Úterý 17. øíjna 1848

Abendsitzung am 17. October 1848.

Vorsitzender: Präs. Smolka.

Anfang um halb 7 Uhr Abends.

Präs. In der heutigen Vormittagssitzung wurde beschlossen, eine Adresse an Seine Majestät abzusenden; der Berichterstatter des Ausschusses wird diese Adresse vortragen.

Abg. Schuselka. Ich muß leider dem Herrn Präsidenten widersprechen, ich bin nicht in der Lage, die Adresse vorzutragen; es haben sich bei Abfassung derselben mancherlei Bedenklichkeiten und Schwierigkeiten erhoben, so daß wir damit soweit noch nicht fertig sind, sie der Berathung des Hauses vorlegen zu können. Es hat sich aber, eben als wir diese Adresse besprochen und berathen haben, zugleich ein Antrag geltend gemacht; er lautet: daß man nicht nur ein Adresse an den Kaiser, sondern zugleich eine Proclamation an die Völker erlassen solle, und von dieser Proclamation an die Völker unter Einem Seiner Majestät Kenntniß geben, natürlich eine Abschrift von dieser Proclamation für Seine Majestät beilegen. Der Grund, der uns dazu bewogen, und der den permanenten Ausschuß bewogen, über die Abfassung dieser Proclamation an die Völker einstimmig seine Meinung auszusprechen, liegt darin, daß wie wir wissen, in den verschiedenen Gegenden des großen Vaterlandes auch verschiedene Ansichten über unser bisheriges Wirken verbreitet sind. Wir haben hier in dieser hohen Versammlung mehrfache Beweise erhalten, daß zum Theile sehr nachtheilige Urtheile, Verdächtigungen, Entstellungen der schlimmsten Art über die Handlungen verbreitet werden, die vorgenommen worden sind. Wir halten es daher, weil wir unseren Committenten, den Völkern Oesterreichs, dem souverainen Volke Oesterreichs verantwortlich sind, für unsere Pflicht, uns auch wieder in offener, ehrlicher Ansprache dem Volke gegenüber über unser bisheriges Verfahren auszusprechen und zu rechtfertigen. Ich bin beauftragt, an das Haus den Antrag zu bringen, der dahin lautet: mit der Adresse an Seine Majestät mit dem heute früh in der Hauptsache erwähnten Inhalte, eine Proclamation an die Völker zu erlassen, und dem Kaiser eine Abschrift mitzutheilen. Der Inhalt der Proclamation an die Völker, im Wesentlichen wird darin bestehen, daß wir uns hauptsächlich rechtfertigen, warum wir als Reichstag, als constituirender Reichstag der gesammten Monarchie, unsere Zustimmung nicht nur, sondern unsere Initiative gegeben haben, zur Vertheidigung Wiens, zur Versetzung der Stadt Wien in einen kriegerischen Vertheidigungszustand; — worin wir uns zu rechtfertigen hätten, von dem Stadpuncte aus, daß wir in der Stadt Wien den Mittelpunct der Gesammtinteressen der ganzen Monarchie vetreten sehen, daß wir der Ueberzeugung sind, daß der Reichstag nur in dieser, nicht erst seit Kurzem gemachten, sondern historisch gewordenen Hauptstadt dieses großen Reiches möglich sei, daß wir daher uns für verpflichtet halten, nicht etwa zu unserer Sicherheit, nicht bloß im Interesse dieser einzigen Stadt, sondern im Interesse aller Provinzen, also aller Völker Oesterreichs, für alle möglichen Fälle in Vertheidigungszustand zu setzen. Dieses wäre der Eine Hauptinhalt; und ich glaube, und der Ausschuß glaubt es auch, daß es allerdings eine dringende Nothwendigkeit sei, bis in die fernsten Gegenden Oesterreichs hinaus dieses Verfahren in seinem wahren Gehalte und in seiner wahren Absicht darzustellen, weil wir die begründete Besorgniß hegen müssen, daß gerade über diesen Punct und über diesen Hauptgegenstand unserer bisherigen Wirksamkeit sehr leicht irrige Ansichten und vielleicht Besorgnisse ausgebreitet sein mögen, die mit dem Zwecke, den wir hier in ehrlicher patriotischer Absicht verfolgen, in directem Widerspruche sein könnten. Der zweite Punct, der sich aus dem ersten als natürliche Folgerung ergibt, wäre der, daß wir dieses Verfahren, dieses kriegerische Verfahren dadurch rechtfertigen, daß es eine Nothwendigkeit, eine thatsächliche Nothwendigkeit ist, gegenüber der thatsächlich vorhandenen feindlichen Bedrohung der Stadt; und wir müssen in dieser Beziehung eben wieder jenen Gerüchten widersprechen, die da behaupten und in den Provinzen verbreiten, daß Wien nicht bedroht, daß die vor den Thoren Wiens lagernden Truppen keine Feindseligkeiten ausüben, daß also dieser Vertheidigungszustand der Stadt Wien andere Absichten haben müsse. In dieser Beziehung nun ist Ihr Ausschuß der Ansicht, daß in dieser Proclamation an die Völker Oesterreichs eine historische Darstellung alles Dessen enthalten sein müßte, was wir bisher gethan haben, um eine friedliche Ausgleichung herbeizuführen, um einen gewaltthätigen blutigen Conflict hintanzuhalten und zu vermeiden. Es müßte historisch angeführt werden, wie sich die Armee, welche vor den Thoren lagert, gegen Wien und gegen uns sich benommen hat; es müßte angeführt werden die Absperrung der Zufuhr von Lebensmitteln, Entwaffnungen und derlei offenbar feindliche Verfügungen, welche von den Commandanten getroffen worden sind; daß Gewaltthaten an Garden, Studenten und einfachen Bürgern verübt wurden, — ja daß sogar Mitglieder dieser hohen Versammlung, indem sie durch das Lager nach Wien sich begeben wollten, angehalten, und nicht nur angehalten, sondern auf eine der Würde eines Volksvertreters gewaltthätig entgegenlaufende Weise, geradezu mißhandelt und beschimpft worden sind, wie uns die Beweise vorliegen. Es müßte angefühlt werden in dieser Proclamation, daß wir aufrichtig und offen vor der Oeffentlichkeit ein Ultimatum von diesem Reichstage an den commandirenden General erlassen, worin wir nach unserer vollen und aufrichtigen Ueberzeugung das einzige Mittel ausgesprochen haben, welches zur Vermeidung eines blutigen Zusammenstoßes, zur friedlichen Ausgleichung führen könnte, daß wir aber auf dieses letzte Zuschreiben nicht nur keine Antwort erhielten, sondern daß auch durchaus darauf keine Rücksicht genommen und der Zustand geblieben sei, wie er früher gewesen. Wir müssen dann, so glaube ich, in dieser Proclamation an die Völker, im Angesichte der Völker, deren Interessen wir zu vertreten haben, neuerlich gegen diese offenbar feindliche Stellung unseren Protest einlegen, wir müssen aussprechen, daß wir durch diese feindselige Stellung der Truppen der sehr gegründeten Vesorgniß uns hingeben müssen, daß die freie und ungehinderte Verathung dieses Reichstages in Gefahr gebracht werden könnte; daß demnach, weil die Völker Oesterreichs von diesem Hause ihr Heil erwarten, die Feststellung ihrer Zukunft, die Sicherung der Errungenschaften, die der Kaiser auch sanctionirt hat, erwarten, daß durch diese feindselige Stellung der Truppen also auch die Interessen der Völker bedroht sind.

Es ist dann unsere Ansicht, daß wir, als letzte Folgerung und consequente Folgerung aus dieser Darstellung die Völker Oesterreichs aufrufen müssen, uns zu unterstützen, mit uns zu sein und es offen auszusprechen, daß sie in uns ihre Interessen vertreten und auch in uns ihre Interessen gefährdet sehen. (Beifall.)

Dieß ist flüchtig der Inhalt, wie wir ihn gedacht und berathen haben, und es hängt nun vom hohen Hause ab, ob es überhaupt geneigt ist, die Abfassung einer solchen Proclamation an die Völker Oesterreichs zu beschließen; dann ob es damit den permanenten Ausschuß betrauen will, oder eine andere Commission dafür zu ernennen geneigt ist. Ich bitte dieß in Erwägung zu ziehen.

Abg. Violand. Es ist so eben, meine Herren —

Präs. Ich bitte, wir wollen in Beziehung auf den Antrag sprechen, und darüber hat der Abg. Ziemialkowski das Wort verlangt.

Abg. Violand. Es steht, glaube ich, in unmittelbarer Verbindung damit, und ich hätte gewünscht, daß der Berichterstatter es zusammengezogen hätte, indem gerade in diesem Aufruf an das Volk offen, klar und deutlich, und in den bestimmtesten Worten auszusprechen sei, was jetzt noth thut; und daher würde ich wünschen, daß noch vorher diese Petition vorgelesen würde, die im Namen des ersten demokratischen Wiener Frauenvereines, gefertiget von der Baronin Pasqualati, eingelangt ist.

Präs. Hat der Berichterstatter in Bezug auf diesen Gegenstand etwas zu sagen?

Abg. Schuselka. Ich weiß nicht, daß diese Petition in doppelter Abschrift eingelangt ist, ich habe auch eine bekommen. (Heiterkeit.) Ich höre, daß der Abg. Violand denselben demokratischen Verein und dieselbe Präsidentin nennt. Ich muß aber meinestheils sagen, daß ich diese Petition durchaus nicht als ein Motiv der Berathung angesehen wissen will, und bitte die hohe Versammlung, sich über die Verfassung dieser Proklamation auszusprechen und dann werde ich die Ehre haben, diese Zuschrift des demokratischen Frauenvereins vorzutragen, der den Antrag stellt, daß man den Landsturm aufbieten soll.

Abg. Violand. Ich glaube, gerade die Aufbietung des Landsturmes steht in unmittelbarem Zusammenhange mit der Erledigung der Frage, ob eine Proclamation an das Volk erlassen werden soll. Ich bin ein Freund der Entschiedenheit, und wünsche, daß das, was ich denke, offen ausgesprochen werde, gegenüber dem Volke und jedem anderen Menschen. Es ist gar kein Zweifel, wie schon früheer der Berichterstatter geäußert hat, daß Jellaèiè als Feind zu betrachten sei. Er sagt freilich, er sei ein österreichischer General und stehe mit österreichischen Truppen auf unserem Gebiete; aber, meine Herren, ich glaube, es wäre mehr als lächerlich, zu behaupten, daß das k. k. österreichische Truppen seien, die auf unserem Gebiete stehen. Es sind Croaten, und Jellaèiè ist ein Heerführer der croatischen Armee. Als solcher ist er gegen Ungarn gezogen, — denn das Oesterreich, das wir vertreten, hat keinen Krieg mit Ungarn geführt — und da er auch uns gegenüber gezogen ist, so erscheint er nicht als österreichischer General. Er hat auch hinlänglich bewiesen, daß er uns feindlich gegenüber steht, indem er den Nationalgarden, welche seine Truppen noch verpflegten, ihre Waffen, die sie mit Recht trugen, weggenommen hat, und Briefe werden, wie dieß die tägliche Erfahrung beweis't, immer aufgefangen. — Nun, meine Herren, ist das nicht feindselig? Zu dem erscheint der Graf Auersperg nicht feindlich in seiner Stellung? Meine Herren, heute früh habe ich ein Plakat, welches in Prag herauskam, gelesen, wo der Fürst Windischgrätz erklärt, daß er nach Wien ziehen will, und gar nichts von einer Ordre erwähnt, die er erhalten haben müßte. Ich weiß nicht, hat Windischgrätz und Auersperg eine Ordre, oder nicht; haben sie eine solche, so hätten sie dieselbe vorzuweisen, dann werden wir sehen, ob sie legal ist oder nicht; denn nur wenn sie legal ist, können wir sie anerkennen. Wir können aber nicht so lange warten, bis wir von den Herren umzingelt, mit dem Volke gebunden sind; wir müssen so lange handeln, so lange wir die Kraft und die Möglichkeit haben, uns zu helfen. Man bedroht uns und wir müssen uns gegenüberstellen Denjenigen, welche nur unsere Freiheit zu rauben suchen; denn darüber sind wir einig, darüber ist das Volk einig, daß die Ursachen der früheren und gegenwärtigen Bewegungen keine freiheitsfreundlichen waren, welche das Volk wieder in den früheren Zustand zurückführen, und ihm sein Recht nehmen wollen, was auch klar und deutlich aus den Aeußerungen mehrerer Officiere hervorgeht, welche es der Deputation im feindlichen Lager erklärten. Diese Herren wollen großen Theils Beschränkung der Presse, Aufhebung der akademischen Legion ec., und haben mehrere derartige Ideen, welche wir nicht erfüllen können. Wir wären also dann gebunden, wenn wir uns umzingeln lassen. Wir sind daher berechtigt, uns zu rüsten. Der Herr Berichterstatter hat selbst erklärt, daß wir berechtiget sind, Wien in Vertheidigungszustand zu setzen; thun wir das, soviel wir können, bieten wir auch den Landsturm aus, wir sind dazu berechtiget, wir sind gegenüber der von uns anerkannten Revolution vom 6. October dazu ermächtiget, indem es eine Revolution gewesen ist, gegen die der Freiheit feindliche, äußere Politik.

In dieser Beziehung, glaube ich, daß wir in der Proclamation offen und klar, nicht bloß das Volk auffordern sollen, zu protestiren — denn damit könnte es uns so gehen, wie es in der Kammer ergangen ist, es würde der Protest ad acta gelegt —sondern daß wir es auffordern, daß es sich um uns schaare, und alles Mögliche thue, um die Freiheit zu vertheidigen und den Reichstag zu schützen und sein gutes Recht.

Dieser Aufruf an das Landvolk wäre Seiner Majestät auch bekannt zugeben; denn ich bin überzeugt, daß gerade durch ein solches entschiedenes Auftreten wir Blutvergießen in Menge ersparen, und vielleicht unseren Gegnern die Lust werden nehmen können, uns entgegenzutreten. Wenn wir so entschieden auftreten, so möchte ich sehen, wer es wagen würde, sich uns entgegen zu stellen.

Meine Herren! Haben wir nicht das Recht, jene Generäle, welche ohne legalen Befehl sich uns entgegen stellen, zu entsetzen? Haben wir nicht das Recht, den Soldaten zu sagen: Diejenigen, welche sie jetzt befehligen, handeln ungesetzlich? Wird das nicht Zwiespalt unter sie bringen? Sind wir es nicht, die ihnen Gelder zu bewilligen haben? Und haben sie kein Geld, dann können sie gegen uns Nichts vornehmen.

Meine Herren! Das ganze Volk wird mit uns sein. Es müßte die ganze Welt mit Verachtung auf uns herabsehen, wenn wir dem Volke etwas an seinem Rechte vergeben würden. (Stürmischer, anhaltender Beifall.)

Darum, meine Herren, bitte ich Sie, offen und gerade, ehrlich und männlich vorzugehen, (ungeheuerer Beifall, vorzüglich von der Gallerie, der Präsident ruft dieselbe zur Ordnung), daß Jeder das ungescheut sage, was er denkt. Lassen sie die Worte nicht eine leere Phrase sein, daß wir mit dem Volke stehen oder fallen wollen.

Abg. Ziemialkowski. Ich habe um das Wort gebeten, um über den Antrag der permanenten Commission zu sprechen. So eben erhielten die hier anwesenden galizischen Deputirten eine Petition von der Krakauer Landschaft, worin wir aufgefordert werden, an die hohe Kammer den Antrag zu stellen, damit an die Völker eine Proclamation erlassen werde, in der die falschen Gerüchte, welche vorzugsweise in Galizien von der freiheitsfeindlichen Bureaukratie verbreitet worden, widerlegt werden. Ich kann daher nur den Antrag der Commission unterstützen, werde aber noch folgenden Antrag stellen.

Es wird vorzugsweise in Galizien verbreitet, daß der hohe Reichstag reactionäre Gesinnungen habe, daß die Constitution, die der Kaiser bewilligt hat, zurückgenommen, daß er die Robot und Alles, was aufgehoben wurde, wieder einführen wolle. Dieß natürlich hat im ganzen Lande die schrecklichsten Folgen. Ich stelle daher den Antrag:

"daß in dieser Proclamation namentlich auch darauf Rücksicht genommen werde, daß diese falschen Gerüchte widerlegt werden. Es soll gesagt werden: daß der Reichstag weit entfernt, die Errungenschaften, die errungene Freiheit zu schmälern, sie noch erweitern will." (Beifall.)

Abg. Borrosch. Kraft mit Besonnenheit hilft zum Siege. In der Vertheidigung liegt die Stärke, im Oconellismus die Kraft der Kammer. Eine Deputation absenden zu dem Zwecke eines Friedenscongresses der Völker — unter Einem von Seite der Kammer den Bauernaufstand proclamiren — ist meiner Ueberzeuguug gemäß ein Widerspruch, ist meiner Ueberzeuguug gemäß ein Unrecht, begangen an der Volksfreiheit. Der Herr Abgeordnete mir gegenüber hat gesagt: man soll bewahrheiten, ob wir mit dem Volke stehen oder fallen wollen; indem ich so spreche, beweise ich, daß ich zu stehen oder zu fallen bereit bin. (Beifall.) Ich werde mich auf das Entschiedenste dagegen erklären, voreilig diesem Reichstage den constitunonell-legalen Boden zu entziehen. Meine Herren, es kämpft die Volksfreiheit, ihr Ausdruck ist die Revolution; es kämpft auf der anderen Seite das Stationäre, sein Ausdruck ist die Reaction. Diese zwei feindlichen Gewalten stehen sich so lange kämpfend gegenüber, bis die Verfassungsurkunde der Friedensengel für die Völker geworden ist. Die eine Partei will sie — die gesetzliche Ordnung wird verdächtigt der Reaction; die andere Partei will sie — die Volksfreiheit wird verdächtigt der Wühlerei. In das Herz sieht nur Gott, das Aeußere, das sinnlich Wahrnehmbare, ist in beiden Fällen gleich. Die Parteien aber machen sich gegenseitig den Tendenzproceß; das ist das Entsetzliche solcher Zeiten. Die Revolution ist daher in der That auch permanent, bis zur völligen Begründung einer Verfassung und die friedlichen Zwischenzeiten sind nur Waffenstillstände. Dieses klar zu erkennen, glaube ich, ist Pflicht, besonders einer Reichskammer, die inmitten zwischen diesen beiden Gewalten steht, ihrer hohen Mission eingedenk zu bleiben. Ist dieses Haus bestimmt zu fallen, so falle es, es falle seiner würdig. Wir müssen die gesetzlichen Mittel erschöpft haben, bevor wir von dem gesetzlichen Boden aus gesetzliche weitere Mittel ergreifen können, ergreifen dürfen. — Wenn Sie also unter Einem den Bauernaufstand proclamiren, so kann ich das nur als ganz unserer Aufgabe, unserer Pflicht entgegenstehend betrachten. Es ist noch obendrein ein Mittel, auf welches ich meinerseits nicht vertraue. Ich vertraue deßhalb nicht darauf, weil etwas ganz Anderes ein Bauernaufstand, z. B. in Ungarn ist, wo weite Strecken Landes wüst liegen, wo Pusten sind, wo die Feinde selber keine Subsistenzmittel für sich finden, wo der Bauer arm ist, wo er eher bei einem Aufstande zu gewinnen als zu verlieren hat. Ich gebe zu bedenken, daß von allem dem das Gegentheil in einem so bevölkerten, wohlhäbigen Lande stattfindet, wie die Umgebung von Wien, wie das Erzherzogthum Oesterreich ist. — Es wird gesagt, immer mehr werden wir umzingelt. Ganz gewiß, und ich bin der, nach meiner Erfahrung und nach der Aeußerung der Deputirten, der am allerwenigsten eine Begegnung mit dem Militär zu wünschen hat, und in Wahrheit braucht man Maßregeln sofort kräftigst zu unterstützen, welche das Militär fern von Wien halten; es müssen die Mittel aber auch dazu führen, sie müssen geeignet sein; darin zeigt sich die männliche Besonnenheit, daß man Zweck und Mittel weise berechnet. Wenn Sie glauben, unmittelbar aus der Umgebung von Wien, Wien retten zu können, da bedauere ich den Irrthum. Ein weiter Kreis muß um uns gespannt sein, der uns als Schild für die Freiheit dient, dann wird sie gerettet. Ein allzuschnelles Herausfordern wird die Volksfreiheit vielleicht unter einer Militär-Dictatur begraben, während wir, vorgehend wie unsere Pflicht es uns gebietet, alle Hoffnung haben, sie zu retten. Das Militär, indem es sich hier zusammen zieht, läßt auch die Provinzen hinter sich frei. Das Militär, indem es sich hier auf diesem Boden gerade nicht beliebt machen wird, eben dieses Militär schafft uns dann aus dem Innern heraus — denn nicht immer ist es die Freiheitsbegeisterung, die für die Freiheit kämpft — jene Abneigung gegen das Militär, die hier nothwendig ist, wenn Sie bei den Bauern wollen auf einen wirklichen reichhaltigen Erfolg rechnen. Wenn Sie aber ein Mittel ergreifen, wodurch die Kammer als solche, bevor sie noch durch Erschöpfung anderweitiger gesetzlicher Mittel berechtiget ist, vom gesetzlichen Boden aus weiter vorwärts zu schreiten, ihrer Bestimmung untreu wird, so vernichten Sie sie, so haben sie der Volksfreiheit das constitutionellgesetzliche Vermittlungsorgan geraubt. — Ich erkläre mich daher für den Antrag der Commission.

Abg. Sierakowski. Ich habe die Bemerkung zu machen, daß alle Aufrufe, wenn sie nicht verlautbart werden, nutzlos sind. Ich habe in Erfahrung gebracht, daß bei uns in Galizien der letzte von der hohen Kammer an die Völker Oesterreichs erlassene Aufruf von dem dortigen Gouverneur nicht veröffentlicht worden ist. Ich würde daher folgengen Antrag stellen:

"Die hohe Kammer beschließt: daß die Gouverneure oder sonstigen Landesvorsteher, welche die gefaßten Beschlüsse des Reichstages zu verlautbaren unterlassen, als Landesverräther erklärt, und als solche behandelt werden".

Abg. Violand. Der Herr Abgeordnete mir gegenüber ist der Meinung, daß man den Landsturm aus zwei Gründen nicht aufbieten soll. Erstens, sagte er, weil der Landsturm ungesetzlich ist, und zweitens, weil er auch nicht viel nützen würde. Ich muß widersprechen, daß dieses Mittel, den Landsturm aufzubieten, etwas Ungesetzliches sei, denn dieser Landsturm soll nur dazu dienen, um uns in unserem Rechte zu schützen, nicht aber um einen Aufstand in dem Sinne hervorzurufen, wie das Strafgesetzbuch die Definition davon enthält. Dadurch daß der Landsturm aufgeboten wird, wird er noch nicht angreifen, sondern er kommt nur hieher, uns zu schützen, zu kräftigen, damit die Anzahl der Vertheidiger unserer Rechte stärker werde; darin ist nichts Ungesetzliches nach meiner Ansicht zu finden. Zudem haben wir schon einmal den Ausspruch gethan : Wien soll befestiget werden; nun denn, so können wir auch sagen: wir wollen es noch mehr befestigen, und es sollen z. B. nicht bloß zwanzig Tausend, sondern fünfzig Tausend zur Vertheidigung einschreiten. Zudem hat der Herr Abgeordnete mir gegenüber bemerkt, es sei dieses Mittel unzuverlässig, und würde wenig nützen. Das glaube ich ebenfalls nicht; denn ich bin überzeugt, daß in einem Zeitraume von längstens vierzehn Tagen die Wahrheit über die Ereignisse durch die Presse bis in die entferntesten Gegenden Oesterreichs gedrungen sein wird, und daß alle Lügen, welche von Bureaukraten und Flüchtlingen verbreitet wurden, durchaus nichts nützen werden.

Ich wiederhole meinen Antrag: ganz klar und deutlich in der Proclamation das Volk aufzufordern, nach Wien zu eilen, und geradezu das Wort Landsturm zu gebrauchen; denn ich sehe nicht ein, wenn man eine Sache will, warum man ihr nicht auch den wahren Namen geben soll, — und dieß Seiner Majestät bekannt geben, daß wir nicht angreifen, sondern uns nur zur Vertheidigung rüsten wollen, und zur Vertheidigung sind wir berechtiget. Wir dürfen nicht den Moment außer Acht lassen, sonst könnte es zu spät sein. (Beifall).

Abg. Borrosch. Der Herr Abgeordnete hat mich zu widerlegen vermeint, indem er nämlich sagte, ich habe es als ungesetzlich bezeichnet. Ich habe gesagt: bis wir die gesetzlichen Mittel erschöpft haben und von dem gesetzlichen constitutionellen Boden die dann allenfalls in gesetzlicher Form sich darbietenden Mittel weiter ergreifen, daß wir vor der Hand als eine constituirende Reichskammer, die noch in Unterhandlung steht, von der eine Deputation zum Völkercongresse auffordern soll, einen jedenfalls kriegerischen Trompetenstoß nicht dürfen erschallen lassen, — das ist meine feste Ueberzeugung. Ueber Gesetzliches oder Ungesetzliches in Zeiten, wie die unfrigen sind, da glaube ich, wird von Hugo Grotius, oder meinetwegen von Beccaria bis Savigny herunter schwerlich Jemand die Gränzlinie allein zu ziehen vermögen; so auch weil die Revolution vom 6. October erwähnt wurde, gewiß Niemand die Umrisse einer solchen zu zeichnen vermögen wird, in wie weit sie eine theilweise Erhebung, in wie weit sie ein Ereigniß ist. Die Revolution vom 6. October war meiner innigsten Ueberzeugung gemäß eine vollkommen berechtigte. Sie war es deßhalb, weil man nicht bloß den politischen Ansprüchen, sondern auch den nationalen Gefühlen der Wiener Bevölkerung durchaus keine Rechnung getragen hatte, und ich will von dem ganzen unglücklichen Bürgerkrieg in Ungarn, der sich herübergewälzt und uns mit denselben Besorgnissen erfüllen mußte, alles Gesagte hier nicht wiederholen. Ich bin fest überzeugt, wäre nicht in der ganzen Bevölkerung dieser Sinn vorhanden gewesen, so hätten auch nimmermehr diese Ereignisse stattgefunden. Revolutionen heut zu Tage werden naturwüchsig, sie machen sich eben so wenig, wie Wien eine gemachte Hauptstadt ist.

Diese Anerkennung schließt jedoch nicht nur nicht aus, sondern verpflichtet uns auch, alle früheren Errungenschaften und alle aus dieser Revolution resultirenden weiteren Anforderungen, namentlich die, daß nicht ferner Civilisation, Bürgerthum und Freiheit in einen tödtlichen Conflict mit Militärdespotie komme, gewonnen werde. Indem ich aber das will, will ich, noch einmal gesagt, daß mit Weisheit, Mäßigung und Besonnenheit vorgegangen werde.

Der Muth, der zeigt sich nicht nur im stürmischen Losbrechen, er zeigt sich in dem treuen hartnäckigen Festhalten an einer Ueberzeugung, im Verfolgen derselben durch alle geeigneten Mittel, in dem Nichtablassen, in dem Vermeiden eines Verzweiflungsmuthes, in dem ganzen Ansammeln der Kräfte, die wenn der entscheidende Moment kommt, dann auch den Sieg zu erfechten vermögen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Es wurde in den hiesigen Journalen der Reichstag als der Unentschiedenheit schuldig angeklagt, der Reichstag ist mit Würde nicht nur, sondern er ist auch mit Energie vorgegangen, mit jener Energie, die den Erfolg sichert. Hätte damals z. B. der Angriff, als noch Auersperg das Lager innerhalb der Stadt hatte, stattgefunden, hätte er nach Abzug desselben stattgefunden gegen Jellaèiè, sie hätten Tausende geopfert, und wissen Sie, was für Tausende? Tausende unserer edelsten jungen Männer, auf denen die Zukunft, die einzige Hoffnung des Vaterlandes, der Freiheit beruht; sie wären ganz gewiß als eine noch ungeregelte Volkswehr geopfert gewesen, ohne Cavallerie, ohne sonstige nöthige Unterstützung, wenn man einen Kampf im freien Felde führen will, — und der Verlust der Volksfreiheit wäre die nächste Folge gewesen. Ich frage Sie, sind wir heute schwächer oder sind wir stärker als damals? Ich denke unbezweifelt das Letztere. Und lassen Sie noch einige Tage hinziehen über das Land, dann werden die Provinzen Ihnen antworten. Lassen Sie uns aber durch ein voreiliges Herausfordern hier vernichtet werden, dann werden die Provinzen den Phönix nicht mehr aus seiner Asche hervorrufen. (Beifall, Zischen.)

Präs. Verlangt noch Jemand über den Gegenstand zu sprechen?

Abg. Potocki. Ich möchte nur die Frage stellen, ob jetzt die Verhandlung über den Antrag der Commission oder über den Antrag des Abg. Violand stattfindet.

Präs. Ich glaube, nachdem der Berichterstatter erklärt und vorgetragen hat, was beiläufig den Inhalt der Proclamation bilden solle, daß der Antrag des Abg. Violand dahin geht, daß der von demselben angeregte Gegenstand auch einen Theil dieses Inhaltes bilden möge. Ich glaube, die Sachen stehen im Zusammenhange.

Abg. Potocki. Ich möchte erstens die Frage an den Berichterstatter stellen, was er durch den Aufruf an die Provinzen meint. Es war, glaube ich, die Rede von so einem Aufrufe an die Provinzen, dieses möchte ich besser begründet sehen, damit ich klarer in der Sache sähe.

Abg. Schuselka. Wiewohl ich das Recht eines Abgeordneten in Abrede stellen muß, an den Berichterstatter, der schon einmal seinen Antrag begründet hat, die Anforderung zu stellen, bloß des individuellen Bedürfnisses dieses einzelnen Abgeordneten wegen noch einmal die Begründung vorzunehmen, so würde ich doch, falls die hohe Kammer sich nicht ermüdet sehen sollte, diese meine Begründung nochmals wiederholen.

Wenn also die hohe Kammer wünscht, daß ich nochmal kurz die Gründe angebe, so werde ich bereit sein, dem Herrn Potocki zu antworte. (Ruf: Nein!)

Abg. Potocki. Ist so ein Aufruf an die Provinzen eine neue Proclamation, wo wir zur Kenntniß der Provinzen das bringen, was wir bereits gethan haben, wenn wir in so einer Proclamation zeigen wollen, wie sehr und wie eifrig wir für den Frieden gehandelt haben, so bin ich mit dem Antrage der Commission gänzlich einverstanden. Ist aber dieser Aufruf ein Aufruf zu den Waffen, ist aber dieser Aufruf ein Aufruf, damit die Provinzen auch ausstehen, so bin ich gezwungen, meine Herren, hier offen und klar meine Meinung zu sagen, ohne in diesem Augenblicke mich zu bekümmern, wie diese Meinung hier aufgenommen werden wird. Ich


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