Pátek 18. listopadu 1932

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 217. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze v pátek dne 18. listopadu 1932 dopol.

Øeè posl dr Bachera (viz str. 19 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! In der heutigen Debatte wurde sehr viel von den Flammenzeichen gesprochen, die sich in der Slovakei geoffenbart haben. Es handelte sich um eine Exekution und die Feilbietung führte zur Verschleuderung eines Objekts um einen Pappenstiel und diese Exekution hat die Bevölkerung ungeheuer aufgebracht. Es kam zu außerordentlich bedauernswerten Zwischenfällen. Aber wir müssen sagen, daß wir vielleicht vor noch schlimmeren Erscheinungen stünden und daß sich diese Erscheinungen auch auf anderen Gebieten der Republik als in der Slovakei äußern würden, wenn wir nicht über eine so ruhige, gesetzte und zum Teil sogar fatalistische Bevölkerung verfügen würden.

Die Exekution, die sich in der Slovakei abgespielt hat, betraf eine Privatforderung, betraf die Exekution eines privaten Gläubigers. Aber neben diesen Exekutionen privater Natur haben wir auch öffentliche Exekutionen, Exekutionen, bei denen der betreibende Gläubiger niemand anderer ist als der Staat, der die schuldigen Steuern auf exekutivem Wege eintreibt. Es ist nun klar, daß der Staat, der Fiskus in Zeiten der Finanznot, wie wir sie jetzt durchmachen, alles daran setzt, um seine Kassen zu füllen und es wird auch niemand etwas dagegen haben, daß ein Steuerschuldner, der sich als unwilliger Zahler erweist und namentlich ein Steuerschuldner, der in Zeiten guter Konjunktur seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, von den Armen des Gesetzes ergriffen und zur Zahlung gezwungen wird. Anders aber steht die Sache, wenn der Steuerschuldner nicht zahlen kann. Und da kann ich nach den Erfahrungen, die ich gemacht habe, nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, daß die Exekutionen, die vielfach insbesondere im deutschen Sprachgebiet vorgenommen werden, nicht nur den Zweck, dem sie dienen sollen, nicht erfüllen können, sondern sich geradezu verheerend auswirken. Es werden Steuerexekutionen geführt, die den Steuerschuldner an den Rand des Ruins bringen und dem Staate nichts einbringen, weil die zwangsweise veräußerten Gegenstände tief unter dem Wert verschleudert werden, und deren Nutznießer lediglich die Erwerber sind, welche noch über die Mittel verfügen, um die Gegenstände tief unter ihrem Wert erstehen zu können. Auf dem Schlachtfelde bleibt aber oft eine vom Staat ruinierte Existenz und das bedeutet in der gegenwärtigen Zeit, daß der Staat nicht nur, wie ich erwähnt habe, nicht zu den Mitteln kommt, die er dadurch zu gewinnen suchte, sondern daß er einen Steuerschuldner ruiniert, also sich selbst eine Steuerquelle verschüttet.

