Úterý 25. února 1930

Der Herr Finanzminister hat seinen Standpunkt in folgenden Punkten festgesetzt:

1. Daß das Gesetz Nr. 77/1927 nur einen Übergangscharakter hat und angeblich bisher nicht die geeignete Zeit war, um eine definitive Regelung der Frage der Aufteilung der Aufgaben öffentlich-rechtlichen Charakters zwischen dem Staat und den einzelnen Körperschaften zu treffen.

2. Angeblich ist für die Sanierung der autonomen Finanzen die Stabilisierung des budgetären Bedarfes eine wichtige Frage, was hauptsächlich für jene Körperschaften gilt, welche mit chronischem Defizite arbeiten und welche sich infolgedessen in einem kritischen finanziellen Stand befinden.

3. Es sei notwendig, sich ein definitives genaues Bild über die Verschuldung der Selbstverwaltungskörper zu beschaffen. Erst dann wird es möglich sein, an eine definitive Regelung der Finanzen der autonomen Körperschaften heranzutreten.

4. Die Ansprüche der Körperschaften an den Ausgleichsfond wachsen ständig und infolgedessen erweisen sich die Fonds als unzureichend. Es muß daher inzwischen rasch den Fonds geholfen und die größten Schwierigkeiten der Selbstverw altung erleichtert werden.

Diese Fragen sind angeblich Gegenstand von Beratungen und der Herr Minister hofft, daß es in dieser Sache in kurzer Zeit zu einer Einigung kommen und es möglich sein wird, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit welchem diesen dringenden Bedürfnissen entsprochen wird.

Vor allem finden wir in den Äußerungen des Herrn Ministers einen Widerspruch, denn er verlangt voraus eine Reihe anderer Fragen geregelt und zwar die definitive Regelung des Mieterschutzes und die Freigabe der Zinse, dann ferner die Entscheidung, wer den Personalaufwand für die Schulen tragen wird, und wie die nötige Bedeckung hierfür beschaft werden soll, und erst wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, dann soll es notwendig sein. sich ein definitives genaues Bild über die Verschuldung der Selbstverwaltungskörper zu beschaffen. Das heißt also, der Herr Minister glaubt, daß die Regelung der Gemeindefinanzen von der Aufhebung des Mieterschutzes, der vollständigen Freigabe der Mietzinse und der endgültigen Regelung, wer den Personalaufwand für die Schulen zu tragen hat, abhängig ist. Dann erst wird man Erhebungen machen über die Verschuldung der Gemeinden und vielleicht wird man dann erklären, daß nicht die geeignete Zeit da ist, um die Gemeindefinanzen regeln zu können. Das heißt also, daß der derzeitige finanzielle Zustand der Gemeinden noch weiterhin erhalten bleiben soll und daß die Herren erst eingreifen werden, wenn der vollständige Verfall der Gemeinden eingetreten ist.

