II. (Seite 51).
Ich habe heute dem süssen Böheimb statt des doppelschwäntzig steigenden Löwen ein neues Wappen ersannen. Ich kam her, die teutschen Freunde damit zu empören.
Er sprang auf und holte eine Zeichnung hervor: zwei wütend gegeneinander hackende Geierköpfe wuchsen aus einem einzigen Vogelleib, der mit dolchbewehrten Zehen sich selber ausdärmte.
Heil dem Selbstzerfleischern! frohlockte er Doch die teutschen Freunde schmähen mich, weil ich überzeugt bin, dass der dickschädlige Anrainer, der Bruder Tscheche, schliesslich die Oberhand gewinnt.
III. (Seite 55-56).
Die Dämmerung war in die Stube gedrungen. Aber des alten Hauptmanns Blitzauge durchfunkelte sie, und seine Stimme klang rauh und ohne Spott. Herr, dieses Erlebnis lehrt also, dass der Hund eines deutsches Dorfes mehr wert ist als das ganze tschechische Volk.
Sie missverstehen mich, erwiderte Walter.
Aber Rudolf Ott erhob sich. Eine solche Meinung also haben von einander die Völker, die unser Staat zusammenbindet. O du mein Oesterreich, das kann einmal gut werden! Meine Herren, ich wünsche allseits eine gesegnete Verdauung.
IV. (Seite 97).
Ihre Augen waren feucht. Es ist nun ein Jahr her. sagte sie, da unternahmen tschechische Turner einen Vorstoss gegen ein deutsches Sstädtchen meiner Heimat.
V. (Seite 111).
Wir haben eine bissige Nachbarschaft, sagte der Wirt zu Walter. Vor drei Jahren haben die Zigeuner den Wolfsreutern den roten Hahn ins Dorf gesetz. Wir sind gleich mit unserer Feuerspritze hinüber, die Tschechen haben uns aber die Schleuche zerschnitten. Unsere Hilfe ist ihnen nit recht gewesen. Im Wirtshaus hernach haben sie uns die deutsche Rede verboten, kuschen haben wir müssen wie die Hunde. Seither sieht uns keiner mehr drüberhalb dem Hahnenberg.
VI. (Seite 122).
Dem Deutschen brannte der Boden unter den Fersen. Hier im Vaterhaus schmiedete der freche Fremdling die Waffe, die Heimat damit zu überrumpeln. Diese festen, geliebten Wände, mussten wiederhallen von des Feindes Trotzliedern. Er hätte mit der Faust darein dröhnen können und die Tische umstossen, daran die Eindringlinge mit ihren Weibern schmausten. Das Blut brausste ihm unter den Schläfen, gewaltsam hielt er an sich. Aber das fühlte er, hier könne er nicht mehr lande zuschauen, ohne seine Selbstbeherschung zu verlieren.
VII. (Seite 130-134).
Zu ehemaliger Zeit, wo es noch deutsche Förster gegeben hat, da hat unsereiner noch schnaufen können, fuhr der Zornfee fort. Seit uns aber der Fürst die tschechischen Förster und Heger in den Wald setzt, und seit die Bahn gebt ist, da soll der Teufel weiter leben in Toset!
Drausen hintern Nebel schrillte der Pfiff das Eisenrosses und stiess an die Wälder und höhnte lange. Pimiskern hob die Faust gegen den Lärm.
O Walter, sagte sie weinerlich, alleweil bin ich in Angst um den Mann, er ist oft ganz zerwirrt. Im Winter heuer dengelt er aufeinmal die Sense und will ins Forsthaus hinüber, dein Jäger und seinen Leuten die Köpfe abmähen. Ich glaub, er ist so wild, weil sein Vater den Herodes gespielt hat.
Dem möcht ich kennen dar in meiner Haut nit von Sinnen käm! wehrte sich Pimiskern. Ums Brot hat er mich gebracht, der Förster, die Heegerstelle im Hohensteiner Wald hat er mir genommen und einem Tschechen verschafft. Mein Vater hat den Posten versehen, vor ihm der Ahnel, der Urähnel und die Vorfahrer bis ins Undenkbare zurück. Und ich bin davongejagt worden. Und den Pachtgrund haben sie mir auch gekündigt. O, der Förster hat Schimpf und Schaden über mich gebracht.
Weil du unbändig bist! zankte sie. Weil du ihm ins Gesicht geschrieen hast: du Huss!
Das hab ich ihm erst gesagt, wie er mich lange gepeinigt hat. Ich hab nicht gelten lassen, dass in dem Mooshäusel am Wald die tschechischen Somerfrischlinge hausen, und dass sie es kaufen. Es ist seit altersher ein gutes deutsches Häusel gewesen. Das hat den Förster verdrossen und er hat mir unrechter Weise zugesetzt. Wenn ich aber im Recht bin, bieg ich mich vorm Fürsten selbr nit. Uebers Recht geht kein Weg. Und mürrisch schloss er: Mich freut es garnimmer in Toset. Wir deutschen Leute werden da gedrückt und sind der Niemand. Und früher hat keiner im Dorf einen Laut gehört, der nit deutsch gewesen wär.
Was sagen denn die Toseter dazu? forschte Walter.
Die Leute sind heutzutag schier wie Knieholz, das den Sturm scheut und sich an die Erde anduckt. Die einen fürchten die Tschechen, die andern wollen gut mit ihnen auskommen und lassen sich drum den Schädel von ihnen abreissen.
Und euer Bürgermeister?
Ach dem kann das Blut gar nit heiss werden. Sein Baus ist ihm abgebrannt, er lässt es schön gemütlich wieder aufrichten und das Wort daran setzen: Mensch ärgere dich nit! Was ich mich zuviel kränke, kränkt er sich zu wenig. Jeder Mensch hat sein Sprüchel, das seine heisst: Wenn der Kuhschweif auch wackelt, er reisst nit ab. Alles gewähren lassen, dass ist seine Meinung.
Da hub die Alte wieder eintönig und seelenlos ihr Lied an:
Ihr lieben Freund und Anverwandt,
Reicht mir zum Abschied noch die Hand!
Die Rose riecht, der Dorn, der sticht,
Mein Herz, das spricht: Vergissmeinnicht!
Düster nickte der Häusler. Wir müssen Meerfahrer werden. Daheim ist die Not zu schwer, sie kennt keinen Feierabend mehr bei uns. Die Zinsgründe sind mir aufgekündigt. Woher soll ich das Gras jetzt nehmen für die Kuh? Woher das Körnlein fürs Brot? Ich soll auch nimmer Holz klauben dürfen im fürstlichen Wald. Und ein anderer Wald ist nit da. Gestern bin ich deswegen beim Förster gewesen, hab ihn gebeten, er soll mir das Holz wieder bewilligen, er hat die Zähne auf mich fürgereckt wie ein Wolf und hat mich ohne Antwort stehen lassen. Sollen eine Kinder im Winter erfrieren mitten im Wald? Nenn, so elendig wie daheim kann es mir hinterm Meer nit gehen!
Sie packte ihn bei der Hand. Sepp, es wird sich alles wieder geben. Hohes Wasser verrinnt sich wieder. Wir gehen zum Fürsten selber, der lässt uns den Pachtgrund. Bleiben wir daheim! Es kann nirgends besser sein!
Zum Fürsten soll ich gehen? lachte er. Er ist ein reicher Mann, und die Reichen haben kein Herz. Und von seinen Beamten reden nur wenige deutsch, von den andern kriegt man finstere Augen. Mich freut es nimmer da. Eh ich den letzten Notknopf herlasse, reise ich übers Meer. Unser Dorf gehört bald den andern, sie haben ihm schon einen tshechischen Namen gemacht. In der Kirche hört man nit einmal das Vaterunser mehr gut deutsch, Unser Pfarrer, es wär nötig, er liesse sich die Zunge schleifen! Und unsere Leute lassen sich alles gefallen. Ich mag nimmer zuschauen. Eh ich aber gehe, erstosse ich so einen, dass ihm die Seele hinten hinaus steht!
Der Zorn schüttelte ihn, und das Mägdlein unterm Bett lugte hervor und hatte die Augen bang wie eine gefangene Schwalbe, und das goldne Sternlein war von seiner Stirn gefallen.
Sepp, red nit so hitzig! flehte die Frau. Du machst uns alle noch unglücklich mit deiner Wildheit.
Drum will ich alsbald in ein besseres Land.
Da steckte ein Büblein, das Walther noch gar nicht bemerkt hatte, den Flachshellen Kopf aus dem Ofenloch und fragte: Gelt, Vater, in Amerika machen sie den Regen mit der Maschine?
Nit zu erbändigen ist der Mann, klagte die Frau. Seine Mutter hat in den Kalender geschrieben, er ist im Zeichen des Bockes geboren. Das ist schlimm für ihn. Er hat ein hartes Hirn, er kann nit nachgeben.
Für die Deutschen ist nit lange mehr Raunt in Böhmen, beharrte er. Zwei Hunde an einem Bein vertragen sich nit, einer muss weichen. Mir hat einmal ein tschechischer Fechtbruder gedroht: Ihr Deutschen wendet einmal unter einem Birnbaum Platz haben, so wenig werdet ihr sein.
VIII. (Seite 149-151).
Aber da erhob sich unter den Tschechen Furcht vor den Eingewanderten und Neid, und sie wunden ein Volk gross im Zerstören, gross im Hass weder ihre Lehrer und Wohltäter, gross wie die Urgewalten des Brandes des Wildwassers, die sich, einmal entfesselt; nimmer bändigen können und rasen bis zur Erschöpfung. Sie kannten den Völkerhass; als er noch schlummerte bei den andern Stämmen Europas. Sie verglichen die tätigen Deutschen mit schmarotzenden Läusen und lästiger Krätze und beraubten und verjagten die Verhassten und erschlugen sie. Aber immer wieder in zäher beharrender Treue sachten die Deutschen den alten Boden auf. Denn mit zahllosen Wurzeln fühlten sie sich diesem Land verbunden, dessen Wildnisse sie gerodet, dessen Städte sie fast ausnahmslos gegründet, dessen slavische Menschen sie grossgezogen und in der Einfalt ihrer Herzen bewaffnet hatten.