Es bleibt aber nicht nur beim Steuerschuldner, sondern er hat ja einen Betrieb, beschäftigt Angestellte und Arbeiter und die weitere Folge ist, daß die Angestellten und Arbeiter der Arbeitslosenfürsorge zur Last fallen und damit dem Staat, d. h. der Allgemeinheit nur neue Lasten erwachsen. Vielfach kommt es vor, daß man einem Steuerschuldner in den Jahren 1928, 1929 oder 1930 Raten bewilligt hat. Die Wirtschaftskrise hat dazu geführt, daß der Steuerschuldner die Raten nicht einhalten kann, weil sie zu hoch sind. In einem solchen Falle müßte aber die Finanzverwaltung ganz individuell prüfen und untersuchen, wie die Lage des betreffenden Schuldners ist, sie müßte mit aller Behutsamkeit vorgehen und nicht bloß gestützt auf ein formelles Recht, daß der Mann die Raten nicht zahlt und daher die ganze Steuerschuld verfallen ist, den Exekutor dem Mann auf den Hals setzen. Wir haben namentlich im geschlossenen deutschen Sprachgebiet heute ein Trümmerfeld der Industrie vor uns, die einstmals blühenden Industrien wie Porzellan-, Glas-, Spielwaren-, Perlmutterindustrie und die vielen Zweige der Textilindustrie sind heute zum großen Teil ruiniert. Die Leute können die Steuer nicht zahlen und wo oft der Keim einer Hoffnung vorhanden wäre für den Fall, als das eintritt, was wir alle wünschen müssen, daß sich die Konjunktur doch wieder zum Besseren wendet, ist eine Auferstehung eines derart einmal begrabenen Unternehmens ausgeschlossen. Es geschieht, daß namentlich Unternehmungen vernichtet werden, die über einen Fond verfügen, welchen die Èechoslovakei einmal ausgezeichnet verwenden könnte. Dieser Fond besteht in der Ausbildung eines zum Export geeigneten Organisationsapparates. Eine solche Firma hat sich im Laufe der Jahrzehnte in den entferntesten Ländern, Indien, China usw. unter den größten Mühen und Opfern eine Exportorganisation aufgebaut. Wir müssen doch hoffen - und wenn wir diese Hoffnung begraben, geben wir uns selbst auf - daß es uns wieder gelingen wird, wenigstens einen Teil dieser Märkte für uns zurückzuerobern. Ist aber einmal eine solche Exportorganisation dadurch zerstört, daß die Firma zu bestehen aufgehört hat, dann ist es so, wie wenn man einem Körper ein Glied amputiert hat. Gewiß wird jemand einwenden, daß die Prothesentechnik heute bereits sehr weit gediehen ist, aber daß die Prothesentechnik, in der die Medizin so gewaltige Fortschritte erzielt hat, auch auf dem Gebiete der Volkswirtschaft anwendbar sein wird, möchte ich bezweifeln. Geht nun eine derartige Exportorganisation durch den natürlichen Verlauf der Krise zu Grunde, so beklagt man den Verlust eines Toten, der nicht mehr zu retten war. War es aber der Staat, welcher durch seine bürokratische Steuerexekution oder eventuell nur deshalb, weil sich vielleicht ein eifriger Finanzbeamter die Sporen verdienen wollte, einem derartigen Industrieorganismus das Blut entzogen hat, so ist das eine Schuld, die man vor der wirtschaftlichen Zukunft nicht wird verantworten können.

Es gäbe Mittel, gegen diese mechanisierende Art der Steuerexekutive einzuschreiten. Auch hier liegt der Fehler meiner Ansicht nach wie in der gesamten Verwaltung darin, daß alles bei den Zentralstellen zusammenläuft und alles bei den höchsten Spitzen zentralisiert ist, daß aber den Unterbehörden, welche ja die Verhältnisse in den Bezirken vielfach viel besser kennen, zu wenig Initiative eingeräumt wird. Nehmen wir einen derartigen Fall eines größeren Steuerschuldners in einem Bezirk an, so könnten individuelle Verhandlungen der Handelskammer, des Handelsgremiums, der dortigen Steuerbehörde, der Geldinstitute usw. im Einvernehmen gepflogen werden, eventuell könnte von der zentralen Steuerbehörde ein Funktionär zur Begutachtung hinausgeschickt werden, es könnte an Ort und Stelle verhandelt werden und man könnte die Fähigkeit des Mannes zu zahlen feststellen, und damit könnte der Staat oft zu Beträgen kommen, die er nach der jetzigen Methode unter allen Umständen verliert. Wenn man sich vielleicht in Prag davor fürchtet, daß die lokalen Verhältnisse dazu führen würden, daß eine gewisse Freunderlwirtschaft die Steuerschuldner zu gut behandeln würde, so halte ich diese Befürchtungen schon aus dem Grunde für unzutreffend und übertrieben, weil die Konkurrenz des betreffenden Steuerschuldners schon dafür sorgt, daß dieser der zugreifenden Hand des Fiskus nicht entgeht, denn die Konkurrenz sieht ja in jeder Privilegierung und ungerechtfertigten Bevorzugung eines Steuerschuldners eine Schädigung ihrer selbst und wenn sie zu solchen lokalen Verhandlungen zugezogen werden könnte, wäre dies das beste Präventiv dagegen, daß der Staat hier zum Handkuß kommt.

Ich kann nur wiederholen, was ich bereits an dieser Stelle kurz gesagt habe, daß die Finanzbehörden allen Grund und Anlaß hätten, im Interesse der Staatsfinanzen die Steuerschuldner zu schützen und sich jene Steuerquellen zu halten und jene wirtschaftlichen Organisationen zu bewahren, deren der Staat noch sehr bedürfen wird.

