gesamten Grundes und Bodens. Im Mähren gehören der Kirche 3·8% des gesamten Grundes und Bodens und in Schlesien sogar 7·3%. Das vor vielen Jahren bereits ausgewiesene - Kirchenvermögen in Böhmen betrug 209 Millionen Kronen. Wenn man das nach dem jetzigen Stand der Valuta umrechnet, kommt man zu ganz fabeljaften Beträgen. Damals schon, vor 20 Jahren, waren die Einnahmen der Geistlichkeit bedeutend höher als ihre Ausgaben und Millionen und Millionen hat man jährlich in Grund und Boden investieren können. Trotzdem hat die Kirche noch obendrein vom Staate Millionen Kronen Unterstützungen bekommen. Es ist ganz klar, daß wir unter solchen Umständen für die Loslösung der Kirche vom Staate eintreten müssen, eine Forde ung, die auch Präsident Masaryk ausdrücklich billigt. In der heutigen "Prager Presse" ist ein Artikel enthalten, in dem es heißt, eine friedlich durchgeführte Trennung zwischen Kirche und Staat werde nach seiner, d. h. nach Ansicht des Herrn Präsidenten, den edlen Wetteifer zwischen einzelnen Kirchen steigern. Auch Präsident Masaryk gebe sich keiner Täuschung darüber hin, daß der Katholizismus in Glaubenssachen keine Kompromisse schließen könne, und der Herr Präsident respektiere auch diesen Standpunkt.

Ich möchte nun weiter in der Kritik des Gesetzes fortfahren. Bei § 10 betreffend die Beerdigung sind wir für die Abschaffung der konfessionellen Friedhöfe eingetreten. Sie wissen, verehrte Damen und Herren, daß bei Begräbnissen sich vielfach Unzukömmlichkeiten und Skandale ereignet haben, daß man z. B. Protestanten ein ehrliches anständiges christliches Begräbnis verweigert hatte. Wir haben nun den Antrag gestellt, daß alle bestehenden Friedhöfe in das Eigentum und in die Verwaltung der politischen und der Ortsgemeinden übergehen sollen, für welche sie bisher bestimmt waren. Nur haben wir auch hinzugefügt. "Niemand darf das Begräbnis oder die Anbringung von Aschenurnen verhindern, noch verbieten oder stören." Heute ist es noch möglich, daß die Aufstellung von Aschenurnen verweigert erden kann. Man kann ein Familiengrab haben, aber wenn die vorgesetzte Kirchenbehörde nicht will, so darf die Asche das Verstorbenen im eigenen Grabe nicht beigesetzt werden.

Bei § 11 betreffend die Regelung der Fei tage haben wir darauf hingewiesen, daß nicht bloß während des Gottesdienstes alle öfentlichen nicht notwendigen Arbeiten zu ruhen haben, sondern daß während des ganzen Sonntags die Arbeit zu ruhen hat, ohne Rücksicht auf den Gottesdienst. Wir wollen haben, daß auch die Geschäfte den ganzen Sonntag über gesperrt sind und sind immer für den vollständigen Ladenschluß usw. eingetreten.

