Úterý 13. øíjna 1925

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 375. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v úterý dne 13. øíjna 1925 odpol.

1. Øeè posl. dr. Czecha (viz str. 1463 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! Noch in den letzten Stunden wird das Parlament vor eine schwere Aufgabe gestellt. Mitten in den letzten Zuckungen, da es einer kühlen Erwägung nicht mehr fähig ist, wird ihm von der Koalition eine Entscheidung anbefohlen, die an seine. Grundlagen greift. Es soll das auf die proportionale Vertretung aufgebaute Wahlrecht, diesen Grundpfeiler der Demokratie, verfälschen, die Wahlrechtsausübung erschweren und dadurch eines der wesentlichsten, aber wenigen Überbleibsel demokratischer Vergangenheit dieses Staates leichtfertig preisgeben.

Das èechische Wahlrecht hat eine wenn auch nur kurze, so doch rühmliche Vergangenheit. Abgesehen von gewissen wahlgeometrischen und nationalistischen Glückskorrekturen war es eines des gerechtesten Wahlsysteme. Als man es schuf, posaunte man in alle Welt hinaus, daß das èechoslovakische Volk es ablehne, dem System der Wiener Regierung zu folgen, welche in die Wahlordnung eine dem èechischen Volke feindliche Wahlgeometrie aufgenommen hat. Mit einer gewissen Emphase verwies man damals im Ausschußberichte darauf, daß das Wahlgesetz zu den gerechtesten Wahlsystemen zählt, da es jede Majorisierung der Parteien ausschließt, den nationalen Minderheiten eine gerechte Vertretung in den gesetzgebenden Körperschaften sichert und bei der Zuweisung der Mandate vor allem den Grundsatz der Gleichheit festsetzt. Mit Stolz erklärte derdamalige Berichterstatter des Hauses, daß die Schöpfer des Wahlgesetzes von dem Bestreben geleitet waren, dieses Gesetzz nicht nur gegenüber einem jeden einzelnen Wähler, sondern auch gegenüber jeder einzelnen Schichte, jeder Klasse, jeder Nationalität gerecht zu gestalten, welches Streben den deutlichsten Ausdruck in der Institution des zweiten und dritten Skrutiniums fand, deren man sich, wie es im Ausschußberichte heißt, vor der ganzen Welt berühmen könne.

Aus diesem Gefühl heraus haben die èechoslovakischen Machthaber mit dem Wahlgesetz jahrelang großen Staat gemacht und es in der Auslandspropaganda weidlich auszunützen und zu fruktifizieren verstanden. Jede Äußerung über den demokratischen Charakter des Staates, jede Beweisführung begann und endete stets mit der Vorführung des Wahlrechtes.

So war es bis heute. Die Möglichkeit des Prunkens mit der demokratischen Wahlgesetzgebung haben sich die Machthaber durch die Wahlgesetznovelle endgültig benommen. Denn nun ist das Prinzip der Gleichheit des Wahlrechtes beseitigt, der Grundsatz des Proporzes verfälscht, wenn nicht in das Gegenteil verkehrt; die Wahlrechtsausübung durch die Zusammendrängung der Wahlfristen, durch die Bestrafung erfolgloser Kandidaturen und durch sonstige Strafvorschriften für große Teile der Bevölkerung zur Farce gemacht. Schon nach dem alten Wahlgesetz - da setze ich mich mit dem Herrn Referenten auseinander - war die herrschende Nation bei der Mandatszuteilung geg nüber allen anderen Nationen in hohem Maße bevorzugt. In Prag mit 96% èechischer Bevölkerung entfielen schon auf 37.796, in Böhm. Leipa und Karlsbad, mit bloß 7, resp. 3% èechischer Bevölkerung, erst auf 45.644, resp. auf 46.884 Einwohner ein Abgeordneter. Noch schlimmer liegen die Dinge in der Slovakei und in Karpathorußland. In Kaschau kam ein Abgeordneter auf 51.521, in Neuhäusel auf 53.535 und in Karpathorußland gar auf 63.559 Einwohner. Oder ein anderes Beispiel der Wahlgeometrie, das ich gegenüber den Ausführungen des Herrn Referenten hier vorführen möchte. Während die deutsche sozialdemokratische Partei mit 689.589 Stimmen 31 Mandate erhielt, entfielen auf die èechisch-Klerikalen mit 699.728 Stimmen 33 Mandate. Während der Bund der Landwirte mit 241.747 Stimmen 11 Abgeordnete hatte, fielen der slovakischen National- und Agrarpartei mit 242.045 Stimmen 12 Abgeordneten zu. Die èechische Gewerbepartei bekam mit 122.913 Stimmen 6 Mandate, die ungarischen Christlichsozialen dagegen mit 139.246 Stimmen 5 Mandate. Es war also auch bisher schon mit der so viel gepriesenen Gleichheit des Wahlrechtes nicht so weit her. Nun soll es noch viel schlimmer werden, da der Prager Gau allein, dem nach der Gesamteinwohnerzahl von 1,741.772 bloß 40 Mandate gebühren, nach der neuen Vorlage 48 Abgeordnete erhalten würde, also um ein ganzes Fünftel mehr, welches den andersnationalen und gemischtsprachigen Wahlkreisen entzogen wird. Die Gründer dieses Staates haben also mit dem sonstigen altösterreichischen Inventar auch die so gut bewährte altösterreichische Wahlgeometrie mit herüber genommen.

Doch, hohes Haus, was bedeutet das alles gegenüber den anderen Bestimmungen, die uns die Koalition diesmal zu bescheren beliebt? Wohl ist es wichtig, daß der großzügige Stimmenraub mittels des 2%igen Quorums unter dem Drucke der politischen Verhältnisse, also nicht freiwillig, nicht auf Grund besserer Einsicht, oder wiedererwachter Moral fallen gelassen wurde; dafür ist es aber bei der ursprünglichen Bestimmung über das dritte Skrutinium geblieben. Diese Bestimmung wurde noch dadurch verschärft, daß eine Partei selbst dann vom zweiten Skrutinium ausgeschlossen sein wird, wenn sie in einem Wahlkreis 20.000 Stimmen erreicht hat. Es werden also die Stimmen jener kleinen Parteien, die in keinem der Wahlkreise die Wahlzahl erreicht haben, innerhalb der ad hoc geschaffenen beiden Gruppen einfach von den großen Parteien annektiert. Dabei wird das Unrecht novh dadurch vergrößert, daß trotz Schaffung der sogenannten nationalen Kurien den èechischen Parteien fremdnationale Stimmen, nämlich polnische, ruthenische und jüdische Stimmen zufallen können. Die Hauptsache aber ist, daß die Opposition, die auch im èechischen Volke wächst und in den neuen Parteien den Ausdruck findet, im Keime erstickt werden soll und daß die dieser Opposition zugefallenen Stimmen dazu benützt werden, um die Koalitionsparteien zu stärken und so das Koalitionsregime aufrecht zu erhalten. Sie wissen alle, daß die "Lidové Noviny" diesen Vorgangng "zábor" genannt haben; und wie sie Peroutka in der "Pøítomnost" charakterisiert, ist Ihnen auch bekannt.

Und nun fragen wir: Wo in aller Welt mag es noch vorgekommen sein, daß die großen Parteien Wählerstimmen, die zu Gunsten anderer, auch oppositioneller, Parteien abgegeben wurden, einfach für sich kappern und dadurch eventuellen Falls mit oppositionellen Stimmen ärarische Wahlsiege fabrizieren? In den Balkanländern mit halbasiatischer Kultur werden zu diesem Behufe die Wahlurnen von den Regierungsorganen einfach geplündert und, wenn es zur Erreichung dieses Zieles notwendig ist, die Wähler eingesperrt und erschlagen. Bei uns hat man dies nicht nötig. Hier geschieht alles auf legalem Wege und unter den Fittichen der Demokratie. Hier bringt man es auch über sich, von Gesetzeswegen auszusprechen, daß eine unterlegene Partei zur Strafe nicht nur die eigenen, viele zehntausende Kronen betragenden Kosten, sondern auch noch die nach dem Gesetze den Staat treffenden Wahlkosten zu tragen hat. Der Herr Referent hat auseinandergessetzt, daß das Unrecht nicht so groß sei, da es sich hier nur um einen kleinen Kreis von Wählern handeln könne. Er hat in diesem Zusammenhange eine Gruppe mit 2.600 Stimmen erwähnt. In Wirklichkeit aber kann es sich auch um größere Gruppen handeln. Bei dem letzten Wahlgang sind beispielsweise 142.000 Stimmen einfach ins Wasser gefallen, worunter sich eine einzige Gruppe mit 79.000 Stimmen befand, die Gruppe der jüdischen Wähler.

In dieser Lande macht man sich aber auch kein Gewissen daraus, nicht nur die unterlegene Partei, sondern auch die Kandidaten - hören Sie! - und auch jene Wähler, die die Kandidatenlisten mitunterfertigten, solidarisch mit einer persönlichen Haftung für alle Wahl Kosten zu belegen, ja sogar unter Exekutionsandrohung zu stellen, um ihnen allen so die Lust nach einer oppositionellen Kandidatur ganz gründlich auszutreiben. Wäre es da nicht besser und einfacher, mit aller Offenheit von Gesetzeswegen zu dekretieren, daß in oppositionell verseuchten Wahlkreisen jede Stimme, die für eine andere als eine Koalitionspartei abgegeben wird, einfach null und nichtig erklärt wird, oder daß solange gewählt werden muß, bis die Koalitionsparteien eine sichere Mehrheit erringen? Die Sache Wäre einfacher und klarer.

Doch, meine Herren, das Tollste an der Sache ist, daß auch diese gesetzgeberischen Maßnahmen mit patriotischen Notwendigkeiten und wieder unter allen möglichen Verbeugungen vor der Demokratie, ja sogar unter Berufung auf sie, vorgenommen werden, während sie in Wirklichkeit von dem Schrekken vor der Demokratie diktiert sind, gegen welche man sich am besten dadurch zu schützen vermeint, daß man sie verfälscht.

Schon in den Argumenten, mit denen man den Wahlrechtsraub nach außen zu begründen sucht, drückt sich die Angst vor den kommenden Wahlen aus. Was hat man uns nicht alles zur Rechtfertigung dieser gesetzgeberischen Maßnahmen in der Koalitionspresse zu erzählen gewußt! Ich will nur eine Stimme herausheben. Das "Èeské Slovo" nennt die Wahlreform "eine Korrektur der Fehler der regierenden Demokratie". Sie sei ein Fortschritt gegenüber dem bisherigen System, und zwar durch die Bestimmung über das dritte Skrutinium, die jeder Nation ermöglicht, so gerecht als möglich vertreten zu sein, und die verhindere, daß sich eine Nation auf Kosten der anderen bereichere. So hätten die Deutschen angeblich bei den letzten Wahlen auf Kosten der Èechen 1 1/4 Mandate erhalten, andere Koalitionsblätter schreiben sogar von 4 Mandaten. "Die Reform" - so schließt das "Èeské Slovo" - "sei nicht die idealste, aber sie stelle die Verwertung der bisher gewonnenen politischen Erfahrungen dar". Und wir fügen hinzu, vor allem der Erfahrung, daß die Koalition sich nur durch eine Glückskorrektur am Leben zu erhalten vermag. Wie es in Wirklichkeit um die nationale Gerechtigkeit beschaffen ist, die man durch die neuen Gesetzesbestimmungen herbeiführen will, kann man am besten aus dem Motivenbericht der Vorlage ersehen, nach welchem die Koalitionsparteien durch Erraffen der beim ersten Wahlgang ins Wasser gefallenen jüdischen Stimmen und eines sonstigen kleinen Restes 5 Mandate profitieren.