Aber etwas, worunter die wirtschaftliche Entwicklung auch außerordentlich leidet, ist die heutige Devisenbewirtschaftung. Es kann keine Frage sein, daß alles getan werden muß, um den Wert der èechischen Krone zu halten. Es gibt auch in der Èechoslovakei Wirtschaftler, die sagen, wir sollten etwas ähnliches machen, wie es England, Dänemark usw. gemacht haben, kurz man solle den Wert der èechischen Krone senken und im Nu werde man eine Besserung der Industrie bemerken. Es ist richtig, daß man mit einer Senkung der Währung vielleicht manche Zollmauern überspringen könnte. Aber ich glaube doch, daß die Èechoslovakei zu jung ist und ihre Währung doch noch nicht so eingelebt ist, als daß man ein derartiges Experiment wagen könnte. Wir müssen uns vielmehr sagen: Wenn einmal die èechische Krone ins Sinken kommt, so wäre das wie ein rollender Stein und man weiß nicht, wo man ihn aufhalten könnte. Deshalb müssen gerade die neuen mitteleuropäischen Staaten auf der Hut sein, derartige Experimente nachzumachen. Wenn auch alles geschehen soll, die Währung zu schützen, sie auf dem heutigen Stande zu erhalten, muß auf der anderen Seite dahin getrachtet werden, daß diese Schutzmaßnahmen nicht in ein System ausarten, wobei die ganze Wirtschaft zu Schaden kommen muß, und daß diese Schutzmaßnahmen nicht dazu dienen, um einem Stande, einer Gruppe oder einer Partei eine Vorzugsstellung gegenüber den anderen zu schaffen, sondern es müßte vielmehr bei derartigen empfindlichen Maßnahmen, wo der Staat eingreift - und dieser Staat greift in die Wirtschaft viel zu viel ein - darauf gesehen werden, daß der Grundsatz von der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetze gewahrt werde.

Aber die Erfahrungen bei dieser Devisenwirtschaft gehen in einer ganz anderen Richtung. Sie gehen erstens dahin, daß die Devisenbewirtschaftung sehr bürokratisch geübt wird, daß eine Unmenge Schreiberei verlangt wird, die unnötig ist. Aber es werden auch mit dieser Devisenbewirtschaftung Zwangsmaßnahmen verbunden, die unmöglich mit dem Geist, dem Sinn und dem Zweck dieser Maßnahmen in Einklang gebracht werden können. Die Devisenbewirtschaftung dient dazu, um Ein- und Ausfuhr in einem gewissen Verhältnis zu erhalten, um zu verhindern, daß durch eine rasche und bedeutende Verschlechterung der Handelsbilanz auch eine Verschlechterung der Zahlungsbilanz und damit eine Gefährdung der èechischen Krone eintrete. Ist es aber mit diesem Zweck der Devisenbewirtschaftung vereinbar, wenn man sagt, ein Kaufmann bekommt solange keine Devisen, als er die schuldigen Steuern nicht bezahlt hat? Ich habe vorhin eingangs meiner Ausführungen erwähnt, daß es Pflicht des Staates ist, dafür zu sorgen, daß Steuerzahler, die Steuern schuldig sind und sie wirklich zahlen können, sie auch leisten. Diese Auffassung aber berechtigt unter keinen Umständen dazu, eine Verknüpfung zwischen Handelspolitik und Steuerzahler, die Steuern schuldig sind und Steuerzahlungspolitik in der Weise herbeizuführen, daß die Devisenwirtschaftung als Daumenschraube für die Erreichung eines Zweckes verwendet wird, mit dem sie ihrer ganzen Anlage nach nicht das geringste zu tun hat. Der Kaufmann, der, um eine Ware hereinbringen zu können, Devisen braucht, kann vielleicht seinen Handelsbetrieb oder seinen Fabriksbetrieb - und das ist bei den Exporteuren und bei den Exportindustrien die Regel nur aufrechterhalten, wenn er Devisen hiezu bekommt, erhält er aber die Devisen nicht, so kann er seinen Betrieb nicht weiterführen, und die weitere Folge ist, daß der Mann, wenn man ihm nun sagt: "Wenn Du Deine schuldigen Steuern nicht bezahlst, bekommst Du keine Devisen", eventuell - es hängt ja oft an einem oder an zwei Geschäften - den Laden zusperren, die Angestellten entlassen, auch die Arbeiter entlassen muß, daß dem Staate wieder eine Steuerquelle entzogen wird und daß wiederum eine neue Schar von Anwärtern für die Arbeitslosenfürsorge noch herangewachsen ist. Wenn wir von produktiver und unproduktiver Arbeitslosenfürsorge sprechen, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß gerade beispielsweise die Handelsangestellten am schwersten in der produktiven Arbeitslosenfürsorge unterzubringen sind. Eine Reihe solcher Existenzen müssen so vernichtet werden durch einen, wie ich schon sagen muß, Mißbrauch der gesetzlichen Vorschriften, indem die Devisenbewirtschaftung dazu mißbraucht wird von den Schuldnern Steuern mit Gewalt herauszupressen.