Bei Abs. 4 dieses Paragraphen haben wir die Streichung der Bestimmung verlangt, daß bei den herkömmlichen feierlichen Prozessionen Störungen vermieden werden sollen, weil wir darauf hingewiesen haben, daß auch künftig Religionsgenossenschaften entstehen können und daß z. B. auch die Freidenker das Bedürfnis einer Demonstration haben können, wobei sie vom Gesetze ebenfalls geschützt werden sollen. Wichtig ist für uns auch Folgendes: Die §§ 13 und 14 statuieren gewisse Religionsfreiheiten in der Schule, das Recht der Minderheit also, sich religiösen Trost spenden zu lassen. An und für sich ist das ein demokratischer Zug im Gesetze, eine gewisse Konzession. Wir lehnen aber überhaupt den Zustand ab, daß Schule und Kirche miteinander verknüpft werden. Wir sind auch hier für die vollkommene Trennung von - Kirche und Schule, im beiderseitigen Interesse. Wir wissen schon, daß die Kirche das Gegenteil will. Die Kirche, insbesondere die römisch-katholische, hat andere Voraussetzungen als wir. Um eine Verständigung herbeizuführen, was eigentlich das Ziel der katholischen Kirche ist, möchte ich einen Menschen sprechen lassen, der hinter die Kulissen geblickt hat. Der Exjesuit Graf von Hoensbroech schreibt darüber: "Der Ultramontanismus lehrt, daß die katholische Kirche ein vom Staat nicht nur vollständig unabhängiger durchaus selbständiger Organismus, sondern daß sie in allen den Glauben und die Sitten betreffenden Angelegenheiten dem Staate übergeordnet ist, so zwar, daß der Staat sich ihren Anordnungen zu fügen, ihr wirklichen Gehorsam zu leisten hat. Da nun Glauben und Sitten so ziemlich das ganze öffentliche Leben umspannen und da überdies die Kirche das Recht besitzt, authentisch, ja unfehlbar festzusetzen, ob etwas und was in das Gebiet des Glaubens und der Sitte gehört, so ist rechtlich und tatsächlich nach ultramontaner Lehre die Kirche die Oberherrin des Staates. Das ist die vielgenannte indirekte Gewalt der Kirche über den Staat, indirekt, eil sie sich durch das geistliche auf das zeitliche, den Staat und seine Ordnung erstreckt. Der Besitz dieser indirekten Gewalt bildet seit den Tagen Gregors VII. bis zur gegenwärtigen Stunde unantastbare Wahrheit, sie zu leugnen ist ein Irrtum, wie noch Papst Pius IX. in seinem berühmten Syllabus Satz 24 feierlich erklärt hat." Es ist nicht schwer nachzuweisen, daß alle katholischen Schriftsteller auf dem Standpunkt stehen, daß die Kirche das ausschließliche Verfügungsrecht über die Schulen haben soll. Ich zitiere hier den Jesuiten Wernz, der im dritten Bande des Werkes "Jus Decretalium, Rom 1898 bis 1901", Seite 60, erklärt: "Die katholische Kirche beansprucht auch, daß der literarische und bürgerliche Unterricht ihr insoweit unterworfen sei, als es zur Sicherung der religiösen Erziehung der katholischen Jugend notwendig ist." "Wenn wir erklären," sagt er weiter, "daß der katholischen Kirche auch der literarische und bürgerliche Unterricht der katholischen Jugend unterworfen ist, so wollen wir damit ausdrücken, daß sich diese kirchliche Gewalt auf alle profanen Disziplinen und auf deren Lehrer und Lehrbücher erstreckt, daß von dieser Gewalt auch die Universitäten nicht ausgenommen sind und daß diese Gewalt begründet ist in den höchsten Grundsätzen für das richtige Verhältnis von Glauben und Vernunft." Und ein anderer Jesuit, Laurentius, erklärt: "Objektiv besteht ein gewisses Recht, die christlichen Kinder zu dem ihnen nötigen Unterricht zu zwingen. Dieses Zwangsrecht kommt aber in erster Linie und als ihr eigentümlich der Kirche und erst in zweiter Linie und subsidiär dem Staate zu. Der Staat hat kein ihm eigenes Recht zu erziehen oder zu unterrichten und noch viel weniger ein Recht, jemanden zu zwingen, den von ihm beliebten Unterricht und die von ihn beliebte Erziehung anzunehmen." Hier stehen sich also die Gegensätze in schroffster Weise gegenüber und wir haben in der Geschichte Erfahrungen genug, die beweisen, daß wirklich die Kirche das Recht hat, ihre Grundsätze, daß sie die Herrin über die Erziehung ist, durchzusetzen. Ich erinnere an das Konkordat mmit Österreich aus dem Jahre 1895, wo es heißt, daß die Erziehung der Jugend und die Eheschließung ganz in die Hände der Bischöfe gegeben sei, ja, diesen für die Aufrechterhaltung der geistlichen Disziplin die weltliche Macht zur Verfügung stände. Ich erinnere an die Einmischung der Kirche in rein weltliche Angelegenheiten, ferner daran, daß am 8. Dezember 1864 der Papst Pius IX. sigar eine Enzyklika erließ, in wekcher er die gesamte Entwicklung von Staat und Gesittuung, wie sie seit Jahrhunderten sich in Europa gebildet hat, als einen Irrtum der Zeit verwarf und feierlich verdammte. Liberalismus und Sozialismus wurden öffentlich als Ketzereien gebrandmarkt. Und trotz dieser ungeheueren Gegensätze zwischen praktischem Leben, Fortschritt und Kirche, hat die Kirche heute das Konkordat mit Bayern und mit Polen erreicht. Wir lehnen jede Einmischung der Kirche in weltliche Dinge, besonders im sozialen Kampf, mit aller Entschiedenheit ab. Wir wissen, daß die Kirche, besonders die katholische Kirche, eine Hilfstruppe des Kapitalismus ist. Auch das läßt sich nicht unschwer beweisen. Ich verweise auf das Sendschreiben Papst Leos XIII. vom Jahre 1891, wo es heißt: "Es werden immerdar der Menschheit die größten und tiefstgreifenden Ungleichheiten aufgedrückt sein... Dieser Zustand ist aber ein sehr zwecksmäßiger sowohl für den einzelnen wie für die Gesamtheit. Die Kirche ist dazu da, die Harmonie zwischen Kapital und Arbeit zu befördern. Die Bewegung der Massen, in welchen die Gier nach fremder Habe erwacht, muß mit Kraft gezügelt werden." (Hört! Hört!) Sie sehen, zwischen Sozialismus und Ultramontanismus ist eine Kluft, die sich nicht überbrücken lassen kann.

