Ètvrtek 11. ledna 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Siebzigste (XVIII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 11. Jänner 1849.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom10. Jänner 1849.

II. Zweite Lesung der Grundrechte. 

Vorsitzender: Präsident S t r o b a c h. 

Auf der Ministerbank: Stadion, Bach, Cordon, Thinnfeld.

Anfang: 10  1/2 Uhr.

P r ä s. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet, und ersuche den Herrn Schriftführer Gleispach, das Protokoll der gestrigen Sitzung vorzulesen. (Schriftführer Gleispach liest das Protokoll vor.)

Schriftf. Gleispach. Ich habe vernommen, daß beide Herren Abgeordnete welche ihr Mandat zurückgelegt haben. beabsichtigen bis Ende Jänner hier zu bleiben, welches darum nicht aufgenommen werden konnte, weil der Abg. Winaricky seine dielfälligen Wünsche nicht ausgesprochen hat.

Abg. Winaricky. Ich glaube, es liege im Sinne der Geschäftsordnung, und ich wollte eben deswegen so lange hier bleiben, damit der Wahlbezirk nicht unvertreten bleibe, auch habe ich es nicht wagen wollen, aus Rücksicht meiner Übersetzung um einen Urlaub von 45 Wochen anzusuchen; deßwegen zog ich es vor, lieber mein Mandat zurückzunehmen, unter der Bedingung, daß ich bis zum Eintritte des neu gewählten Abgeordneten meinen Platz hier einnehme.

Schriftf. Gleispach. Dieser Zusatz ist in der schriftlichen Niederlegung des Mandats nicht ausgedrückt, aber die heutige Erklärung des Herrn Abgeordneten wird vermutlich Gegenstand des heutigen Protokolles sein, aber hier konnte ich es nicht aufnehmen; dieses zur Rechtfertigung meiner Textirung.

Präs. Hat noch Jemand eine Einwendung gegen das Protokoll zu erheben?

Minister Bach. (Von der Tribüne.) Meine Herren, ich habe aus Anlaß der Verlesung des Protokolles mir das Wort erbeten, um eine persönliche Bemerkung zu machen. Der Herr Berichterstatter des Constitutions  Ausschusses, der sehr ehrenwerthe Abgeordnete für Eisenbord, hat in seiner gestrigen Erörterung namentlich meiner Person Erwähnung gethan. Ich hielt es nach den Bestimmungen Ihrer Geschäftsordnung für nicht gehstattlich, nach dem Schlusse der Debatte zur Be richtigjung dieser persönlichen Angelegenheit das Wort zu ergreifen, und ich erlaube mir, es heute aus Anlaß des verlesenen Protokolls zu thun. Gegenüber dem großen Werke, an dessen Berathung Sie eben beschäftigt sind, werde ich mich sehr kürz fassen, zumal die Sache eine rein persönliche ist. Der Herr Abgeordnete hat einzelne Stellen aus improvisierten Äußerungen, welche von mir in der hohen Kammer gemacht wurden, herausgehoben, und darauf Ansichten gegründet, welche sich nach meinem Erachten im Wesentlichen dahin zusammenfassen lassen, als wäre die Erklärung des Ministeriums vom 4. Jänner, in welcher ich getreu dem Programme vom 27. November solidarischen Antheil habe, nicht im Einklange mit den politischen Grundsätzen, mit der politischen Haltung, welche ich persönlich unter dem vorigen Ministerium früher in diesem Hause eingenommen habe. Vor allem, meine Herren, glaube ich mich dagegen verwahren zu müssen, daß man den politischen Charakter eines Mannes in öffentlicher Stellung nach einzelnen Äußerungen, und nicht nach der Gesammtheit seiner Handlungen und der Grundsätze, die in ihnen ausgeprägt sind, beurtheile. Dieses, meine Herren, ist der Standpunkt, auf welchem die parlamentarische Sitte aller constitutionellen Länder die öffentliche Stellung eines Staatsmannes aufzufassen pflegt. Ich glaube ihn auch für mich in Anspruch nehmen zu dürfen. Auf diesem Standpunkte stehend, unterlasse ich es, in ein Detail jener aus dem Zusammenhang gerissenen Citrate, aus im Momente gelegentliche Anregung hingeworfenen Improvisationen einzugehen, welche der Herr Abgeordnete für Eisenbord seinen in dieser Beziehung gestern entwickelten An sichten zu Grunde zu legen fand. Ich kann es aber nicht unterlassen, in wenigen Worten die Principien Ihnen wieder in's Gedächtniß zu rufen denen ich, seitdem ich die Ehre habe, öffentlich zu wirken, meine volle Thätigkeit gewidmet, und denen ich mir wohl besaßt bin, nie untreu geworden zu sein. Ich glaube, meine Herren, es nicht erst Ihrem Gedächtnisse wiedergeben zu müssen, das zu einer Zeit, wo die Zukunft Österreichs noch wie ein Embryo von Nebeln der bedrohlichsten Besorgnis umdüstert war, wo wenige Lichtpunkt als Leitsterne der Politik eines Ministeriums zu finden waren, daß zu jener Zeit, meine Herren das Ministerium, dem ich damals die Ehre hatte anzugehören, es war, welches das Panier eines großen, einigen, freien Österreichs aufpstanzte, und in diesem Geiste handelte. Die Stellung, die das Ministerium in der ungarischen Frage einnahm ist ein Beleg dafür. Schon das vorige Ministerium hatte es erkannt, daß das Princip der vollen Gleichberechtigung aller Nationalitäten auch in jenem Lande durchgeführt werden müsse, und daß das Princip der Einheit der Gesamtmonarchie es fei, welches allein die Zukunft Österreichs verbürge. Meine Herren, als die Redefreiheit in diesem Hause nicht so unbeirrt geübt wurde, als es gestern geschah; als die Tendenz der anarchischen Partei außer diesem Haufe offen dahin ging, dieses Haus in einen Konvent zu verwandeln; als, meine Herren, von mancher Seite das entschiedene Bestreben sich kund gab, die vollziehende Gewalt zu lahmen, als die gesetzliche Freiheit, der Kampf für dieselbe als ein Verbrechen galt, da, meine Herren, war es das vorige Ministerium, welches den Muth hatte, entschieden und offen diesen Tendenzen, die zum Untergange nicht bloß Österreichs, die zum Untergange der Gesellschaft führen mußten, mit unbeugsamer Stirne entgegen zu treten. (Beifall und Zischen.) Meine Herren, das Ministerium hat den Kampf gewagt, es war unterlegen, allein es war mit Ehre unterlegen, dessen sind wir uns alle bewußt, die diesem Ministerium angehört haben. (Beifall und Zischen.) Meine Herren, es soll kein Tadel gegen irgend eine Seite des Hauses mit diesen Worten ausgesprochen werden. Und endlich, als die wichtigste Frage, die Frage, welche in's Innerste des österreichischen Staatslebens eingreift, in diesem Hause aufgenommen wurde, als es sich darum handelte, das Princip festzustellen über die Rettung der Krone in dem Verhältnisse zu diesem Haufe, als eine Tagesmeinung, die Sie  ich bin bereit, es unumwunden anzuerkennen  nicht zu der Ihrigen gemacht, als die Tagesmeinung dahin drängte, die Krone in Schatten zu stellen, sie wegzudrängen von dem gesetzlichen, urkundlich verbrieften Rechtsboden, auf welchem allein das Werk der Vereinigung über die Verfassung zwischen ihr und den Vertretern des Volkes zum Heile der Völker Österreichs zu Stande kommen kann,  da war es das Ministerium, welchem ich früher die Ehre hatte, anzugehören, welches seine Ansicht in dieser hochwichtigen Frage fest und offen aussprach, welches den Muth hatte, unpopulär zu sein.

Meine Herren, das waren die leitenden Grundsätze, die das vorige Ministerium in seiner Wirksamkeit vor Augen hatte, sie sind auch die meinigen gewesen. Ich frage Sie nun, meine Herren, sind diese Grundsätze im Widerspruche mit jenen, die das jetzige Ministerium auch als seine Devise bezeichnet, und Ihnen offen dargelegt hat? Ich frage Sie, ob der Vorwurf, daß namentlich ich in meiner Gegenwart meiner politischen Vergangenheit unteren geworden, gegründet sei? Ich überlasse die Entscheidung dieser Frage Ihrem Urtheil, dem Urtheil der Mitwelt! Ich kann aber nicht unterlassen, meine Herren, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß dieselben Grundsätze übergingen in das Programm des heutigen Ministeriums; ich kann ferner nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Männer, die im vorigen Ministerium dienten, sich auch um das gegenwärtige scharrten, noch möge es mir versagt sein, die Anerkennung von Ihnen dafür in Anspruch zu nehmen, daß die Erklärung des 4 Jänner im Principe übereinstimmend ist mit der Erklärung, die im September über dieselbe Frage abgegeben worden ist. Meine Herren, Sie haben die Form der Erklärung vom 4. Jänner mißbilligt; Ihre gestrige Abstimmung, ungeachtet der vorausgegangenen Rede des Herrn Berichterstatters, welche nicht unter dem Eindrucke der Einschüchterung gehalten wurde,  Ihre gestrige Abstimmung, ich wiederhole es, hat mit imposanter Majorität das Princip, welches das Ministerium in seiner Erklärung vom 4. d. M. aussprach, bestätigt. (Sensation.) Meine Herren, ich komme zum Schlusse. Ich glaube von Ihrem gerechten Urtheil die Anerkennung erwarten zu dürfen, daß kein Widerspruch fei zwischen meiner politischen Haltung von heute und der von den Oktobertagen. Ich bin es mir bewußt, meiner Pflicht auf dem Posten, auf den mich das Vertrauen des Monarchen berufen, zu jeder Zeit treu und ehrlich nachgekommen zu sein, und ich bin mir es auch bewußt, mein Mandat als Vertreter des Volkes stets im vollsten Umfange seiner Pflichten durchgeführt zu haben. Ich fand ohne Anmaßung im Selbstgefühl sagen, daß s für mich nicht erst der Erfahrungen bedurfte, welche die unseligen Ereignisse des Oktobers uns Alle machen ließen, um die Überzeugung in dem Innersten meines Wesens unerschütterlich zu machen, aß nur die Achtung vor dem Gesetze, nur die gegenseitige Festhaltung der constitutionellen Grunzen, nur die Mäßigung in den politischen Kämpfen, endlich nur die wohlverstandene Rücksicht auf die uns umgebenden, aus einem organischen Entwickelungsgange entsprungenen Zustände, daß nur die weise Beachtung dieser Elemente bei dem Konstitutionswerke, das Sie beschäftiget, die sichere, die unwandelbare Bürgschaft gewähren für das glückliche und heilsame Vollbringen desselben.

Diese wenigen Bemerkungen, meine Herren, war ich meiner Ehre, meiner politischen Stellung schuldig. (Beifall im Centrum.)

Präs. Hat Jemand gegen die Fassung des Protokolls Etwas einzuwenden?  Da sich Niemand meldete, so ist das Protokoll als richtig aufgenommen anzusehen.

Ich habe der hohen Kammer anzuzeigen, daß der Abg. Sanocky eingetroffen ist, und er somit von seinem Rechte Gebrauch machen kann, sich bei der heutigen Sitzung zu betheiligen. Er ist der vierten Abtheilung zugelost worden. Ferner wurde der Abg. Ambrosch und der Abg. Bohefe als krank entschuldigt. Dem Abg. Bodnar erteilte ich einen Urlaub von acht Tagen. Ich ersuche die achte Abtheilung, anzuzeigen, welcher Herr Abgeordnete zum Redacteur der stenographischen Protokolle in dieser Abtheilung gewählt wurde.

Abg. Wojtech. Der Herr Abg. Schneider wurde gewählt.

Präs. Ferner liegt eine Interpellation vor, welche dem hoben Haufe mitgetheilt werden wird. 

Schriftf. Streit (liest:) 

Interpellation an den hohen Ministerrats. 

Zu Folge §. 7 des a. h. Patentes vom 7. September 1848 sind die Holzungs- und Weiderechte, sowie die Servitutsrechte zwischen den Obrigkeiten und ihren bisherigen Unterthanen entgeltlich aufzuheben, und zu Folge §. 8, lit. c. hat die Entschädigungs-  Commission über die Art und Weise der Aufhebung oder Regulirung dieser Rechte einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Aus diesen Paragraphen nehmen einige ehemalige Herrschaften in verschiedenen Provinzen Anlaß, den bisherigen Berechtigten die Holzausweisung zu verweigern, die Weide und sonstigen Servitutsrechte, als z. B. Laubrechen u. dgl. zu untersagen, und es sind deßwegen schon laute Klagen erhoben worden.