Der Deutschböhme fühlt sein Recht an dieser durch Werk und Leid erworbenen Erde, aber dies Recht wird ihm bestritten. Der Kampf um den errungenen Boden ist kaum zu schlichten.
Und Walther dachte daran, dass die Geliebte dem feindlichen Heerlager angehörte. Kascha ist unbeugsam, sie wird sehne Kinder ihrem Volke zuführen. Die Macht einer Mutter greift tief. Und der Kampf dagegen wird ihn zerfressen, wird ihn unglücklich machen.
Die Neigung zu den tschechischen Weib und Sorge um sein Volk, diese Gefühle schlugen aufeinander los wie die grimmen Kiefer eines Wolfsrachens, und dazwischen lag sein Herz. Der Wahnsinn erwacht ihm, Kascha deutsch zu machen. Er muss zu ihr, morgen schon will er sie beschwören, morgen muss sie sich entschieden, ob sie die Mutter seiner Kinder werden will. Ueber das Leben der Kinder will er hinaussehen, es muss deutsch werden. Morgen will er nach Prag.
Abermals raunte die stürzende Flut: Verlässt du das Heimatland sobald? Und bist doch da lange ferngeblieben! Hast dich um der Ahnen Erde nicht gesorgt!
Da brannte ihn wilde Reue, er wusste sich mitschuldig an dem Verhängnis. Sein Geist umspannte klar und unbarmherzig die Grösse des Verlustes.
O Böhmen! Wärst du eine öde Aschenhalde, eine Wüste voll toten dürren Sandes, ein ungastlich Felsenmeer, brennend und kahl, ohne dem Samt des Moses, ohne des Baumes Segen, ohne das Wunder quellenden Wassers! Wärest du ein hässlicher Steinriss, mürb, missfarben, verroilend, und kröchen tückische Dämpfe aus deinen Höhlen, den Atem tötend! Wärest du ausgebrannt wie eines Feuerberges Trichter und grau und nebeltrüb oder ein trostloser Gletscher, dass dich die Fremden nicht begehrten und dich uns liessen!
Aber du bist ein Land voll Korn und Obst, dehne Quellen beleben den Ermatteten, heilen den Siechen, deine Wasser durch dröhnen Mühlen und Werke, deine Gebirge strötzen an Hölzern, deine Weiden tragen tausend und tausend Herden. Deine Schönheit ergreift die Seele des Künstlers, macht des Kriegers Auge glühen. Herrlich und resch bist du vor allen andern Landen der Welt!
O Böhmen! Zwei Völker flammen in gleicher Innbrunst zu dir hin. Ihre Sehnsucht aber wird zum Fluch, der ewig wuchernd auf dir ruht.
Land des Vaters, Land der Mutter, Land der kommenden Kinder! Wie liebe ich dich! Wie bange ich um dich!
Gleich einem überhangenden Felsen war die Gefahr: Das deutsche Wort sollte verbannt werden aus diesen Waldbezirken und mit ihm deutsches Wesen.
Im Ossertal ragen die Totenbretter. Und einst nach hundert Jahren wird es dem Wanderer scheinen das ganze weithingestreckte Grenzgebirge sei solch ein ungeheures Brett, darein mit Flammen gebracht steht:
Auf diesem Brett
hat geruht
weiland dass deutsche Volk
Böhmens.
IX. Seite (160-161).
Jetzt seit ihr es, murmelte Walther gramvoll.
Noch nicht ganz! Doch der Kampf muss einmal bis zur Neige ausgetragen werden. Mehrmals schon verdrängten wir, die Fremden, aber gleich zähen Ungeziefer kamen sie wieder. Jetzt aber reckt sich der Löwe Böhmens.
Ich erkenne, ihr wollt die Moldau rinnen lassen mit unserem Blut, rief der Deutsche. Ihr wünscht die gute alte Zeit wieder, wo eure Fürsten Silber boten für einen Schild voll deutscher Nasen und Befehle erliessen, dass alle Deutschen das Land räumen sollten. Aber was werdet ihr Tschechen. ohne uns sein? Der blass gegen uns ist euch Brot und Wein, ist euch Tagwerk und Kunst. Der Hass macht euch zum Riesen, ohne ihn seid ihr kein.
X. (Seite 168-172).
O Warum hatte der Deutsche um dies Land geworben und Schweiss und Blut vergossen uns Böhmen! Sein Fleiss, seine Kunst, sein ausgegossener Geist, es war alles umsonst gewesen.
Hier, wo sich die dunkle Gottesburg nun hebt, schimmerte vielleicht einst eine deutsche Königshalle. Erbaben stand des Markomannen Marbot schindelgedeckte Feste, aus warmen, herrlichem Holz gezimmert, wie es der Wald gespendet; hohe Laubengänge mit rätselhaftem, reichem Schnitzwerk säumten sie. Des Hochsaals Wände glänzten von glattem Getäfel und festen Planken. Kunstvolle Zäume gaben Schirm, stattliche Sattelgächer sassen mannhaft wie Helme. Säulen und Bogen prunkten: Lindwürmer waren in das Holz gerissen, die mit gähnenden Rachen einander bedräuten. Hier in dem Hochsaal funkelten blaue Siegaugen, hier war Grösse und Macht, davor selbst das furchtbare Rom erbebte.
Wo sind sie hin, die mächtigen Männer? Wo ist Burg und Gewalt und Reich? Die deutschen Stämme rieben einander auf in Zwist und Neid. Zwecklos war ihr Aufstieg gewesen.
Später wuchs hier das Thronhaus der Pøemysliden. Da dichtete ein Böhmenkönig deutsche Lieder; Meister deutschen Sanges zogen hochwillkommen den Berg herauf, Reimar und Siegeher und Heinrich Frauenlob und der Tannhäuser; manch stolzes Sängerblut ward gebaren im Umland: Heinrich von Freiberg rang hier, Gottfrieds unausgesungenes, glühendes Lied von Tristan und Isolde zu vollenden, und in einem alten Leich wird der ursprungsdunkle Walther von der Vogelweide ein böhmischer Landherr geheissen. Unten an der Moldau aber ward Prag als deutsches Stadtwesen gegründet und begabt mit deutschem Recht. Und nach Jahrhunderten wieder trug hier am Hradschin manch Gesalbter die heilige deutsche Krone.
Die Deutschen führten die Tschechen, wie eine Mutter in Güte ihr Kind führt, bis es schreiten kann. An den Gedanken grosser deutscher Weisen hat sich die erstarrte Brust dieses Volkes wieder erwärmt, deutsche Dichter vergoldeten die Vergangenheit der Tschechen und priesen deren Melden und lenkten der Menschen Liebe auf das unscheinbare Völklein.
Heute aber?
Gibt es einen Zweck in der Welt? Gibt es Gerechtigkeit im Weltenschicksal? Ach, die Deutschen sind töricht wie die Sonne, sie lodern sich fremder Ferne aus die ihnen nichts zurückgeben kann.
Walther sann und fand sich nicht zurecht, müde sanken ihm die Bände vom Antlitz. Da blühte ein Zauber vor ihm.
Der Mond hatte sich aus den Wolken erhoben und grüsste die Wipfel des Domes.
Nun beseelte sich die Masse, die in dumpfer Wucht gelastet und gewann leidenschaftlichen Ausdruck. Der Stein knospete, wuchs, verlor Stoff und Schwere und begehrte und schwebte empor. Ehenmass und Verwegenheit, Ueberschwang und gebändigte Form; vergeudender Wahnsinn und weise Ordnung durch glühten sich, wie alles auch an diesem Gotteshorst zerrissen schien, es war doch lebendige, strenge Einheit. Die Steine aus wilden Felsen gerissen, aus Finsternis emporgefördert, hier dienten sie in Demut einem gottbesessenen Willen.
Immer mehr zwang der Mond das hochbeseelte Werk aus der Nacht, das Werk, das der Meister im Uebermass seiner himmelsuchenden Traumkraft gedichtet und gebildet. Das er im tiefem Zorn gegen die Beschränkung der Erde hatte hinaustürmen wollen ins Grenzenlose.
Glück und Grauen vor dem Geheimnis dieser Grösse fasste den Schauenden, er fühlte den Dom atmen und blühen, er empfand ihn wie einen steinernen Gottesschrei, wie erstarrtes Feuer, das ein mächtiger Geist gelegt, und darüber die Sterne gleich abgesprungenen Funken glomm.
Er empfand den Dom als ewiges Sinnbild des Rechtes der Deutschen an der Stadt drunten, an dem ganzen Land; mitten in den hasschäumenden Feind desort, unleugbar und nicht zu entwurzeln, war dies Sinnbild gepflanzt.
Der Deutsche Parler hat den Dom erbaut; aus seiner Meisterschule traten die Baumeister Böhmens, massloser Reichtum strahlte daraus über das Kunstleben des Landes. Verlassen aber ragt nun der Dom, der deutschen Sprache Atem ist ringsum fast verloschen. Deutsches Werk hat dienen müssen das dunklere Volk zu erhöhen. So hat es stets gegolten: Die Deutschen haben sich vergeudet von je, haben mit ihrem Blut greise Völker verjüngt, mit ihren feurigen Flügeln die trägen emporgerissen und sieh selber dabei vergessen. O Schicksal, o Fluch der Deutschen!
Walther schrak auf. Kraftwolle Schritte schollen. Im schlichten altertümlichen Kittel einen Steinmetzen nahte ein Mann.
