Úterý 9. èervna 1925

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 346. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 9. èervna 1925.

Øeè posl. Schweichharta (viz str. 281 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Die Vorlage, die uns soeben beschäftigt, ist so eine Art Unifizierungsgesetz und hat im Wesentlichen zum Inhalt, daß jene Gewerbeinhaber, die in der Slovakei und in Karpathorußland ihren Beruf ausüben, auch das Recht besitzen sollen, in den übrigen, den sogenannten historischen Ländern ihr Gewerbe ausüben zu können. Die Zahntechniker sind hiebei ausgenommen. Wir haben gegen die Vorlage nichts weiter einzuwenden, wir finden sie in Ordnung. Nur würden wir hiebei den Wunsch ausdrücken, daß sich die Regierung zumindest etwas um die Einhaltung des gesetzlichen Bestimmungen über die Arbeitszeit und der sonstigen Arbeiterschutzgesetze kümmern möchte. (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù.)

Was wir nicht in Ordnung finden und wogegen wir heute bei dieser Gelegenheit mit aller Schärfe protestieren müssen, das ist die Regierungsverordnung vom 4. Juni, welche gleitende Zölle für Getreide und Fett einführt (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù.), und zwar gegen Gesetz und Recht, sowohl dem Inhalte nach, wie in der Form, und dagegen müssen wir an dieser Stelle mit aller Entschiedenheit Einspruch erheben. In allen anderen Staaten, die Anspruch auf Demokratie, Fortschritt und Kultur erheben können, werden so wichtige Fragen, wie es die Zollangelegenheit ist, offen und ehrlich verhandelt, wird auch dem Gegner, der Opposition Gelegenheit gegeben, ihre Gründe vorzubringen, werden Theoretiker und Praktiker gehört, in vollständiger Öffentlichkeit wird für und dagegen gesprochen. (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù.) In diesem Hause wird aber dem Parlamente das Recht auf Kritik, das Recht auf Anträge vollständig genommen, obwohl es in der Unabhängigkeitserklärung vom 18. Oktober 1918 heißt: "Die Regierung wird eine demokratische sein, der Staat ist die Demokratie und das Parlament wird im demokratischen Sinne verhandeln." Wir spüren von dieser Demokratie absolut nichts. Gerade die Zollfrage, wie sie durch diese Verordnung aufoktroiert wird, ist ein schlagender Beweis dafür, wie das gehalten wird, was in der Unabhängigkeitserklärung der provisorischen Regierung versprochen wurde. Zwischen Theorie und Praxis ist eben ein ungeheuerer Unterschied. (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù.)

Wir müssen zunächst gegen die Form Einspruch erheben. Die Form, wie sie vorliegt, ist dem Gesetze ganz zuwider. Mein Genosse Dr. Heller hat schon gestern im Senat darauf hingewiesen, daß seinerzeit durch kaiserliche Verordnung mit Hilfe des berüchtigten § 14 während des Krieges die Getreidezölle aufgehoben, außer Wirksamkeit gesetzt wurden. Im èechoslovakischen Staate ist im Jahre 1919 ein Gesetz angenommen worden, das die Regierung ermächtigt, die Zölle herabzusetzen oder vollständig zu beseitigen. (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù.) Nun erleben wir jetzt das Gegenteil, daß Zölle neu eingeführt werden. Diese neue Verordnung, diese Neueinführung von Zöllen steht also im krassesten Widerspruch mit dem Gesetze von 1919.

Man hat Zölle eingeführt, wovon eigentlich in dieser Verordnung keine Rede sein dürfte. Dazu wird noch ein ganz neues Prinzip eingeführt, die gleitenden Zölle, die im bisherigen Zollgesetz nirgends verankert sind. Man sollte doch meinen, daß ein Prinzip erst vom Parlamente festgelegt werden muß, daß nicht die Regierung selbst aus eigener Machtvollkommenheit sich ein Prinzip nach eigenem Gutdünken und eigenen Bedürfnissen setzen darf. Diese Ausschaltung des Parlamentes, diese Eigenmächtigkeit und Eigenwilligkeit wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zustände in diesem Hause und in diesem Staate.

Ich möchte noch auf folgende Tatsache aufmerksam machen: Unser Klub hat schon vor vier Monaten eine Interpellation eingebracht und die Regierung gefragt, wie sie sich zu den Zöllen stellt und was sie zu tun gedenkt. In jedem anderen Staate wäre die Verhandlung über die Zölle eine Selbstverständlichkeit gewesen. Obwohl wir nach der Geschäftsordnung des Parlamentes des Recht auf eine Antwort innerhalb einer gegebenen Frist haben, haben wir seit vier Monaten keine Antwort bekommen. In keinem Lande der Welt wird die Opposition so schmählich behandelt, wie in diesem Haus. Im englischen Oberhause hat man dem Vorsitzenden eine Rüge erteilt, weil er den Schluß der Debatte gegen den Willen oder gegen die bisherige Gepflogenheit im englischen Parlamente herbeigeführt hat. Bei uns macht man, was die "Pìtka" will. Wir haben nicht eine Demokratie, sondern das Diktat einer mächtigen Clique, die in diesem Staate die Herrschaft an sich gerissen hat. Wir möchten gerne wissen, wie die Regierung ihr Vorgehen begründet (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù), wir möchten wissen, wie sie den Mißbrauch ihrer Macht begründet.

Sachlich möchte ich folgendes erklären: Die Einführung von gleitenden Zöllen ist ein Geschenk, und zwar ein Riesengeschenk an die Großagrarier. Man komme uns ja nicht mit dem alten Schwindel, daß durch Zölle irgendwelcher Art, auch durch die mildere Form der gleitenden Zölle, der Landwirtschaft irgendwie geholfen werden kann. Zwischen Landwirtschaft und Großagrariern ist ein himmelweiter Unterschied, die Großagrarier bilden nur einen Bruchteil der Landwirtschaft. Die große Menge, etwa 81% der landwirtschaftlichen Bevölkerung, hat absolut kein Interesse an den Zöllen überhaupt, ja der größte Teil der Landwirte hat einen Schaden davon. Ich verweise darauf, daß nur 10% der Landbevölkerung überhaupt ein mäßiges oder größeres Interesse an den Getreidezöllen besitzen, während 90% der Bevölkerung das gegenteilige Interesse haben. Es ist ein ungeheuerer Mißbrauch der Demokratie (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù), daß man einer Handvoll von Leuten ungeheuere Beträge zuschanzt, dagegen die Masse der Bevölkerung, die die Herrschaft haben sollte, deren Interessen in erster Linie vertreten werden sollten, belastet; das ist das Umgekehrte einer Demokratie. Wir haben in Böhmen, Mähren und Schlesien 1,226.000 Besitzer unter 5 ha, also von Leuten, die überhaupt kein Getreide bauen, die noch Getreide dazukaufen müssen, besonders in den Gebirgsgegenden, und nur 256.700 Besitzer über 5 ha. Auch unter diesen kommen noch Besitzer in Betracht, die noch Getreide kaufen müssen, speziell in ungünstig gelegenen Gegenden, wo der Getreidebau sich nicht rentiert. Hunderttausende haben mit dem Getreidebau nichts zu tun, sie müssen jahrein, jahraus Getreide und Mehl kaufen; ich erinnere an die Wein-, Flachs- und Gebirgsbauern, Viehzüchter u. s. w. Eine enorme Gruppe von Landwirten ist es, die absolut nichts von den Getreidezöllen hat, sondern die erhöhten Preise bezahlen muß, und ich weiß aus eigener Erfahrung zahlreiche Fälle, wo die Leute, selbst wenn sie Getreide anbauen, gezwungen sind, schon nach wenigen Monaten, nachdem sie ihre eigene geringe Ernte verbraucht haben, Mehl und Brot zuzukaufen. Diese Hunderttausende von kleinen Landwirten werden sich schön bedanken für das Geschenk, das man ihnen angeblich macht. In Wirklichkeit ist es eine Steuer, die zu Gunsten der Großagrarier eingehoben wird, jener Großagrarier, die immer Feinde der kleinen Landwirte, aber auch Feinde der Demokratie gewesen sind.

Pøedseda (zvoní): Pana øeèníka upozoròuji, že jednáme o úpravì territoriálního rozsahu nabytých živnostenských oprávnìní a ne o clech, a žádám, aby mluvil k vìci. (Výkøiky nìm. soc.-demokratických poslancù. - Pøedseda zvoní.)

Žádám o klid.

Posl. Schweichhart (pokraèuje): Ich will hervorheben, daß jeder Theoretiker, der mit dieser Frage etwas zu tun hat, diese Politik der Regierung ablehnt, ein Gegner der Zölle ist, und es ist nicht wahr, daß hier dasselbe Verhältnis besteht wie in Österreich. In Österreich will man die gleitenden Zölle mit dem Einfuhrmonopol des Staates verbinden, der die Preise kontrollieren und korrigieren könnte. In diesem Staate aber ist es nicht der Fall. Ich will nicht weiter von der Wirkung sprechen, die die Zölle auf die Bevölkerung ausüben. In diesem Momente, wo die Metallarbeiter im Kampfe um ein Stück Brot stehen, in dem Momente, wo die Staatsgewalt gegen sie mit Rücksichtslosigkeit vorgeht, wo Gendarmen die Leute niederschlagen und verh aften, wo man Streikbrecher schützt, schlimmer als im alten Österreich, in diesem Momente, wo die Löhne ohnedies abgebaut sind, den Konsumenten eine neue Belastung auferlegen - das verstehe, wer will, wir nicht! Ich will nicht davon sprechen, daß die Verordnung mancherlei dunkle Punkte hat. Wer bestimmt den momentanen Börsenpreis, wonach sich die gleitenden Zölle richten sollen? Ich will nicht von der Wirkung auf das Ausland sprechen. Ich will nur sagen, daß die Verordnung nicht dazu beiträgt, die Handelsvertragsverhandlungen zu erleichtern und die Situation unseres Staates draußen zu verbessern. Diese Verordnung ist ein Sieg der Agrarier, aber ein Sieg, den die Bevölkerung zu bezahlen hat und der auch dem Staate keinen Nutzen bringen wird. Wir Sozialdemokraten waren immer dafür, daß Notwendigkeiten, die der Landwirtschaft gebühren, erfüllt werden. Wir haben am 28. April in einer gemeinsamen Sitzung erklärt, daß wir uns der Notwendikgeit nicht verschliessen, die landwirtschaftliche Produktion zu heben, wir haben aber hervorgehoben, daß die landwirtschaftliche Produktion absolut nicht durch Zölle, sondern durch systematische Förderung, maschinelle Ausrüstung, Elektrifizierung, Melioration, gutes Saatgut u. s. w. gehoben werden kann und daß wir alles tun wollen, der wirklichen Landwirtschaft zu helfen, daß wir aber nichts übrig haben für die Großagrarier, die immer Feinde des arbeitenden Volkes waren in der Stadt und am Lande und die heute durch die verschiedenen Parteien und die politische Konstellation in der Lage sind, ungeheure Gewinne einzuheimsen. Das ist wieder der Fluch des Systems in diesem Staate, der "Pìtka", das ist die Frucht des Kuhhandels. Auf der einen Seite gibt man dem Arbeiter in Form der Sozialversicherung eine Kleinigkeit, auf der anderen Seite nimmt man ihm Millionen aus der Tasche. Wir protestieren gegen Form und Inhalt dieser Verordnung auf das Allerschärfste und behalten uns vor, zu gelegener Zeit auf die Sache wieder zurückzukommen. (Souhlas a potlesk nìm. soc.-demokratických poslancù.)


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