Pondìlí 22. èervna 1936
Hohes Haus! Vor zirka 3 Monaten erschien in den Blättern
die Nachricht, daß der Budgetausschuß einen engeren
Ausschuß bestimmt hat, um das Steuergesetz vom Jahre 1927
zu novellieren. Meine Wenigkeit wurde ebenfalls in den engeren
Ausschuß gewählt. Dieser hatte auch eine einzige Sitzung,
bei der die Delegierten der koalierten Parteien mit einem derartigen
Elan vorgingen, daß wir, die wir die Opposition dort vertraten,
uns ganz als Regierungsparteiler fühlten und dachten, daß
die Rollen gewechselt wurdén und die Koalitionsparteien
die Opposition übernommen haben. Diesen Elan, mit dem die
koalierten Parteien gegen den Fiskus und gegen die fiskalischen
Maßnahmen vorgingen, haben wir aber nur dieses einemal gehört.
Seit damals sind zirka 2 1/2 Monate vergangen und seit dieser
Zeit wurde an diesem Steuergesetz vom Jahre 1927 herumgearbeitet,
seit 2 Monaten versuchte man die Sache rechts und links zu drehen
auf die Art: Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß!
Sie versuchten, aus der Sache etwas herausbringen, damit es heißt:
Wir haben etwas gemacht. Das Resultat dieser ganzen Arbeit ist,
daß die Novelle heute in viel schlechterer Form vor uns
liegt, als das Gesetz vom Jahre 1927, das der damalige Minister
Dr. Engliš im Hause vorlegte. Dr. Engliš
war Nationalökonom und er wollte mit der Steuernovelle etwas
Grundlegendes machen. Er wollte die ganze Bevölkerung in
den Staatsetatismus einrahmen.
Dieses Werk Dr. Engliš war auch derart grundlegend,
daß es mehrere andere europäische Staaten übernommen
haben. Dr. Engliš war Nationalökonom und er hatte
als Nationalökonom gedacht, als er daran ging, die Steuerreform
zu schaffen. Er wollte die Wirtschaft zwar in den staatlichen
Rahmen einreihen, doch er wollte ihr auch ein wenig freie Hand
lassen, damit sie die Möglichkeit der Kapitalsbildung habe
- er hat als vorsichtiger Volkswirt gewußt, daß die
herrlichen Zeiten der Inflation nicht ewig dauern werden und daß
bald Zeiten der Deflation kommen werden, die eine wirtschaftliche
Krise nach sich ziehen werden - damit sie diese wirtschaftliche
Krise überstehen kann. Diese Benefizien, die Engliš
in diesem Gesetze gelassen hat, sollen jetzt verschwinden. Die
Arbeit ging dahin, daß diese kleinen Benefizien, die die
Wirtschaft noch hatte, ganz und gar verschwinden müssen.
Dr. Engliš ist gegangen und an seine Stelle kam ein
Finanzbeamter, Dr. Trapl, der allerdings das Gleichgewicht
im Staatshaushalt immer nur auf der Basis halten wollte, daß
er die Steuerschraube anzog, daß Exekutionskolonnen losgelassen
und die Steuern mit größter Energie eingetrieben wurden.
Aus den Exposés Dr. Trapls war immer die Klage zu
hören, daß er den Staatshaushalt nicht im Gleichgewicht
halten könne, weil die Ausgaben zu große sind, weil
an die Staatskasse zu viele Ansprüche gestellt werden, weil
zu viel gebaut und investiert werde. Er hat öfters die Öffentlichkeit
und die politischen Parteien darauf aufmerksam gemacht, daß
man so nicht weiter wirtschaften könne, wenn sich die politischen
Parteien auf den Standpunkt stellen: L'état, c'est moi.
Der Antritt des neuen Finanzminister war uns - das müssen
wir als Opposition gestehen - sympathisch, als er ganz entschieden
den Standpunkt vertrat, daß die Staatskassa nicht deswegen
da ist, damit die einzelnen monopolistischen Gesellschaften sie
als die ihrige betrachten und ihre Verluste aus der Staatskasse
zu decken suchen. Der neue Finanzminister war uns auch sympathisch,
als wir seine erste Kundgebung lasen, wo er die Bevölkerung
zur Zeichnung der Wehranleihe aufforderte. Er kam mit einer großzügigen
Amnestie, wie sie bis jetzt noch kein Finanzminister gebracht
hat, denn jeder Finanzminister hat bis jetzt mit der einen Hand
Amnestie gewährt und Steuererleichterungen gegeben und beides
wieder mit beiden Händen zurückgenommen. Es würde
uns sehr interessieren, wie der neue Herr Finanzminister, falls
sich unsere außenpolitischen Verhältnisse ändern,
auf innerpolitischer Grundlage und auf der Basis der Autarkie
seine Finanzpolitik und seine Finanzprojekte zu verwirklichen
gedenkt. Der Fiskalismus aber ruhte nicht und er wollte die Einnahmen
haben, die er schon im Jänner und Feber dieses Jahres angekündigt
hat, u. zw. aus der Reform der Steuernovelle vom Jahre 1927. Die
koalierten Parteien, die während der Wahlk ampagne der Bevölkerung
große Versprechungen gemacht hatten, wurden nun nervös
und versuchten mit allen Mitteln dagegen zu arbeiten, um zu verhindern,
daß die Reform des Englišschen Steuergesetzes
durchgeführt werde. In diesem Kampf - und dazu muß
ich den Beamten des Finanzministeriums gratulieren - haben diese
Beamten infolge ihrer Zähigkeit ihren Standpunkt durchgesetzt,
trotz des Widerstandes der Koalition, nämlich eine Reform
des Gesetzes vom Jahre 1927, die den Zweck hat, durch erhöhte
Steuern und durch ein strengeres Verfahren die Summen zu erfassen,
die notwendig sind, um den Staatshaushalt im Gleichgewicht zu
erhalten. Dazu möchte ich bemerken, daß es eine verfehlte
Finanzpolitik ist, wenn man den kleinen Steuerträger bis
zum letzten Heller ausnützt. Es wäre endlich an der
Zeit, den Spieß umzudrehen und vor allem die Gebarung der
groß en Syndikate, der Monopol- und Versicherungsgesellschaften
zu kontrollieren. Wenn man die Phönix-Affäre betrachtet,
so muß man darüber staunen, daß in einem geordneten
Staat so etwas passieren kann, etwas, was sehr stark an den Stawiski-
Skandal erinnert. Das Finanzministerium hat doch Revisionskommissionen.
Sollte es diesen nicht möglich sein, in diese großen
Gesellschaften, diese Trusts usw. Einblick zu bekommen, um den
Geschäftsgang derselben genau überprüfen zu können
und dort die Millionen zu erfassen? Das wäre jedenfalls für
den Staat besser, als die Versuche, bei dem Häusler oder
bei dem kleinen Kaufmann nachzusuchen, ob er nicht 100 oder 200
Kè auf ein Einlagbüchel angelegt hat.
Das neue Steuergesetz, das uns vorliegt und das meine beiden Vorredner
so sehr gelobt haben, kann ich nicht loben. Wir wissen, daß
dieses neue Steuergesetz unserem Volk nur neue Lasten bringen
wird, wir wissen, daß wir von ihm gar nichts zu erwarten
haben, wir wissen endlich, daß es sich in erster Linie bei
den nationalen Minderheiten auswirken wird, auf deren Pauperisierung
man mit allen Mitteln hinarbeitet. Da wir alle diese Auswirkungen
des neuen Gesetzes kennen, werden wir dagegen stimmen. (Potlesk.)
Hohes Haus! Die vorliegende Steuernovelle erscheint auch uns wichtig
und bedeutsam. Wir haben uns im Ausschuß durch unsere Vertreter
redlich bemüht, an dieser Novelle weitgehende Verbesserungen
zu machen. Leider war es - wie eben immer - so, daß alle
unsere gutgemeinten, der Gesamtbevölkerung des Staates nutzbringenden
Anregungen und Anträge in den meisten Fällen restlos
abgelehnt wurden, und wo das nicht der Fall war, wurden sie koalitionsmäßig
umgeformt.
Zur Frage selbst wird hier Kamerad Dr. Peters noch sprechen.
Wenn wir aber im Zusammenhang mit dieser Steuernovelle, durch
die Arbeit, die wir für diese Novelle im Interesse des Gesamtvolkes
und damit des Staates zu leisten uns berufen fühlten, immer
wieder den Beweis erbringen, daß wir als Opposition zur
positiven Mitarbeit bereit sind, so müssen wir doch feststellen,
daß man dafür weitgeh end kein Verständnis aufbringt.
Wir hatten am gestrigen Tage drauß en in Eger unsere Haupttagung.
Und bei dieser Haupttagung hat unser Parteivorsitzender Konrad
Henlein grundsätzliche Erkla-rungen abgegeben. Wir haben
es für notwendig gehalten, den ganzen Wortlaut der Rede zu
veröffentlichen, weil wir inzwischen feststellen mußten,
daß das Prager "Montagsblatt" ausgerechnet ein
paar Stellen herausriß, sie mit paar Worten nach alter Gewohnheit
verbrämte und so nun als "Montagsblatt" dem neugierigen
Montagsleser vorsetzte. Um diese Irrtümer, die heraufbeschworen
werden und scheinbar heraufbeschworen werden sollen, klarzustellen,
haben wir uns veranlaßt gesehen, die Rede vollinhaltlich
als Sonderausgabe unseres Blattes, der "Rundschau",
herauszubringen. Aber wir mußten erleben, daß ein
Teil davon beschlagnahmt wurde, und zwar jener Teil, in dem Konrad
Henlein grundsätzlich zur Selbstverwaltung des völkischen
Lebens spricht. Die hier beschlagnahmte Stelle, von der wir kaum
fassen können, warum man so etwas beschlagnahmen muß
in einem Lande, wo es eine Preßfreiheit gibt, wo die Demokratie
die Grundlage der Staatsverfassung ist, lautet (ète):
"Ich stelle in aller Eindeutigkeit fest: Wenn auch noch
in jüngster Zeit von èechischer Seite erklärt
wurde, es gebe gar kein geschlossenes sudetendeutsches. Siedlungsgebiet,
sondern nur ein gemischtsprachiges, dann muß ich eine solche
Behauptung als Unwahrheit und Irreführung zurückweisen.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß immer mehr
èechische Beamte ins deutsche Gebiet versetzt werden. Wir
lassen es uns nicht weiter bieten, wenn auf èechischer
Seite die Forderung erhoben wird, die èechische Volksgrenze
bis an die Staatsgrenzen vorzutragen. Das ist Imperialismus reinsten
Wassers! Hier herrschen Entnationalisierungstendenzen, die gegen
Menschlichkeit und Recht verstoßen. Wir lassen unsere deutsche
Heimat nicht antasten, sie ist ein Land, in dem unsere Ahnen ruhen,
das unsere Ahnen durch Arbeit und Sorge und Blut zu unserer deutschen
Heimat gemacht haben. Sie ist jenes Stück heiligen Bodens,
mit dem wir zutiefst verbunden und dem wir zutiefst verpflichtet
sind.
Wir müssen Protest einlegen gegen alle Entnationalisierungstendenzen,
ob sie nun offen oder versteckt wirksam gemacht wer. den. [ ]."
Und eine weitere beschlagnahmte Stelle lautet (ète):
"Es gibt keine andere Möglichkeit, die Dinge von
Grund auf zu ordnen, als die Erfüllung der Forderung nach
unbedingter Selbstverwaltung unseres völkischen Lebens."
Hohes Haus! Das, was hier geschrieben, bezw. durch Konrad Henlein
gesprochen wurde, ist die Meinung des gesamten Sudetendeutschtums,
ist eine Forderung, die rein auf kulturellem völkischem Gebiete
liegt, eine Forderung, die billig ist, und wir staunen nur darüber,
daß sich ein Zensor fand, der meinte, diese Stelle unbedingt
beschlagnahmen zu müssen aus der programmatischen Rede des
Führers der größten Partei des Staates. (Potlesk
poslancù sudetskonìmecké strany.)