Der Mond beschien eine freudige, gedankenreiche Altmeisterstirn, Haar und Bart waren leicht ergraut, das Auge glomm klar und versonnen. Er trug einen Hammer, und sein Wams glitzerte silberig, als käme er von der Bauhütte her aus dem Zweikampf mit dem Stein.
Was willst du so spät, Erdengast? fragte seine feste, helle Stimme.
O Meister, dass du noch lebst! staunte Walther.
Ich werde noch leben, wenn meines Werkes Quadern vergangen sind und als Stäublein tanzen in der Sonne. Du aber, Tor, willst sterben.
Ja, ich wild spurlos hingehen. Das Leid meines Landes lastet alzuschwer auf mir.
Was ist dein Werk, dass du schon des Todes Ruhe für dich forderst? Deine Stirn ist noch jung. Hast du deine Kraft am Stein gemessen? Hast du wildes Land gereutet? Bast du die Waffe gehoben für das Recht? blast du mit Vorbild und Lehre Menschen erzogen?
XI. (Seite 173-179).
Doch die deutschbürtige Flut, brausste und predigte von dem Gebirge, und des Lauschers Seele badete darin wie in einem Jungbrunn und frohlockte und schwamm auf einmal stromaufwärts, durch Wald und Moor schoss wie ein Fisch ursprunghin, wo die Heimat schimmerte. Und irgendwo an der Wulda zweigte sich ein Strömlein ab und führte auf silbener Fährte zu seinen Quellen, daran mondversponnen ein trauliches Forsthaus schlief. Und Wellen und Wälder, Blumen, Gestirne, Nachtlerchen wurden seelig und sangen: Gertraud! Truda! Gertraud!
Mit klarem Haupte verliess Walther die einsame Lausche. Er wusste: Verscheierte Kräfte walten. Sie haben mein Volk gewollt, sie wissen ihm ein Ziel, ob ich auch vergeblich daran rätsele. Doch sollen wir das Los nicht leidend tragen, wie es auf uns niedersinkt, wir müssen rastlos selber daran hämmern. Leben ist Tat.
In Prag gähne es wieder. Ein schwüler Druck lag über den Gassen ähnlich wie vor Jahren, als ein den Tschechen genehmer Staatsmann gestürzt worden war. Damals schwellte der Aufruhr in der empörten Stadt. Ueberfall und Plünderung bedrohten die Deutschen, ihrer Hochschulen Räume wurden in hunnischer Roheit verheert. Oder es war wie zur Zeit des ostasiatischen Krieges, wo der Tschechen Gebete wild den Sieg der Russen vom Himmel heischten, wo sich dann ihr Groll über die Schmach der geschlagenen Slaven an der. Deutschen Prags entlud.
Wieder lag die Stadt in geduckter Lauer. Leidenschaftlich hetzte ihre Presse gegen die Hörer der deutschen Hochschulen: das Tschechenvolk sei beschimpft, weil deutsche Studenten in Farben durch die Gassen gingen. Die aufgereizte Menge sammelte sich am Graben, der von den Deutschen bevorzugten Hauptgasse Prags, den Studenten die Bunde Ehrenzier zu verleiden, und es kam zu harten Zusammenstossen, da die Söhne Deutschhöhmens sich dass Recht nicht entwinden liessen, ihre Abkunft äusserlich zu bekennen.
Walther wusste von den Gassenkämpfen nichts. Abgewardt dem Treiben dies Tages lebte er in seiner Stube am Hradschin, vertieft in den Aufbau seines Buches und Reisen und Forschungen vorbereitend, die er zu unternehmen hatte.
Das Erleben des Domes befeuerte ihn zu rüstigster Arbeit, und starken Willens stiess er das düster glühende Bild Kaschas von sich, verbannte er auch tapfer den maienhaften Gedanken an das junge Försterskind.
Als er eines Sonntags in die Stadt hinabstieg eine Buchhandlung aufzusuchen, staunte er über den Aufruhr am Graben, über die gefährlichen Gestalten die sich sonst nur in berüchtigsten Vorstädten zeigten.
Dort traf er auch Fritz Wölfel und Zwentibold. Von diesem erfragte er, dass der Förstersohn, der bei einem Sokoleinbruch in den Böhmerwald erstochen worden war, Geirecker geheissen habe und aus dem Dorf Gsenget gewesen sei.
Die zu Tausenden gestaute Menge bedachte die drei unbekümmert deutschredenden mit unwirschem Blick und üblem Wort. Da ward Walther finster. Aber Wölfel lachte und scherzte sorglos weiter.
Ich verstehe dich nicht, Freund, sagte Zwentibold, du bist so fröhlich, wo wir doch auf unterhöhlten Boden schreiten und jeden Augenblick die Stichflamme vor uns aufzucken kann.
Ich fühle die feindliche Umwelt garnicht, antwortete Wölfel einfach. Mich muten Häuser, Türme, Wolken, die Strahlblicke der Mädchen jetzt deutsch an. Ich bin darum in keinem Lande fremd. Meine deutsche Welt trage ich immer mit mir. Wo ich bin, ist Deutschland.