Da geschieht es oft noch, daß der betreffende Steuerschuldner ein Rechtsmittel gegen eine bestimmte Steuer ergriffen hat, und man benützt nun die Devisenbewirtschaftung noch dazu, um den Mann eventuell zum Verzicht auf ein Rechtsmittel zu bestimmen.

Das sind ganz unhaltbare Verhältnisse, das sind Zustände, die darauf schließen lassen, daß man nicht erkennt, daß eine eingeführte Ware nicht ein Luxus ist, sondern die Grundlage des weiteren Wirtschaftens, einer weiteren Arbeit ist, namentlich dann, wenn es sich um Rohmaterialien und um Hilfsmaterialien handelt, wo daher dieser Import wieder nur eine Grundlage zur Bildung neuer Steuermaterialien darstellt.

Aber in der Devisenbewirtschaftung zeigt sich noch etwas anderes. Eine Erleichterung der ganzen Situation hätte das Kompensationssystem bringen sollen. Das Kompensationssystem geht bekanntlich von dem Standpunkte aus: Wenn für Tausend Ware eingeführt und für Tausend Ware ausgeführt wird, geht die Zahlungsbilanz auf Null aus, und es entsteht dadurch keine Verschlechterung der Währung. Man sollte nun annehmen, daß, wenn ein Industrieller beispielsweise Fertigwaren ausführen will und er kommt mit dem Antrag, daß er dagegen industrielle Rohware einführen will, dieses Kompensationsgeschäft binnen 24 Stunden zustimmend erledigt werde. Was geschieht aber und wo halten wir heute? Jede Zustimmung der Devisenkommission ist an die Bewilligung der Regierung gebunden, und immer wieder sehen wir da das Überwiegen der agrarischen Interessen, das sogar soweit geht, daß heute verlangt wird, es sollen beim Kompensationsgeschäfte Industrieartikel nur dann die Einfuhrbewilligung erhalten, wenn die Gegenpost, die zur Ausfuhr bewilligt wird, in agrarischen Artikeln besteht.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß alles daran gesetzt werden muß, die Landwirtschaft am Leben zu erhalten. Die Landwirtschaft muß sich aber auch dessen bewußt sein, daß, wenn Handel, Industrie, Gewerbe und wenn die Staatsbeamten sowie die Privatbeamten, denen es jetzt an den Kragen gehen soll, konsumunfähig werden, auch die größten Leistungen und die Intensivierung des Ackerbaues nichts nützen, weil die Landwirtschaft mit ihren landwirtschaftlichen Produkten, ob es nun Cerealien oder Viehprodukte sind, einfach nicht weiter kommt, weil sie sie nicht an den Mann bringen kann. Das Überwiegen des agrarischen Einflusses in der Devisenkommission ist für die landwirtschaftliche Entwicklung des Staates durchaus nicht nützlich.

Es haben schon viele Redner im Anschluß an die Regierungserklärung und auch im Laufe der jetzigen Debatte davon gesprochen, daß die Èechoslovakei einen Wirtschaftsplan haben müsse. Man sprach das Wort Wirtschaftsplan aus und stellt sich darunter vor eine planmäßige Wirtschaft, obzwar wir uns ja doch darüber klar sein müssen, daß es ungeheuer schwer ist, heute einen Wirtschaftsplan aufzustellen, wo uns jeder Monat schon durch die Politik des Auslandes oft vor ganz neue Verhältnisse stellt. Ich erinnere nur an die Konferenz von Ottawa mit ihren Beschlüssen, die dazu führen, einen bereits aufgestellten Wirtschaftsplan umzuändern. Aber nichtsdestoweniger bleibt ein solcher Wirtschaftsplan trotz aller Schwierigkeiten eine Notwendigkeit in dem Sinne, als sich die staatliche Verwaltung darüber klar sein muß, in welcher Weise sie in der Förderung der einzelnen Faktoren der Wirtschaft vorgehen will; und die Voraussetzung eines derartrtigen Wirtschaftsplanes wird immer bleiben : das Verhältnis der Landwirtschaft und das Verhältnis der nicht landwirtschaftlich produzierenden Kreise. Die Interessen dieser Faktoren in einen gebührenden Einklang zu bringen, ist das Um und Auf eines Wirtschaftsplanes in einem Staate, der eine derartige Struktur aufweist wie die Èechoslovakei. Und dieser Struktur müßte dann auch die Besteuerung entsprechen, sowohl die direkte wie die indirekte, wenn überhaupt der Wirtschaftsplan dazu führen soll, die Krise, wenn auch nicht zu beseitigen - das kann man mit den inländischen Kräften nicht, das muß zugegeben werden - aber wenigstens jene Erleichterungen zu schaffen, die geschaffen werden können. Aber die jetzige Art der bürokratischen Devisenbewirtschaftung ist imstande, in jeden Wirtschaftsplan, wenn er noch so sorgfältig aufgestellt wird, störend einzugreifen.

Es zeigt sich überhaupt bei der so stark zentralisierten bürokratischen Verwaltung, wie unelastisch sie ist, wie wenig sie imstande ist, sich rasch den Erfordernissen des Tages anzupassen. Hier aber liegt ja die Gefahr jeder staatlichen Wirtschaft, jeder übertriebenen Zwangswirtschaft. Überall zeigte sich, daß der bürokratische Apparat schwerfällig ist, daß der Beamte, der bürokratisch und nicht kaufmännisch geschult ist, dazu neigt, jede Verantwortung von sich abzuwälzen und sie dorthin zu schieben, wo eine endgültige Unterschrift auf einen Akt gesetzt wird. Das Bestreben aber müßte sein, die Bürokratie in der Weise zu erziehen, wie es der moderne Verkehr, die moderne Technik und Wirtschaft mit ihrem Telephon, ihren Telegraphen erfordert, ja wie es sogar die moderne Kriegsführung erfordert, welche auf den einzelnen Plänkler schon eine Menge von Verantwortung legt. Es müßte der einzelne Beamte ja geradezu darauf gedrillt werden, Verantwortung zu übernehmen und diese Verantwortung auch gegenüber der Öffentlichkeit zu tragen. In dieser Beziehung aber fahren wir noch immer in einer geradezu umgekehrten Richtung und wir sehen oft und gerade auch in der Finanzverwaltung, wie gewisse sehr wichtige Fragenkomplexe immer wieder in einigen wenigen Händen vereinigt werden, so daß die damit betrauten Beamten, auch wenn sie 24 Stunden im Tag arbeiten würden, nicht einmal die Zeit fänden, diese Akten zu erledigen.

Ich hoffe - und das ist vielleicht eine gute Seite der vielen schlimmen Erfahrungen, die wir in dieser Krisenzeit machen - daß die Not des Budgets, daß die- kargen Mittel, welche den einzelnen Ressorts zugewiesen werden, dazu zwingen werden, in der Verwaltung in der Weise zu sparen, daß das Herumlaufen der Akten, daß die vielen Kommissionen und Erhebungen usw. im Interesse der Ersparnis in der Verwaltung aufhören werden, so daß diese finanzielle Not dazu führen wird, den Verwaltungsapparat in dem Sinne zu vereinfachen, daß dem einzelnen Beamten auch der unteren Instanzen größere Aufgaben mit größerer Verantwortung zugewiesen werden. Allerdings können Be amte eine volle Arbeit und eine Arbeit mit dem Sinn für Verantwortung nur leisten, wenn sie anständig bezahlt werden, und auch dann nur, wenn sie wissen, daß der Staat, wenn er einmal eine Verpflichtung ihnen gegenüber übernimmt, sie auch erfüllen muß. Das heißt mit anderen Worten, auf die Pensionen zu gesprochen: Wenn jemand einmal mit dem Staat und sei es auch in einem kollektiven Sinne, eine Abmachung getroffen hat, wenn er dabei Geld und Arbeit einzahlt, so hat er einen gewissen Anspruch auf eine Leistung des Staates, und dieser Anspruch bleibt bestehen und kann nur geändert werden durch eine einvernehmliche Abmachung des Berechtigten mit dem Verpflichteten oder eventuell durch Gerichtsbeschluß. Niemals kann aber jemand, der beispielsweise schon im Jahre 1924 im Hinblick auf eine bestimmte Pension und auf das Versprechen, er könne einen bestimmten Erwerb ausüben, aus dem Staatsdienst ausgeschieden war, jetzt damit überrascht werden, daß ihm gesagt wird: du bekommst eine kleinere Pension oder: du hast auf deinen Nebenerwerb zu verzichten. Solche Dinge ex post darf es nicht geben und wenn sich Beamte daran gewöhnten, damit zu rechnen, daß der Staat jederzeit durch einen einfachen Willkürakt in ihre berechtigten Ansprüche eingreift, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Menschen die Lust zur Arbeit und insbesondere zur Übernahme der Verantwortung verlieren.

Ich wollte hier, hauptsächlich weil es sich eben um die Debatte über einen wirtschaftlichen Gegenstand handelt, darauf aufmerksam machen, daß es eine Reihe von Mitteln gibt, um der Wirtschaft Erleichterungen zu bringen, auch dann, wenn von außen auch noch nicht jene Zeichen kommen, welche die Hoffnungen auf ein baldiges Erlöschen der Krise als berechtigt erscheinen lassen. Es ist nicht richtig, wenn gesagt wird, daß wir im Inland nichts tun können. Wir können sehr viel tun, aber nicht dadurch, daß wir den Bürokratismus ausbauen, sondern ihn abbauen, nicht dadurch, daß man dem Bürokratismus immer engere Wege vorschreibt, sondern dadurch, daß man ihn zur elastischeren Anpassung an die Bedürfnisse des Staates erzieht; wir können viel tun, nicht aber dadurch, daß man das, was in der Bürgerschaft noch an Fähigkeit zur freien Betätigung aller Kräfte liegt, unterbindet, indem man ihr diese Betätigung unmöglich macht, indem man schließlich den erwerbenden Kreisen jede Freude an wirtschaftlicher Betätigung dadurch abschneidet, daß man ihnen durch eine übertriebene Besteuerung, insbesondere aber durch eine Steuerexekution, die keine Grenzen kennt, jede Arbeitsfreude und Initiative benimmt.

Es wurde in der Regierungserklärung auch manches, wenn auch nur andeutungsweise,
über die Kartelle gesprochen. Es ist richtig, daß wir eine Reihe von gebundenen Preisen haben, die durch die Kartelle hochgehalten werden. An sich, glaube ich, kann niemand, der einen tieferen Einblick in die Wirtschaft hat, die Kartelle im Sinne von Abmachungen der einzelnen Industrien von vornherein verdammen. Die Kartelle haben auch ihre guten Seiten. Aber es darf nicht verschwiegen werden, daß sich die Kartelle auch schwerer Auswüchse schuldig machen und es wird Sache eines Kartellgesetzes sein, genau zu erforschen, bis zu welchen Grenzen man mit gesetzlichen Maßnahmen einschreiten soll, um eine Übervorteilung der Bevölkerung durch die gebundenen Preise der Kartelle zu verhüten.

Aber wenn wir schon von durch Kartelle gebundenen Preisen sprechen, so darf man die Augen nicht davor verschließen, daß es heute nicht nur die Kartelle sind, die die Gebundenheit der Preise herbeiführen. Ich selbst bin Anhänger des Genossenschaftswesens und habe es durch Zugehörigkeit zu Genossenschaften und durch meine Arbeit darin bewiesen. Aber wenn z. B. die landwirtschaftlichen Genossenschaften darangehen, das Getreidesyndikat dazu auszunützen, um eventuell die Preise des Getreides ungebührlich hoch zu erhalten, dadurch also der Bevölkerung und namentlich der arbeitenden Bevölkerung die Lebensmittel zu verteuern, dann läuft die Betätigung der landwirtschaftlichen Genossenschaften genau in derselben Richtung wie die Betätigung der industriellen Kartelle, deren Auswüchse mit Recht bekämpft werden.

§ 276 des Steuergesetzes vom Jahre 1927 gibt den Behörden weitreichende Möglichkeiten, durch Steuernachlässe die individuellen Verhältnisse zu berücksichtigen. Nichts anderes kann in diesem Zusammenhang gewünscht werden als die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse und die Steuererleichterung dort, wo sie gerechtfertigt ist. Weiter muß aber dem Wunsche Ausdruck gegeben werden, daß die jetzige Bahn der zunehmenden Zwangswirtschaft und der Bürokratisierung verlassen werde und daß wieder der freien Betätigung des wirtschaftlichen Individuums in weiterem Maße Rechnung getragen werde. (Potlesk.)

Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP