Ètvrtek 11. února 1937
Meine Damen und Herren! Der Handelsvertrag mit Guatemala ist wohl
der interessanteste Tagesordnungspunkt dieser Abgeordnetenhaussitzung.
Ich will diesen Tagesordnungspunkt noch etwas interessanter machen,
indem ich über den neuesten Exportartikel der Èechoslovakischen
Republik, der unter anderem auch für Guatemala bestimmt ist,
sprechen will. Dieser Exportartikel ist ein Erzeugnis des mit
Staatsgeldern bezahlten, vom Außenministerium geistig dirigierten
Orbis-Verlages. Es ist diese Broschüre hier (ukazuje brožuru),
die den Bürgern von Guatemala den Beweis bringen soll, daß
die Deutschen in der Èechoslovakei nicht unterdrückt
seien und die SDP-Abgeordneten politische Querulanten und Staatsfeinde
sein sollen. Hiezu mißbrauchte der Verfasser, der seinen
Namen verschweigt, wahrscheinlich, weil er sich dieses Exportartikels
selber schämt, Teile von Ministerreden während der Budgetdebatte
und einige wenige, aus dem Zusammenhang gerissene Sätze von
wenigen der vielen Reden der SDP.
Man muß die Bürger von Guatemala und noch mehr die
hiesigen Gesandschaften und Auslandsjournalisten beim Orbis-Verlag
für äußerst politisch naiv halten, wenn man ihnen
ein derart primitives Machtwerk als Beweisdokument dafür
anbietet, daß es sich der SDP bei der letzten Budgetdebatte
im großen und ganzen nicht um die Geltendmachung berechtigter
Interessen und Belange der deutschen Minderheit, sondern eher
um eine Propaganda gegen die Èechoslovakische Republik
und um die Herabsetzung ihres guten Namens gehandelt hat, wie
der feige anonyme Vorwortschreibling in der Broschüre, behauptet.
Jawohl, dieser Exportartikel des Orbis-Verlages bedeutet ebenso
eine Herabsetzung des Namens der Èechoslovakei, wie das
seinerzeitige Pamphlet des Beamten des Außenministeriums
dr Chmelaø über die deutsche und die èechoslovakische
Frage, das im selben Verlage erschienen ist. Zunächst beweist
schon das Titelblatt dieser Broschüre, daß die Deutschen
unterdrückt werden; durch die Schreibweise "Ministerreden
an die SDP-Beschwerden" mißhandelt der Verfasser die
deutsche Sprache. Damit beweist er selbst, daß der Orbis-Verlag
hiezu keinen Deutschen oder höchstens nur Leute mit galizischem
Jargon verwendet, vielleicht einen Exportartikel von Ausreißern
aus Deutschland. Interessant ist auch, daß man für
das Ausland "Èechoslovakei" gegen die sonstige
Gewohnheit amtlicher und halbamtlicher Organe diesmal nicht mit
È schreibt, obwohl erst jüngst eine Ministerantwort
auf unsere Interpellation wegen der den Deutschen aufgezwungenen
Schreibweise mit È feststellte, daß È ein
Buchstabe der deutschen Sprache sei. Diese Ministerantwort wurde
bezeichnenderweise in dieser Broschüre nicht abgedruckt.
Und nun zur Schwindelmethode der Beweisführung dieser Broschüre:
Aus den Budgetausschußreden der Kameraden Dr. Rosche,
Dr. Neuwirth, Karmasin und Peschka wurden
je zwei bis fünf Sätze herausgerissen und ihnen lange
Ausführungen der Minister Dr. Hodža, Czech,
Dérer, Franke, Kalfus, Machník,
Najman und Neèas entgegengestellt, von Neèas
sogar zwei ganze Reden gegen wenige Schlußsätze der
Interpellation des Kameraden Dr. Jilly. Das ist viel Ehre!
Neun Minister, dabei zweimal der Ministerpräsident und der
Fürsorgeminister müssen aufgeboten werden, um nur einige
wenige aus dem Zusammenhang gerissene Sätze von nur 5 SDP-Abgeordneten
zu widerlegen. [ ] Elf Minister reden zu wenigen Sätzen von
fünf SDP-Abgeordneten. Die SDP ist tatsächlich der wichtigste
Faktor im Staate, elfmal wichtiger als die Staatsfinanzen und
die Staatsverteidigung, zu denen ja nur je ein Minister sprach.
Das schlechte Gewissen wird aber um so offensichtlicher, wenn
man in Betracht zieht, was nicht abgedruckt wurde und von keinem
Minister in der Budgetdebatte auch nur zu widerlegen versucht
wurde. Z. B. druckt man zwei Sätze vom Abg. Dr. Rosche,
der während der Budgetdebatte 5 Reden hielt, und druckt nur
die lange Antwort des Ministerpräsidenten auf diese zwei
Sätze, aber nicht auf die anderen und noch weniger meine
Erwiderung auf die Rede des Ministerpräsidenten ab. Aus der
Interpellation des Abg. Dr. Jilly unterschlägt man
die Beweiskräftige Statistik, dafür druckt man eine
umfangreiche Statistk des Fürsorgeministeriums zu einem von
Dr. Jilly gar nicht behandelten Thema ab. Die Erwiderung
unseres Sen. Krczal auf Minister Neèas wird
samt dem statistischen Beweismaterial zur Gänze gleichfalls
unterschlagen. Aus allen Reden der SDP-Abgeordneten druckt man
nicht die vielen beweiskräftigen Zahlen und einzelnen Beweisfälle
ab, man unterschlägt die wichtigsten, bis heute noch nicht
widerlegten Reden überhaupt, wie die konkreten Beweise des
Abg. Richter über die systematische Benachteiligung
bei Staatsbauten und Staatslieferungen, die Beweise des Abg. Wollner
und Abg. Knorre über die soziale Zurücksetzung
auf dem Gebiete des Arbeitsplatzes und der Arbeitslosenfürsorge
(Posl. Špaèek: Co to má co dìlati
s Guatemalou?) - wir sind leider schon auf dem Niveau Guatemalas
angelangt - die Beweise der Abg. Karmasin und Eichholz
über die Zurücksetzung im Schulwesen und in der Kultur,
die Beweise der Abg. Neuwirth und Dr. Köllner
über die politische Unterdrükkung im Wege der politiscchen
Behörden, der Staatspolizei, Gendarmerie und Justiz, den
Beweis des Abg. Frank gegen den [ ] Agitationsschwindel
des Orbis-Verlages durch die Chmelaø-Broschüre und
viele anderen Beweise und Wahrheiten.
Dieser neueste Exportartikel des Orbis-Veralgs nach Guatemala
beweist, daß nicht nur die Deutschen, sondern - was für
den Staat im In- und Auslande nicht minder gefährlich, vielleicht
sogar am gefährlichsten ist - daß mit System und Staatsgeldern
von offiziösen Organen die Wahrheit verdreht und unterdrückt
werden muß, [ ]
Wir, die wir unentwegt für Wahrheit und Recht kämpfen,
fürchten diese Methode nicht und werden auch dieses neueste
Pamphlet des Orbis-Verlags entsprechend zu kompensieren wissen.
Aber eine Schande ist und bleibt dieses Machwerk, das sogar Ministerworte
mißbraucht, für einen Staat, der sein Staatswappen
mit der Losung krönt: "Die Wahrheit siegt." Jawohl,
die Wahrheit wird siegen, aber mit uns gegen den Orbis-Verlag
und gegen alle seine großen und kleinen Helfershelfer bei
einer solchen Schwindelpropaganda. Sie aber werden, wenn Sie die
Losung des Orbis-Verlags auch zu Ihrer machen, die da lautet "Die
Unwahrheit siegt", den Staat runieren.
Sie ruinieren jetzt seit 14 Tagen auf eine ganz besondere Weise
die Finanzen im Staate. Da wird das Staatsverteidigungsgesetz
widerrechtlich aufgeboten, um einzelne Besitzern von Liegenschaften
und ganzen Gemeinden entgegen dem Gemeindefinanzgesetz und bei
Einzelbesitzern entgegen anderen Rechtsgrundsätzen der Verfassung,
die doch kein Fetzen Papier werden soll, Vorschriften zu machen.
Da erhalten Gemeinden von kaum 1.000 Einwohnern ein Schreiben
vom Herrn Bezirkshauptmann, Schulden bis zum Betrage von 160.000
und 200.000 Kè zu machen. Erklärt aber ein Gemeindevertreter,
daß er aus Verantwortungsgefühl auf Grund des Gesetzes
dies ablehnt, so wird ihm gesagt, daß er darüber zu
schweigen hat, daß er die Schuld aufzunehmen hat und wenn
er nicht schweigt, daß er auf Grund des § 6 des Schutzgesetzes
eingekerkert wird. Es geht so weit, daß man ganz einfach
einzelnen armen Besitzern an der Grenze vorschreibt, Bauten zu
machen, die scheinbar den Zwecken der Staatsverteidigung dienen
sollen; ob es etwas wert ist, ist eine andere Frage. Und man sagt
ihnen, daß sie diese Bauten auf ihre eigenen Kosten errichten
müssen. Die 14tätige Berufungsfrist des Gesetzes wird
zunichte gemacht, indem ganz einfach der Berufung die aufschiebende
Wirkung nicht zuerkannt wird. Dadurch werden die armen Leute an
der Grenze und die armen Gemeinden im Grenzgebiet in die größte
Verschuldung getrieben, weil man unfähig ist, eine entsprechende
Finanzpolitik zu treiben, um die Kosten der Staatsverteidigung
vom Staate tragen zu lassen. [ ]
Meine Herren, wenn Sie es so weiter machen, dann werden die schönen
Reden über den Ausgleich u. s. w. für die Katz sein.
Ich schließe das, was ich notwendigerweise wieder einmal
von der öffentlichen Tribüne sagen mußte, und
warne Sie: Ruinieren Sie nicht den Staat selbst, fürchten
Sie nicht die Staatsfeinde im deutschen Gebiet und im Ausland,
vor denen Sie Angst haben, fürchten Sie am meisten die Staatsfeinde
in ihrer eigenen Bürokratie, und die Subjekte, die Sie für
die öffentliche Propaganda bezahlen! (Potlesk poslancù
sudetskonìmecké strany.)