Darauf sagte Zwentibold betrübt: Du Glüaksmann, dich macht dein Blut so sicher. Was ich Mischling mir in bitterer Mühe erst erringen muss, das wächts dir von selber zu wie dein Haar. Alle Halbheit ist Fluch.
Wölfel reichte ihm jäh die Band. Nein, du guter Streiter, auch deine Sehnsucht wird gesegnet.
Rohes Getös, Schreie, Verwünschungen hoben sich, Männer drängten; die Menge verknäulte sich irgendwo.
Der Hauptmann Rudolf Ott stand plötzlich vor den Freunden. Eilen Sie, meine Herren? Um Böhmen ringen sie, um den heiligen Nabel Europas.
Was ist geschehen?
Ein heisspulsiger Sohn Slavias hat einen Tuiskosprossen das Burschenband entrissen und bespuckt. Der Deutsche aber hatte derbe Fäuste, und der Gegner sass am Pflaster. Die Sache ist bedauerlich. Die Schuld trifft jene, die in solch kindischem Ding, wie es das Tragen gefärbter Bändlein ist, eine Kochtat sehen!
Es handelt sich nicht um die Farben, Oheim. widersprach Zwentibold, es geht um das Bekenntnis zum Deutschtum in der Haupstadt Böhmens.
Seht meinen Herrn Neffen an! krächzte Ott. Du mit deinen aufgestülpten Himmelfahrtspäschen, mit deiner Zigeunerhaut, den traurigen Pechäuglein, dem rundn Köpflein und den mageren Leib, du musst dir erst einen blaublonden Langschädel eine Milchweise Haut und bärenfeste Pfoten wachsen lassen, wenn du ein Deut eher werden willst. Bei Wodans Bart, kein Mensch kann aus seiner Rasse heraus.
Er grüsste stramm und liess Zwentibold fahl wie ein Wachsenbild zurück.
Ungestümer kreischten die slavischen Rufe: Schlagt die Burschen nieder! Reisst ihnen die Kappen weg! Die Strassenbahn stockte in der bedrohlich schwellenden Menge wie ein Zug im Schnee.
Walther hatte sich durch das Gedränge gewühlt und war dem Umstellten nahe. Die jungen Leute standen mit brennenden Stirnen, umkläft von der Meute, die sie nicht weiter liess.
Ueber ihnen hing der Söller eines Hauses, dort beugte sich eben eine vornehm gekleidete Frau über das Geländerund spuckte auf sie herab. Die Horde johlte ihr Beifall und drang auf die Umzingelten ein. Einem davon ward die Kappe geraubt, einem andern tückischerweise der Ueberrock am Rücken aufgeschnitten ein dritter taumelte und Blut rann ihm über die Wange. Immer toller lechzte die Meute und sperrte die Gasse, wie sich ein Ungeheuer vor einem Pass lagert.
Walther knirschte. Am offenen Tag, also, mitten in der Hauptstadt; wenige Bahnstunden bloss entfernt vorn der Grenze des Deutschreiches beleidigte man Deutsche, misshandelte man sie Wie vogelfreie Schelme!
Mit gesengter Stirn, die Elbogen auswärts durchbrach er die feindliche Mauer. Nicht die Ueberlegung, sein Blut riss ihn zu den Gefährdeten hin; Er wusste nicht, ob er für sie raufen, ob er mit ihnen leiden wolle.
Er erreichte die Deutschen. Er fühlte den sengenden Anhauch des Hasses, ein Meer von drohenden Häuptern wirbelte um ihn, Augen voll schillernder Wut, Stirn an Stirn starrte die eingefleischte Vernichtungsgier, sprühende Männer, schreiende Frauen; Mütter neuer Hasser. Die Leiber der Feinde schienen verschmolzen zu einem einzigen, fauchenden, besessenen Tier. Bald musste es zur Untat aufschnellen.
Landsleute, folgt mir! rief Walther den Jünglingen zu. Dann herrschte er den Gassentross an: Platz da!
Ein ausgemergelter, plattnaiger Wicht, den Rockkragen aufgestülpt das fettige, schwarze Haar über die niedere Stirn gestrichen, stand grinsend wer Walther und blies ihm den Rauch seines Glimmstengels ins Gesicht.
Platz! brüllte Walther und packte den Kobold. Der aber schleuderte ihm das brennende Kraut ins Gesicht und entrann.
Doch die Mauer öffnete sich vor Walthers Blick, der wie ein Stahl zückte, und die Deutschen schritten durch den brausenden Hexenkessel, durch Gefahr voll gurgelnder Wut und haben, die Gefahr missachtend, in Trotz und Bekenntnis das alte herrliche Dentschlandslied an und sangen mit entrücktem Augen und fühlten nicht die Sturzlache von Schmutz, die über sie niederging.
So überquerten sie den Graben, um sich hinter denn Tore des Deutschen Hauses zu bergen.
Ein Ereignis lenkte das Volk von dem Häuflein ab. Irgend ein Mensch durchfurchte unwiderstehlich wie ein trunkener Berserker die Menge und verwirrte sie und übergellte leidenschaftlich die tosende Gasse.
Ich bin ein Deutscher! Ich bin ein Deutscher!
Zorniger hob sich die Brandung; und das grelle Geschrei jenes Menschen ward schmerzlich und ging endlich unter:
Walther und seine Gefährten hatten ich indes in das Deutsche Vereinshaus gerettet. Draussen aber bäumte sich eine schäumende Woge wider das Tor. Nieder mit Deutschland! gröhlten sie. Ruhm den Russen! Es gedeihe Frankreich! Und der Hass spie sein giftfauliges Gekröse in einem aberwitzigen Lied gegen die deutsche Feste.
Mit banger Miene rat Wölfel zu dem Freund.
Hast du ihn gehört, der den Wütenden draussen sein Deutschtum erkundete? O Walther; wie mag es ihm ergangen sein? Sie schlugen unbarmherzig auf ihn ein. Es war Zwentibold.
Am selben Tag noch suchte Walther den Verwendeten heim.
Weinend empfing ihm Zwentibolds Mutter. Der Vater wusste noch nichts, er war schon fortgegangen, ehe man den Sohn gebracht.
Der lag mit verbundenen Kopf im Bett und lächelte müde dem Freund entgegen.
Tut es weh, Zwentibold?
Nein, flüsterte er.
Was haben Sie getan? Ist es klug, unter hungrige Tiger zu springen und zu schreien: Fresset mich?!
Haben Sie anders gehandelt, Herr Docktor? Ach, es kam über mich wie ein Rausch, die Augen wurden mir dunkel, und des Oheims Rode brannte wie Schimpf.
Kein Erbarmen haben sie mit ihm gehabt; klagte die Mutter, es ist kein heiler Fleck auf seinem Leib. Den Fuss haben sie ihm gebrochen, zum Krüppel haben sie mir ihn getreten.
XII. (Seite 233).
O dass wir uns unseres Landes nicht in Frieden freuen dürfen! bangte Walther. O dass der Feind keine Versöhnung will!
Markwarts Miene ward steinern. Wäre ich ein Gewaltiger, rief er, ich zwänge sie, in die Steppen des Ostens zurückzuwandern.
Dies wäre ungeheuer grausam, schauderte Walther. Bedenke, ein Jahrtausend und länger hausen sie unter uns!
Magst du es grausam schelten oder nicht! Eines nur ist notwendig: der Atem meines Volkes!
XIII. (Seite 241-244).
O Böhmen.
In deinen Wäldern ward ich geboren. Deine weisen Bäume, deine klugen Quellen liehst du mir zu Gespielen, deine Wolken trugen meine Träume. Aus deiner Seholle stieg die Kraft und nährte mich. Du fülltest meine Adern mit deutschem Blut, du gabst mir eine deutsche Seele. O Heimat drunten, Stein, Wald, Moor, Heide, Acker, See, Bach! Sei gegrüsst! Wie bist du reich vor allen Ländern!
Sei mir gegrüsst mit dem Schrei meines Leides, o Böhmen; du dornzerkrönte, bittere Schmerzenserde!
O meine Brüder im Reich! Der Deutsche in Böhmen kann nicht wahrhaft fröhlich sein, immer muss er bangen um den Besitz der ererbten, errungenen Heimat. Ein fremdes Volk, begabt mit beispiellosem Opfersinn, mit flackerndem Ehrgeiz, voll Stammensstolz, überreicht an Kniff und Finte, furchtbaren Zielen zugewandt, das Volk der Tschechen sucht mit verbissenem Eifer uns Deutsche aus denn Land zu treiben oder zu knechte. In nimmermüder Hast zerfressen sie das ehrwürdige Oesterreich, sie unterhöhlen dieses Reich, dessen Geschick geleitet wird von einer Staatskunst, die aus der Vergangenheit nichts lernen will. Dies Volk, vor hundert Jahren noch ohnmächtig, weiss sich nun im raschen Aufstieg, immer schroffer drängt es nach Gewaltherrschaft, es wähnt, Oesterreich bald in einen Slavenstaat zu wandeln.
O Freunde, die ihr im Reich geborgen vor andrängendem Fremdvolk ein friedlich Leben führet, verschliesst eure Herden nicht unserer Not!
Denket, dass euer Blut in Millionen Menschen dieses Landes schlägt! Denket, dass von Böhmen das Schriftdeutsch ausgegangen, das euch zu einem einigenden Bande wurde!