Die Anhänger des Gesetzes suchen aber auch nach anderen Gründen, und nachdem jeder, der in der praktischen Gemeindearbeit steht, ohne Rücksicht auf seine politische Überzeugung zugeben muß, daß das Gemeindefinanzgesetz nur zerstörend auf die Wirtschaft der Gemeinde wirkt, suchen diese Anhänger nach Ausflüchten, die wohl nicht ernst genommen werden können. So wird einfach jeder, der gegen das Gemeindefinanzgesetz ist, beschuldigt, daß er nicht aus Überzeugung, sondern einfach aus Prestigegründen auf die Novellierung des Gesetzes drängt. Mit dieser Beschuldigung hat man durchaus nicht sachlich nachgewiesen, daß das Gemeindefinanzgesetz die Finanzen der Gemeinden nicht geordnet hätte, sondern es bleibt nach wie vor die Tatsache bestehen, daß sich in allen grösseren, mittleren und kleinen Gemeinden die Finanzen noch nie in einem so desolaten Zustand befunden haben wie heute. Nachdem diesen Herrschaften die Beweisführung, daß das Gesetz gut ist, unmöglich wird, so verfallen sie auf die Idee, so wie Herr Stepanek aus Pilsen, einfach zu erklären, daß die Mängel nicht im Gesetze liegen, sondern in der Durchführung. Dieser Einwand ist nichts anderes als eine Verlegenheit und kein ernster und seriöser Gemeindeverwalter wird zugeben können, daß an den schlechten Verhältnissen der Finanzen der Selbstverwaltungskörper das Gesetz ganz schuldlos und nur die Durchführung schuldtragend ist. Wir möchten die Herrschaften sehen, wie sie aufschreien würden, wenn die durchführenden Organe, Bezirke und Länder den Versuch unternehmen würden, die drakonischen Bestimmungen des Gesetzes nicht einzuhalten und über sie hinweg zu gehen. Denn schließlich das Entscheidende, was den Selbstverwaltungskörpern geschehen ist, ist, daß man ihnen durch die Steuerreform und das Gemeindefinanzgesetz eine ganze Reihe von Einnahmen entzogen hat, daß man die Zuschläge limitiert und die Abgaben ohne Rücksicht auf die Zus ammensetzung der Bevölkerung und den voraussichtlichen Ertrag schablonisiert hat. Daneben hat man den genialen Gedanken des Dotationsfonds im Geset ze verankert, dessen Aufteilung vollständig willkürlich in die Hände einiger weniger Menschen gelegt wird, ohne daß die Selbstverwaltungskörper einen rechtlichen Anspruch darauf haben. Außerdem hat man zur Grundlage der Berechnung lauter fiktive Ziffern genommen, denn sonst hätte es nicht möglich sein können, daß der Dotationsfonds mit einer so lächerlichen kleinen Summe dotiert wird, die nicht einmal ausreicht, um die auf einem Gesetze oder Rechtstitel beruhenden Ausgaben der Selbstverwaltungskörper zu befriedigen. Wir wollen an einigen wenigen Ziffern aufzeigen, wie es um diesen Dotationsfonds bestellt ist.

Die Zuteilung des Staates an den Ausgleichsfonds in Böhmen macht brutto 120 Millionen Kč aus, davon sind ca 18 Millionen Kč für Gehälter, Ruhe- und Versorgungsnüsse der Bezirke in Abzug zu bringen, sodaß netto 100 Millionen Kč zur Verteilung übrig bleiben.

Die Ansprüche der Bezirke und Gemeinden in Böhmen betragen ca. 600 Millionen Kronen. Es müssen daher in den Voranschlägen der Bezirke und Gemeinden des Landes Böhmen 500 Millionen Kronen gestrichen werden, um das berühmte Gleichgewicht in diesen Selbstverwaltungskörpern herzustellen.

Aber selbst bei Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes 77/27 war der zugewiesene Betrag so klein, daß nur 93 Prozent der Erfordernisse der Bezirke und Gemeinden befriedigt werden konnten, die auf einem Gesetze oder Rechtstitel beruhten. Das heißt also, man mußte selbst zur Streichung von Posten schreiten, zu denen die Bezirke und Gemeinden nach bestehenden Verträgen oder Gesetzen verpflichtet sind, die Zahlungen zu leisten. Alle anderen Aufgaben der Gemeinden und Bezirke konnten durch die Mittel des Ausgleichsfonds nicht gedeckt werden, sodaß vor allem die soziale Fürsorge, das Armenwesen, die Beteilung der Kinder mit Lehrmitteln, die Unterstützung der Jugendfürsorge, die Straßenpflege und eine Reihe anderer Aufgaben seit Bestehen des Gesetzes in den meisten Gemeinden nicht mehr erfüllt werden können.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß die Bezirke und die Gemeinden aus den früheren Jahren noch Reserven aufgestapelt hatten, die zur Gänze in den ersten zwei Jahren dieses Gesetzes verbraucht wurden und daß die finanziell bestgestellten Selbstverwaltungskörper heute in großer Bedrängnis sind. Mit dem Verbrauch der Reserven wird natürlich immer mehr und mehr die schlechte Auswirkung des Gesetzes bemerkbar werden und die Klagen der Geldanstalten gegen Selbstverwaltungskörper auf Einhaltung der Zahlung der Zinsen und Annuitäten der aufgenommenen Darlehen werden immer zahlreicher.

Vor Inkrafttreten des Gesetzes 77/27 hatt en wir in Böhmen bei 213 autonomen Bezirksverwaltungen folgenden Umlagen: 4 Bezirke hatten unter 110 Prozent, 47 Bezirke hatten bis 200, 135 Bezirke bis 400, 26 Bezirke bis 700 und 1 Bezirk über 700 Prozent.

Daraus ergibt sich, daß 98 Prozent der Bezirke durch das Limit der Zuschläge verloren haben. Außerdem wurde ihnen die Zuweisung von der Umsatz- und Luxussteuer weggenommen, sodaß diese 213 Bezirke einen Abgang an Einkommen von rund 150 Millionen Kronen durch das Gesetz 77/27 erlitten haben. Durch die Übernahme einer Anzahl von Beamten der autonomen Bezirksverwaltungen in den Staatsdienst haben die Bezirke ca. 18 Millionen Kronen gespart. Es würde also, um allen Bedürfnissen der Bezirke zu entsprechen und ihnen zumindest die Einnahmen zu sichern, die sie im Jahre 1927 hatten, ein Betrag von 130 Millionen Kronen notwendig sein. Es ist also die Zuweisung an den Dotationsfonds von 100 Millionen Kronen nicht einmal ausreichend, um die Bedürfnisse der Bezirke zu befriedigen, geschweige denn, den vielen tausenden Gemeinden zu helfen.

Daß die Verhältnisse sich auch in der Preisgestaltung einzelner Artikel und in den Aufgaben der autonomen Selbstverwaltungskörper vollständig verschoben haben, ersieht man aus folgenden Beispielen:

Wenn ein Selbstverwaltungskörper vor. dem Kriege einen hundertprozentigen Zuschlag zur Grundsteuer von 50 K eingehoben hat, so war er imstande, für die 50 Kronen 4·5 m3 Schotter zu kaufen. Heute erhält man für 50 Kronen nurmehr 0·5 m3 Schotter, sodaß also, wenn der Selbstverwaltungskörper seinen Aufgaben in der Straßenerhaltung vollständig nachkommen will, nur bei dem einen Artikel Schotter eine Verachtfachung der Einnahmen braucht.

Welche Folgen aber die geringe Zuweisung an den Dotationsfonds und daher der Zwang zu den Streichungen in den Voranschlägen der Selbstverwaltungskörper zeitigen, mutet, wenn es nicht so ernst wäre, humoristisch an. Ein den Verhältnissen vollständig fremder Mensch hat nach den Bestimmungen des Gesetzes den Voranschlag der Bezirke und Gemeinden nicht nur sachlich, sondern auch materiell zu überprüfen. Welche genialen Geister würden notwendig sein, um wirklich objektiv überprüfen zu können, ab die Anschaffung einer Schulbank in einer Gemeinde notwendig ist oder nicht, oder ob die Ausbesserung von Schotterfängen bei Wildbachregulierungen ausbesserungsbedürftig ist, oder ob man noch zwei Jahre zuwarten kann. Nachdem auch die Bürokraten nur Menschen sind und eben unter dem Zwange dieses Gesetzes nach bestimmten Richtlinien arbeiten müssen, ergeben sich Sachen, die für den normalen Menschen unbegreiflich sind. Wir wollen nur einige wenige Beispiele für viele anführen:

Im Voranschlag des Bezirkes Komotau wurde die Unfallversicherung für die Feuerwehr zur Hälfte gestrichen, d. h. also, es ist nur jeder zweite Feuerwehrmann gegen Unfall zu versichern. Der Bezirk Aussig hat ein Personenauto. Im Voranschlag wurden die Erhaltungskosten und Betriebsmittel belassen, dafür wurde der Lohn des Chauffeurs gestrichen. Im Voranschlag der Stadt Aussig wurde der Posten für den Wasenmeister und die Desinfektionsmittel gestrichen. Direkt komisch wirkt der Vorgang bei den Gemeinden, die eigene Gemeindebetriebe besitzen. So wurde einer Gemeinde vorgeschrieben, daß der Reingewinn ihrer Ziegelei zu niedrig sei und derselbe erhöht werden muß. Ob die Möglichkeit besteht, die Ziegel deshalb teurer verkaufen zu können, weil es der Wunsch der Landesverwaltung ist, wollen wir stark bezweifeln. Die Stadt Schatzlar besitzt ein städtisches Krankenhaus. Die Landesbehörde hat der Gemeinde den Auftrag erteilt, zur Versorgung des Krankenhauses mit Wasser ein Wasserreservoir zu bauen. Der Auftrag war vom Präsidenten der Landesbehörde Kubát unterschrieben. Die Gemeindevertretung nahm diesen Auftrag ernst und stellte in den Voranschlag für die Errichtung dieses behördlich aufgetragenen Baues den Betrag von 50.000 Kronen ein. Bei der Überprüfung des Voranschlages wurde dieser Betrag gestrichen und der Auftrag zur Streichung war von demselben Landespräsidenten Kubát unterschrieben.

Die Schulgemeinde Modlan besteht aus den Gemeinden Modlan, Serbitz, Senseln, Suchey und Weschen. Der Schulvoranschlag wurde den Gemeindevoranschlägen beigeschlossen und bei der Revision durch die Landesbehörde hat sich ergeben, daß in den Gemeinden Serbitz und Suchey der Schulvoranschlag mit seinem unbedeckten Erfordernis von Kč 63.656 belassen wurde. Derselbe Schulvoranschlag wurde in den Gemeinden Modlan und Weschen um zirka 18.900 Kč gestrichen. Dabei wurden in jeder Gemeinde andere Posten gekürzt, und zwar Schularzt in Modlan 0, in Weschen 500; sachliche Bedürfnisse 0, 300; Einbinden der Amtsbücher 0, 100; Schulleitungspauschale 0, 300; Bücherei 300, 0; Lehrmittel 400, 0; Lernmittel 3000, 2000; verschiedene Ausgaben 1300, 1800; Reinigungsmittel 0, 500.

Wie nun die Schulgemeinde die Quoten aufteilen wird, das ist eine unlösbare Aufgabe. Der Bürokrat hat seine Pflicht erfüllt und jeden Voranschlag ausgeglichen, alles andere ist für ihn nicht entscheidend.

Eine Katastrophe für viele Gemeinden ist das Verpflegskostenfünftel. Auch hier sind eine Reihe von bürokratischen Kunststücken aufgeführt worden, sodaß es z. B. vork am, daß bei der Überprüfung des Voranschlages der Posten für das Verpflegskostenfünftel herabgesetzt wurde und später von derselben Landesbehörde die Rechnung zur Zahlung des Verpflegskostenfünftels kam, die dann höher war, als der von der Landesbehörde eingesetzte Posten.

In ganz kleinen Gemeinden wirkt sich dieses Verpflegskostenfünftel oft katastrophal aus, wenn eine solche Gemeinde das Unglück hat, den Verpflegskostenersatz für ihre in Irrenanstalten untergebrachten Gemeindeangehörigen zu leisten. So sollte beispielsweise die Gemeinde Pabelsdorf im Bezirk Pfraumberg, die 193 Einwohner zählt und eine Umlagenbasis von 1427 Kč hat, 3050 Kč an Verpflegskostenersatz für zwei in der Irrenanstalt untergebrachte Gemeindeangehörige leisten.

Ebenso schrecklich sind die Streichungen in den Voranschlägen der Bezirke für die Krankenhäuser. So wurde im Voranschlag des Bezirkes Braunau der Gehalt des Primararztes von 23.700 Kč auf 14.700 Kč herabgesetzt. Die Bezüge des Krankenwärters wurden zur Gänze gestrichen. Die Post "Verköstigung der Kranken" wurde um ein Viertel gekürzt. Das Erfordernis an Wäsche und Kleidung wurde von 40.000 Kč auf 13.000 Kč ermäßigt. Bei der Post "Wäschereinigung" wurde die Hälfte gestrichen.

So könnten wir noch viele hunderte Beispiele anführen und aufzeigen, wie unvernünftig bei den Streichungen vorgegangen wird, weil einfach für diese Bürokraten die Weisungen und das Gesetz maßgebend sind, das Leben der Menschen dabei vollständig unberücksichtigt bleibt.

Hier kann man also nicht davon sprechen, daß nur die Durchführung des Gesetzes die Folgen sind, sondern hier ist das Gesetz das alleinige Hindernis.

Aber auch als man in dem Gesetze die Bestimmung festlegte, daß alle Voranschläge, die einen Anspruch an den Dotationsfond stellen, von der Landesbehörde sachlich und materiell zu überprüfen sind, war man sich sicher nicht im klaren, welch ungeheure Arbeit damit verbunden ist. Und wenn im Bericht zum Finanzgesetz gesagt wird, daß man bemüht sein wird, eine raschere Erledigung herbeizuführen, so könnte das nur erfolgen durch die Anstellung eines ungeheuer großen Beamtenkörpers, der wieder neue Lasten verursachen würde. Heute gibt es nicht eine einzige Gemeinde, die in der Lage wäre, an der Hand ihres Voranschlages im laufenden Geschäftsjahr ihre Agenda abzuwickeln. Die Voranschläge der Bezirke und der Gemeinden werden immer erst rechtskräftig, wenn das Geschäftsjahr schon abgelaufen ist. Das Gesetz 77/27 hat die Bedeutung der Voranschläge für die Führung der Verwaltung ganz illusorisch gemacht.

Noch schlimmer steht es mit den Zuweisungen aus dem Dotationsfond. Die Gemeinde erhält gewöhnlich in der zweiten Hälfte des Jahres einen Vorschuß mit der Bemerkung, daß das Land sich vorbehält, nach der Überprüfung diesen Vorschuß evtl. zurückzuverlangen. Ende des Geschäftsjahres oder Anfang des nächsten Geschäftsjahres erhalten sie den Voranschlag mit der Mitteilung, daß sie aus dem Dotationsfond so und so viel erhalten, darauf wäre der Vorschuß gegeben worden, der Rest kann derzeit nicht flüssig gemacht werden, weil der Dotationsfond momentan keine Mittel besitzt. So ist beispielsweise der Voranschlag für 1929 der Stadtgemeinde Turn von der Landesbehörde noch nicht erledigt. Von den angeforderten 600.000 Kč wurden 340.000 Kč bewilligt, 40 Prozent von dieser Summe wurden wirklich ausbezahlt, während der Rest heute noch ausständig ist. Demgegenüber versteht es der Staat ausgezeichnet, den übertragenen Wirkungskreis der Selbstverwaltungskörper immer mehr zu erweitern und vor allem den Gemeinden immer mehr und mehr Lasten aufzutragen. In bürgerlichen Kreisen wird der Ruf laut, den Gemeinden den übertragenen Wirkungskreis vom Staate abzunehmen. Das wäre aber nur dann von Erfolg, wenn der Staat auch die definitiv angestellten Beamten der Gemeinde, die dann überflüssig werden, in Staatsdienst übernimmt. Nur dann könnte diese Maßregel für die Selbstverwaltungskörper eine Erleichterung sein.

Aus alledem ergibt sich, daß die sozialen und kulturellen Aufgaben der Selbstverwaltungskörper, insbesondere die Sorge um das Schulwesen, die Volksbildung, das Gesundheitswesen, die Wohnungsfürsorge, die Jugendfürsorge und die Unterstützung der Armen, sowie die Sorge für die Kommunikationen, Kanalisierung und Lichtanlagen unter den Auswirkungen dieses Gesetzes vollständig zum Stillstand gekommen sind und dadurch der Bevölkerung in sozialer und kultureller Hinsicht großer Schaden zugefügt wird.

So wie das Gemeindefinanzgesetz der unbemittelten Bevölkerung durch die Erhöhung der Abgaben neue Lasten gebracht, so hat die Steuerreform in ihrer ganzen Auswirkung den Besitzklassen ungeheuere Vorteile gegeben. Diese ersehen wir, wenn wir einen Vergleich über den Ertrag der direkten Steuern vor der Steuerreform und nach ihr anstellen:

Im Staatsvoranschlag waren eingestellt:

Grundsteuer: im Jahre 1927 97 Mill. Kronen, 1928 83 Mill. Kronen, 1930 78 Mill. Kronen;

allgemeine Erwerbsteuer: im Jahre 1927 219 Mill. Kronen, 1928 175 Mill. Kronen, 1930 127 Mill. Kronen;

besondere Erwerbsteuer: im Jahre 1927 279 Mill. Kronen, 1929 221 Mill. Kronen, 1930 150 Mill. Kronen.

Wir glauben, daß der Herr Finanzminister heute davon überzeugt ist, daß es ihm trotz der großen Geschenke, die er den wohlhabenden Steuerzahlern der besonderen Erwerbsteuer gemacht hat, nicht gelungen ist, die vielgerühmte Steuermoral zu heben. Sie nahmen zwar die Geschenke, die Moral überlassen sie den anderen.

Bei der Einkommensteuer sind es nur die Arbeiter und Beamten, deren Einkommen restlos vom Steuerfiskus erfaßt wird. Hier müßte, wenn man von einer Moral spricht, eine gerechtere Progression nach dem Einkommen und dem Besitz aufgeteilt werden.

Der Herr Finanzminister spricht bei allen Gelegenheiten vom Sparen. Wir sind für eine sparsame Verwaltung, aber dann muß sie in allen Zweigen platzgreifen. Dann darf es nicht für einzelne Zweige Ausnahmen geben, und nicht nur dort gespart werden, wo den armen notleidenden Menschen geholfen werden soll.

Wir Sozialdemokraten sind daher überzeugt, daß eine Novellierung des Gemeindefinanzgesetzes keine Besserung bringt, sondern daß eine Reform unseres gesamten Steuerwesens und in dem Zusammenhange eine Reform der Aufteilung der öffentlichen Mittel zwischen Staat und Selbstverwaltungskörper kommen muß und daneben auch eine Reorganisation unserer gesamten Verwaltung. Die Krise kann nur dadurch gelöst werden, daß den Selbstverwaltungskörpern die notwendigen Einnahmenquellen erschlossen werden und daß ihnen die Freiheit ihrer finanziellen Gebarung wiedergegeben wird. Die Mittel, welche hiezu erforderlich sind, können aber nicht von den breiten Massen der Bevölkerung aufgebracht werden, die nicht nur die Hauptlasten der staatlichen Steuern und Abgaben zu tragen haben, sondern infolge des Gemeindefinanzgesetzes mit neuen überaus drückenden Abgaben belastet wurden. Die Krise der Selbstverwaltungskörper kann also nur durch entsprechende Erfassung des Besitzes gelöst werden. Dazu ist aber das bestehende an und für sich unökonomische, durch das Gemeindefinanzgesetz überdies seiner Elastizität beraubte Umlagensystem absolut nicht geeignet, denn die auonomen Zuschläge erfassen, wie eine einfache Vergleichung des Staatsvoranschlages mit den Voranschlägen der Länder lehrt und wie der Finanzminister in seinem letzten Exposé offen zugegeben hat, bei weitem nicht die zuschlagspflichtige Steuergrundlage. Die volle und gleichmäßige Erfassung aller Ertragssteuerquellen würde ohne Erhöhung der geltenden Steuersätze einschließlich der höchstzulässigen Zuschläge ein Erträgnis liefern, das die durch das Gemeindefinanzgesetz herbeigeführte Umlagendrosselung zumindest ausgleicht, wenn sie nicht darüber hinaus noch mehr Einnahmen liefert.

Wir fordern daher die Umwandlung der bestehenden Ertragssteuern samt Zuschlägen in eine einheitliche durchgängige, gleich vom Staate einzuhebende Steuer, an welcher den Ländern, Bezirken und Gemeinden ihren finanziellen Bedürnissen entsprechende Anteile nicht als Zuwendungen nach dem Ermessen einer Fondsverwaltung, sondern als gesetzlicher Anspruch zu überlassen sind. Diese einheitlichen Steuern sind nach der Leistungsfähigkeit progressiv zu staffeln, wobei ein angemessenes steurfreies Minimum zu schaffen ist. Die Aufteilung der Anteile auf die einzelnen Selbstverwaltungskörper darf weder nach freiem Ermessen, noch nach der ganz zufálligen, mit dem notwendigen Aufwand in keinerlei organisatorischem Zusammenhang stehenden lokalen Steuerbasis erfolgen, sondern ist an einen mathematisch zu errechnenden gesetzlichen Schlüssel nach englischem Vorbild zu binden, für dessen Erstellung die Bevölkerungszahl, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aufgaben, das Kommunikationsnetz und derleichen maßgebend sind.

Diese Steueranteile dürfen jedoch nicht die alleinige Einnahmsquelle der Selbstverwaltungskörper bieten, sondern dürfen nur als Ergänzung ihrer eigenen Einnahmen dienen. In dieser Richtung muß den Selbstverwaltungskörpern ein größerer Spielraum als bisher eingeräumt und insbesondere die volle Erfassung des Besitzes und des Luxusaufwandes, bei Schonung des Arbeitseinkommens und des Massenkonsumes, ermöglicht werden.

Zugleich mit der Erschließung hinreichender Einnahmsquellen muß den Gemeinden die Freiheit ihrer Gebarung wiedergegeben werden, da das System der Bevormundung, wie es durch die Gesetze vom 12. August 1921 und vom 15. Juni 1927 geschaffen wurde, nicht nur mit der Autonomie unvereinbar ist, sondern infolge der technischen Unmöglichkeit der zeitgerechten Überprüfung Hunderter Voranschläge geradezu ein Chaos in der autonomen Finanzwirtschaft herbeigeführt hat.

Alle diese Maßnahmen aber können nur dort wirksam werden, wo leistungsfähige Gemeinwesen bestehen. Bei den zahlreichen Zwerggemeinden müssen sie versagen. Wir verlangen daher, daß die räumlich zusammengehörigen und in der Tat bereits einheitliche Siedlungsgebiete bildenden Orte durch Eingemeindung zusammengeschlossen werden und daß den Gemeinden und Bezirken die Bildung von Zweckverbänden zur gemeinsamen Erfüllung bestimmter Aufgaben ermöglicht wird. Für die Eingemeindung dürfen aber nur wirtschaftliche, keineswegs nationalistische Momente bestimmend sein. Wir sind der Überzeugung, daß jedes Flickwerk und jeder Versuch, durch Abänderung des Gemeindefinanzgesetzes in seinen Einzelheiten eine Sanierung der Selbstverwaltungskörper herbeizuführen, zum Scheitern verurteilt ist, weil solche Metho den das Problem nicht in seinen Grundlagen erfassen. Wir beharren daher auf der Beseitigung des Gemeindefinanzgesetzes und auf einer grundlegenden Änderung in der Konstruktion der autonomen Finanzen und erblicken in den vorangeführten Grundsätzen den richtigen Weg zur Lösung dieser schwierigen Aufgabe. Wir verkennen nicht, daß angesichts der schweren Notlage der Selbstverwaltungskörper unmittelbare Vorsorgen für die allernächste Zeit notwendig sind. Wir fordern daher die sofortige Einleitung einer Aktion zur Entschuldung der Gemeinden, während jen en Gemeinden, die wirtschaftlich gut fundiert sind, die Aufnahme von Anleihen erleichtert werden muß. Weiters halten wir eine erhöhte Dotierung des Ausgleichsfonds und eine Lockerung des Umlagenlimits für notwendig. In diesen Vorkehrungen erblicken wir jedoch bloße Übergangsmaßnahmen, welche die grundlegende Reform, die sich auf das ganze Steuersystem und die Verwaltung beziehen muß, nicht verzögern dürfen.

Für diese unsere Forderungen werden wir jederzeit und überall eintreten, bis wir die wirklich freie Selbstverwaltung erkämpft haben. (Potlesk.)

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