Die "Wiener Arbeiterzeitung" sagt bei Besprechung der Wahlreform: "So was ist wohl noch nirgends geschehen. Das wäre selbst dem Grafen Bethlen, dem bei der Wahlreform so vieles eingefallen ist, nicht eingefallen: Mandate aus fremden Stimmen zuzuweisen." Doch wie gesagt, die junge Demokratie bedarf der "Korrektur gewisser Fehler" und darum konnte der "Venkov" seinerzeit beruhigt schreiben: "Die Grundsätze des Verhältnisrechtes" - ich zitiere wörtlich "dürfen nicht so weit getrieben werden, daß dadurch das Bestehen einer gesicherten Mehrheit in Frage gestellt wird."

So heute. Vor Tische las man es anders. Vor 20 Jahren im Kampfe um das allgemeine Wahlrecht unter der Regierung Gautsch waren die Èechen die stürmischeste Vorkämpfer für das gleiche Wahlrecht und die Rechte der nationalen Minderheiten. Den damaligen österreichischen Machthabern, die unter Berufung auf gewisse Staatsnotwendigkeiten die Aufrechterhaltung des Privilegienwahlrechtes verlangten und die sich vor allem gegen die Herrschaft der brutalen Ziffer wendeten, warfen sich damals die èechischen Politiker mit elementarer Wucht entgegen. In einer am 5. Oktober 1905 im Parlamente gehaltenen Rede rief Dr. Kramáø, der, wie es heißt, einer der geistigen Urheber dieser Wahlnovelle sein soll, den österreichischen Machthabern zu:

"Wir wollen ein gerechtes Wahlrecht und da müssen wir uns - das ist selbstverständlich - der Brutalität der Ziffer einfach fügen. Oder glauben Sie, daß die Ziffer nur dann nicht brutal wird, wenn die Minorität künstlich zur Majorität gemacht wird? Dagegen müssen wir ganz entschieden protestieren."

Und am 15. März hören wir aus seinem Munde:

"Es wird hier aber auch gefragt, wer denn die Staatsnotwendigkeiten bewilligen wird, wenn es keine staatserhaltenden Parteien mehr geben wird. Verzeihen Sie, meine Herren, es ist geradezu komisch und traurig zugleich, wenn man in einem Staate fürchten muß, daß der Staat nicht das bekommt, was er zum Leben braucht, wenn er keine Privilegierten mehr hat, sondern wenn das Volk selbst seine Abgeordneten wählen wird. Was ist denn das für ein Vertrauen in den Staat, in seinen geschichtlichen Beruf, in sein Verhältnis zu den Völkern?" (Hört! Hört!) "Allerdings" - sagt Dr. Kramáø zum Schluß - "am Anfang werden sich viele Schwierigkeiten bieten, aber da, meine Herren, wird es für die Regierung eine Pflicht geben, es wird der kategorische Imperativ, die allererste Pflicht für die Regierung sein, im Hause, wenn es nicht schon jetzt geschieht, eine Möglichkeit für positive Arbeit zu schaffen, und die Möglichkeit für diese positive Arbeit kann nicht anders geschaffen werden, als wenn der nationale Ausgleich gemacht wird." (Výkøiky na levici.)

Und gerade hier sind wir bei der entscheidenden Frage, die durch die in der Budgetdebatte abgeführten Erörterungen über das deutsche Problem, nicht zuletzt durch die Rede des Berichterstatters Dr. Srdínko, und die Auslassung der offiziösen Presse eine gewisse Aktualität erhalten hat. Dr. Kramáø sah, wie wir eben gehört haben, im alten Österreich im nationalen Ausgleich die einzige Lebens-, Entwicklungs- und Arbeitsmöglichkeit des Staates. Damals zählte er zu den entschiedensten Verfechtern des im österreichischen Parlamente von den sozialistischen Parteien aller Nationen eingebrachten Antrages, für den er im Hause warme Worte zu finden wußte. Als aber am 14. November 1922, also vor drei Jahren, mit Unterstützung aller anderen oppositionellen Parteien ein gleicher Antrag der deutschen Sozialdemokratischen Partei in diesem Hause eingebracht wurde, wurde er von Dr. Kramáø und seiner Partei und dem anderen Koalitionsparteien kaltblütig niedergerungen und damit der erste Friedensversuch in diesem Hause brutal niedergeschlagen. Der Antrag trug die Unterschrift der deutschen sozialdemokratischen als der antragstellenden Partei, der ungarischen Sozialdemokraten, sämtlicher deutscher und ungarischer bürgerlicher Parteien, der kommunistischen Partei und der slovakischen Volkspartei. Der Antrag bezweckte die Einsetzung einer parlamentarischen Beratungskörperschaft zur Ermöglichung einer Aussprache zwischen den Völkern dieses Staates über die Bedingungen eines gedeihlichen Zusammenlebens, er trat für die Herstellung eines Rechtsbodens ein zur Auseinandersetzung der Völker in Bezug auf die Verwaltung der eigenen, sowie der allen Völkern gemeinsamen Aufgaben und Interessen, er ermöglichte letztenendes die Herstellung des nationalen Friedens, ohne einer etwaigen naturgemäßen Entwicklung der geschichtlichen Ereignisse vorgreifen zu wollen.

Eigentlich hätte ein solcher Antrag längst schon aus der Initiative der Koalitionsparteien eingebracht, von ihr das erste befreiende Wort für den nationalen Frieden in diesem Saale gesprochen werden sollen. Eigentlich hätte sich für diesen Antrag, wie dies in Österreich geschah, sofort das ganze Haus erheben sollen, um so der ganzen Bevölkerung des Landes, aber auch dem Auslande deutlich und für jedermann hörbar zu bekunden, daß sich alle Völker und Menschen dieses Landes ausnahmslos in dem Willen vereinigen, dem Lande endlich den heißersehnten Frieden zu geben und alle Hindernisse für die ruhige, soziale und wirtschaftliche Arbeit auszutilgen, deren es gerade jetzt in der Zeit des schwersten Notstandes, des Wiederauflebens der Krise, der Massenarbeitslosigkeit, der allgemeinen Verelendung der arbeitenden Menschen doppelt und dreifach bedarf. Doch diese Erkenntnis, die geradezu zwingend aus den sozialen und wirtschaftlichen Lebensnotwendigkeiten des Landes fließt, ist leider noch immer nicht Gemeingut des ganzen èechischen Volkes und seiner Führer. (Souhlas na levici.)

Sie hat bisher nur die Herzen und Hirne einiger weniger ergriffen, zu denen ich vor allem den Mann zählen möchte, der trotz seines großen Ansehens im Volke in dieser Frage leider nur ein Rufer in der Wüste ist.

In einer Rede, mit der er eine Ansprache des Präsidenten des Abgeordnetenhauses Tomášek am 1. Jänner 1922 beantwortet äußerte sich der Präsident der Republik unter anderem so:

"Nach meiner Meinung ist die deutschèechische Frage die wichtigste Frage. Wir haben eigentlich nur diese Frage. Ich wünsche, daß die Regierung in allen Fragen und speziell in den nationalen Fragen ein klares und sicheres Programm habe und nach diesem Programm positiv vorgehe, ohne Rücksicht auf das Vorgehen der Opposition. Europa und die Menschheit sind durch den Friedensschluß auf eine Stufe geraten, auf welcher der nationale Chauvinismus überwunden ist. Der Chauvinismus ist überall eine Krähwinkelei, nicht nur bei den kleinen Völkern, sondern uch bei den großen. Der Chauvinismus ist überall durch seine Blindheit, durch seine kleinliche Herrschsucht ein Grab der Freiheit und Selbständigkeit geworden. Dafür gibt nicht nur der Weltkrieg ein warnendes Beispiel. Nicht nur der Krieg gibt ein warnendes Beispiel, sondern auch das Schicksal Österreichs, an dessen jahrzehntelangem Siechtum, an dessen Agonie und Untergang die führenden Menschen dieses Staates ihren Mitbürgern einmal gründlichen Anschauungsunterricht darüber erteilen könnten, daß man mit Mitteln bloßer Gewalt einen Völkerstaat auf die Dauer nicht regieren, daß man damit andere Völker nicht gewinnen, dem Lande nicht Ruhe und Frieden, wirtschaftliche und soziale Entfaltungsmöglichkeiten zu geben vermag".

Dieser Meinung hat der Präsident schon im Jahre 1890 in einem Artikel der Wiener Zeitschrift "Zeit" Ausdruck gegeben, als er erklärte:

"Eine ernste Versöhnung der Èechen mit den Deutschen bedeutet die Sozialisierung der Politik und der Verwaltung der politischen Einrichtungen. Daß von dem Rubrum der Gerichtsakten oder Prozesse, von dem Texte der Steuer- oder Postquittungen die Sicherheit der böhmischen Länder oder Österreichs abhängt, geht mir nicht in den Sinn und geradeso begreife ich auch das Vorurteil nicht, daß die Arbeiter und Handwerker bei uns vor allem dieser oder jener Sprache bedürfen. Freilich, wo soviele Leute vom Maul und nationalen Hader leben, ist es begre iflich, aber die Spekulation auf die chauvinistische Börse bei uns muß einmal aufhören."

Schon im Jahre 1896, also in einem späteren Zeitalter, sagte Präsident Masaryk - der alte Masaryk, der neue Masaryk wurde in diesem Hause schon wiederholt zitiert - in den "Rozhledy": "Die Gebiete der Kreise und gleichermaßen Bezirke mögen nach Möglichkeit nach der Sprache verteilt werden. Ich Herr, Du Herr, sagte Havlíèek." Doch wozu in die Ferne schweifen? Hat nicht der Präsident der Republik dem jetzigen Ministerpräsidenten Švehla als damaligen Innenminister in einem Handschreiben vom Jahre 1919 ausdrücklich zur Pflicht gemacht, indem er sagte: "In allen Ländern muß das Problem der nationalen Minoritäten sobald als möglich, und zwar aus der programmatischen Initiative der Regierung selbst gelöst werden." Doch alle bisherigen, sowohl diese als auch alle vorangegangenen Regierungen haben auf diesem wichtigen Gebiet vollständig versagt, als wären sie von allen guten Geistern verlassen. Für sie existiert, wie aus der vor drei Jahren abgegebenen Programmerklärung des Ministerpräsidenten Švehla und vor allem aus der Wirksamkeit dieser Regierung auf diesem Gebiete hervorgeht, die nationale Frage überhaupt nicht. Keinen ugenblick haben sie sich wegen eines nationalen Programmes den Kopf zerbrochen. Die einen rufeni wie der Abgeordnete Kramáø gegenüber dem Drängen nach einer nationalen Verständigung einfach "nikdy", die anderen, wie der Abgeordnete der nationalsozialistischen Partei Slavíèek, erklären, man sei mit den Deutschen schon ausgeglichen; die Dritten wagen sich trotz besserer Erkenntnis mit ihren Anschauungen gar nicht an die Oberfläche. (Výkøiky na levici.)

Wir deutschen Sozialdemokraten haben von der ersten Stunde an, da wir diesen Boden betreten haben, genau so wie im alten Österreich, gegenüber der zusehends überhandnehmenden Vergiftung des politischen Lebens durch die von den Staatsgründern inaugurierte Politik des Nationalismus unsere warnende Stimme erhoben. Wir haben aufgezeigt, daß die nationalen Kämpfe dieses Staates eine ernste Gefahr für die demokratische Entwicklung, für den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt sind, daß das nationale Problem, das Sie vom alten Österreich als Erbübel übernommen und mit dem Sie sich belastet haben, nur durch eine Rechtsordnung gelöst werden kann, die jedem einzelnen Staatsbürger das Recht auf die Bekundung und Betätigung seiner Nationalität, jeder Nation das Recht auf die freie Selbstbestimmung und allen Nationen den Anspruch auf Gleichberechtigung gewährt. Auf diesem Gedanken war das nationale Programm aufgebaut, das sich die deutsche sozialdemokratische Partei auf ihrem Parteitage in Brünn und Teplitz gegeben und dessen Verwirklichung eigentlich sache der Arbeiter aller Nationen dieses Staates sein sollte.

Doch noch ein Weiteres will ichsagen: Mögen sich die èechischen Parteien vor Augen halten, daß es gerade bei Lösung des nationalen Problemes, das ein Schicksalsproblem dieses Staates ist, auf die Raschheit der Entscheidung ankommt und daß jeder Tag des Verzugs schweren Schaden stiftet. Als Kaiser Karl im Oktober 1918 in Voraussehung der Katastrophe nach endlicher ausdrücklicher Anerkennung des Selbstbestimmungsr echtes der Völker den Präsidenten Wilson um Einleitung von Friedensverhandlungen geradezu anflehte als er den österreichischen Staat in seinem Manifest vom 16. Oktober 1918 zu einem Völkerbundstaat zu erheben sich bereit erklärte, da scholl ihn von èechischer Seite das Wort entgegen: "Zu spät." Die Verhältnisse waren eben über die ursprünglichen Forderungen und Vorstellungen der Èechenführer hinausgewachsen, sie waren durch die neue Gestaltung der Dinge einfach überholt. Mögen sich die èechischen Machthaber dieses "zu spät" zur Warnung dienen lassen und rechtzeitig Einkehr halten.

Wie einst Palacky den österreichischen Autokraten zurief, daß die ausgesprochene Suprematie oder Bevorzugung irgendeines Volksstammes den Staat aus den Fugen reißen müsse, so rufen auch wir den jetzigen Machthabern zu, daß die Rechtsverweigerung gegenüber den nach Millionen zählenden nicht èechischen Völkern, die dauernde Aufrichtung der Fremdherrschaft eines einzigen Volkes über alle anderen das Gefüge des Staates unweigerlich sprengen müsse. Diese Erkenntnis muß und wird sich schließlich auch bei den èechischen Menschen dieses Staates durchsetzen, sie von ihren bisherigen Irr- und Abwegen abbringen und sie auf die Bahn der klaren und ruhigen Abwägung der realen Tatsachen sowie der wirklichen Lebensinteressen des ganzen Volkes führen müssen.

Darum wird sich der Grundgedanke unseres damaligen Antrages, dem eine so unerhörte Behandlung zuteil wurde, letzten Endes doch durch das Gebot der ehernen Lebensnotwendigkeiten selbst durchsetzen.

Im Jahre 1900 erklärte der Abgeordnete Kramáø, als er dem gleichen Antrag die volle Werbekraft seiner Worte lieh, daß es einen dringlicheren Antrag überhaupt nicht gebe. Im Jahre 1908 gaben die Führer der èechischen Nationaldemokraten den gleichen Antrage ihren Namen. Im Jahre 1909 stimmten alle Mitglieder des österreichischen Abgeordnetenhauses ausnahmslos für den Antrag. Welch eine Wandlung in den Hirnen von damals auf heute!

Es mag mir entgegnet werden, daß sich seither manches in der Welt und in diesem Lande geändert habe. Sehr wohl! Zwischen damals und heute liegt der Weltkrieg, liegt der Umsturz, liegt die Konstituierung dieses Staates, vollzog sich ein gewaltiger Szenenwechsel, doch mit gleichen Akteuren und bloß vertauschten Rollen. Geblieben aber ist dasselbe Land mit allen seinen Menschen und mit tausendfach gesteigerter Pein, geblieben das nationale Problem mit allen seinen Widrigkeiten und Auswirkungen, mit den nationalen Wirren, mit dem nationalen Haß, geblieben ist das durch die Exaltation des überhitzten Nationalismus vergiftete Leben, der schwere Notstand des arbeitenden Volkes, des hauptsächlich leidtragenden im mörderischen Streite der Völker dieses Landes. Angesichts des großen Leides, das die Ereignisse der letzten Jahre über uns und das Land gebracht haben, verlangen wir die Wegräumung aller Hindernisse, die sich einem gedeihlichen Zusammenwirken der Völker, der schleunigsten Verwirklichung der Verständigung zwischen ihnen entgegenstellen.

Ich weiß, daß dieser Ruf in diesem Hause wirkungslos verhallen wird, doch ist es mir darum zu tun, gerade in der Stunde des Abschieds die große Schuld der Koalitionsparteien und der Regierung vor aller Welt festzustellen und gleichzeitig aufzuzeigen, wie anders sich die Verhältnisse in diesem Lande entwickeln würden, wenn die herrschenden Parteien dieses Staates endlich den einzig möglichen Weg zur Gesundung der politischen Verhältnisse betreten würden.

Vorläufig gehen eber die Mehrheitsp arteien einen anderen Weg. Sie erblicken in dem seinerzeit von ihnen so heiß ersehnten, so mutig mit verfochtenen allgemeinen und gleichen Wahlrecht ein lästiges Hindernis für die Machtenfaltung des Staates. Sie alle bezeichnen die Verschlechterung und die Verfälschung des Wahlrechtes als direkte Lebensnotwendigkeit für den Èechoslovakischen Staat, den sie durch den allfälligen Sturz des allnationalen Systems auf das Schwerste gefährdet erklären. Um ihre weitere Argumentation zwingend zu gestalten, suggerieren sie der èechischen Öffentlichkeit, daß die Petrifizierung des allnationalen Systems, ja seine Eingliederung in das Staats- und Verfassungsleben ein Bedürfnis dieses Staates bilde. Die Wahrheit aber ist, daß der Èechoslovakische Staat nur die natürlichen Konsequenzen aus einer nationalen Schichtung restlos zu ziehen braucht, um ohne Vergewaltigung der Grundsätze der Demokratie, ohne Preisgabe seiner Verfassungseinrichtungen, zu einem Aufbau zu gelangen, der auf den wahren Kräfteverhältnissen der Bevölkerung beruht.

Ein wahres Wort Rousseaus trifft hier den Nagel auf den Kopf: "Was die Verfassung eines Staates wirklich festigt und ihr Dauerhaftigkeit verleiht, ist eine derartige Beobachtung aller Rücksichten, daß die natürlichen Verhältnisse und die Gesetze sich stets in denselben Punkten vereinigen und diese gleichsam bestätigen, begleiten und berichtigen. Legt jedoch der Gesetzgeber in irriger Beurteilung seines Gegenstandes ein anderes Prinzip zugrunde, als das sich aus der Natur der Dinge ergebende - bezweckt das eine Knechtschaft, das andere Freiheit - dann wird man gewahr, wie die Gesetze nach und nach ungültig werden, die Verfassung ausartet und der Staat solange in unaufhörlicher Unruhe bleibt, bis er zusammenstürzt und die unüberwindliche Natur ihre Herrschaft wieder gewonnen hat".

Das sollten sich die èechoslovakischen Machthaber immer und immer wieder vor Augen halten und einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen, ehe sie den Staat durch überstürzte Maßnahmen in immer neue Schwierigkeiten und Mißkredit bringen. Entgehen werden sie ihrem Schicksale doch nicht. Im Gegenteil, sie werden den Läuterungsprozeß, der sich innerhalb der èechischen Bevölkerung, wenn auch langsam, so doch sicher vollzieht, durch ihre Gewaltmaßnahmen nur beschleunigen. Wahlmachinationen waren immer ein Hilfsmittel ratloser Machthaber und haben sich letzten Endes stets als schlechter Ratgeber erwiesen. Die Verschlechterung des Wahlrechtes kann unmöglich ein Lebenselixier für ein wankendes Regierungssystem abgeben. Die natürliche Entwicklung geht ihren Weg. Unaufhaltsam schreitet sie über alle Hindernise hinweg und wirft alles Widernatürliche schonungslos über den Haufen.

Darum müssen alle noch so waghalsigen Operationen, die Sie, meine Herren, in Gang setzen, um die bockbeinige Bevölkerung zur Raison zu bringen, scheitern. Befehlen und dekretieren Sie getrost, daß sich die Minorität in die Majorität zu verwandeln habe: die Bevölkerung wird ihnen trotz alledem nicht Ordre parieren. Marx erzählte gelegentlich, man habe einmal befohlen, daß sich die Sonne um die Erde drehe. War - fragt Marx - Galillei widerlegt? (Souhlas na levici.) Wir sind uns vollends dessen bewußt, daß Sie trotz unserer Warnung die Wahlnovelle beschließen und das begonnene Werk vollenden werden. Doch wir wissen ebenso, daß Sie durch alle diese Verfehlungen gegen die Demokratie den Auflösungsprozeß, auch wenn Sie sich der Entwicklung auch noch so sehr entgegenstemmen, nicht aufhalten, ihrem Schicksal nicht entgehen werden, das sich - so hoffen wir - schon in diesem Wahlgang unnachsichtlich vollziehen wird. Diese Erkenntnis wird unseren Entschluß beflügeln, den Wahlgang gegen Sie, möge es noch so hart auf hart gehen, mit verstärkter Kraft und bis zum siegreichen Ende fortzuführen, alle Kräfte mobil zu machen, um dieses sündhafte System niederzuwerfen, um damit den Boden zu schaffen für den Abbau der Gewalt und des Hasses für die Zusammenarbeit und die Verständigung der Nationen, für den Aufstieg der Arbeiterklasse, für die Verwirklichung des Sozialismus. (Souhlas a potlesk na levici.)

2. Øeè posl. dr. Luschky (viz str. 1473 tìsnopisecké zprávy):

Meine Damen und Herren! Die mit aller Beschleunigung in Verhandlung gezogene Wahlreform ist wohl die letzte wesentliche Lebensregung dieses Parlamentes, das Signal zur Auflösung. In der Behandlung und im Inhalte der Vorlage wiederholt sich das Schauspiel aller anderen Vorlagen der letzten Jahre. (Výkøiky komunistických poslancù.)

Místopøedseda dr. Hruban (zvoní): Prosím o klid.

Posl. dr. Luschka (pokraèuje): Das Schauspiel der monatelangen Beratung verfassungsmäßig unbekannter Ausschüsse hinter den Kulissen und vor den Kulissen, die Entwürdigung der zuständigen Parlamentsausschüsse und der Vollversammlung entwürdigen das Parlament zur rechtlosen Abstimmungsmaschine.... (Výkøiky komunistických poslancù.)

Místopøedseda dr. Hruban (zvoní): Prosím znovu o klid.

Posl. dr. Luschka (pokraèuje): ... ein Vorgang, gegen den sich diesmal sogar die eine gesetzgebende Körperschaft, der Senat, vergeblich wehrte. Um so mehr müssen wir Vertreter der Minderheiten bei dieser Wahlreformvorlage auf alles gefaßt sein. Selbst der stark reduzierte Inhalt der Vorlage ist nicht imstande, das größte Mißtrauen zu beseitigen, das wir gegen diese Vorlage hegen, weshalb wir sie auch ablehnen. Das oberste politische Recht, das Wahlrecht, wird ohne Heranziehung der Minderheiten geregelt, wir haben in der Demokratie nichts mitzureden, wiewohl der erste Grundsatz der Verfassung lautet: "Das Volk ist die einzige Quelle der gesamten Staatsgewalt." Millionen Bestandteile der Bevölkerung aber werden ausgeschaltet und deshalb läßt sich nur zu leicht der Eindruck begründen, daß die Wirkung dieser Wahlreform gegen die Minderheiten gemünzt ist. Das Wahlrecht ist wiederholt Gegenstand besonderer Lobpreisungen gewesen. So hat erst unlängst der Herr Generalberichterstatter für das Budget eine Lobenshymne auf die Vollkommenheit unseres Wahlrechtes angestimmt und ich erinnere mich, daß auch vor zwei Jahren aus Anlaß des Kongresses der interparlamentarischen Union in Kopenhagen der dortige Sprecher der èechischen Mehrheit ein großes Loblied auf das Wahlrecht u. seine demokratische Vollkommenheit anstimmte. Leider aber ist dem in der Tat nicht so und heute geht man sogar daran, dieses Wahlrecht nicht nur nicht auszubauen, sondern abzubauen und das einzig und allein wieder unter dem Gesichtspunkt, die jetzige Mehrheit auch für die künftige Wahlperiode des Parlamentes, speziell für die nächste Wahlperiode, zu sichern. Als Beweis hiefür führe ich an, daß die Bildung neuer politischer Gesinnungsgemeinschaften durch das vorliegende Gesetz neuerlich erschwert wird. Während früher 20.000 Stimmen in einem Wahlkreis genügten, um die parlamentarische Vertretung einer politischen Gruppe zu ermöglichen, ist jetzt die parlamentarische Geltung einer politischen Gruppe an die Erlangung eines Mandates im ersten Skrutinium gebunden. Wenn man die Wahlzahhen des Jahres 1920 mit jenen für die bevorstehende Wahl mit einander vergleicht, so kommt einem so recht zum Bewußtsein, welche Erschwerung diese Bestimmung für die Geltendmachung einer politischen Gesinnung ist. Während früher bei der ersten Parlamentswahl, rund 22.000 Stimmen im ersten Skrutinium ein Mandat einbrachten, sind die Wahlzahlen nach einer Berechnung des Motivenberichtes künftig wesentlich höher anzusetzen. Es sind aber auch die größten Verschiedenheiten zu konstatieren. Es gibt Wahlkreise, wie z. B., Lipto St. Miklos, wo nach der Vorberechnung die Wahlzahl 19.264 betragen wird, während in dem benachbarten Wahlkreis Kaschau 32.714 Stimmen für ein Mandat notwendig sein werden. Innerhalb dieser Spannung zwischen 19.264 und 32.714 liegen die anderen Wahlkreise. Wenn die Wahlzahl für die Geltendwerdung einer Partei in der Nationalversammlung entscheidend sein soll, müßte doch die Einteilung der Wahlkreise gerechterweise so geschehen, daß in allen Wahlkreisen wenigstens annähernd die gleiche Wahlzahl erforderlich wird. Wenn das nicht der Fall ist, ergibt sich eine Ungleichheit der Geltung der Kreise, eine Ungleichheit in der Erlangung der Mandate, was von den schwerwiegendsten Folgen für die politischen Gruppen werden kann. Die ungleichmäßige Verteilung der Mandate auf die Kreise ist in einem speziellen Fall der heutigen Vorlage ersichtlich. Der ehemalige Kreis Teschen mit 9 Mandaten wird aufgelassen und der èechoslovakisch gewordene Teil von Ostschlesien wird dem Wahlkreis Mähr. Ostrau zugeschlagen. Nach der Bevölkerungszahl bleiben 6 Mandate aus dem ehemaligen Teschener Kreis übrig, die dort dem Ostrauer Wahlkreis zuzuschlagen wären! Nichtsdestoweniger findet man es gut, nur 5 Mandate dem Kreise M. Ostrau zuzuschlagen, ein weiters dem Kreise Brünn und die anderen 3 Restmandate den Kreisen Prags. Ich glaube, das ist ein Beweis dafür, daß bei dieser Wahlreformvorlage auch die Wahlgeometrie eine große Rolle gespielt hat. Die Bewohner des Teschener Gebiets dürfen sich mit Recht in ihrem Wahlrecht verkürzt fühlen. Das hebt die positive Se te der Vorlage nicht auf, daß endlich diese Gebiete zu ihrem Wahlrechte kommen. Vergeblich bemühen sie sich seit sechs Jahren, Vertreter in die gesetzgebende Körperschaft wählen zu dürfen, um einen Dolmetschen ihrer Gefühle und Forderungen zu haben. Es ist nicht gelungen. Erst die künftige Nationalversammlung wird Vertreter dieser Gebiete zählen. Diese Freude wird allerdings durch andere Umstände getrübt und das ist der Umstand, daß dort leider sehr viel Beeinflussung der freien Wahl getrieben werden wird, eine Beeinflussung, wie etwa bei den Gemeindewahlen, die ein düsteres Bild für die Zukunft abgeben. Ich erinnere da an die Gemeindewahlen im Bezirke Hultschin, die ganz Ungeheuerliches an Wahlbeeinflussung und Wahlschwindel gezeitigt haben, so daß bis heute dort das Wahlrecht der Staatsbürger für die Gemeinden noch immer nicht vollständig gewahrt ist. Auch hat man durch ganz willkürliche Auflösung von Gemeindevertretungen dieses Recht wieder zunichte gemacht.

Ich erinnere weiters daran, daß sich dasselbe in Ostschlesien gezeigt hat und daß dort erst immer das Eingreifen des Obersten Verwaltungsgerichtes, wo es bisher geschah, eine Remedur dieser Verwaltungspraxis mitsichbrachte. Nicht zuletzt, aber auch im anderen Gebiete des Kreises Mähr. Ostrau zeigt sich diese höchst bedauerliche Tatsache. Ich verweise da auf die Stadt Troppau, die seit 1 1/2 Jahren eine Stadtvertretung gewählt hat, die bis heute noch nicht in die Lage gekommen ist, sich endgültig zu konstituieren und ihre gesetzlichen Aufgaben zu vollführen. Ein weiterer Fall betrifft die Gemeinde Kreuzendorf bei Troppau, wo ebenfalls ein ganz unqualifizierbarer Wahlschwindel stattgefunden hat, der durch das Oberste Verwaltungsgericht auch die entsprechende Kennzeichnung gefunden hat. Es ist der deutschen Minderheit dort bis heute ganz unmöglich gemacht, in verhältnismäßiger Vertretung die Rechte der deutschen Wähler zu wahren. So gibt das einen traurigen Ausblick für die künftigen Wahlen in diesem Gebiete und wir fordern auf Grund der Erfahrungen, welche wir tatsächlich dort gemacht haben, ganz entschieden die Reinheit der Wahlen.

Dem Parlamente an und für sich trauert sicherlich niemand nach. Alle die großen Vorlagen, welche noch den Abgang dieses Parlamentes verschönern sollten, das Beamtengesetz, das Bauförderungsgesetz, die Steuerreform, scheinen ja endgültig bis zur nächsten Wahlperiode vertagt zu sein. Alle die Hoffnungen, die sich daran geknüpft haben, sind wieder zunichte. Wohl aber im Gegensatz dazu zeichnete sich das abgelaufene Parlament durch eine Unzahl von Maßnahmen aus, welche nach dem Gefühle eines großen Teiles der Bevölkerung eine schwere Beeinträchtigung der Freiheit der Staatsbürger in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Wohlfahrt darstellen. Ich erinnere da nur an das Schutzgesetz, an die Preßgesetznovelle, an die Beeinträchtigung der freien Rechtssprechung durch das Gesetz über die Versetzbarkeit der Richter, an das Gesetz über die Einschränkung der Immunität durch Veränderung des Ablaufes der Verjährungsfrist bei Auslieferungsbegehren, ich verweise auf das wirtschaftlich tief eingreifende Gesetz über die tatsächliche Nichteinlösung der Kriegsanleihe, die unkontrollierte und unkontrollierbare Durchführung der sog. Bodenreform, die immer die Genehmigung und Stütze durch die Machthaber dieses Parlamentes fanden. Die Politisierung des Schulwesens, die zu erschreckenden Drosselungen unseres Schulwesens führte, die Politisierung der Ämter, welche zu Massenentlassungen von Tausenden von Staatsangestellten führte (Pøedsednictví pøevzal místopøedseda Buøíval.), ich erinnere an den Kampf zur Entchristlichung der Schule und gegen die katholische Kirche, ich erinnere an die Entrechtung der Sprachen der Minderheiten, insbesondere der deutschen Sprache durch chikanöse und spekulative Auslegung der Gesetze und diesbezüglicher übernommener internationaler Verpflichtungen. All das läßt uns diesem Parlamente nicht nachtrauern. Wohl aber reift in uns die Überzeugung, daß dieses Parlament nicht nach den Vorhersagungen der Wohlfahrt, dem Frieden und der Gerechtigkeit gegenüber gedient hat, sondern dem einseitigen Machthunger und dem tiefen unstillbaren Rachedurst, unter welchem wir so unsäglich zu leiden haben. Die Glorie dieses Systems sollte durch dieses Parlament aufund ausgebaut werden. Wir fürchten und besorgen, daß auch jetzt alle Mittel angewendet werden, um die Glorie dieses Systems auch auf die späteren Wahlperioden zu übertragen. Wir sind überzeugt, daß wir in unserem Kampfe auf dem Boden des Rechtes stehen und uns zu Hilfe ist der Genius des Rechtes, der sich auf die Dauer nicht ungestraft beleidigen läßt. Die Unfruchtbarkeit der Gesetzgebung unter dem Gesichtswinkel der politischen, kulturellen, nationalen, wirtschaftlichen und sozialen Wohlfahrt der Bevölkerung und die Undurchführbarkeit so vieler Gesetze in der Praxis haben dies bewiesen. Wir Deutschen gehen in den Wahlkampf in der festen Überzeugung, daß unser Recht auf Freiheit und Gleichberechtigung hier in diesem Staate wie im Rate der Völker unbezwinglich ist und auch durch diese Wahlreform nicht vernichtet werden kann. (Souhlas a potlesk na levici.)


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