Höret mich! Vor grauer Zeit wirkte ein deutscher Mönch, der legte von seinem Kloster in Bayern aus durch diesen wilden Wald einen Weg, den hiessen sie den Goldenen Steig. Darauf wanderten Bauern und Bürger aus bayrischem Land ins böhmische herüber und siedelten und rodeten hier. Und so quollen sie zu allen Pässen Böhmens herein, von den Fürsten gerufen oder gelenkt von eigener Tatenlust, und kamen von Rhein und Schwabenland, von Hessen,. Westfalen, Franken, Sachsen, Schlesien und Flandern, und fanden hier ihr Glück und ihre Not und wurden unter dem Druck gemeinsamen Leides ein einziges Volk, das Volk, der Deutschböhmen.
O Freunde, erinnert euch, dass wir seit urher zusammengehören, dass gleichem Brunn gestiegen unser Blut und unser Wort! Erkennet, dass wir vereint das gleiche Schicksal tragen müssen!
In dieser Nacht nun, wo sich die Felsen öffnen und gebannte Schätze emporblühen dürfen ans Sternlicht, in dieser Nacht, wo alle guten Geister unseres Volke, wach sind, wo auf deutschen Höhen ein Flammenheer das Tschechenland umzäumt, da wollen wir dies Felsenfeuer beschwören.
Markwarts Stimme war hart und gross, er schien selbst Urkraft zu sein und Lohe.
Empor, du ahnenvererbtes Heiltum, uralt teure Feuersäule! Schüttle seine lodernden Locken, steige, wachse, hell die Nacht! Schlage in uns hinein, Kraft! Durch glühe uns dass wir nicht verfaulen und verderben! Gib uns felsenstarke Zuversicht! Gib uns ein eisernes herz, das alles jauchzend hinopfert für sein Volk, wenn das Weltgewitter furchtbar über uns einst herzieht!
Die lauernden Weltkräfte gerieten in Fluss, im Westen spielte Wetterlicht, leises, warnendes Murren wies auf kommende Donner.
Der Mann am Felsen riss mit seherischen Geist die Zukunft an sich.
Unholde Völker drohen aus ihrem Dunkel. Die Welt wird ein Flammenstoss sein. Herrgott, der du aus den Stirnen wissend niederstarrst auf mich, ich vertraue dir! Du lässt uns geläutert erstehen aus dem Notfeuer der Weltenbrunst! Du gibst, dass ein Wort uns Gefühl und Tat, dass ein Wort unser Schicksal in alle Ewigkeit hinaus bestimme! Das Wort: Deutsch!
Die Wanderer sassen hingerissen von der Rede und dem Schauspiel, das der Kampf des Feuers mit dir Nacht bot. Und als Sprecher das Wort Deutsch! rief, durch schauerte es alle, als blitze eine Flammenklinge, als zucke ein goldener Strahl aus Geisterfernen herüber.
XIV. (Seite 324-325).
O Böhmen, uns Deutschen bist du kein leichtes Geschenk, das helle Götter spielend uns in den Schoss geworfen. Wir Kampfbestimmten müssen weiter im dich ringen, auch wenn nach dem grossen Krieg des Sieges Glockengewitter verklungen sind. Wir müssen weiter wachen über Haus und Wald und Brunnen.
Offenbar worden ist der Deutschen masslose Kraft. Schon hebt sich der feurige Gotteshammer. Der Sieg wird beidem Rechte sein.
Unanfechtbar, unwiderleglich ist auch unser Recht an diesem Land. Mit gewaltiger, ruhiges Kraft, wie ein Gletscher rinnt, ist der Wille uni gewachsen! Niemand, Heimat, darf dich uns entreissen! Mit Blut und Waffen in Tausend Schlachten haben wir dich uns bewahrt. Gewalt und Tücke werden zersplittern an unserm reinen Schwert.
O Böhmen, von Gott uns zugewiesene Heimat, sei gegrüsst!
Sei gegrüsst in Treue, du ernstes Volk Deutschböhmens! Segen deiner Erde! Sieg deinem Erz!
Du wirst nicht vergehen!
Die Unterzeichneten richten daher an den Herrn Justizminister folgernde Anfragen:
1. Ist der Herr Justizminister mit uns der Ansicht, dass ein Werk der schöngeistigen Literatur nur in seiner Gänze beurteilt werden kann, und dass es nicht die Aufgabe der Polizeiverwaltung und der Justizverwaltung ist, über solche Werke eine politische Zensur auszuüben, die sicherlich eher berechtigt ist bei vielen im freien Handel unbeanständet verkauften Schmutzschriften, die lediglich auf die Erregung der gröbsten Sinnlichkeit gerichtet sind, als bei dem ernsten Werk eines angesehenen Dichters?
2. Ist der Herr Justizminister geneigt, das Geeignete von amtswegen zu veranlassen, damit das Urteil des Landesgerichtes in Prag aufgehoben werde?
Prag, am 3. Mai 1923.
Patzel,
Dr. Brunar, Dr. E. Feyerfeil, Dr. Keibl, Kraus, Dr. Radda, Dr. Schollich, Böhr, Röttel, Matzner, Dr. Medinger, Dr. Lehnert, Ing. Kallina, Kaiser, Ing. Jung, Dr. Lodgman, Dr. Kafka, Knirsch, Wenzel, Simm, Heller.