Støeda 15. èervence 1925
Pøíloha k tìsnopisecké zprávì
o 360. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve støedu dne 15. èervence 1925.
Øeè posl. dr. Holitschera (viz str. 541 tìsnopisecké zprávy):
Meine Damen und Herren! Der Augenblick, in dem ich zu einer Vorlage das Wort ergreife, die den Zweck hat, die hygienischen und sanitären Verhältnisse in der Republik zu verbessern, ein Institut zu schaffen, das die Lücken ausfüllen soll, die bisher zu unserem Leidwesen in der Ausbildung unserer Ärzte, in der hygienischen Durchbildung unserer Einrichtungen bestanden haben, der Augenblick, in dem ich dazu das Wort ergreife, ist wirklich äußerst ungünstig gewählt, um über soziale, kulturelle, medizinische, hygienische Fortschritte zu sprechen. Aufregung erfüllt das Haus. Wir stehen beinahe schon vor dem Schluß unserer parlamentarischen Tätigkeit in dieser Wahlperiode. So sind die Geister und Gemüter nicht geneigt, sich mit so ernsten und wichtigen Gegenständen zu beschäftigen, wie es das Gesetz ist, das wir zu behandeln haben. (Posl. Hackenberg: Es ist ja auch kein Objekt des Kuhhandels!) Ja, es wurde durchgelassen, weil es als einzige der Vorlagen, mit denen wir uns noch beschäftigen sollten, den meisten gleichgültig ist, weil für solche Dinge hier am wenigsten Interesse besteht. Ich werde, wenn auch die Zahl der Zuhörer gering und das Interesse noch kleiner ist, einige Worte über die gesundheitlichen Verhältnisse sprechen, zu deren Verbesserung dieses Institut geschaffen werden soll. Es ist selbstverständlich, daß wohl niemand hier ist, der die Errichtung dieser neuen Anstalt nicht mit Freude und Zustimmung begrüßte. Wir alle, auch wir Oppositionellen - und von meiner Partei kann ich das ganz besonders hervorheben, - haben immer mitgearbeitet, wenn es sich darum gehandelt hat, irgendwelche kulturelle, soziale und hygienische Fortschritte in diesem Staate zu unterstützen. Wir begrüßen es darum auch, daß uns heute ein Antrag vorgelegt wird, ein Institut zu schaffen, das in anderen Staaten schon steht. Das heißt allerdings durchaus nicht, daß wir uns mit der Vorlage identifizieren, denn wir hätten gewollt, daß sie ein wenig anders ausseht; vor allem, daß nicht, wie es mit dieser Vorlage wieder geschieht und was bei uns schon allgemein gebräuchlich geworden ist, dem Ministerium ein weißes Blatt überreicht wird, auf das es schreiben kann, was es will. Es ist, wenn auch nicht dem Namen, so doch dem Sinne nach so eine Art Ermächtigung, die dem Ministerium für öffentliches Gesundheitswesen überreicht wird. Das Ministerium kann mit diesem Institut machen, was es will. Es steht nichts im Entwurf über die Einzelheiten, es steht nur ganz im allgemeinen, daß das Ministerium hier eine Anstalt errichten kann, daß es da und dort Filialen errichten kann, wo und wann es ihm beliebt, daß es anstellen kann wen, und Abteilungen schaffen kann, wie und wo es ihm beliebt. Mit einem Wort, es wird alles dem Willen des Leiters des Ministeriums anheim gegeben, und soweit nur irgend möglich, wurde auch hier wiederum der Wille und die Absicht der Volksvertretung ausgeschaltet.
Wir haben uns im Laufe dieses Lustrums reichlich daran gewöhnt, daß das Parlament mehr und mehr zu einer Abstimmungsmaschine herabgesunken ist, daß der Wille des Parlamentes vernachlässigt wird, daß es nur zum Scheine gefragt wird, daß die Abgeordneten nur zum Handaufheben da sind, um gutzuheißen, was in irgendwelchen Instanzen beschlossen wird, die ursprünglich nicht gerade in der Verfassung genannt wurden, die sich aber heute geradezu schon als verfassungsmäßige Institutionen betrachten. Wir haben also da kaum mehr etwas mi tzureden, und diese Ausschaltung des Parlamentes macht sich fühlbar bei unserer ganzen Gesetzgebung. Auch die Gesetze, die von Seiten des Gesundheitsministeriums im Laufe der letzten Jahre erlassen wurden und für die es eingetreten ist, haben sich als unvollständig, ungenügend und schlecht erwiesen. Sie sind gemacht worden, trotzdem sich ein großer Teil der Abgeordneten dagegen gewehrt hat, auch ein großer Teil der Abgeordneten aus den Bänken der Koalition. Auch die haben damals schon erklärt, daß diese Gesetze unzureichend und schlecht sind - ich verweise nur auf die Übernahme der Sanitätsagenda durch den Staat. Wir alle haben uns damals gegen die Verschlechterung dieses Gesetzes gewehrt, die durch das Dezembergesetz von 1922 erfolgt ist. Wir alle haben gewußt, daß die ursprüngliche Absicht und der Zweck des Gesetzes vom 15. April 1922 verschlechtert und unmöglich gemacht wurde, daß dadurch nichts Gutes für die Volksgesundheit herauskommen könne. Trotzdem aber wurde gespart auf einem Gebiet, auf dem am allerwenigsten gespart werden dürfte, auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Alle Völker dieses Staates ohne Unterschied, ob sie der Mehrheit oder Minderheit angehören, müssen darunter schwer leiden, daß man damals die ursprüngliche Absicht des Gesetzes, draußen Ärzte zu schaffen, die sich um Prophylaxe und Hygiene kümmern können, ausgeschaltet und ausgemerzt hat, daß man diesen Distriktsund Gemeindeärzten draußen eine Kleinigkeit, eine Bagatelle gegeben hat, die sie zwingt, trotrdem sie Distrikts- und Gemeindeärzte sind, ihre ganze Zeit der Kassenund der Privatpraxis zuzuwenden. Das hat dahin geführt, daß die Verhältnisse heute schlechter geworden sind, als sie jemals waren. Aber nicht genug daran: man geht noch weiter; man spart noch mehr, man legt Distrikte zusammen. Früher hat die Bevölkerung selbst entschieden, wo der Sitz des Arztes sein wird, und je nach Bedürfnis wurden Distrikte gebildet. Heute wird von Prag aus kommandiert, wo diese Distrikte sein werden. Große Distrikte im Gebirge werden zusammengelegt, die Erreichung der ärztlichen Hilfe für die Kranken ist heute schlechter geworden als vor diesem Sanitätsgesetze. So werden jetzt die Gesetze gemacht, nach außenhin, nur damit es den Anschein hat, daß etwas geschieht, und der Hauptzweck ist natürlich immer, alles zu zentralisieren, herbeizuführen, daß alles von hier aus geschehen muß, daß die Autonomie, die ohnehin schon vor die Hunde gegangen ist, vollständig zugrunde gerichtet wird, daß die Menschen draußen, die autonomen Behörden, die Städte, Bezirke und Gemeinden nichts mehr mitzureden haben, daß die Anstellung von hier aus erfolgt, daß man heute Provisorien eintreten läßt, daß man heute zuläßt, daß ein halbes Jahr oder dreiviertel Jahre lang irgendein Distrikt substituiert wird von einem Nachbararzt.
Sie können sich vorstellen, wie dadurch die ärztliche Versorgung der Bevölkerung leidet. Wir können daher kein Vertrauen haben zu einem Gesetz, wie es uns heute vorgelegt wird, durch das neuerlich dem Ministerium die weitestgehende Vollmacht eingeräumt wird, weil wir wissen, daß bei der Durchführung wie immer das Finanzministerium das erste Wort zu sprechen haben wird, daß gedrosselt wird, daß der Gesundheitsminister nicht die Macht besitzt, das durchzusetzen, was im Interesse der Volksgesundheit notwendig wäre.
Nun möchte ich auch eine zweite Angelegenheit zur Sprache bringen, u. zw. das vollständig ungeregelte Rechtsverhältnis, in dem sich die Geburtsassistentinnen oder die Hebammen in diesem Staate heute noch befinden. Man wollte sich hier entösterreichern, man wollte mit den Mißbräuchen aus dem alten Österreich aufräumen; aber eine Sache, die so klar und einfach ist, endlich den Hebammen, den Geburtsassistentinnen, wie sie jetzt heißen, die Stellung einzuräumen, die ihnen gebührt, das ist bis heute noch nicht geschehen. Das Hebammengesetz, das wir seit je verlangen, ist bis heute noch nicht erlassen worden. Und immer noch befindet sich dieser Stand in dem vollständig ungesetzlichen Zustand der Rechtlosigkeit, wie er im alten Österreich war, wie er den heutigen modernen Ansprüchen in keiner Weise mehr entspricht. Die Hebammen unterliegen noch immer der Hebammenordnung aus dem Jahre 1897. In dieser Hebammenordnung, die übrigens niemals im Reichsgesetzblatt veröffentlicht worden ist, wurden den Hebammen die schwersten Lasten auferlegt. Die Hebamme darf sich, ohne für eine Vertretung zu sorgen, nicht über Nacht aus dem Wohnsitz entfernen. Wie kann man das von einem Staatsbürger verlangen? Wo ist das Gesetz, das so etwas zuläßt? Die Hebamme muß zum Amtstag in die Stadt gehen, in den Amtssitz, zum Bezirksarzt. Sie braucht dazu einen ganzen Tag. Und kein Mensch entschädigt sie dafür, daß sie einen vollen Tag Verdienst versäumt. Die Hebamme darf keinen neuen Fall übernehmen, wenn sie eine Wöchnerin behandelt, in deren Hause eine ansteckende Krankheit ist. Das ist ja ganz richtig, wir müssen das im öffentlichen Interesse verlangen; aber dann wäre es notwendig, daß sie entschädigt wird dafür, wenn sie 14 Tage oder gar 4 Wochen ihrem Berufe nicht nachkommen kann. Kein Mensch fragt danach, wovon die Hebamme und deren Familie in diesen Wochen leben soll. Wir verlangen, daß endlich und schließlich, das Hebammengesetz erlassen wird, nach dem wir schon seit Jahren schreien und das, wie man uns mitgeteilt hat, bereits fertig in der Schublade irgend eines Referenten liegen soll, aber bis heute noch nicht das Licht des Tages erblickt hat.
Ich weise überdies noch hin auf die krasse Ungerechtigkeit, daß Hebammen, die wegen Übertretung nach § 144 St.-Gesetz vom Gericht verurteilt worden sind, auf administr tivem Wege um ihr Diplom gebracht werden. Die administrativen Behörden verbieten den Hebammen, die wegen Verletzung des § 144 verurteilt worden sind, die Ausübung der Praxis auf Lebensdauer, selbst dann, wenn diese Verurteilung nur bedingt erfolgt ist. Das Gericht verurteilt also bedingt zu einer leichten Strafe, aber die Verwaltungsbehörde verhängt die schwere Strafe, die Hebamme um ihren Lebenserwerb überhaupt zu bringen. Der Verfassungsgerichtshof in Wien hat die Entscheidung getroffen, daß ein solches Vorgehen der österreichischen dministrativen Behörden vollständig ungesetzlich ist. Man beruft sich in Österreich sowie hier bei uns in der Èechoslovakei auf die Gubernialverordnung, auf das Generalsanitätsnormativ, das die Kaiserin Maria Theresia am 2. Jänner 1770 erlassen hat. Drei Zeilen in dieser Verordnung vom Jahre 1770 sind die einzigen, die von diesem Normativ noch übrig geblieben sind, um die anderen kümmert man sich nicht mehr. Aber das paßt einem; diese drei Zeilen besagen, daß die Hebamme, die sich eine Fruchtabtreibung zu Schulden kommen läßt, von ihrer Stellung entfernt werden soll. Der Verfassungsgerichtshof in Wien hat nun erklärt, daß dies vollständig ungesetzlich ist, daß dieses Generalsanitätsnormativ vom Jahre 1770 längst nicht mehr in Kraft ist, weil seitdem eine ganze Reihe von Hebammenordnungen erschienen sind, in denen von dieser Verordnung aus dem Jahre 1770 mit keinem Worte die Rede ist. Meine Damen und Herren, mit solchen Mitteln kann man den Kampf gegen die Fruchtabtreibung nicht führen. Wir sind Feinde des § 144, weil wir wissen, daß durch eine Bestrafung derjenigen, die die Frucht abtreiben, eine Besserung nicht erzielt wird, weil wir wissen, daß trotz dieser Strafen heute Tausende und Abertausende von Fruchtabtreibungen vorgenommen werden, und wir werden im Kampfe gegen den § 144 nicht rasten. Aber schon heute müssen wir verlangen, daß diesem ungesetzlichen Zustand ein Ende gemacht wird, durch den die Hebammen um ihre Existenz gebracht werden, wenn sie von den Gerichten auch nur zu einer leichten Strafe bedingt verurteilt werden; denn die administrativen Behörden haben dazu nicht das mindeste Recht.
Dieser Gesetzentwurf, der uns heute hier vorliegt, füllt in der Gesundheitsgesetzgebung dieses Staates eine kleine Lücke aus. Der Lücken sind noch sehr viele, unsere Partei hat vor wenigen Wochen in diesem Hause eine Interpellation eingebracht, in der alle jene Gesetze aufgezählt werden, die wir zu verlangen berechtigt sind, die uns seit Jahren versprochen sind und bis heute nicht auf den Tisch des Hauses gelegt wurden. Ich urgiere bei dieser Gelegenheit diese fehlenden Gesetze: die Ärzteordnung wurde uns versprochen, es fehlt uns das Hebammengesetz, das Apothekergesetz brauchen wir notwendig. Es sind draußen in den Apotheken Zustände, die himmelschreiend sind. Alle wissen es im Ministerium, es gibt niemanden, der nicht dieser Überzeugung ist, und trotzdem müssen wir von Jahr zu Jahr immer wieder aufs neue auf ein solches Gesetz warten. Ich urgiere alle diese Gesetze. Wir nehmen die Errichtung dieses Staatsgesundheitsinstitutes nur als kleine Abschlagzahlung zur Kenntnis und wir hoffen, daß aus der Errichtung dieses Institutes die Volksgesundheit wirklich Vorteile ziehen wird. Wir hoffen auch, daß die Wissenschaft hier einen Sitz finden wird, daß für die Hygiene, die leider hier bei uns noch vernachlässigt wird, etwas getan wird, besonders soweit es sich um die soziale und Gewerbehygiene handelt. Wir hoffen, daß diese Zweige hier gepflegt und von dort aus sich über den ganzen Staat verbreiten werden. Ich hoffe auch, daß dort die Ärzte in allen Disziplinen ausgebildet werden, die bisher bei ihrer Ausbildung leider so vernachlässigt worden sind. Ich hoffe auch, daß man mit der Errichtung dieses Institutes die Reform der Physikatsprüfung durchführen wird. Diese Prüfung ist veraltet, es werden Disziplinen geprüft, die die Gemeindeärzte und Distriktsärzte nicht brauchen. Dagegen wird der Arzt aus Dingen nicht geprüft, die er unbedingt beherrschen müßte. Ich hoffe, daß die Errichtung dieses Institutes nicht mehr allzulange auf sich warten lassen wird, daß wir es bald bekommen, damit ein neuer Geist von diesem Institut ausgehe, mit dem die Gesundheitspflege und die Hygiene in diesem Staate erfüllt werden sollen. (Potlesk na levici).