Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.
Neunzehnte Sitzung des constituirenden Reichstages am 11. August 1848.
Tagesordnung.
I. Ablesung des Sitzungsprotokolls vom 10. August 1848.
II. Berichterstattung über geprüfte Wahlen.
III. Fortsetzung der Berathung über den Kudlich´schen Antrag.
IV. Letzte Lesung der Geschäftsordnung.
V. Berathung über den Antrag des Abg. Selinger.
Vorsitzender: Vicepräs. Strobach. Anwesende Minister: Doblhoff, Krauß, Latour, Bach, Schwarzer.
Anfang um 10 1/4 Uhr.
V i c e P r ä s. Die erforderliche Anzahl der Deputirten zur Eröffnung der Sitzung ist vorhanden; ich erkläre daher die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Herrn Schriftführer zur Lesung des Protokolles der gestrigen Sitzung zu schreiten. (Schriftf. Cavalcabó verliest dasselbe.)
Die Anzahl der Deputirten, die zur Schlußfassung erforderlich ist, ist bereits anwesend; ich bitte diejenigen Herren, die über die Lesung des Protokolles das Wort zu ergreifen wünschen, es zu thun.
Abg. Umlauft. Ich erlaube mir in Bezug auf die von mir gestern gemachte Interpellation folgende Bemerkung: In Bezug auf den dritten Punct ist die Textirung nicht vollkommen meinem Sinne entsprechend —"was zum Schütze derjenigen Personen vorgekehrt werden würde." (Wird berichtiget.)
Vicepräs. Wünscht noch Jemand das Wort zu ergreifen? — Falls die hohe Kammer sich für die Genehmigung des so eben gelesenen Protokolles auszusprechen wünscht, wolle es durch Aufstehen geschehen. (Angenommen.)
Abg. Cavalcabó, Ich erlaube mir aus Anlaß des so eben abgelesenen Protokolles den Antrag zu stellen: "Das bei der gestrigen Reichstagssitzung abgelesene Reiseprotokoll der Reichstagsdeputation nach Innsbruck ist in Druck zu legen, und in einer entsprechenden Anzahl, allenfalls von 1000 Exemplaren, im Wege des Ministeriums des Innern an die Landesbehörden Tirols zur möglichsten Verbreitung sowohl in Innsbruck als im ganzen Lande zu übersenden, das Originalprotokoll aber in den Reichstagsachten aufzubehalten."
Ich glaube zur Unterstützung dieses meines Antrages bloß anführen zu sollen, daß die Verbreitung dieses Protokolles im Lande Tirol sehr viel beitragen würde, um die liberale Sache zu fördern. Aus dieser Rücksicht habe ich mir erlaubt, diesen Antrag zu stellen.
Vicepräs. Wind dieser Antrag unterstützt? (Zahlreich unterstützt.)
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort über diesen Antrag?
Abg. Tinnfeld. Es wäre zu wünschen, daß auch die Deputirten ein Exemplar dieser Relation bekommen möchten.
Vicepräs. Dieß unterliegt keinem Zweifel. Wenn der Antrag des Abg. Cavalcabó zum Beschluß erwachsen soll, bitte ich es durch Aufstehen zu erkennen zu geben. (Angenommen.)
Abg. Streit. Ich trage an, daß wenigstens zweitausend Exemplare gedruckt werden, denn es handelt sich um die Verbreitung in den Provinzen, an das Ministerium müssen wenigstens 1000 Exemplare abgeben werden.
V i c e P r ä s. Wird der Antrag aus die Drucklegung von 2000 Exemplaren unterstützt? (Wird unterstützt.)
Ich "werde die beiden Fragen gleich zusammenfassen. Diejenigen Herren, die sich für den Antrag des Abg. Cavalcabó, der dahin geht: das Reiseprotokoll dem Drucke zu übergeben, 2000 Exemplare abziehen zu lassen, und nicht bloß die Vertheilung unter die Hrn. Deputirten im Reichstage, sondern auch in den Provinzen vorzunehmen, auszusprechen wünschen, wollen es durch Aufstehen kimdgeben. (Allgemein angenommen.)
Mir würbe so eben von einem Herrn Vorstaube einer Abtheilung mitgetheilt, daß in der betreffen* den Abtheilung schon durch drei Tage seine Sitzung abgehalten werden konnte, weil die zur Abhaltung der Sitzung erforderliche Anzahl der Herren nicht zusammen gekommen wäre. Ich ersuche die Herren Deputirten, sich in den Abtheilungen so zahlreich als möglich zu versammeln, damit die Arbeit der Abtheilungen durch die Abwesenheit der Mitglieder nicht verzögert wird. — Nun wären die Eingaben, die inzwischen eingelaufen sind, auf Grundlage des verfassten Verzeichnisses vorzulesen. (Secretär Streit liest das Verzeichniß vor.)
Das stenographische Protokoll der gestrigen Sitzung kann am heutigen Tage nicht vertheilt werden. Die Gründe liegen theils in dem großen Umfange desselben, theils auch darin, daß die Redaction zu einer spätern Stunde geschlossen wurde. Ferner hat sich der Fall ergeben, daß ein ehrenwertes Mitglied, welches eine längere Rede hielt, zur Korrektur eine längere Frist in Anspruch nahm, als nach der Geschäftsordnung bestimmt ist; das glaubte ich zur Entschuldigung vorbringen zu müssen, daß das stenographische Protokoll heute noch nicht ausgetheilt werden konnte. Übrigens ist die Vorsorge getroffen worden, damit dieses Institut so bald als möglich in einen geregelten Gang komme.
Es erübrigt gegenwärtig nur noch, bevor wir zum zweiten Puncte der Tagesordnung übergehen, ein Gegenstand, der jedenfalls heute noch besprochen werben muß. Wie bekannt, soll Se. Majestät der Kaiser am morgigen Tage bereits zurückkehren, nach einer Mittheilung des Herrn Präsidenten der Reichskammer dürfte die Rückkunft wahrscheinlich schon nach 1 Uhr erfolgen, weil Se. Majestat auf einem Seperatdampfövote von Linz reisen wird, Ich glaube, es wird angemessen sein, daß der ganze Reichstag Se. Majestat in corpore empfangen wird. Es durfte die Localität, wo dieser Empfang vor sich zu gehen hat, am zweckmäßigsten in Schönbrunn selbst sein, weil Se. Majestat nur durch die Bürg durchfahren wird, wo es nicht angemessen wäre, den Empfang vorzunehmen. Ich trage daher an, daß der hohe Reichstag morgen um 1 Uhr die Sitzung hier schließe, dann sich in Wägen nach Schönbrunn begebe, und unfern ehrenwerten Herrn Präsidenten Schmitt an der Spitze, Se. Majestät empfange. Es wäre ein weiterer Antrag noch im Zuge, nämlich der: daß vorläufig die Deputation, welche die Einladungsadresse Sr, Majestät in Innsbruck Überreichte, in Nusstorf Se. Majestät zu empfangen hätte, zurück begleite und der Reichstag dann gleichsam mit Ausscheidung dieser Deputation den Empfang vornähme. — Ich glaube, die Deputation hat ihre Mission durch die Übergabe der Adresse erfüllt und ist in unfern Schoß zurückgekehrt; ich glaube, es wabre zweckmäßiger, wenn sämmtliche Glieder, an der Spitze unsern Herrn Präsidenten, Se. Majestät empfangen. Falls der hohe Reichstag sich für diesen Antrag auszusprechen wünscht, so wolle es durch Ausstehen kündgegeben werden. (Allgemein angenommen.)
In Folge dieses Beschlüsses dürfte daher am morgigen Tage die Sitzung früher begonnen werden; ich werde mir erlauben, bei Feststellung der Tagesordnung für morgen auf die neunte Stunde anzutragen.
Es ist mir eine Interpellation an die Minister angemeldet worden, da aber die Minister noch nicht hier sind, so muß dieselbe unterbleiben, bis wir mit einem Gegenstande der Tagesordnung fertig sein werden.
Den zweiten Gegenstand der heutigen Tagesordnung bilden die Berichte über die Wahlacte. Ich ersuche den Berichterstatter der II. Abtheilung, nachdem ich schon vorhin bemerkt habe, daß die I. Abtheilung keine Sitzungen halten konnte.
(Die Berichterstatter der II. In. IV. V. und VI. Abtheilung geben an, daß sie keine Berichte vorzutragen haben.)
Berichterstatter der VII. Abtheilung, Jos. Scholl (liest den Bericht über die vorgenommene Prüfung der Wahl des Herrn Dr. Leopold Claudio für Kuttenberg in Böhmen).
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen? (Niemand.)
Falls sich die hohe Versammlung für die Gültigkeit der Wahl auszusprechen wünscht, so wolle es durch Aufstehen kund gegeben werden. (Geschieht.)
Berichterstatter der VII. Abtheilung. Ferner sind in der VII. Abtheilung zwei Proteste gegen bereis geprüfte Wahlen berathen werden, nämlich gegen die Wahl des Joseph Kutschera und des Joseph Beck.
Die Wahl des Joseph Kutschera für den Bezirk Großmeseritsch ist angefochten worden bloß aus dem Grunde, weil nicht daliege, und bei der Wahl nicht angeführt worden ist, daß der in Wien ansässige oder wohnende Joseph Kutschera in einein Wahlbezirke der Monarchie Wähler oder Wahlmann sei. Die VII. Abtheilung hat einstimmig beschlossen, daß dieser Protest gär nicht zu berucksichtigen und lediglich zu den Acten zu legen sei, indem er auf einer unrichtigen Voraussetzung beruht, weil nicht nachgewiesen ist, daß dein Gewahlten eine der gesetzlich erforderlichen Eigenschaften fehle.
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort? (Niemand.)
Wenn die Kammer den Antrag der Abtheilung zum Beschlüsse erheben will, so wollen sich die Herren erheben. (Geschieht mit Majorität)
Berichterstatter. Der zweite Protest betrifft die Wahl des Dr. Joseph Beck für den Wahlbezirk Teltsch in Mähren. In diesem Berichte des Magistrats ist von Wahlumtrieben die Rede, deren sich der Abgeordnete durch Bewerbung um Wahlstimmen beim Landvolke, durch Einflüsterungen, durch Händedrücken, durch Vertheilen von Visitkarten, durch Vorgeben, er habe die Freiheit mit den Studenten für die Bauern erkämpft, schuldig gemacht haben soll; kurz es gibt sich daraus nichts als eine feindselige Stimmung der Stadtbevölkerung gegen die Landbevölkerung kund. Das Ministerium hat die Erhebung darüber gepflogen, aus welcher sich herausgestellt hat, daß dein Abg. Beck gar kein unehrenhaftes Benehmen bei der Wahl zur Last fällt. Die Abtheilung trägt daher darauf an, diesen Protest nicht zu berücksichtigen und denselben, so wie den frühern ad acta zu legen.
Schriftf. Ullepitsch. Ich erlaube mir zu bemerken, daß der Wahlact noch nicht geprüft worden ist.
Berichterstatter. O ja! Es ist dieß der mährische Beck und nicht der böhmische.
V i c e P r ä s. Wünscht Jemand noch das Wort? (Niemand.)
Wenn die hohe Kammer einverstanden ist, daß dieser Protest zu den Acten gelegt werden soll, so bitte ich es durch Aufstehen bekannt zu geben.
(Majorität für den Antrag.)
Berichterstatter der VIII. Abtheilung, Abg. Lasser (liest den Bericht über die neuerliche Prüfung der Wahlen der in den drei Wahlbezirken der Stadt Lemberg gewählten Abgeordneten Marian Dylewski, Florian Ziemialkowski und Alex. Borkowski, und fugt hinzu:)
Der Protest liegt vor, sollte es gewünscht werden, daß ich ihn vorlese, oder genügt es der h. Versammlung, daß ich im Kurzen die wesentlichen Momente hervorhebe? (Lesen! —Auszug!)
Vicepräs. Wer wünscht, daß der Protest dem vollen Inhalte nach vorgelesen werde, den bitte ich es durch Aufstehen bekannt zu geben. (Minorität.)
Berichterstatter. Der Protest enthält im wesentlichen Folgendes:
E r s t e n s. Die Zahl der Wahlmänner fei nicht gleichmäßig in drei Bezirke eingetheilt worden, indem der erste Bezirk 84, der zweite Bezirk 84, und der dritte nur 78 Wahlmänner zu wählen hatten.
Zweitens. Im dritten Bezirke, Wo 78 Wähler waren, seien 59 der israelitischen und 19 der christlichen Bevölkerung zugewiesen worden. Der Protest enthält die Bemerkung, daß gegen diese Eintheilung sogleich beim Magistrate protestirt und darauf angetragen wurde, daß die auf die gesammte jüdische Bevölkerung Lembergs entfallenden Wahlmänner gleichmäßig auf alle Bezirke von Lemberg vertheilt werden sollen. Es liegt auch die Ankündigung des Magistrats bei, welcher in Folge obiger Vorstellung eine Berichtigung der eingeschlichenen Irrtümer und daher eine Änderung der Verzeichnisse der Wahldistrikte vorgenommen habe. Daß eine solche Berichtigung wirklich stattgefunden habe, dürfte schon ans dem Umstände gefolgert werben, weil gegen die spätere Eintheilung und gegen die nachgefolgte Wahl der Deputirten kein neuerlicher Protest vorgebracht worden ist, Es ist aber der Abtheilung durch ein ihr selbst angehöriges Mitglied, welches Mitglied bei der Wahl für Lemberg anwesend gewesen ist. Bestätiget worden, daß diese Berichtigung der Wahleinteilung wirklich stattgefunden hat. Die Abtheilung erwagt nun, daß erstens der Wählprotest an und für sich keine so wesentlichen Gebrechen an den Tag lege, daß wenn sie constatirt würden, daraus die Ungültigkeit der Wahlen hervorginge. Sie hat aber noch außerdem und noch vorzugsweise darauf Bedacht genommen, daß die Gebrechen und Mängel, die im Proteste bezüglich der Zuweisung der jüdischen Wahlmänner auf die einzelnen Bezirke gerügt worden sind, vor der Wahl von selbst beseitigt und folglich die Deputiertenwahl ohne Einfluß der dießfalligen Mängel vorgenommen worden ist. Nach der einhelligen Ansicht der Abtheilung ist daher dieser Protest theils als unerheblich, theils als bereits vor der Wahl factisch behoben zu betrachten, und die Abtheilung kann nur auf ihren früheren Antrag zurückkommen, daß die Wahl der drei Abgeordneten von Lemberg als gültig anerkannt werden wolle.
Vicepräs. Wünscht Jemand das Wort? (Niemand.)
Soll dem Protest keine Folge gegeben werden, so wolle es durch Aufstehen bekannt gegeben werden. (Der Antrag wird angenommen.)
Berichterstatter der IX. Abtheilung, Abg. Demel. Die neunte Abtheilung hat die Wahl des Abg. Pienczykowski für den Wahlbezirk Krzywcze in Galizien, welche vor zwei Tagen von der hohen Reichsversammlung als gültig anerkannt würde, beanständet gefunden. Nach dieser Gültigkeitserklärung aber langte ein Protest an die Abtheilung an, nach dessen genauer Durchsicht die Majorität dieser Abtheilung sich bewogen fand, daß diese Wahl zwar nicht für beanständet zu erklären, jedoch dem Ausschusse zur abermaligen Prüfung vorzulegen sei. Ich erlaube mir, die hohe Versammlung zu bitten, diesen Protest wörtlich vorlesen zu dürfen.
V i c e P r ä s. Wünscht die hohe Versammlung, daß dieser Protest seinem vollständigen Inhalte nach vorgelesen werde, so bitte ich es durch Ausstehen erkennen zu geben. Es scheint die Majorität. (Wird vorgelesen.)
Berichterstatter. Jetzt folgen 69 Unterschriften, welche alle von einer und derselben Hand geschrieben sind, ohne daß beigefügt wäre, ob der, welcher alle 69 Unterschriften verfaßt hat, auch von den Unterschriebenen dazu ermächtigt gewesen sei. Ich glaube somit diesen Protest dem Ausschusse zuzuweisen. Ich bringe zugleich meine Meinung; ich blieb nämlich in der Minorität, die sich erklärte, auf diesen Protestkleine Rücklicht zu nehmen, weil alle Unterschriftfett von einer und derselben Hand geschrieben seien, ohne daß Jemand die Ermächtigung hiezu gegeben hätte; auch glaube ich, daß sich bereitste neunte Abtheilung in der Majorität erklärt hat, bei der Prüfung der Wahl nicht zu lax vorzugehen, ob man eine Wahl als unbeanstandet zu erklären, ob sie dem Ausschüsse zuzuweisen wäre, denn es wate eine Ungerechtigkeit, alle diese Proteste, wenn sie auch unerheblich sind, unbeachtet zu lassen. (Unterbrochen durch eine Stimme: Ich bitte nur den Protest vorzulesen und nicht Ihre eigene Meinung zu sagen.) Den Protest habe ich gelesen und jetzt ist meine Meinung, die Wahl als unbeanstandet zu erklären lind den Protest ad acta zu legen (Mehrere Stimmen; Gut, gut) Vicepräs. Der Antrag der Majorität der Abtheilung geht dahin, diesen Protest dem Ausschusse zur Prüfung der beanstandeten Wahlen zu überlasen, dagegen stimmt die Minorität dafür, da5 dieser Proust nicht zu beachten sei.
Abg. Löhner. Ich habe einen bestimmten Grund, mich so zu erklären. Es ist nämlich angeführt worden, die hohe Versammlung habe bisher auf Proteste gar keine Rücksicht genommen, obwohl sie sehr erheblich gewesen waren. Ich glaube dieses zurück weisen zu müssen.
Die hohe Kammer hat nämlich immer die anlangenden Proteste geprüft, und zur Entscheidung genomnien, und alle Anstalten getroffen, die dazu erforderlich sind. Ich glaube also nicht, daß die Majorität für so erheblich gehalten werde, auch diesen Protest zurückzuweisen, weil die hohe Kammer etwa bisher so leicht aus Grundsätzen über diesen Protest hinweggegangen sei. Dieses ist aber nicht der Fall, he hohe Kammer hat jeden Protest gewürdigt, und gar kein Gesetz aufgestellt. Ich glaube daher, daß auch dieser Protest zu würdigen sei.
Abg. Jonak. Die Majorität hat sich zu jenem Beschlüsse veranlaßt gefühlt, da gerade gestern ein ähnlicher Fall vorgekommen ist, nämlich ein Protest gegen die in Gratz vorgefallenen Wahlen. Dieser Protest war an die zur Prüfung der beanstandeten Wahlen zusammengesetzte Commission gerichtet. Die Abtheilung hat diesen Protest geprüft und ihr Gutachten darüber der hohen Kammer erstattet Die Majorität hat sich veranlagt gefunden, auf die Consequenz dieses Vorganges in dieser Art anzutragen, und zwar den Protest der Commission für beanstandete Wahlen zuzuweisen, tumbem sie von Grundsatze ausgegangen ist, daß, wenn ein Protest vorfielt und die Wahl schon früher geprüft und beanständet befunden wurde, diese Wähl et st dann in daß Stadium der Beanständigung eintritt, und zwar nach der Vorschrift der Geschäftsordnung Abg Gleispach. Ich habe neulich in einem ähnlichen Fälle den Antrag gestellt, daß ein Protest, welcher nicht gehörig legiamirt sei, jener Commission zugesertiget werden könne, welche sich mit der Prüfung der beanstandeten Wahlen beschäftigt, es würde mir aber damals entgegnet, daß diese Commission zur Prüfung der beanstandeten Wahlen sich nur dann mit einem Wahlacte zu beschäftigen habe, wenn der Wahlact von der hohen Reichsversammlung als bereits beanständet erklärt worden ist Es tritt aber Her der nämliche Fall ein: die Commission trägt nämlich darauf an, diesen Wahlact zur Prüfung dieser Commission zuzuweisen, ohne daß sich der Reichstag aber dahin ausgesprochen habe, ob er diese Wahl als beanständet anerkenne oder nicht. Es ist dieß ganz der gleiche Fall, und ich glaube, in diesem Falle müßte man auch ein gleiches Versehren beobachten Meines Erachtens nach kann diese Wahl als beanständet erklärt werden. Die Wahlen der Grazer Deputaten sind nicht gleichgültig, denn dieser Protest ist unmittelbar an die Kommission für beanstandete Wahlen überreicht worden, und erst viel später eingelangt.
Ich trage daher darauf an, der Commission möge aufgetragen werden, sich bestimmt zu äußern, wann der Reichstag endlich zu entscheiden im Stande sein werde, ob eine Wahl beanständet zu erklären sei oder nicht, indem erst dann ein bestimmtes Urtheil gefällt werden kann, Berichterst. Demel. Da der Herr Rebner ausgesprochen hat, die Commission möge den Antrag stellen, die Wahl entweder als beanstandet oder unbeanständet zu erklären, so muß ich bemerken, daß diese 30ihl schon vor zwei Tagen geprüft, der hohen Versammlung vorgelegt und von derselben als unbeanständet anerkannt wurde Auch heute hat die Abheilung die Wahlakts unbeanstandet erklärt, und nur auf Grundlage dieses unbescheinigten Protestes, welcher zugleich von einer und derselben Hand geschrieben und unterschrieben ist, hat die Abtheilung erklärt, es möge dieser Protest der Commission für beanstandete Wahlen übergeben werden.
Abg. Umlauft. In derselben Richtung, wie der Abg Gleißpach, mache ich darauf aufmerksam, daß die Bestimmung des §. 5 der Geschäftsordnung ausdrücklich dahin geht, nur jene Wahlen, welche die Reichsversammlung durch Majorität als beanständet erklärt hat, seien der Commission zuzuweisen.