Folgende Gründe dürften den ehemaligen Herrschaften bei ihrer Benehmungsweise vorschweben:

a) Entweder erachten dieselben, daß das besagte Patent diese Servituten schon aufhebe, oder

b) sie erachten, durch Verweigerung dieser Servituten eine Kompensation für den Entgang der bisherigen Urbarialbezüge zu erzielen.

ad a. Schon aus der Textirung dieses Paragraphes ergibt sich die Folgerung, daß diese Rechte nicht sogleich beim Erscheinen dieses a. h. Patentes aufgehoben wurden, sondern daß deren Aufhebung von der fernern Regulirung dieser Verhältnisse bedingt fei, denn es heißt darin wörtlich: "Die Holzungs- und Weiderechte.. c. sind entgeltlich zu entlasten. " Diese letzteren Worte deuten deutlich dahin, daß die Entlastung erst zu geschehen habe. Noch deutlicher spricht sich über die Zukunft dieser Entlastung der §, 8 aus, vermöge dessen die Entschädigungskommission einen Gesetzentwurf über die Art und Weise der Aufhebung oder Regulirung dieser Rechte auszuarbeiten hat, woraus sich folgert, daß die Einstellung dieser Servitutsrechte von der künftigen Regulirung derselben bedingt ist.

ad b. Die Holzungs- und Weide und sonstigen Servitutsrechte waren nicht als ein Entgelt für die von den ehemaligen Unterthanen ihren Grundherrichten zu leistenden Arbeiten, Natural und Geldabgaben zu betrachten; letztere entstanden aus dem Unterthansverbände (ex neu subditelae), und wurden nach dem Unterethanspatente behandelt; erstere hingegen hatten ihren Ursprung in einem privatrechtlichen Titel, und gehörten vor das Forum des Zivilrichters. Wegen der verschiedenartigen Natur und Eigenschaft dieser wechselseitigen Verpflichtungen kann nach §. 1438 und 1439 allgem. bürgerl. Gesetzbuch eine Kompensation nicht geltend gemacht werden.

Die ehemaligen Herrschaften haben aber auch keinen Grund, sich vorläufig selbst Entschädigung zu verschaffen. Denselben wird für den Entgang ihrer Urbarialbezüge eine billige Entschädigung feit dem Zeitpunkte des factischen Aufhörens dieser Prägstationen anisgemittelt. Aus diesem Grunde müßten sie sich wegen derzeitiger Verweigerung dieser Servituten einen verhältnismäßigen Abzug gefallen lassen, oder aber den Berechtigten Ersatz leisten. Dieses Verfahren müßte jedoch zu langwierigen Ausgleichungen führen, welche zu beseitigen, sich die Behörden eben so eifrig bestreben sollten, als es ihnen nicht gleichgültig sein kann, wenn aus irrigen Begriffen Anstände zwischen den Grundherrschaften und ihren ehemaligen Unterthanen oder sonstigen Forstberechtigten entstehen, die öffentliche Ruhe und Ordnung bedroht, und der gegenwärtige Zustand des Landmannes verschlimmert wird.

Dieser Zustand müßte besonders in jenen Gegenden dem Landmanne empfindlich fallen, in denen er vermöge der geographischen Lage bezüglich des Brenn und Bauholzes und der Viehweide einzig und allein an die bisherigen Servitutswälder und Weiden gewiesen ist. Er müßte dem willkürlichen Monopole der waldbesitzenden Herrschaften verfallen, oder notgedrungen werden, wegen dieser Bezüge abermals der Robot oder anderen jährlich wiederkehrenden Leistungen sich zu unterziehen  Verhältnisse, die den Staat nach Verlauf einiger Dezennien in eben jene missliche Lage bringen würden, aus der man sich gegenwärtig mit so vielen Schwierigkeiten hinauszuarbeiten bemühet. Zur Vermeidung dieser Besorgnisse müßte die Entlastung durch Verkeilung der Wälder und Weiden nach dem Bedarf der Gemeinden geschehen. Damit aber die Berechtigten nicht Gefahr laufen, bei einer solchen Vertheilung anstatt Waldparzellen kahle, abgetriebene Strecken zu erhalten, so müßte den Herrschaften schon jetzt deklariert werden, in den mit Servituten belasteten Waldungen keine, den Waldstand zerstörenden Holzschläge zu unternehmen, bis die dielfällige Regulirung zu Stande kommt.

In der Provinz Karin, welche zu vertreten ich die Ehre habe, walten gegenwärtig diese zweifachen Anstände ob, nämlich:

1. Mehrere Herrschaften verweigern den ehemaligen Unterthanen und sonstigen Forstberechtigten die Ausübung der Holzungs-, Weide und sonstigen Servituten.

2. Andere Herrschaften hingegen unternehmen in den Servitutswaldungen ausgedehnte Holzschläge, durch welche der Waldstand zerstört, und die Möglichkeit einer künftigen Vertheilung, die den Bedürfnissen des Landmannes entsprechen würde, gefährdet wird.

Weil jedoch dieses Verfahren gegen den Sinn des a. h. Patentes vom 7. September 1848 verstößt, so wird das hohe Ministerium ersucht um die Erklärung:

Ob dasselbe gesonnen sei, an das Laibwacher Gubernium die Deklaration zu erlassen, daß in den Holzungs- und Weiderechten, sowie in den Servituts Rechten, zwischen den ehemaligen Grundherrschaften und ihren ehemaligen Unterthanen oder anderen Forstberechtigten solange keine Veränderung des vor dem 7. September 1848 bestandenen Verhältnisses einzutreten habe, und keine forstwidrige Devastirung in den Servitutswaldungen von Seite der Herrschaften vorgenommen werden solle, bis die Art und Werfe der Aufhebung oder Regulirung dieser, im §. 7 des a. h. Patentes vom 7. September 1848 angeführten Rechte festgestellt werden wird.

Kremstier, den 10. Jänner 1849.

Michael Ambrosch,

Abgeordneter aus Karin. 

Präs. Diese Interpellation wird dem Ministerium übermittelt werden. Einen weitern Gegenstand der heutigen Tagesordnung bildet die zweite Lesung der Grundrechte. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, die 2. Lesung vorzunehmen.

Abg. Rieger. (Von der Tribune. Liest.) "§. 2. Das Volk ist die Gesammtheit der Staatsbürger. Die Constitution und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die Eigenschaft eines österreichischen Staatsbürgers und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden. "

P r ä s. Zu diesem Paragraphe ist mir vom Abg. Gleispach ein Verbesserungsantrag überreicht worden, er lautet: Der Satz:,, Das Volk ist die Gesammtheit der Staatsbürger'' hätte am Anfange auszubleiben, und dafür wäre am Schlüsse des Paragraphes zu setzen: "Die Gesammtheit der Staatsbürger ist das Volk. " Wird dieser Antrag unterstützt? (Geschieht.) Er hat die Unterstützung erhalten. Ferner hat mir der Abg. Schuselka einen Antrag überreicht, der sowohl für den zweiten als dritten Paragraph gilt.  Ich werde mir dann eine Bemerkung in Betreff dieser Angelegenheit erlauben.  Dieser Antrag lautet dahin, den §. 2 als solchen ganz wegzulassen, und der erste Paragraph beginne dann mit dem ersten Satze des §. 3. Daran schließe sich der nach der Fassung des ersten Entwurfes der Grundrechte modisicirte zweite Satz des §. 2. Als zweiter Absatz des §. I folge das 4. Minoritätsvotum zum jetzigen ersten Absatze des §. 3, der jetzige zweite Absatz des §. 3 bilde den dritten Absatz des neuen §. 1. Im zweiten Satze werde nach dem Worte ,, Ausländer" eingeschaltet,, als solche. " Demnach würde ich mir erlauben, den Paragraph, wie er nach dieser Fassung lautet, langsam zu lesen, für diejenigen Herren, die ihn allenfalls notieren wollen.

(Liest:) Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich. Die Constitution und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die österreichische Staatsbürgerschaft erworben, ausgeübt und verloren wird.

Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Adelsbezeichnungen jeglicher Art werden von dem Staate weder verliehen noch anerkannt.

Die öffentlichen Ämter und Staatsdienste sind für alle dazu befähigten Staatsbürger gleich zughängig Ausländer als solche sind vom Eintritte in Zivildienste und in die Volkswehr ausgeschlossen.

Zu öffentlichen Auszeichnungen oder Belohnungen berechtigt nur das persönliche Verdienst, keine Auszeichnung ist vererblich. "

Ich erlaube mir die Bemerkung, damit die Debatte möglichst vereinfacht werde, die Debatte zuerst über den §. 2, dann über den §. 3 eröffnen lassen, und dann nach dem Antrage des Herrn Abg. Schuselka abstimmen zu lassen, wie die Sätze auf einander zu folgen haben. Ich glaube, es wird das im Interesse der Vereinfachung der Debatte sein.

Als Redner ließen sich nachstehende Herren einschreiben. Gegen den §. 2: Wilder, Machalski, Helcel, Strasser. Für den §. 2: Borrosch, Pitteri, Brettel, Purtscher, Schuselka, Goldmark, Dylewski, Löhner.  Ich ersuche den Abg. Wildner, die Tribune zu besteigen.

Abg. Wildner. Es könnte nach dem Resultate der gestrigen Abstimmung scheinen, als ob der erste Satz des §. 2 ein überflüssiger geworden; dieses ist aber nicht der Fall. Dasjenige, was an dem §. 2 wahr ist, wird für alle Zeiten in den Herzen der Völker geschrieben bleiben. Die Volksrechte, welche wir hier zu vertreten die Ehre haben, werden in der Constitution zur Wahrheit werden. Es muß aber verhütet werden, daß nicht, wie wir in dergleichen Fällen bereits in anderen Staaten erblickt haben,  daß nicht, sage ich, eine kleine Fraction des Volkes es sich herausnehme, an allen dem zu rütteln, was der Thron mit dem gesamten Volke beschlossen hat. Es muß verhütet werden, daß nicht ein Wien für sich, ein Prag für sich, ein Lemberg für sich glaube, es bilde das Volk, und könne daher der Gesammtheit Gesetze vorschreiben; dieses scheint mir aber dadurch verhütet zu werden, wenn unsere Verfassungsurkunde den Satz ausspreche:,, Nur die Gesammtheit als solche sei das Volk, "  in ihr repräsentiere sich jene Gewalt, welche mit dem Throne zusammenwirkend uns die Gesetze geben soll. Ich stimme daher aus diesem Grunde für die Beibehaltung des ersten Absatzes, allein dieser erste Absatz scheint mir unvollständig zu sein. Wir hatten bisher einen Namen Österreichs, allein die Sache, die Sache, sage ich, bestand ungeachtet der pragmatischen Sanction und ungeachtet der Patente, welche im Anfange dieses Jahrhunderts dem Volke bekannt gemacht wurden, durchaus nicht. Der Polizeistaat hatte sich zur Aufgabe gemacht, die einzelnen Stämme dieses großen und schönen Reiches gewaltig zu zerklüften, sie durch ihre nationale Antipathie gegen einander, so zu sagen, zu hetzen, und dadurch auch wechselseitig zu knechten. Der ganze Germanisirungs. Versuch, meine Herren, war an und für sich nichts anderes, als die Befolgung dieser elenden Politik. Er hetzte die Nationalitäten gegen einander, er verhütete zugleich, daß die Cultur nicht in die Kanäle der unteren Schichten der einzelnen Nationalitäten dringen konnte. Ein ähnlicher Versuch, wenn auch vom Throne bestätigt, war der Versuch der Magyarisierung; auch der wurde dazu gebraucht, die einzelnen Nationalitäten gegen einander zu bringen, und die Cultur zu ersticken, in den unteren Stufen aller jener Nationalitäten, welche nicht magyarisch sprachen.

Das sollte seit den Märztagen, meine Herren, anders werden. Die Aurora des Rechtsstaates ging ihrer Natur gemäß in Österreich auf. Vater Ferdinand rief seinen Völkern zu: Ich will Euch nicht mehr Klüften, seid einig untereinander; jede Nationalität hat ein gleiches Recht, bringe gleiche Cultur hinab in ihre untersten Schichten! Er rief den sämmtlichen Stämmen zu: Kommt zusammen, schließt einen Bruderbund mit einander, damit das, was bisher nur ein Name war, zur Wahrheit werde l Und stehe da, die sämmtlichen Stämme des großen Reiches folgten dem Rufe des väterlichen Kaisers. Von den Tiroler Alpen her, wo die wackeren Söhne des Landes tapfer ihre Grenzen gegen den perfiden Sarden vertheidigt hatten, von andern Alpenländern her, der eisernen Steter, dem Kärnthenlande, dem Salzburgerlande, Nieder und Oberösterreich, von dem stets für den Kaiser erglühten Böhmenlande, von Mähren und Schlesien, ja selbst von Galizien, welches durch Verträge nicht an Österreich gekettet war, wie die anderen Länder, kamen die Abgeordneten der Stämme hier zusammen, um sich zu vereinigen zu einem großen Werke. Sie, meine Herren, als Abgeordnete aller dieser Stämme, Sie, meine Herren, wurden von dieser Tribune aus von einer Capacität der Rechten zur Liebe unter einander aufgefordert, zum Bruderbünde, selten in der Geschichte; und kann ich mir die Präsedenzien richtig deuten, meine Herren, so ist Ihnen auch Allen der Wille eigen, diesen schönen Bruderbund zu schließen, und für die Zukunft zu wahren. Es scheint nun zu sein, daß wir jetzt die Sache hätten, um die es sich vor Zeiten handelte; allein es scheint mir, als ob der Name nicht da sein sollte.

Meine Herren! Blicken wir auf die freiesten Staaten dieser Erde, auf die Schweiz, Holland, Nordamerika, auf Frankreich, Sie werden überall finden, daß einzelne Theile dort ihre historischen Erinnerungen für sich haben.

Der mittlere Theil der Schweiz: Schwytz, Uri und Unterwalden haben die Freiheit dieses schönen Landes vor Jahrhunderten gegründet, fest bewahrt bis auf diesen Augenblick. Es fällt ihnen aber nicht ein, daß ihr Bürger nach außen zu den Namen eines Schweizers verleugnen würde. Welche schöne geschichtliche Erinnerungen haben einzelne Theile Frankreichs. Ich erinnere Sie an Elsas, an Lothringen, an die Normandie, die Bretagne, an die Provence. Alle diese Erinnerungen, meine Herren, so wohltätig sie in den einzelnen Theilen fortwirken, alle diese Erinnerungen lassen diese Völker in dem Namen eines Franzofen zusammen stießen. Wie verschieden auch die Staaten von Nordamerika sind, stolz ist ein jeder Nordamerikaner darauf, sich einen solchen zu nennen. Sind wir nun, meine Herren, frage ich Sie, in der gleichen Lage? Das gesammte Ausland nennt uns bereits Österreich er, und wir, wir sollten von dem Schlusse dieses Bruderbundes angefangen, nicht diese Bezeichnung zur gemeinschaftlichen Bezeichnung des neuen Bundes wählen? Eine so ausgezeichnete Capacität der Rechten, wie Palacky ist, hat zuerst aus Böhmen die Stimme ertönen lassen, daß wir ein großes, mächtiges Österreich gründen sollen. Ein anderes Mitglied hat von dieser Tribune aus, wie schon erwähnt, gerathen zur Bruderliebe; der Bund soll geschlossen sein, und der Name dieses Bundes soll fehlen? Unser Centrum, meine Herren, hat in seinem Programme die Gründung eines großen, mächtigen Österreichs an die Spitze seiner Aufgabe gestellt, und Sie, meine Herren von der Linken (Gelächter), woher kommen Sie denn, als aus Ober  Österreich, aus Niederösterreich? (Gelächter.) Wollen Sie sich, meine Herren, des Namens eines Österreichers schämen? (Lachen.) Ich bin daher der Überzeugung, daß wir dem großen Gedanken, welchen wir zu effectuiren im Begriffe stehen, daß wir diesem großen Werke, sage ich, auch einen gemeinschaftlichen Namen geben sollten. Es kann sein, daß der dielfällige Antrag, meine Herren, den ich stelle, nicht Ihre Genehmigung bekömmt, allein so viel ist gewiß, daß ich mir es zur Ehre rechne, den Vorschlag gemacht zu haben, daß wir dem neuen Bruderbunde auch einen Brudernamen geben, und uns alle Österreicher nennen. Der Antrag kann fallen, meine Herren, aber meine dielfällige Ehre wird nicht gefallen sein. (Gelächter.) Ich mache daher den Vorschlag, den § 1 dermalen so zu stylisirt: "Die Constitution und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die Eigenschaft eines Österreichers und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und aufgehoben werden. Nur die Gesammtheit der Österreicher macht das österreichische Volk aus. " 

Präs. Wird dieser Antrag unterstützt? (Wird von vier Abgeordneten unterstützt.  Heiterkeit.) Er ist nicht unterstützt.  Der Abg. Borrosch.

Abg. Borrosch. Ein Mitglied des hohen Ministeriums hat zuvor die Kammer gewissermaßen interpellirt, und ich als Einzelnerfühlen mich folglich verpflichtet, auf die eben dadurch auch an mich ergangene Interpellation zu antworten, um so mehr, da der Herr Minister namentlich einer parlamentarischen Thätigkeit meinerseits erwähnte. (Ruf: "§ 2; zur Sache. ")

Der §. 1 ist gestern laut der Erklärung des Herrn Reichstagspräsidenten vor der Abstimmung als ein nur vertagter, keineswegs bereits verworfener erklärt worden. Dieß hat zur Folge gehabt, merkwürdiger Weise die pro und contra eingeschriebenen Redner ihre Rollen verwechselt haben. Die wohlmeinende Capacität aus dem Centrum (Heiterkeit) vor mir war gegen den Antrag eingeschrieben, hat aber für ihn gesprochen, während ich dafür eingeschrieben bin, und nun dagegen sprechen muß.

Der erste Satz: "das Volk ist die Gesammtheit der Staatsbürger" hätte nach meinem Ermessen gleich in den ersten Paragraph hingehört, indem jetzt dieser Satz eigentlich außer allem logischen Zusammenhange steht. Streng genommen, gehört er jedoch überhaupt nicht den Grundrechten an, welche nur die Gleichberechtigung eines jeden Einzelnen an dem Genusse dessen aussprechen, was die Gesammtheit an Volksfreiheit sich vorbehalten muß. Zu erklären "das Volk ist die Gesammtheit der Staatsbürger, " hätte allerdings noch einen derartigen Sinn, weil dadurch schon von vorn herein festgestellt wird, daß keine Unterschiede in der freiheitlichen Berechtigung Statt finden sollen, das Alles aber ist ausführlich in dem nachfolgenden Paragraphe ohnehin gewahrt. Gerade jedoch aus dem Grunde, aus welchem dieser Absatz von dem Herrn Redner vor mir befürwortet wurde, muß ich ihn bekämpfen, und die Beispiele, die der Herr Redner zur Begründung wählte, sind sehr unglücklich gewesen, denn sie haben zu viel bewiesen, indem sie sämtlich auf Republiken, auf lauter selbständige Staaten sich bezogen, die in dem allgemeinen Verbande eben nur so lange verbleiben, als es ihnen beliebt. 

Der Herr Redner wird gewiß das nicht wollen oder beabsichtigen bezüglich der organischen Vereinigung, die wir anstreben. Ich habe mich oft genug über meine Auffassung der Idee eines österreichischen Gesammtvaterlandes in dieser hohen Kammer ausgesprochen. Da ich nichts mehr hasse, als Wiederholungen oder Weitschweifigkeit, so verweise ich auf meine früher dießfalls gehaltenen Reden. Ich wünsche, daß sich jede unserer Nationalitäten freierstens entwickeln könne, weil ich nur darin die Bürgschaft für die politische Freiheit aller Staatsbürger^Österreichs erkenne. Es möge nur eine Nationalität in ihrer vollsten freien Entwicklung gehemmt werden durch die leidige Herrschsucht einer anderen Nationalität, oder gehemmt werden durch eine Art von gleichmachen wollender Centralistrung: in beiden Fällen geht das höchste Gut, die politische Freiheit verloren, und um diesen Preis mag ich nicht Bruder heißen von anderen mitgeknechteten Brüdern (Bravo); ebenso aber hoffe ich, daß die Bewohner des österreichischen Kaiserstaates den Begriff Nationalität richtig zu würdigen wissen, und nicht in umgekehrtem Sinne aus dem Gelüste nach Beherrschung anderer Nationalitäten oder nach einem Sichtlostrennen, wodurch alle Anderen mitgefährdet würden, der Nationalitätsidee die politische Freiheit zum Opfer bringen wollen. Es ist ja unser Bewußtsein des unabweisbaren Bedürfnisses politischer Freiheit genügend gereift, und wahrlich nicht unmündig sind wir mehr; dieses gegenseitige Vertrauen nun, von einem Volke Österreichs zum andern, läßt mit untrüglicher Gewißheit voraussetzen, daß gerade auf der Bahn der Freiheit der Monarch die loyalsten Vertheidiger finden werde bei allen seinen Völkern, gegen jeden Eingriff von außen her, wie von innen; ich bin es fest überzeugt, daß Sie sich einigen werden zum Bruderbunde, aber ein durch politische Freiheit erzielter Bruderbund muß er sein, muß er bleiben! Das Wort Volk ist nun in dieser Beziehung ein zweideutiger Ausdruck, der als ein vorgreifen wollender missdeutet werden kann. Es heißt wohl z. B.: "Das Volk der nordamerikanischen Union" oder das "Schweizer Volk"  die Einzelnen aber nennen sich, wenn man nicht um ihre Nationalität fragt: "Bürger der nordamerikanischen Freistaaten", der "Helvetischen Eidgenossenschaft" n. s w. Fragt man jedoch um die Abstammung oder irgend etwas, wodurch die Nationalität berührt wird, so lautet die Antwort gewiß als nationale Bezeichnung, also z. B. bei uns: "Ich bin ein Böhme", "ein Tiroler",,, ein Österreicher", worunter man aber nicht einen "Gesamtösterreicher", sondern eben nur einen Bewohner des Erzherzogthums Österreich versteht. Die freisinnigste Verfassung kann die so verschiedenartigen Völker des Kaisertums Österreich nur zu österreichischen"


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP