Pondìlí 8. ledna 1849

Offizielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Siebenundsechzigste (XV.) Sitzung des österreichischen konstituierenden Reichstages in Kremster am 8. Jänner 1849.

Tages  Ordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 3. Jänner 1848.

II. Berichte über Wahlakte.

III. Zweite Lesung der Grundrechte.

IV. Bericht des Ausschusses zur Prüfung der Reichstagsrechnungen.

Vorsitzender: Präsident Strobach.

Auf der Ministerbank: Stadion, Bach Cordon, Krauß, Bruck, Thinnfeld. 

Anfang: 10 Uhr.

Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Deputierten ist bereits anwesend, ich erkläre daher die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Hr. Schriftf. Wiser, das Protokoll über die letzte Sitzung zu verlesen.

(Schriftf. Wiser verliest das Protokoll der Sitzung vom 4. Jänner.)

Präs. Wünscht Niemand eine Einwendung gegen das eben vorgelesene Protokoll zu erheben? Da sich Niemand dazu melden, wird das Protokoll für richtig aufgenommen angesehen. Es sind zwei neue Mitglieder angekommen, und zwar: der Abg. Meisels für Krakan, dann der Abg. Cerne für Görz. Ersterer würde der 3., letzterer der I. Abteilung zugelost. Die beiden Herren können schon heute an der Verhandlung Teil nehmen. Es liegen weiter einige Urlaubsgesuche vor. Davon habe ich Abg. Mußil einen Urlaub auf 3 Tage, dem Abg. Niczyporuk auf 8 Tage, dein Abg. Polaczek gleichfalls einen Urlaub auf 8 Tage, so wie auch dem Abg. Szaszkiewicz einen Urlaub auf 8 Tage bewilligt. Ich ersuche den Hrn. Schriftf. Ullepitsch, jene Urlaube mitzuteilen, deren Bewilligung der hohen Kammer zusteht. 

Abg. Hein. Ich frage den Herrn Präsidenten, ob das Mitglied für Schlesien, Motyka, mit oder ohne Urlaub abwesend ist?

Präs. Ich habe am heutigen Tage den Hrn. Schriftf. Ullepitsch ersucht, eben einen Vortrag über jene Herren zu erstatten, welche länger abwesend sind, als ihr Urlaub gedauert hat.

Schriftf. Ullepitsch. In Beantwortung der Anfrage des Hrn. Abg. Hein muß ich bemerken, daß ich eben ein Urlaubsgesuch des Abg. Motyka vortragen wollte.

Präs. Ich ersuche daher, zum Vortrage schreiten zu wollen.

Schriftf. U l l e p i t s c h. Der Vorlesung der Urlaubsgesuche schicke ich die Bemerkung voraus, daß am heutigen Tage sich die Anzahl der Abgeordneten auf 358 belauft, wovon jedoch 3 als krank angemeldet, 17 beurlaubt, und 6 noch nicht nach Kremsier eingetroffen sind, so daß sich der mal der Stand der in Kremsier anwesenden Herren Abgeordneten auf 332 belauft. Die neuerlich vorliegenden Urlaubsgesuche aber sind folgende: Vorerst bittet der Hr. Abg. Joseph Motyka um einen 12tägigen Urlaub vom 20. Dezember v. I. angefangen, und zwar ohne Einrechnung der zur Reife nach Kremsier erforderlichen Zeit, aus Ursache, weil in der Nähe seines Wohnortes Mosty bei Jablonkau die gegen die Magyaren in der Slowakei operierende mobile Kolonne des Oberstleutnants Frischeisen, so wie das Korps der Freiwilligen unter Urban, Blody und Zach lagere, und daselbst als einem geeigneten strategischen Punkte demnächst eine Schlacht zu erwarten sei, daher er zur Wahrung seines Hab und Gutes Anstalten treffen müsse.

Präs. Wünscht Jemand hierüber das Wort zu ergreifen? Jene Herren, welche für die Bewilligung des angesuchten Urlaubes sind, wollen es durch Aufstehen kund geben. (Geschieht.) Es ist die Majorität, der Urlaub ist bewilligt.

Schriftf. U l l e p i t s c h. Weiteres bittet der Herr Abg. Ignaz Skrzynski in sehr dringenden Familien und Vermögensangelegenheiten um einen 4wöchentichen Urlaub vom 2. Jänner angefangen.

Präs. Wünscht Jemand das Wort zu ergreifen? (Niemand.) Ich bitte also fortzufahren, ich werde über alle Urlaubsgesuche abstimmen lassen. (Ruf: Nein, Nein! Abgesondert abstimmen.) Diejenigen Herren, welche für die Bewilligung des Urlaubes sind, wollen es durch Aufstehen kund geben. (Es erhebt sich Niemand.) Der Urlaub ist also nicht bewilligt.

Schriftf. U l l e p i t s c h. Der Hr. Abg. Johann Stasiowski ersucht zur Ordnung seiner häuslichen und Familienangelegenheiten um einen 8tägigen Urlaub vom 5. Jänner angefangen, und zwar ohne Einrechnung der zur Herreise erforderlichen Zeit.

Präs. Wünscht Jemand das Wort? (Niemand.) Diejenigen Herren, welche für die Bewilligung des Urlaubes sich aussprechen, wollen durch Ausstehen es kund geben. (Es erhebt sich Niemand.) Der Urlaub ist nicht bewilligt.

Schriftf U l l e p i t sch. Ferner liegt hier eine Eingabe des Abg. Engelhofer vor, in welcher er durch ein ärztliches Zeugniß des Hrn. Doctor Skoda darthut, daß er krank ist, und daher, falls für ihn eine Urlaubsbewilligung nothwendig wäre, um einen 5wöchentlichen Urlaub ansucht. Über dieses, mit einem Krankheitszeugnisse gehörig belegte Urlaubsgesuch erlaube ich mir nun zu bemerken, daß bis jetzt in solchen Fällen die Krankheit Anzeige lediglich zur Wissenschaft genommen wurde, und ich beantrage daher in consequenter Behandlung gleichartiger Fälle, daß auch vorliegenden Falles eine besondere Urlaubsbewilligung nicht nothwendig sei, sondern die Anzeige lediglich zur Wissenschaft zu nehmen komme.

Präs. Wenn Niemand eine Einwendung macht, so dürste es bei dem Antrage des Hrn Schriftf. Ullepitsch bleiben Schriftf. Ullepitsch. Ich habe auch noch eine Eingabe des Herrn Abg. Uchatzy der hohen Kammer mitzutheilen, wonach der Abg. für die Stadt Reichen berg in Böhmen, Carl Herzig, bei einer in seinen ausgedehnten Fabrikgebäuden zu Grünwald ausgebrochenen Feuersbrunst, in Folge seines Eifers zu retten, von herabstürzenden brennenden Balken erschlagen worden ist. (Allgemeine Theilnahme.)

Präs. Ich glaube, daß sich alle in dem Gefühle, welches eben der Herr Anzeiger in seinem Berichte ausspricht, vereinigen werden, daß unserer Kammer ein bedeutender Verlust zugekommen ist. Herzig war ein, ebenso durch seine Kenntnisse als durch seine Ehrenhastigkeit ausgezeichneter Charakter, bei uns in Böhmen eine wahre Notlabilität. Wir beklagen seinen Verlust herzlich (Die ganze Versammlung erhebt sich.)

Abg. Gleispach. Ich erlaube mir hiezu den Antrag zu stellen, das hohe Haus möge das Andenken an den Verblichenen durch ein feierliches Todtenamt ehren. (Die ganze Versammlung erhebt sich neuerdings.)

Präs. Der Antrag wird jedenfalls für angenommen angesehen, und es wird vom Vorstandsbureau in dieser Beziehung das Nöthige eingeleitet werden.

Schriftf. Ullepitsch. Endlich liegt noch eine Eingabe des Abg. Faschank vor, sie lautet: Hochgeehrtester Herr Präsident!

In Erwägung, daß ich keine Theilung irgend einer Gewalt in zwei Theile kenne, weil dieß ein Widerspruch, da zwei gleiche Gewalten einander aufheben, und somit zu Null werden.

In fernerer Erwägung, daß auf einem gegebenen Terrain, welches im vorliegenden Fall der neugeborne österreichische Staat sein soll, nicht mehrere Architekten oder Constitutoren zu gleicher Zeit nach verschiedenen Plänen, ein Gebäude aufführen können, wenn ein in sich Ganzes, das ist, ein schöner zweckmäßiger und dauerhafter Pallast errichtet werden soll, abgesehen davon, daß das alte Haus im vorliegenden Falle noch bestehet, und erst abgetragen werden müßte.

In weiterer Erwägung, daß das hohe Ministerium in seiner Erklärung vom 4. Jänner 1849, im Eingange von einer constituirenden Versammlung spricht, und den von Ihrem Ausschusse entworfenen Plan principiell verwirft, und nach meiner Überzeugung verwerfen muß, wenn das wahre Wohl des Volkes befördert werden soll, so sehe ich mich in meinem Gewissen verpflichtet, meinen Sitz in der hohen Kammer aufzugeben.

Da ich in Entscheidung dieser Frage weder Sieger, noch Besiegter sein will, muß ich im Namen meiner Committenten auch wünschen, weder den Thron, noch die Nation besiegt zu sehen, sondern die Nation durch den Thron und seine getreuesten Rathgeber aus der Nation anerkannt und regiert zu wissen.

Ich bitte daher Euer Hochwohlgeboren, diese meine Überzeugung und meinen Entschluß, zur Wahrung der geschichtlichen Ehre dieses Hauses, der hohen Versammlung im geeigneten Wege mitzutheilen, und den hohen Reichstag aufmerksam machen zu wollen, daß ich in Consequenz dieser Gesinnungen, im Monate Juli 1848 die Berechtigung aller Arten von Herrschaften leugnete, und im Monate August bei der allgemeinen Anerkennung des Ausspruches, daß wir früher ein falsches oder ausgeartetes Recht hatten, ich noch weiter hinzufügte, daß wir auch ein derlei ausgeartetes Geld, eine solche Doctrin und in Folge dessen ein krankes Leben haben.

Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung habe ich die Ehre zu verharren Euer Hochwohlgeboren ergebenster Diener Johann Faschank, Abgeordneter für den Wahlbezirk Neutatschein.

Kremsier, den 7. Jänner 1849.

Präs. Sowohl aus Anlaß der Anzeige über den Tod des Abg. Herzig, als auch ans Anlaß dieser Resignation wird das Ministerium angegangen werden, die Wahlen in den betreffenden Bezirken auszuschreiben. Ich ersuche, diejenigen Herren namhaft machen zu wollen, welche in den Abtheilungen als Redactoren der stenographischen Protokolle gewählt wurden.

Schriftf. Streit. In der letzten Sitzung wurde bekannt gegeben, daß die erste Abtheilung den Abg. Mokry, und die zweite Abtheilung den Abg Duschek wählte. Die Anzeige der dritten und vierten Abtheilung ist dem Vorstandsbureau nicht gemacht worden.

Abg. Brestel. Die dritte Abtheilung hat den Abg. Lhota gewählt.

Abg. Rosypal. In der vierten Abtheilung bin ich gewählt worden.

Schriftf. Streit. Die fünfte Abtheilung wählte den Herrn Abg. Tyl, die sechste den Herrn Kánski, die siebente den Abg. Schuster, von der achten ist noch keine Anzeige gekommen. (Ruf: Hat noch nicht gewählt.) Die neunte den Abg. Winaricky

P r ä s. Ich ersuche die in den Abtheilungen gewählten Herrn Abgeordneten, heute um 5 Uhr sich im stenographischen Bureau versammeln zu wollen, um den Dienst in der Art unter sich zu theilen, daß 3 Herren jede Woche den Dienst übernehmen  Es ist eine Mitteilung des ConstitutionsAusschusses an das hohe Haus zu machen.

Schriftf. Streit. Der Constitutionsausschuß hat den Abg. Feifalik als Vorsitzenden, und Palacky als dessen Stellvertreter, Goldmark und Lasser als Schriftführer, neuerdings in ihren Functionen bestätigt. Weiteres ersucht der Constitutionsausschuß, weil durch die so lange Abwesenheit des Abg. Cavalcabó das Gouvernement für Steiermark, nicht vollständig vertreten ist, daß die Herren Abgeordneten dieses Gouvernements zusammentreten, und die Wahl eines Substituten vornehmen mögen.

Präs. Ich ersuche die Herren Abgeordneten aus dem Gouvernement Steiermark etwa morgen 9 Uhr vor der Sitzung im Lesezimmer zusammenkommen zu wollen, um die Wahl vorzunehmen. Es ist mir ein, mit 178 Unterschriften versehener Dringlichkeitsantrag überreicht worden. Ich habe mich diesem Antrage im Interesse der Aufrechthaltung der freien Debatte angeschlossen (großer Beifall), und kann daher bei der Verhandlung über diesen Gegenstand nach den Bestimmungen unseres Reglements das Präsidium nicht führen. Ich ersuche daher den ersten Herrn Vicepräsidenten, den Abg. Doblhoff, bei diesen Verhandlungen statt meiner den Präsidentenstuhl einzunehmen. (Präsident Strobach verläßt, Vicepräsident Doblhoff besteigt den Präsidentenstuhl.)

Vicepräs. Doblhoff. So viel ich vernommen habe, liegt ein dringlicher Antrag vor, derselbe ist von dem Herrn Pinkas und noch 177 Herren Abgeordneten unterzeichnet, er lautet: "Die hohe Reichsversammlung erklärt, sie erkenne mit Bedauern in der durch das Ministerium am 4 Jänner 1849, vor Beginn der Debatte über den ersten Paragraph des Entwurfes der Grundrechte abgegebenen Erklärung, in Folge deren die Darlegung selbst der lokalsten Gesinnung bei Abstimmung über diesen Paragraph nicht mehr als freier unbehinderter Entschluß, sondern nur mehr als der Ausdruck einer aufgedrungenen Meinung erscheinen muß, eine sowohl nach dem Inhalte. als auch nach Fassung und Motivirung dieser Erklärung, der Würde freier Volksvertreter unangemessene, und mit der dem constituirenden Reichstage durch die kaiserlichen Manifeste vom 16 Mai und 6. Juni 1848 eingeräumten Stellung unvereinbare Beirrung der freien Meinungsäußerung."

Ich ersuche den Herrn Abg. Pinkas, diesen Antrag zu begründen.

Abg Pinkas. Meine Herren, mit Beklommenheit betrete ich diese Tribune, einen Ort, der bisher der freieste in der österreichischen Monarchie gewesen ist. (Bravo.) Mit Beklommenheit, meine Herren, denn Alle diejenigen, die vor mir die Ehre gehabt haben, hier zu sprechen, haben das vor mir vorausgehabt, daß sie mit dem Bewußtsein gesprochen haben, Freiheit des Gedankens, Freiheit der Äußerung für sich zu haben. Meine Herren, wir fühlen dieses heitere Loos nicht mehr, seit dieser unglücklichen Ministerialerklärung vom 4. Jänner liegt nach meiner, und meiner politischen Freunde Ansicht, die Freiheit des Gedankens, die Freiheit der Mittheilung, ja selbst die Freiheit des Beschlusses dieses constituirenden Reichstages eingesargt vor mir, und mir, meine Herren, wurde die traurige. Mission zu Theil, dieser Freiheit die Grabrede zu halten.

Meine Herren! Ich muß im voraus der möglichen Einwendung begegnen, als wäre es in unserem Plane, in unserer Absicht, dagegen uns auszusprechen, daß das Ministerium das Wort vor dem Beginnen der Debatte über die Grundrechte ergriffen hat. Nein, meine Herren, ich erkenne das Recht des Ministeriums an, wenn es immer es für nothwendig hält, das Wort zu nehmen, um die Ansicht des Cabinets der Kammer bekannt zu machen; wäre dieses Recht selbst nicht in der Geschäftsordnung festgestellt, ich würde es als eine Nothwendigkeit an sich anerkennen, und anerkannt haben. Nicht, daß das Ministerium gesprochen hat. meine Herren, aber wie es gesprochen hat, ist der Gegenstand meines Antrages und meiner Beschwerde. (Beifall.) Meine Herren, die Art, in welcher diese Ministerialerklärung abgefaßt worden ist, das  ich möchte sagen, das Allumfassende dieser Erklärung, welche nicht den ersten §, sondern welche die ganze Zeit, die wir vielleicht noch hier im Saale zuzuringen hätten, in sich faßte und bedingt, und die Art und Weise der Debatte regelt,  die halte ich eines constituirenden Reichstages entschieden unwürdig (großer Beifall); denn das ist keine einfache Erklärung, daß das Ministerium diese Frage als Cabinets frage betrachtet - gegen eine solche Erklärung kann kein Parlamentsglied je Etwas einzuwenden finden das, scheint mir, ist ein Manifest, ein Drohbrief, das ist ein Hofdekret vor dem März. (Großer Beifall.) Meine Herren, dieses kleine Heft, es enthält das neue österreichische Staatsrecht, es enthält die Gewährungen vom 16. Mai, vom 6. Juni, es enthält sogar die ofizielle Ministerialantwort vom 7. September, es enthält, es verbrieft von Neuem die Zusage, meine Herren, daß wir ein konstituierender, also ein unauflösbarer Reichstag sind. (Beifall.) Es enthält die Versicherung, die in Aussicht gestellte Vereinbarung über die von uns zu beschließende Verfassungsurkunde sei die auf freier Selbstbestimmung beruhende Annahme der von den Volksvertretern als gesetzlicher Ausdruck der Mehrheit der Völker festzustellenden Verfassung. Meine Herren! Ich muß offen gestehen, meine Kenntnisse in der diplomatischen Hermeneutik und meine Geschicklichkeit in dieser Kunst reicht nicht so weit, um die ministerielle Erklärung mit diesem neuen österreichischen Staatsrechte in Einklang setzen zu können. (Bravo.) Dieses Staatsrecht, ich erkenne es an, es ruht auf der Basis, auf der unverrückten Basis der erblich konstitutionellen Monarchie (Bravo), und ich frage, meine Herren, hat dieses hohe Haus jemals diese Basis nicht anerkannt? Wir haben sie anerkannt, dringend anerkannt im August, dringend anerkannt im September, wir haben sie neuerdings anerkannt, und zwar mit Freudigkeit im Dezember; wir haben sie schließlich und zwar mit bedeutender Hingebung anerkannt im Januar. Warum zweifelt man denn noch an unserer Loyalität? Warum verdächtiget man uns in dieser ministeriellen Erklärung vor den gemeinsamen Völkern Österreichs? (Beifall.) Über Theorien debattieren, heißt noch nicht die Krone antasten. Über Theorien muß man debattieren, wenn man zur Praxis kommen will. Meine Herren, daß der KonstitutionsAusschuß diesen jetzt so sehr incriminierten und angeroffenen Satz aufgestellt hat, das finde ich ganz natürlich, ich finde es notwendig, denn wäre der KonstitutionsAusschuß nicht so gedrängt gewesen von den Ereignissen in Wien, so hätte er vielleicht sich in der Lage befunden, die ganze Verfassungsurkunde vorzulegen. Ich gebe zu, meine Herren, dann vielleicht wäre es nicht notwendig gewesen, theoretische Sätze in diese Urkunde aufzunehmen; nachdem aber der Ausschuß sich genötigt gefunden hat, nur ein Kapitel dieser Konstitution vorzulegen, so war es nötig, irgend ein theoretisches System vorausgehen zu lassen, aus welchem sich die praktischen Sätze selbst entwickeln. 

Das war nicht Veranlassung genug, das Ministerium zu bestimmen, uns mit einer solchen Erklärung entgegen zu treten. Über Theorien zu debattieren, muß einer Kammer unverwehrt bleiben. Ich will über diese Theorien, welche man uns jetzt schon im Voraus gewissermaßen zum Verbrechen macht, als ob schon ein Beschluß gefaßt wäre, der die Krone verletzt, über diese Theorien will ich meine Ansicht nicht aussprechen; ich könnte nachweisen, meine Herren, daß diese Theorie, die sich im 1. §. ausspricht, sich selbst mit einem Patrimonial Staate vereinen lassen könnte, welche Theorie ich zwar nicht anerkenne. Ich weiß nicht, meine Herren, ob die Ministerialerklärung es mir noch gestattet, irgend eine Ansicht zu haben, (Heiterkeit) denn es steht ja ausdrücklich ausgesprochen: auch eine stillschweigende Anerkennung ist eine Antastung der Krone. (Großer Applaus.) Aber dennoch muß ich Gefahr laufen, ich muß meine Ansicht über diesen Paragraph aussprechen, um den Antrag, den ich im Verein mit meinen politischen Freunden und sonstigen Parteien dieses Hauses im Interesse der Ehre dieses Hauses gestellt habe, zu begründen. Meine Herren, es gibt gewisse Wahrheiten, ich möchte sie Wahrheiten der politischen Offenbarung nennen; es sind Wahrheiten der politischen Theorie, Wahrheiten der Vernunft. Diese Wahrheiten, meine Herren, sind wahr, weil sie sind. Man braucht sie nicht gedrückt vor sich zu sehen, sie brauchen nicht sanktioniert zu sein, sie sind doch wahr. (Beifall.) Meine Herren, eine solche Wahrheit enthüllt dieser so sehr angefeindete 1. § (Beifall.)

Ich frage Sie, meine Herren, war dieser Paragraph gedrückt, war dieser Paragraph proklamiert, war dieser Paragraph sanktioniert im März? er war es nicht. Was sind wir denn, meine Herren? Wir find ja die Verkörperung dieses Paragraphes, und eben deßhalb, meine Herren, so sonderbar es klingen mag, ist mir dieser Paragraph durchaus gleichgültig; denn soll dieser Paragraph aufhören, Theorie zu sein, soll er leben, soll er Praxis werden, dann, meine Herren, widersteht ihm nichts, aber nur dann kann er es werden, wenn er die ruhige Überzeugung des gesamten Volkes durchdringt. Meine Herren, diesem gesamten Volke gehört auch die Dynastie an, denn die Dynastie wird von der Liebe des Volkes getragen. (Allgemeiner Beifall.) Wenn aber dieser Paragraph nicht des Volkes Überzeugung durchdringt, wenn er nur den Wahn des Volkes bedingt, dann, meine Herren, verwerfe ich diesen Paragraph, denn, wohin der Volkswahn führt, wir haben es schaudernd selbst erlebt, meine Herren  er führt von Wien nach Kremster, (anhaltendes Lachen) und von Kremsier möglicher Weise in alle Welt. (Bravo, Bravo.) Darum, meine Herren, ist es mir, wie ich schon gesagt habe, ganz gleichgültig, ob dieser Paragraph aufgenommen wird oder nicht,  das ist meine Ansicht von dem Paragraph gewesen vor der Ministerialerklärung, ich muß es entschieden aussprechen, man könnte sonst glauben, ich spreche in Folge der Ministerialerklärung. Das war meine Ansicht und die Ansicht meiner politischen Freunde. Das war, ich bin es überzeugt, die Ansicht der Mehrheit dieses Hauses. Warum also diese Ministerialerklärung? Warum hat man das Haus verhindert, frei und ohne allen Einfluß, aus eigenem Entschlusse diese Ansicht zum Beschlusse zu erheben? Daß man das gethan hat, ist der Gegenstand meines Antrages. Darum erkenne ich darin eine Behinderung der freien Debatte, man hat es uns förmlich unmöglich gemacht, aus eigenem Entschluß loyal zu sein. (Großer Beifall.) Meine Herren! Wenn wir jetzt diesen Entschluß fassen, hat er irgend einen Werth? Nein, er hat keinen Werth, nicht dem Volke gegenüber, nicht der Krone gegenüber (sehr gut), und darum stelle ich meinen Antrag, darum stellten ihn meine politischen Freunde, und die übrigen Parteien dieses Hauses mit, denn diese Ministerialerklärung macht im Volke keinen guten Eindruck, denn sie discreditirt den Reichstag, sie schützt nicht die Krone, sie verleiht ihr keinen höheren Glanz, denn, meine Herren, ich glaube, in heutigen Tagen ist Loyalität der Völker aus Überzeugung, Loyalität der Völker aus freiem Entschluß eine weit festere Stütze der Throne, als Unterwürfigkeit auf Befehl. (Beifall.)

Diese Gründe, meine Herren, haben mich bestimmt, den Ihnen bereits vorgelesenen Antrag vorzulegen. Meine Herren! Dieser Antrag ist kein Mißtrauensvotum, es ist ein Antrag zur Rettung der Ehre dieser Kammer; man hat es uns nicht möglich gemacht, der Welt kund zu thun, welche Gesinnungen wir wirklich hätten, man hat es uns nicht möglich gemacht, dem Volke voran zu gehen, man hat es uns nicht möglich gemacht, durch unsern Beschluß die Schmähungen niederzuschlagen, welche seit einiger Zeit die seile Presse gegen diesen Reichstag schleudert (Bravo)  und ich muß mit Bedauern es sagen, mit Straflosigkeit schleudert. (Bravo.) Gegen die Ehre dieses Reichstags ist die ministerielle Erklärung gerichtet gewesen, für die Ehre des Reichstags kämpft unser Antrag.  Die Folgen die Eventualitäten dieses Antrages, wir haben sie wohl erwogen, aber wir scheuen nicht vor ihnen zurück. Wenn man nicht frei, nicht aus eigener Überzeugung debattiren kann, so debattire man lieber gar nicht. (Bravo.) Ich frage Sie, meine Herren, wenn sich dieser Modus zum Parlamentsgebrauche ausbildete, wenn vor jedem Paragraphe der künftigen Constitution uns die Heimsuchung einer solchen ministeriellen Erklärung bevorsteht, so frage ich Sie, meine Herren, sind wir dann im constituirenden Reichstag gewesen? Nein, meine Herren, wir sind im Reichstag gewesen, der sich im Dictendoschreiben sorgfältig geübt hat, und das, meine Herren, ist uns in dem neuen österreichischen Staatsrechte nicht garantirt, es ist uns mehr garantirt. Darum, meine Herren, erinnern Sie sich an jenen Monat August, wo es gegolten hat, die Fesseln aller derjenigen zu brechen, die bis dahin noch in der schmählichen Unterthänigkeit geseufzt haben. Meine Herren, damals  noch heute steht das herrliche Bild vor mir  damals erhob sich die ganze Kammer wie Ein Mann, um die Freiheit aller Derer zu proklamiren; heute, meine Herren, handelt es sich um die Ehre dieser Freigewordenen. Ich hoffe, auch heute wird die Kammer wie Ein Mann sich erheben, denn es gilt ihre Ehre. (Bravo.) Ich kenne die Folgen, meine Herren, ich schrecke vor ihnen nicht zurück. Für die Ehre, meine Herren, setze ich mein Leben ein. (Beifall.) Mag jetzt die Existenz dieser Kammer verloren sein, ist doch ihre Ehre gerettet! (Stürmischer anhaltender Beifall.)

Vicepräs. Doblhoff. Ich glaube, meine Herren, es handelt sich vor Allem um die Dringlichkeitsfrage; ich frage daher, wird der Antrag unterstützt? (Er wird von der großen Majorität der Kammer unterstützt.  Großer Applaus.) Die Frage über die Dringlichkeit ist bereits entschieden; wünscht Jemand darüber das Wort?

Abg. Löhner. Ich beantrage den Schluß der Debatte. (Großes Geräusch.)

Abg. Gredler. Wie, meine Herren, verstehen Sie so die Freiheit der Rede, daß man Sie nur allein hören soll? Nein, meine Herren, Sie müssen diese Freiheit auch den Gegnern Ihrer Ansichten zugestehen, und beiden das Wort erlauben.

Vicepräs. Doblhoff. Abg. Gleispach hat das Wort über die Formfrage.

Abg. Gleispach. Ich bin der Meinung, daß die Forderung des Schlusses der Debatte, bevor noch ein Wort über die Sache gesprochen, bevor also noch die Debatte begonnen. (Ruf: Zieht ihn zurück.) 

Abg. Hein. (Ruf: Auf die Tribune. Besteigt dieselbe.) Meine Herren, so sehr ich in allem principiellen mit dem Herrn Redner vor mir einverstanden bin, so sehr ich einverstanden bin mit dem Principe des §. 1, denn ich habe mich als Redner dafür einschreiben lassen, so wenig kann ich mich mit dem Herrn Redner vor mir einverstanden erklären, daß durch den eben eingebrachten Antrag die Ehre der Kammer gerettet werde. Meine Herren, in diesem Antrage sehe ich ein indirectes Zeugniß für uns selber, daß wir im Stande sind, uns von irgend einer Ministerialerklärung influenzirren zu lassen, in unserer Meinung, in unserer Abstimmung. (Oh! oh!) Dieses Zeugniß, meine Herren, weise ich entschieden zurück, und ich hätte es viel würdiger für die Kammer gefunden, wenn ohne Rücksicht auf die Ministerialerklärung, ohne auch nur davon Notiz zu nehmen, die Debatte sich frei bewegt hätte, und dann abgestimmt worden wäre, ohne Rücksicht auf die Ministerialerklärung; möge dann der §. 1 angenommen, möge er gefallen sein, es wäre des Hauses würdiger gewesen, als jetzt auszusprechen, es denke nur an die Möglichkeit, durch irgend eine Ministerial  Erklärung influenzzirt zu sein. Meine Herren, ich weise Sie aus die constitutionellsten und freiesten Länder, ich weise Sie auf Frankreich und England zurück; mit welcher Entrüstung würde jeder Staatsmann nur den Gedanken zurückweisen, daß eine ministerielle Erklärung ihn influenzzirt haben könne, und dort, wie hier, spricht jedes Ministerium unumwunden seine Ansicht über die Tagesfragen vom principiellen Standpunkte aus, wenn es eine Frage zur Cabinetsfrage macht. Ich beantrage daher aus diesem einfachen Gründe, weil ich weder mich noch irgend ein Mitglied aus diesem hohen Hause für influenzzirt betrachte durch eine Ministerialerklärung, und nicht zugeben kann, daß man presumire, daß ein Mitglied influenzzirt sein könnte  aus dem Grunde beantrage ich, über diesen Antrag zur Tagesordnung, nämlich zur Debatte des §. 1 zu übergehen. (Oh! oh!)

Vicepräs. D o b l h o ff. Abg. Löhner hat das Wort.

Abg. Löhner. Ich cedirt die Priorität dem Herrn Abg. Fischhof.

Abg. Fischhof. (Von der Tribune.) Meine Herren, Sie werden mir erlauben, eine kurze Revue der politischen Thätigkeit unseres Ministeriums vorauszuschicken, ehe ich mich über den Antrag des Herrn Abg. Pinkas ausspreche. Als nach einem mehrwöchentlichen Ministerialinterregnum das Ministerium Schwarzenberg  Stadion ernannt wurde, fand darin der Wunsch des Volkes, ein volkstümliches Ministerium gebildet zu sehen, seine vollste Befriedigung. Das Volk war vergnügt, so behaupteten es die unabhängigen Blätter, der Lloyd, die Presse, der österreichische Courier. (Heiterkeit.) Diese Freude steigerte sich noch, als das Ministerium erklärte, an die Spitze der liberalen Bewegung treten zu wollen. Einige Zweifler bemerkten wohl, es sei etwas gefährlich, wenn sich Minister an die Spitze der Bewegung stellen, denn lange auf der Spitze zu stehen, erzeugt leicht Schwanken, und schwankende Minister neigen sich selten auf die Seite des Volkes. Aber diese Zweifler, meine Herren, sind Wühler, Demagogen, und verdienen, mit Pulver und Blei begnadigt zu werden. (Bravo.) Ich als ein loyales Mitglied der Linken, welche es bekanntlich mit jedem Ministerium hält, glaubte aber nicht an diese Behauptungen. Um nun als ein Volksvertreter nicht hinter einem Ministerium, das sich an die Spitze der Bewegung stellt, zurück zu bleiben, und mich auf der Höhe der Zeit zu erhalten, studierte ich die Blätter, die sich in Wien mit an die Spitze der Bewegung gestellt, die Geißel, Schild und Schwert, der Zuschauer; und was fand ich in diesen Blättern? Tagtäglich Injurien, tagtäglich die schmählichsten. Verleumdungen gegen einzelne Mitglieder dieser Kammer, die bald der Theilnahme an dem Morde Labours, bald der Bestechlichkeit beschuldigt wurden. Nach und nach steigerte sich die Verleumdung gegen einzelne Mitglieder bis zur Verdächtigung der ganzen Kammer. Auch da behaupteten einige Demagogen, daß die Blätter, welche unter dem Schutze der Behörden erscheinen, nicht ohne Absicht in der Würde der einzelnen Glieder die Würde der ganzen Kammer angriffen. (Bravo.)

Ich aber, meine Herren, ich glaubte nicht daran. Ich wähnte, daß es möglich sei, daß neben dem verantwortlichen Ministerium eine unverantwortliche militärische Gewalt bestehe, wie dieß in gut eingerichteten constitutionellen Staaten gewöhnlich der Fall ist. Bald darauf ward in allen Blättern erklärt, daß ein neues Gemeindegesetz, gewappnet wie Minerva aus dem Haupte Jupiters, aus dem Haupte des Ministeriums entspringen werde  das Liberalste, das je aus dem Bureau eines Ministeriums hervorgegangen. Das Gemeindegesetz, meine Herren, erschien, und sieh da, nichts von Allem dem, was man sich versprach, war darin enthalten. (Ruf: Zur Sache.) Das gehört zur Sache, indem ich, um das Votum zu motiviren, die Reihe ministerieller Handlungen durchgehen muß.

Abg. N e u m a n n. Jeder soll frei sprechen können. Aber wir werden dann auch antworten.

Abg. Fischhof. Nun, meine Herren! Ich suchte, um nicht Reaction dahinter zu sehen, den Grund dieses neuen Gemeindegesetzes, und fand ihn darin, daß ein gutes Gemeindegesetz nur da nothwendig sei, wo man die Völker vor der Willkür schlechter Beamten schützen will. Meine Herren, in Österreich zeigte es sich aber, daß es keine schlechte Beamten gebe; denn als das Ministerium den Erlaß an die Beamten ergehen ließ, es mögen alle diejenigen, die radical oder reactionär sind, austreten, so fand sich kein Einziger, der so schlecht, um radical, oder so schwach, um reactionär zu sein, gewesen wäre. (Heiterkeit.) Bei solchen Beamten ist es nicht nöthig, daß die Gemeinden durch ein liberales Gesetz vor Willkür geschützt werden. Später erschienen zwei provisorische Verordnungen: Das provisorische Recrutirungsgesetz, und die provisorischen Preßverordnungen. Auch hier wollten einige Wühler behaupten, daß man diese Gesetze, ohne die Kammer zu befragen, ohne auch nur dieselbe davon in Kenntniß zu setzen, darum erließ, um die Entbehrlichkeit dieser Kammer zu zeigen. Ich aber bemerkte bald darauf mit Vergnügen, daß dieser Grund nicht stichhältig sein könne, denn das Ministerium trat mit einer Creditsforderung vor die Kammer hin, und zeigte dadurch, daß es dieselbe nicht entbehrlich finde, und lieferte zugleich dein Volke den Beweis, daß seine Vertreter sehr schnell Schulden, und sehr langsam eine Constitution zu machen fähig seien. Ja, meine Herren, um dem Volke neue Lasten aufzulegen, genügte uns ein Tag, dem Volke neue Rechte zu geben, reichten 6 Monate nicht hin. Als wir nun das Volk mit einer Geschäftsordnung und einer neuen Schuldenlast von 100 Millionen beschenkt hatten, kehrten wir, auf unseren Lorbeeren auszuruhen, in den Weihnachten zu unserem heimatlichen Herde zurück. Das Ministerium aber war inzwischen durchaus nicht untätig, und ließ durch


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