Ich möchte noch hinweisen auf den § 16, wo wir einen kleinen Erfolg erreichten, wo ein Antrag von den 9 Anträgen, die wir zu diesem Gesetze eingebracht haben, angenommen wurde, der bestimmt, daß zu der Stempel- und Gebührenfreiheit auch eine Abgabenfreiheit für Anzeigen des Austrittes aus der Kirche festgesetzt wird. Bei § 17 begegnen wir der Anerkennung des Prinzips, daß bei der Regelung der Matrikenführung die Führung derselben auf die politische Gemeinde übergehe, daß auch dieses Stück der Verwaltung verweltlicht werden soll.

Ich kann also zusammenfassend sagen, daß die Vorlage uns absolut nicht gefällt und uns nicht befriedigt. Wir wollen eine klare Scheidung der Machtsphären von Kirche und Staat. Wir wollen die volle Freiheit des Gewisses für jedermann. Aber wie sind die Dinge heute und wie waren die Dinge ehedem? Da kann ich mich aef ein Zeugnis berfen, auf den größten deutschen Dichter, auf Go ethe, der den Widerspruch zwischen Wissen und Glauben, zwischen dem Machtstreben der Kirche und dem Streben nach Freiheit in einem wunderschönen Gedichte zum Ausdruck gebracht hat. Gestatten Sie, meine Herren, daß ich dieses Gedicht zitiere:

"Natur und Geist", so spricht man nicht zu Christen,

Deshalb verbrennt man Atheisten,

Weil solche Reden höchst gefährlich sind.

Natur ist Sünde, Geist ist Teufel!

Sie hegen zwischen sich den Zweifel,

Ihr mißgestaltet Zwitterkind.

Uns nicht so! In Kaisers alten Landen,

Sind zwei Geschlechter neu entstanden,

Sie stützen würdig seinen Thron.

Die Heiligen sind’s und die Ritter,

Sie stehen jedem Ungewitter,

Und nehmen Kirch und Staat zum Lohn."

Wenn Goethe heute leben würde, würde er zwar nicht an die Raubritter denken, sondern wohl an die Industrieritter und andere Herrschaften, die durch die Kirche geschützt werden.

Wir fassen die Religion vom Standpunkt der Menschheitsentwocklung auf und stimmen damit überein, was Bebel einst gesagt hat: "Keine Religion besitzt das Privilegium, der in der Kultur fortschreitenden Menschheit auf die Dauer zu gen ügen, und für jede kommt der Zeitpunkt, wo sie mit den Kulturbedürfnissen der Menschheit in Widerspruch tritt, weil sie selbst ein vorübergehendes Produkt einer bestimmten Kulturperiode ist."

Karl Marx hat mit Recht Folgendes gesagt: "Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." Wenn wahr ist, was die Klerikalen sagen, daß allein die Religion dem Menschen genügt, abstrahiert von allem anderen, dann müßte gerade dort der Zustand der idyllischeste sein, wo die römischkatholische Kirche am stärksten ist oder war. Die Geschichte sagt uns aber wiederum das Gegenteil. Wiederum möchte ich mich auf einen der größten Geister aus der deutschen Kulturgeschichte berufen, auf Goethe, der den Kirchenstaat in Rom genau kannte und schrieb: "Der Staat des Papstes scheint sich nur zu erhalten, weil ihn die Erde nicht verschlingen will." Und kurze Zeit darauf schrieb Seume: "Rom ist oft die Kloake der Menschheit gewesen, aber vielleicht nie mehr wie jetzt. Es ist keine Ordnung, keine Justiz, keine Polizei, auf dem Lande noch weniger als in der Stadt, und wenn die Menschheit nicht noch tiefer gesunken ist, als sie wirklich liegt, so kommt es bloß daher, weil man das Göttliche in der Natur auch durch die größte Unvernunft nicht ausrotten kann." Goethe schrieb seine Worte 1786, Seume 15 Jahre später. Und die Geschichtslehrer! Auch der fromme Niebuhr, urteilte nicht anders, der schrieb: "Nichts kann für die Wohlfahrt Italiens geschehen, ehe nicht die Priesterwirtschaft unterdrückt ist." Selbst Beccatini, der gläubige Biograph Pius VII., gestand, daß mit Ausnahme der Türkei kein Staat in Europa so schlecht regiert sei wie der Kirchenstaat. Ähnlich schrieb der Kulturhistoriker Viktor Hean in seinem Werke über Italien über das päpstliche Rom. Er meint: "Der theokratische, auf das Jenseits gerichtete Staat schloß überhaupt bürgerkicge Tugenden, sittliche Triebfederb von selbst aus; nachdem er seit der Gegenreformation, also mehr als drei Jahrhunderte lang, über dieser Stadt und dem umliegenden Lande gewaltet, mußte er in der unglücklichen Bevölkerung, die er wie eine riesige Schlange mit seinen Knoten umwunden hielt, alles ausrotten, was ein Volk groß macht, den Stolz und die Selbstachtung, Gemeinsinn und Freude an Tätigkeit, Mut der Unternehmung, den erweiterten Blick, das Vertrauen auf die eigene Kraft."

Eines möchte ich noch aus der Geschichte ganz kurz anführen. Die Ultramontanen geben viel darauf, daß das Papsttum die älteste und ehrwürdigste Autorität sei. Sie stellen dies auch immer als leuchtendes Beispiel den sogenannten Ungläubigen hin. Wie sah aber diese Autorität in Wirklichkeit aus? Von Petrus bis zur Gegenwart gibt es rund 260 Päpste, daneben noch 24 Gegenpäpste. 30 Päpste wurden für Usurpatoren oder Ketzer erklärt. Eines gewaltsamen Todes starben nicht weniger als 64. Das sind wahrlich keine Beweise für eine Musterwirtschaft.

Wir wollen aber nicht weiter rechten und wollen uns nur an die Tatsachen halten, wie sie heute sind. Nicht die Kirche wird in Zukunft die Fragen lösen, die uns das Leben aufgibt. Wir wissen, daß hier andere Kräfte am Werke sein müssen und wir möchten da mit unserem Philosophen Dietzken sprechen: "Bewußte, planmäßige Organisation der sozialen Arbeit nennt sich der Heiland der neueren Zeit." Erst im Zeichen des revolutionären Sozialismus werden die Menschen geistig und wirtschaftlich frei werden.

Wir haben Anträge gestellt. Wir wissen, daß innerlich eine ganze Reihe von èechischen Parteien mit diesen Anträgen übereinstimmt. Aber diese freiheitlichen Parteien sind gebunden, sie müssen dieser Vorlage, die nichts Vollkommenes, sondern ein Kompromiß zu gunsten der Klerikalen ist, zustimmen. Wir werden trotzdem den Kampf weiter führen um unsere Ideale und Prinzipien, um die Trennung der Kirche vom Staat und der Kirche von der Schule, und wir hoffen, daß auch in diesem Staate die Stunde kommt, wo wir mit Erfolg in diesem Sinne kämpfen und den Sieg davon tragen werden. (Potlesk na levici.)


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP