Nedìle 15. øíjna 1848

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Zweiundfünfzigste Sitzung des constituirenden Reichstages,

am 15. October 1848

(Permanenz.)

Vorsitzender: Vice-Präs. Smolka.

Anfang um 10 3/4 Uhr Vormittags.

Präs. In Fortsetzung der gestern unterbrochenen Sitzung, ersuche ich den Herrn Schriftführer Cavalcabó zur Verlesung des Protokolles der gestrigen Morgensitzung zu schreiten.

(Schriftf. Cavalcabó liest das Protokoll der Morgensitzung vom 14. October, welches anstandlos angenommen wird.)

Präs. Ich erlaube mir die Frage zu stellen, ob der Bericht, welcher von der an Seine Majestät abgesendeten Deputation erstattet wurde, wörtlich in das Protokoll aufzunehmen sei. (Zustimmung.) Ich ersuche nun den Schriftf. Motyka zur Verlesung des Protokolles der gestrigen Abendsitzung zu schreiten.

(Schriftf. Motyka liest das Protokoll der Abendsitzung vom 14. October.)

Präs. Ist in Bezug auf die Fassung des Protokolles etwas zu erinnern?

Schriftf. Wienkowski. Ich möchte beantragen, daß, da wir doch fortwährend in Permanenz sind, es im Anfange des Protokolles nicht heiße: "die Sitzung wurde eröffnet", sondern "wurde wieder aufgenommen," und am Ende nicht: "die Sitzung wurde geschlossen", sondern "sie wurde unterbrochen".

Präs. Ich glaube, daß in der Beziehung kein Anstand ist, da ohnehin die früheren Protokolle derart abgefaßt worden sind. Diejenigen Herren, welche das Protokoll genehmigen, wollen aufstehen.(Angenommen.)

In Bezug auf dieses Protokoll erlaube ich mir noch die Anfrage, ob die darin angeführten Adressen, nämlich die der Nationalgarde von Troppau, Steyer, endlich die Adresse des Studenten-Comités, sodann das Schreiben des Banus Jellaèiè als Beilage wörtlich aufgenommen werden sollen. (Ruf: Ja! Ja!) Es ist kein Widerspruch dagegen, ersuche daher es aufzunehmen. — Abg. Schuselka wird Einiges zu berichten haben aus dem permanenten Ausschusse.

Abg. Schuselka. Der permanente Ausschuß findet sich nicht in der Lage, über neue Ereignisse Bericht erstatten zu können. Unsere Zustände, die thatsachlichen, sind unverändert geblieben. Der Standpunct der Armeen ist fast derselbe, ebenso die Stellung des ungarischen Heeres; die Nachrichten, daß dasselte bereits die Gränzen überschritten, widersprechen sich häufig. Wenn man das wahrscheinlichste Resultat aus diesen Nachrichten ziehen möchte, besteht es nur darin, daß einzelne Vorposten zur Recognoscirung bestimmt, die Gränzen überschritten, allein sich wieder auf ungarisches Gebiet zurückgezogen haben. In diesem Augenblicke, als ich vor Ihnen erscheine, will man in der Gegend gegen Ungarn Kanonendonner gehört haben, allein es ist ein ebenfalls nicht verbürgtes Gerücht. Die inneren Zustände haben sich, ich darf es mit freudigster Beruhigung aussprechen, bedeutend gebessert; jene sieberhafte Aufregung, die in solchem Zeitpuncte leicht zu übereilten, wenig vorbedachten und nicht genug ruhig ausgearbeiteten Unternehmungen und Plänen hinreißen, hat sich gelegt, und hat einer ruhigen, thatkräftigen Besonnenheit Platz gemacht, welche der echte Charakter der Tapferkeit ist, und welche den sichersten Erfolg solcher tapferen Unternehmungen verspricht. Die Nationalgarde sowohl, als das übrige bewaffnete Volk, gewinnt von Stunde zu Stunde mehr an einer Organisirung, die Vertheidigungsanstalten der Stadt werden durch einen vortheilhaft zusammengesetzten Generalstab geleitet, und wir dürfen es in diesem Augenblicke aussprechen, daß es eine sehr schwere Aufgabe sein würde, Wien zu nehmen, lediglich mit Rücksicht auf die bereits getroffenen Vertheidigungsanstalten, ganz abgesehen davon, daß sich in einem solchen Falle das bewaffnete Volk mit einer Begeisterung in den Kampf stürzen würde, die denen, welche eindringen wollten, gewiß die Lust dazu benehmen wird. Es ist die ganze Bevölkerung in jenen Zustand gekommen, der eine Nothwendigkeit, selbst wenn sie eine noch so ernste, ja eine traurige ist, eben mit stolzem Bewußtsein erträgt, der Gefahr standhaft ins Auge blickt, und mit jener Ueberzeugung an den Ereignissen, die da kommen werden, kein zurechnungsfähiges Verschulden zu haben, eben auch mit gutem Bewußtsein dem was geschehen wird entgegen geht. Es ist ein Zustand eingetreten, wie er, wenn wir in die Geschichte zurückblicken, zu jener Zeit war, als Wien von den Türken belagert wurde. Damals mag Wien, mag die Bevölkerung Wiens, wie die Blätter der Geschichte aufzeichnen, in einer ähnlichen Gemüthsverfassung, in einer ähnlichen Entschlossenheit, Ruhe und Ordnung dagestanden haben, und der glänzende Erfolg jener Stellung der Bevölkerung Wiens gehört zu den schönsten Thaten der Geschichte; und wir wollen hoffen, daß wenn diese Ereignisse, in denen wir uns befinden, auch zum Aeusersten kommen sollen, wenigstens die Bevölkerung Wiens jene geschichtliche Ehre behaupten und jenen neuen geschichtlichen Glanz sich erwerben wird, den die Vorfahren mit Aufopferung ihres Lebens errungen haben. (Bravo!)

Wir haben diese Nacht zwei telegraphische Depeschen bekommen. Die eine ist vom Herrn Gubernial-Präsidenten Grafen Lazansky am 14. October 1848 um 8 Uhr 45 Minuten eingelangt, expedirt um 9 Uhr 15 Minuten Nachts, an das hohe Reichstags-Präsidium gerichtet, aus Olmütz. Sie lautet:

"Der Kaiser ist heute um 4 Uhr 15 Minuten Nachmittags unier dem Jubelrufe des Volkes in Olmütz eingetroffen. Durch ganz Mähren begleiteten denselben die lautesten Beweise der Liebe, Anhänglichkeit und Dankbarkeit der Städte und der Landleute, denen Seine Majestät selbst versicherten, daß ihnen jene Freiheiten, die die Allerhöchste Sanktion erhalten haben, ungeschmälert belassen werden.

"Der Wagen wurde in Olmütz vom Volke gezogen".

Die zweite Depesche ist vom Abgeordneten, Herrn Alois Fischer am 14. October um 10 Uhr 45 Minuten eingelangt, erpedirt um 11 Uhr 45 Minuten an den permanenten Ausschuß. Sie lautet:

"Die heute von Wien abgegangene Deputation kam Nachmittags um 2 Uhr in Olmütz an.

"Seine Majestät der Kaiser traf zwei und eine halbe Stunde später ein, und ließ der Deputation alsogleich eröffnen, daß er morgen 11 Uhr früh, sie empfangen werde.

"Sollten weitere Mittheilungen von dem hohen Reichstage oder dessen Ausschusse an die Deputation nothwendig erscheinen, so sieht sie denselben entgegen."

Abg. Umlauft. Meine Herren, ich schätze mich glücklich, der erste zu sein, der in dieser hohen Versammlung die Stimme der deutschen Bevölkerung in Böhmen hier kann erschallen lassen; ich habe gestern aus meinem Wahlbezirke folgende Mittheilung erhalten, auf welche ich um so mehr Gewicht lege, weil sie nicht einen Privat-, sondern einen öffentlichen Charakter trägt. Der Brief ist vom 10. October datirt. In Töplitz war gestern wieder eine Versammlung mehrerer deutschen Vereine. Es wurde beschlossen:

Erstens. Der Centralverein Reichenberg soll ungesäumt eine Adresse an den Reichstag erlassen, daß die Reichstags-Deputirten ihren Sitz keinesfalls verlassen, und dauernd zusammen halten möchten. (Beifall.) Solche Petitionen sollen von allen deutschen Bezirken in Böhmen an den Reichstag verfaßt werden.

Zweitens. Wurde beantragt, dem jetzigen Ministerium ein Vertrauensvotum von allen deutschen Bezirken zu übersenden. (Gelächter.) Meine Herren, es begreift sich, daß auch ein solcher Beschluß gefaßt werden kann, wenn man nicht in vollkommener Kennniß von den hiesigen Zuständen ist, und daß das leicht der Fall sein kann, wissen Diejenigen, die die Prager Zeitung lesen.

Drittens. Wurde beschlossen, wenn Wien unsere deutsche Sache verlassen sollte, wir uns an den Reichsverweser nach Frankfurt wenden werden, so lange bis die Regierung in Wien wieder hergestellt ist. Meine Herren, Sie sehen hier die entschlossene, biedere und treue Gesinnung der Bevölkerung Böhmens, und ich schätze mich glücklich, diese Mittheilungen gemacht zu haben.

Abg. Zimmer. Die Prager Zeitungen strotzen dermalen von Anfeindungen und Verläumdungen, mit denen sie sowohl die Wiener Bevölkerung, als auch den hohen Reichstag angreifen. In Nr. 89 der Prager Zeitung heißt es - "Auf den Gallerien, der rechten Seite des Reichstages gegenüber, erschienen mit Gewehren bewaffnete Personen, und legten dieselben auf die Mitglieder der Rechten an. Abg. Pøibyl, der dieß mit dem Ausdrucke rügte, daß der Reichstag unter solchen Umständen nicht verhandeln könne, wurde vom Abg. Zimmer mit den Worten zurecht gewiesen: Jene Bewaffnete, welche jetzt auf dm Gallerien sind, haben vor Kurzem für die Freiheit gekämpft, sie, die sie uns entrissen haben, müssen sich dieß gefallen lassen."

Ich bin zu sehr von dem Gefühle der Würde dieser hohen Versammlung durchdrungen, als daß ich mich in eine Widerlegung dieser schändlichen Worte und Thatsachen einlasen möchte.

Der Reichstag hat sich die Aufgabe gestellt, den Kaiser mit der Bevölkerung zu versöhnen, der Reichstag hat sich die Aufgabe gestellt, den streitenden Nationen innerhalb dieser Staaten den Frieden zu geben, in diesem Berufe werden wir uns aber durch so schändliche Verläumdungen nicht irre führen lassen.

Präs. In Bezug auf den angeführten Thatumstand muß ich erinnern, daß derselbe jedenfalls ein irrthümlicher sein dürfte, da die Diener des Hauses den bestimmtesten Auftrag haben, der Ordnung des Hauses gemäß, Niemanden bewaffnet einzulassen.

Abg. Zimmer. Da aber diese Angriffe in Böhmen auf den Aeußerungen mehrerer Glieder dieses Hauses beruhen, so würde ich beantragen, das Protokoll, welches am 6. d. M. vom Präsidenten Strobach aufgenommen wurde, zu veröffentlichen, damit man in Böhmen sehe, aus welchen Ursachen jene Unwillensäußerungen hervorgegangen sind.

Präs. Ich glaube, daß dieses Protokoll in seiner Gänze der hohen Versammlung noch nicht bekannt ist, sollte vielleicht gewünscht werden, daß es vorgelesen wird? (Zustimmung.)

Präs. Der Abg. Wagner hat das Wort.

Abg. Wagner. Meine Herren! Nachdem jetzt soeben über Zeitungsartikel etwas vorgebracht wurde, so erlaube ich mir auch Sie aufmerksam zu machen, wie man in den Provinzen damit umgeht, den Reichstag zu verdächtigen. Ich weiß nicht, ob der hohen Versammlung schon bekannt ist, wie man glaubt, der Reichstag habe den Mörder des Grafen Latour hier empfangen, und sich teilweise über seine That gefreut. Wenn der Artikel nicht bekannt sein sollte, so werde ich ihn vorlesen, er steht in einem Blatte der neuen Zeitung aus Olmütz:

"Eine Scene aus dem blutigen Drama in Wien.

"Nicht ein Kanonier, wie unsere Correspondenz lautet, sondern ein Arbeiter war es, der den Mord des Kriegsministers Latour ausführte, hören wir, wie er in weißer Jacke und Schürze, eine Brechstange in der Hand, in niederösterreichischer Mundart dem versammelten Reichstage mit der Selbstzufriedenheit des Fanatismus seine schaudervolle That erzählt und sich wundert, daß man nicht das Verdienstliche derselben allgemein anerkennen wolle:

""Wir bifanden uns früher am Wienerberge, und zogen nach dem Bahnhofe beim Belvedere herein. Dem allgemeinen Allarmschlage folgend, rückten wir in die Stadt ein und bauten an der Linie Barikaden. Als wir damit fertig waren, verbreitete sich das Geschrei nach Latour, wir begaben uns in Stadt, ihn zu sachen. Wir durchsuchten das erste Stockwerk, fanden ihn indeß erst im Erdgeschoß. Hier ergriffen wir ihn, und ich durchstieß ihm mit meiner Brechstange die Kehle. War das nicht recht? Die Anderen hieben mit ihren Werkzeugen nach seinem Kopfe, ich aber meinte, er sollte lieber hängen. Wir knüpften ihn daher im Hofe an eine Schnur auf, aber sie rieß. Da gingen wir mit ihm ins Freie hinaus und hingen ihn an die Laterne. War das nicht recht?""

"Allgemeines Entsetzen ergriff die Zuhörer!"

Solche Artikel, wenn sie in die Provinzen hinaus geschleudert werden, verdächtigen den Reichstag, und ich würde daher den Antrag machen, über diesen Artikel das Nöthige durch die Commission zu verfügen.

Abg. Borrosch. Ich würde es der Würde der hohen Kammer höchst unangemessen finden, ja es würde sogar eine Beleidigung gegen sie verübt, wenn man auf Zeitungsartikel irgend eingehen wollte. Wohl aber sollte eine einfache historische Darstellung des Ganzen in sämmtlichen Provinzen vertheilt werden. Gegen diese Artikel, gegen solche ewige Rekriminationen, zum Theile gegen Einzelne — es ist erst vorgestern auch gegen mich einer erschienen — gebührt nur Verachtung, wenn man in seinem Bewußtsein weiß, was man will und was man that.

Die Reicheversammlung als ein Ganzes muß sich erhaben fühlen über die Möglichkeit einer Verdächtigung, sie selber darf, das moralische Bewußtsein auch nur einen Augenblick verloren zu haben, durch solche Entgegnungen nicht aussprechen, als zweifelte sie an dem vollen Vertrauen der Völker; und das läge darin, wenn man gegen solche Schmähungen zu Felde ziehen wolle.

Sie werden vernichtet, wenn mein Antrag Unterstützung findet, durch eine — wo auch die Protokolle mögen zu Hilfe genommen werden — einfache historische Darstellung vom Anfange bis zum heutigen Tage bezüglich des Wirkens des Reichstages, in einer sehr faßlichen Weise Jene zu belehren, die vielleicht präoccupirt durch solche Artikel an dem Rechtsboden des Reichstages zweifeln.

Präs. Will der Herr Abg. Borrosch schriftlich den Antrag stellen?

Abg. Wagner. Ich erkläre mich mit der Ansicht des Abg. Borrosch vollkommen einverstanden, jedoch bitte ich darüber nicht zu vergessen, daß beim Landvolke derlei Artikel leicht Eingang finden, welches nicht zu unterscheiden weiß, was es als wahr oder unwahr annehmen könne und solle. Daher wäre es sehr gut, wenn das geschieht, was Herr Abg. Borrosch beantragt hat, und was ich auch vollkommen billige, daß auch mein Antrag beherziget würde, daß in einem vielseitig verbreiteten Blatte das Landvolk darüber unterrichtet würde.

Abg. Borrosch. Ich erlaube mir die Gegenbemerkung, daß die Zeitung, welche solche Artikel aufnimmt, die Entgegnung nicht aufnehmen wird.

Abg. Wagner. Sie muß sie.

Abg. Borrosch. Sie muß sie?

Abg. Beinhauer. Ich muß bemerken, daß ich die ganze Geschichte, die der Abg. Wagner vorgetragen, in einem Wiener Blatte gelesen; nicht aber als daß sie beim Reichstage geschehen sei, sondern auf der Universität, im Studentencomité.

Abg. Pokorny. Ich unterstütze vollkommen den Antrag des Abg. Borrosch und wollte nur bemerken, daß in der vorgeschlagenen Proclamation, oder wie sie immer heißen mag, "Erklärung," vorzüglich der Umstand herausgehoben werde, daß die hohe Versammlung immer in jener Anzahl vorhanden war, welche zur Beschlußfähigkeit nothwendig ist, indem unsere eigenen Collegen auf den Umstand hin, oder eigentlich auf die Vermuthung hin, daß wir nicht in zureichender Anzahl gewesen seien, sich berechtiget glauben, die Beschlüsse des Reichstages anzufechten.

Abg. Schuselka. Ich muß mich aus demselben Grunde, den der Abg. Borrosch gegen den Vorschlag seines Vorredners angeführt hat, auch gegen seinen Antrag erklären. Er hat angeführt, daß wir uns erhaben fühlen müssen über solche Verdächtigungen, daß wir gar nicht die Möglichkeit im Entferntesten aussprechen dürfen, als könnten wir uns durch solche Verunglimpfungen wirklich in unserem Ansehen beeinträchtiget glauben, und er hat nicht gewollt, daß wir uns in eine solche Zeitungs-Polemik einlassen. Inzwischen, wenn Alles, was hier geschieht, öffentlich geschieht, wir einen Auszug unserer Protokolle, eine Darstellung unserer bisherigen Wirksamkeit doch aus Veranlassung dieser Verdächtigungen herausgeben, so kommt es auf dasselbe hinaus; wir halten es dann doch für nöthig, uns rein zu machen vor der Welt. Ich glaube, daß wir das nicht thun sollen, weil Gott sei Dank, neben dieser Zeitung, die solche Artikel aufnimmt, doch ein überwiegend großer Theil ehrenhafter Presse besteht, welche unser Wirken richtig anerkennt, und weil wir voraussetzen müssen, daß auch im Publikum der größere Theil ehrenhaft ist, und lieber das Wahre und Ehrenhafte glauben wird, als das Lügenhafte und Gemeine. Wir werden auch mit dieser Darstellung, wenn wir sie auch herausgeben, nicht im Stande sein, alle Lügen zurück zu schlagen, es wird doch gelogen, geschmäht werden, es wird doch einzelne Menschen geben, die lieber diesen Lügen glauben als der Wahrheit, wir werden uns dadurch auch nicht vor diesen Menschen rein machen, denn es wird heißen, das geht vom Reichstage selbst aus. Es würde dann überhaupt so aussehen, als ob der Reichstag sein eigener Geschichtsschreiber sein wollte, und wir sollen das nicht thun. Wir sollen hier Geschichte machen, und das Schreiben der Geschichte denen überlassen, die dazu berufen sind, und es werden sich gewiß würdige Beschreiber finden (Beifall) und unsere Rechtfertigung in diesem Drange des Augenblickes müssen wir auch der Zukunft anvertrauen. Wir müssen nicht so ängstlich sein, wenn jetzt irgend etwas gegen uns, eine Drohung ausgesprochen wird. Wir müssen in unserem Bewußtsein der Zukunft vertrauen, die Geschichte wird uns richten, die Zukunft wird uns richten, und wenn wir recht gehandelt haben, so wird sie uns auch Recht geben. Ich glaube daher, daß wir über alle diese Gegenstände unmittelbar zur Tagesordnung übergehen sollten. (Beifall.)

Abg. Nadler. Ich schließe mich der Meinung des Abg. Schuselka um so mehr an, indem ich glaube, daß eine historische Darstellung der letzten Tage wohl auch zu spät kommen dürfte, indem der gesunde Sinn des Volkes auch in den Provinzen schon jetzt sich zurechtgefunden haben wird. Diese Stimmen der Lüge, diese Verdächtigungen des Reichstages, die wir hier von manchen Seiten, besonders aus Böhmen, gehört haben, die dürften jetzt schon verklungen sein, indem sie von früherem Datum sind, und durch die neuesten Ereignisse schon zu nichte gemacht worden sind. Ich glaube, wir können das der guten Presse und dem gesunden Sinne des Volkes überlassen.

Präs. Es wurde vom Abg. Schuselka der Antrag auf Tagesordnung gestellt, diejenigen Herren, welche damit einverstanden sind, wollen aufstehen. (Majorität.)

Es war gerade der Gegenstand in Verhandlung, betreffend eine vom vormaligen Herrn Präs. Strobach zu Protokoll abgegebene Erklärung; es wurde dieses Protokoll hinterlegt in das Archiv des Vorstands-Bureaus, und eine vidimirte Abschrift davon gemacht. Wenn es die hohe Versammlung wünscht, so wird sie abgelesen werden.

Schriftf. Wiser (liest das am 6. October l848 in Bureau des Vorstandes aufgenommene Protokoll).

"Protokoll, aufgenommen am 6. October 1848, im Bureau des Reichstags-Vorstandes.

"Anwesende: die Gefertigten.

"Es erschienen nachbenannte Reichstags-Abgeordnete: Umlauft, Bilinski, Kudlich, Rigler, Zimmer, Goldmark, Prato, Demel, Hubicki, Janko, Ziemialkowski, Kobylica, Schneider Anton, Hodurek, Mynarczyk, Marin, Meindl, Watzel, Smolka, Popiel, Androvich, und stellten aus Anlaß des gehörten Peletonfeuers am Tabor an den Reichstags-Präsidenten Stroboch das Begehren, die Reichstagsmitglieder zu einer abzuhaltenden außerordentlichen Reichstagssitzung am heutigen Tage einzuberufen, allfällig durch Plakate.

"Präsident Strobach erklärt, daß er zwar nicht verhindert sei, die dem Präsidenten obliegenden Verpflichtungen am heutigen Tage zu erfüllen, daß er aber auf keinen Fall eine außerordentliche Sitzung auf heutigen Tag anordnen werde, weil die Feststellung des Tages zur Sitzung des Reichstages nur im Einvernehmen mit dem Reichstage selbst geschehen darf, und die Einladung der Reichstagsmitglieder zu einer außerordentlichen Sitzung nicht in der Art erfolgen kann, daß sie zur Kenntniß aller Reichstagsglieder gelangen könnte, die unterlassene Einladung einzelner Reichstagsglieder aber zur Anfechtung der gefaßten Beschlüsse führen würde. Uebrigens liegt auch kein Grund vor, aus Anlaß der eben angeregten Umstände eine außerordentliche Sitzung einzuberufen, weil sie wohl die Thätigkeit der Administrativgewalt in Anspruch zu nehmen geeignet sein dürften, aber keineswegs jene des Reichstages als eines constituirenden und legislativen Körpers.

"Ueber diese Erklärung haben die obigen Herren den Präsidenten für alle Folgen der Verweigerung, eine außerordentliche Sitzung einzuberufen, verantwortlich erklärt.

"Vorgelesen und von den Anwesenden gefertiget:

Anton Strobach, Präsident.

Joh. Umlauft Alois Jelen, als Zeuge. Carl Wiser, Schriftführer.

R. Brestel

Joh. Krause Dotzauer Carl Ullepitsch, Schriftführer.

Dr. Betkowski Stradal

Dunin Borkowski Sontag Joh. Eichler

Math. Brandl Latzel Herzig

Dr. Löhner Fischhof Bilinski

Scherzer Skoda, als Zeuge. Hubicki

Rigler Jos. Hodurek Smreker

Joh. Makuch Trojan, als Zeuge. Giovanni a Prato

Joh. Micewski Aegid. Fritsch Hans Kudlich

Joseph Purker Füster Jos. Konopka

Ernst Violand. Jos. Fischer Felix Stobnicki

Ich verwahre mich gegen die Folgen dieser Verweigeung des Präsidenten, Sitzung zu halten.

Marin Böse

Mich. Mayer Kanski

Georg Meyer Jaruntowski

Watzel Skrzynski

Krainski Geyer

Longchamps Meindl

Carl Zimmer Langie

Franz Schuselka Smarzewski

Durbasiewicz Noskowski

Podlewski Richter, als Zeuge.

Peitler

Dr. Hyciek

Franz Redl Radmilli

"Dem Originale von Wort zu Wort gleichlautend.

Wien, am 10. October 1848.

F. Smolka, m. p.

Ullepitsch m. p. Schriftführer."

Präs. Es liegt zwar kein schriftlicher Antrag vor, aber der Herr Abg. Zimmer hat einen Antrag gestellt, damit dieses Protokoll veröffentlicht werde.

Abg. Prato. Ich beantrage, daß zur Veröffentlichung des Protokolles auch beigefügt werde, daß der Herr Präs. Strobach im Verlaufe des Tages, am 6. October nämlich, zu wiederholten Malen von einer Deputation der hier anwesenden Mitglieder aufgefordert wurde, eine außerordentliche Sitzung anzuordnen, dessen er sich aber weigerte, bis endlich um 3 Uhr, wo er das Schießen im Hofkriegsgebäude hörte, sich so zu sagen nothgedrungen sah, die Sitzung um halb fünf Uhr anzuordnen.

Abg. Hyciek. Nachdem zu dieser Zeit jede Stunde so wichtig war, so möchte ich den Antrag machen, daß auch die Stunde in diesem Protokolle bestimmt werde.

Präs. Es ist die Stunde in dem Protokolle nicht angegeben.

Abg. Demel. Die Stunde war beiläufig halb 1 Uhr.

Präs. Ich glaube mich ebenfalls zu erinnern, daß es diese Stunde war. —

Diejenigen Herren, welche dafür sind, daß dieses Protokoll veröffentlicht werde, wollen aufstehen. (Majorität.) Es erübrigt nur noch der Antrag des Abg. Prato.

Abg. Nadler. Zu dem Antrage des Abg. Prato mache ich noch den weiteren Zusatz, daß auch die öfteren Aufforderungen gleichfalls abgedruckt werden. Der Präs. Strobach ist vielfach schriftlich von Seite vieler Mitglieder aufgefordert worden.

Präs. Der Abg. Pillersdorff hat noch das Wort.

Abg. Pillersdorff. Ueber den Antrag des Abg. Prato muß ich bemerken, daß man nicht sagen kann: "die Deputation des hohen Hauses", denn das Haus war nicht regelmäßig versammelt, und es konnten daher höchstens einzelne Mitglieder zum Präsidenten abgesendet werden.

Abg. Wienkowski. Ich glaube, daß Alles, was an jenen Tagen geschehn ist, ans jenem Protokolle ersichtlich wird; es ist das schönste Zeugniß, daß wir die Freiheit recht begriffen haben, daß jeder seine Meinung aussprechen konnte, ohne dafür verantwortlich zu sein. Dieß hat auch Strobach gethan, das wird veröffentlicht, und ich glaube nicht, daß es nothwendig ist, einen weiteren Zusatz zu machen, und ich stelle daher den Antrag, über den Antrag des Abg. Prato zur Tagesordnung überzugehen.

Abg. Prato. Ich habe nur zur Bemerkung des Abg. Pillersdorff zu sagen, daß ich nicht gesagt habe, daß es im Namen des Hauses oder der Versammlung, sondern im Namen der zahlreich hier versammelten Abgeordneten, welche in dem Vorfale oder in dem Lesezimmer sich befanden, geschehen sei. Ich habe mich deutlich ausgedrückt.

Präs. Der Herr Abg. Wienkowski hat den Antrag gestellt, über den Antrag des Abg. Prato zur Tagesordnung überzugehen. Diejenigen Herren, welche damit einverstanden sind, daß man zuz Tagesordnung übergehe, wollen aufstehen. (Es ist die Minorität.)

Abg. Umlauft. Da nunmehr der Antrag auf Tagesordnung nicht angenommen wurde, so würde ich mir nur zur Unterstützung des Antrages des Abg. Nadler die Bemerkung erlauben, daß es dringend nothwendig sein dürfte, eben jene Zuschrift an den Präsidenten mit der Bezeichnung der Namen, die sich der Zuschrift angeschlossen haben, zu veröffentlichen, daß es deßwegen dringend nothwendig wird, um das Factum durch Zeugen zu bekräftigen. Wenn bloß ausgesprochen wird, daß mehrmals Deputationen bei dem Präsidenten waren, um ihn zur Abhaltung einer außerordentlichen Sitzung zu


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