Es ist ein specieller Fall, wo die Wahl bereits ausdrücklich als gültig anerkannt worden ist, es mußte also von der Bestimmung der Geschäftsordnung abgegangen werden, und in sofern müßte ich den Antrag des Berichterstatters Demel unterstutzen, daß vorläufig, von dem Protest keine Notiz genommen werde Nachdem sich die Reichscersaminlung ausdrücklich für die Gültigkeit derselben erklärt hat, so mußte ein ganz besonders instruierter Protest vorliegen, der aber nach dem Berichte des Herrn Berichterstatter.? Demel nicht in der Form erscheint, um diesen bereits ausdrücklich gefaßten Beschluß umzustoßen.
Abg. Jonak. Ich muß bemerken, daß sich der Antrag der Majorität der Abtheilung doch nur auf die Geschäftsordnung selbst basirt.
Nach §. 7 heißt es: "Wahlanfechtungen, welche das Wahlverfahren und die Eigenschaften der Wähler betreffen, werden nur dann berücksichtiget, wenn sie gleichzeitig genügend bescheiniget, innerhalb vier Wochen nach erfolgter Anerkennung der Wahl, bei dem Reichstage eingegeben werden."
Was heißt das: "gleichzeitig genügend bescheinigt?"
Soll hier ein gerichtsordnungsmäßiger Beweis vorliegen, oder einer wie beim sogenannten politischen Verfahren? Ich glaube, wenn einmal Unterschriften vorliegen in einer genügenden Masse, wie es hier der Fall ist, so ist der Protest, oder die Wahlanfechtung genügend bescheinigt; und wenn sie genügend bescheinigt ist, so muß mit einer solchen Wahlanfechtung vorgegangen werden, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt, und die Geschäftsordnung wird in einem solchen Falle uns anweisen, daß allenfalls in Entsprechung des §. 5 die Majorität oder Minorität für den einen oder den andern Antrag sich ausspreche.
Der Antrag der Majorität ist nun, daß dieser Protest mit den Acten an die Commission zur Prüfung beanstandeter Wahlen verwiesen wird, und weil ein Protest vorliegt, können wir nicht sagen, die Wahl sei unbeanständet; denn Jene, welche protestiren haben etwas gethan, was ihnen nach §. 7 zusteht.
Ich unterstütze den Antrag der Majorität; daß nämlich diese beanstandeter Wahl der Commission zur Prüfung beanstandeter Wahlen zugewiesen werde.
Abg. Helfer t. Ich habe nur gegen das, was Umlauft und Gleißpach erklärt haben, zu erwidern, daß es zweierlei Arten gibt, wie ein Wahlact an die Commission zur Prüfung beanstandeter Wahlen gelangen kann. Die erste Art ist allerdings diejenige, welche Abg. Gleispach erwähnt hat, nämlich wenn ein Protest vorliegt bei jenen Acten, welche ursprünglich der Abtheilung überwiesen werden, wo allerdings die Acten der Commission zur Prüfung beanstandeter Wahlen nur dann überwiesen werden können, wenn die Majorität der Abtheilung auf Beanständigung anträgt und diese von der Versammlung genehmigt wird.
Die zweite Art ist davon ganz verschieden. Es kann allerdings eine von der Versammlung bereits angenommene Wahl sein, es kann aber nachträglich ein Protest, eine Wahlanfechtung einlaufen, welcher berücksichtigt werden muß, denn sonst brauchten wir ja den §.7 der Geschäftsordnung gar nicht. Dieser Paragraph spricht, welche nach erfolgter Anerkennung der Wähl bei dem Reichstage eingegeben werben, und gibt die Bedingungen an, unter welchen ein solcher Protest berücksichtigt werden kann. Was diesen zweiten Fall betrifft, so bin ich der Ansicht, daß ein solcher Fall unmittelbar von beim Vorstände des Reichstages an die Commission zur Prüfung beanstandeter Wahlen zu übergeben sei, welcher Ausschuß zu Prüfen hat, ob die Wahlanfechtungen genügend bescheinigt sind Ich bin daher der Ansicht, daß die Abtheilung Protest gar nicht hätte zur Sprache bringen, sondern sogleich an die Commission zur Prüfung beanstandeter Wahlen abgeben sollen.
Abg. Hein, Ich trage auf den Schluß der Debatte an und hoffe, daß er unterstützt werde.
Vicepräs. Diejenigen Herren, welche sich für den Schluß der Debatte aussprechen, wollen dieß durch Aufstehen kund geben.
(Die Majorität ist dafür.)
Es sind hier noch mehrere Redner Eingehtragehit, als die Abg. Rieger, Dylewski, Heimerl und zuletzt noch der Herr Berichterstatter.
Abg. Rieger. Ich wollte ungefähr dasselbe sagen, was der Abg. Helfest gesagt hat; ich glaube, daß eine Abtheilung, nachdem sie eine Wahl für unbeanständet erklärt hat, und der Reichstag diese Erklärung sanktioniert hat, so glaube ich, daß diese Abtheilung in Folge eines nachher einlangenden Protestes nicht das Gegentheil aussprechen kann. Ich glaube, daß alle später einlangenden Proteste gegen eine Wahl an den Ausschuß für beanstandete Wahlen zu überweisen wären. Ich habe noch einen besonderen Grund aus der Erfahrung: wir haben in der fünften Abtheilung einen Protest gegen einen Wahlact bekommen, welchen wir in der neuen fünften Abtheilung geprüft haben, wir haben ihn erledigt und haben gestern die Ehre gehabt ihn vorzutragen. Es ist noch ein zweiter Protest vorgekommen gegen eine Wahl, die höchst wahrscheinlich in der frühern fünften Abtheilung geprüft worden ist. Aus der frühern Abtheilung sind fast gar keine Mitglieder gekommen, und die jetzt in der fünften Abtheilung sind, haben gar keine Kenntniß von dem Wahlacte, und wir sind auch nicht im Stande, ihn neuerdings einer Prüfung zu unterziehen. Der Reichstag hat ihn sanktioniert. Ich glaube daher, daß jeder nachkommende Protest an den Ausschuß für die beanstandeten Wahlen zu überweisen sei, und daß ausgesprochen und das Princip festgestellt werben sollte, daß alle nachträglichen Proteste gegen eine Wahl üb« die bereits abgesprochen und die angenommen worden ist, diesem Ausschüsse zuzuweisen wäre.
Vicepräs. Abg. Dylewski hat das Wort.
Abg. Dylewski. Ich verzichte aufs Wort, sobald es sich darum handelt, daß nur die Frage berathen und besprochen werde, ob diese Wahl an den Ausschuß zu verweisen sei oder nicht. Hätte sich die Frage so gestaltet, wie sie sich im Anfange dahin neigte, ob diese Wahl beanständet oder nicht beanständet sei, so hatte ich es damals schon als meine Pflicht erachtet, über die Sache zu berichten, da ich bei dieser Abteilung Berichterstatter war.
Vicepräs. Abg. Heimerl hat das Wort.
Abg. Heimerl. Ich habe als Vorstand der neunten Abtheilung eine Aufklarung zu geben Die neunte Abtheilung hat den Wahlact Dienstag geprüft und anstandslos gefunden und den Antrag gestellt: die hohe Vorsammlung möge diese Wahl für gültig erklären; dieß ist auch geschehen. Zwei Tage später erhielt die 9. Abtheilung vorliegenden Protest, et wurde berathen und es wurde durch Stimmenmehrheit beschlossen, diesen Protest dem Vorstande zurückzugeben, damit er allenfalls der Section für beanstandete Wahlen überwiesen werde; wir bekamen ihn jedoch heute vom Vorstande wieder zurück, mit dem Bemerken, wir hätten uns vorerst zu erklären Es blieb demnach nichts übrig, als eine zweifache Ansicht aussprechen: der Protest hat eine Bedeutung oder er hat keine Bedeutung, — er hat keine Bedeutung und ist zu den Acten zu reponieren, oder er hat eine Bedeutung und ist an den Ausschuß für beanstandete Wahlen zu verweisen. Bei der Abstimmung hat sich die Stimmenmehrheit dafür ausgesprochen, daß der Protest als gültig und für hinreichend bescheinigt anzusehen sei, indem er von 60, wovon wenigstens eine eigenhändige Unterschrift sein wird, unterschrieben ist, während die Minderzahl sich dafür aussprach, er habe keine Bedeutung und sei zu den Acten zu reponieren.
Berichterst. Demel. Gegen die Bemerkung der Herren Helfest und Rieger habe ich nur zu erwähnen, daß es im §. 5 heißt: "Wahlen, deren Gültigkeit die Reichs Versammlung durch absolute Stimmenmehrheit beanständet, werden nach erfolgter Constituirung derselben an einen nach §. 37 zu bildenden Ausschuß verwiesen." Es wäre daher ein ganz illegaler Vorgang, wenn auf Grundlage eines späteren Protestes ohne eine Erklärung der Abtheilung der Wahlact stammt dem Proteste gleich dem Ausschusse für beanstandete Wahlen zuruckgegeben worden wäre, oder zurückgegeben werden wurde Im §.7 heißt es: "Wahlanfechtungen, welche einen Mangel der erforderlichen Eigenschaften des Gewählten betreffen, sind auch später noch zulässig, wenn sie gleichzeitig genügend bescheinigt sind." Ich glaube aber nach meiner Ansicht, daß die Bescheinigung keine genügende sei, wenn nicht der Reichstag entscheidet, ob 69 von einer Hand geschriebene Unterschritten für eine Bescheinigung erklärt und eine genügende Bescheinigung sei. Daß eine Wahl durch einen Protest bereits beanständet sei, muß ich in Abrede stellen, weil der Paragraph unterscheidet zwischen Wahlanfechtungen und Protestbescheinigungen, er unterscheidet also zwei Acte, den Protest und die genügende Bescheinigung, beides aber liegt hier nicht vor. Es liegt in der Natur der Sache, daß ich zuerst die Meinung der Majorität vorgetragen habe, jedoch habe ich auch meine speciellen Bemerkungen zu geben nicht unterlassen.
Vicepräs. Ich erlaube mir die Bemerkung rücksichtlich eines Antrages des Abg. Rieger.
Wünscht der Hr. Abg. Rieger, daß sein Antrag, es möge das Princip ausgesprochen werden, zur Abstimmung gelange, so erlaube ich mir zu bemerken, daß dieses dann als ein Zusatz zur Geschäftsordnung angesehen wurde, worüber bereits die Verhandlung geschlossen ist.
Abg. Rieger. Ich glaube, es versteht sich aus der Geschäftsordnung von selbst, sowie der Abg. Helfert bemerkte.
Abg. Helfert. Ich glaube, das ist nur ein Kommentar.
Abg. Rieger. Es ist nur eine Aufklärung, damit die Section wisse, wie sie sich bei einem vorkommenden Falle zu verhalten habe.
Vicepräs. Eine weitere Erörterung ist nicht nöthig; ich wollte nur die Frage stellen, ob der Antrag des Abg. Rieger unterstützt wird, daß sich nämlich über das Princip ausgesprochen wurde. (Unterstützt.)
Abg. Umlauft. Ich bitte noch um das Wort.
Vicepräs. Das Wort kann nicht mehr gegeben werden, weil die Debatte bereits für geschlossen erklärt wurde.
Es liegen hier mehrere Anträge vor— zunächst der Antrag der Section, welcher dahin geht, daß dieser Protest dem Ausschusse zur Begutachtung überwiesen wurde. Zu diesem Antrage liegt ein Unterantrag des Abg. Gleißpach vor: "daß sich die Commission vorläufig zu erklären hatte, ob sie die Wahl für beanstandet erkläre oder nicht" — Ich glaube so richtig verstanden zu haben. — Dann ist ein weiterer Antrag, und zwar der Minorität, der zugleich zum persönlichen Antrag des Berichterstalters gemacht wurde und dahin geht: daß der Protest an und für sich nicht zu beachten sei. Ich glaube, die Anträge sind so ziemlich erschöpft. In dieser Beziehung erlaube ich mir vor allen ändern, den Antrag der Minorität, beziehungsweise des Berichterstatters, zur Abstimmung zu bringen, »eil dadurch alle übrigen Antrage, ausgenommen jener über das Princip, für abgethan anzusehen waren. Diejenigen Herren, welche sich für den Antrag aussprechen, daß der nachträglich eingelangte Protest gegen die Wahl des Abgeordneten nicht zu beachten sei, mögen dieß durch Ausstehen kundgeben (Anscheinende Majorität) Ich muß um die Gegenprobe bitten, es ist zweifelhaft. (Ruf: Es ist die Majorität.) Es ist zweifelhaft und die Beurtheilung steht mir zu. Ich bitte um die Gegenprobe. Diejenigen Herren, die wünschen, daß der nachträglich eingelangte Protest zu beachten wäre, wollen dieß durch Aufstehen kundgeben. (Geschieht )
Es ist zweifelhaft, ich muß den Gesamtvorstand zusammenrufen, da die Gegenprobe zweifelhaft ist, ich bitte daher stehen bleiben zu wollen. (Der Gesamtvorstand begibt sich auf die Tribüne ) Es würde durch eine überwiegende Stimmemehrheit, nämlich 7 gegen 1 beschlossen, die Gegenprobe für die