Pátek 26. ledna 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Neunundsiebzigste (XXVII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremster am 26. Jänner 1849.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 25. Janner 1849.

II. Berichte über Wahlakte und beanstandete Wahlen.

III. Verhandlungen über die Anträge der Abgeordneten Zbyszewski, Placek und Sierakowski

IV. Berichte des Petitions Ausschusses. Vorsitzender: Präsident Smolka.

Auf der Ministerbank: Schwarzenberg

Anfang der Sitzung um 10  1/2 Uhr

Präs. Die zur Eröffnung erforderliche Anzahl ist anwesend, ich erkläre die Sitzung für eröffnet,  der Herr Secretär Wiser wird das Protokoll der gestrigen Sitzung verlesen. (Secretär Wiser liest es.) Ist in Bezug auf die Fassung des Protokolles etwas einzuwenden?

Abg. Sadil. Ich erlaube mir zu bemerken, daß ich meine gestern gestellte Interpellation gänzlich darin vermisse, nämlich bezüglich der Frage: ob die Regierung eine Gewerbeordnung herauszugeben beabsichtige.

Präs. Es wird dieß sogleich berichtiget werden.  Ist noch sonst etwas wider die Fassung einzuwenden?

Schriftf. Wiser. In Beziehung auf die Beantwortung der Interpellation wurde demnach als Zusatz kommen: die Interpellation des Abg. Sadil, betreffend die Gesetzgebung über Gewerbe.

Präs. Nachdem nichts weiter gegen, die Fassung des Protokolle eingewendet wird, erkläre ich dasselbe als richtig aufgenommen Über die Interpellation des Abg. Szaszkiewicz habe ich der hohen Kammer zu eröffnen, daß zu Folge der Vormerkung im Vorstandsbureau, als Vorstand dieser Commission gewählt wurde der Abg. Pliecker und als Schriftführer der Abg. Dylewski. Der Herr Abg. Pliecker als Vorstand hat die Aufklärung gegeben, daß diese Commission bereits Zusammenkünfte gehalten, und auch im vorigen Monate ein von einem Mitgliede dieser Commission erstattetes Gutachten zufolge des §. 44 der Geschäftsordnung dem Ministerium der Justiz zur Begutachtung mitgetheilt hat, der Ausschuß wird, sobald das Gutachten des Ministeriums der Justiz einlangen wird, darüber der hohen Kammer einen Vortrag erstatten. Es hat sich im Vorstandsbureau gemeldet, der neugewählte Herr Abg. Albert Deym für den Wahlbezirk Neubidschow, in Böhmen. Es wurde bis nun zu die Übung beobachtet, daß die Herren Abgeordneten dann zur Berathung in der Kammer zugelassen wurden, wenn entweder die Wählachten bereits eingelangt waren, oder aber der neu gewählte Herr Abgeordnete sich mit einem Certificat der Wahlcommission auswies Der Abg. Deym hat jedoch die Aufklärung gegeben, daß er keine Legitimationsurkunde genommen, weil man ihm gesagt hat, es wären die Wahlacten bereits abgeschickt;  diese Acten sind aber im Vorstandsbureau noch nicht eingetroffen Indessen erscheint in der Prager Zeitung im officiellen Theile eine Bekanntmachung vom böhmischen Landespräsidium, welche lautet: Bei der am 18 laufenden Monats in dem Wahlbezirke Neubidschow vorgenommenen Reichstagsdeputiertenwahl fiel die absolute Mehrheit der Stimmen auf den Herrn Albert Grafen von Deym Prag am 20 Jänner 1849 Vom k. k. böhmischen Landespräsidium.

Wenn sich die hohe Kammer nicht dagegen ausspricht, so würde ich glauben, daß der Herr Abgeordnete an der blutigen Verhandlung bereits Theil nehmen konnte (Ja, Ja.) Ich ersuche den Herrn Abgeordneten, seinen Platz einzunehmen. (Abg. Deym nimmt in Folge dieser Aufforderung seinen Sitz auf der Rechten ein.)  Als nächster Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind die Berichte über Wahlacte und beanstandete Wahlen. Ich fordere die Herren Referenten der Abtheilungen auf, zum Vortrage zu schreiten, und zwar der Referent der ersten Abtheilung. (Sind keine.) Sind in welchen Abtheilungen Wahlacten geprüft worden? (Finden sich keine vor) Hat der Herr Berichterstatter für beanstandete Wahlen etwas vorzutragen? (Es liegen keine Acten vor.)  Übergehend zum nächsten Gegenstand der heutigen Tagesordnung, erscheint die Verhandlung über den Antrag des Herrn Abg. Zbyszewski an der Reihe. Bezüglich des Antrages des Herrn Abg. Zbyszewski haben sich als Redner dagegen eingeschrieben: Die Herrn Abg. Selinger, Neumann Joseph, als Redner dafür der Herr Abg. Borkowski.

Ich ersuche den Herrn Abg. Selinger, zum Vortrag zu schreiten.

Abg. Selinger Meine Herren, mit Staunen und Bewunderung folgen wir seit mehreren Monaten den Schritten und Thaten unserer heldenmütigen Armee. Den Stoß, welcher Österreich in den Frühlingstagen des verflossenen Jahres getroffen. war ein gewaltiger und erschütternder. Er bedrohte die Existenz des uralten Staates. Schaaren von inneren und äußeren Feinden erhoben sich, wilde Leidenschaften stürmten mit dämonischer Gewalt gegen den morschen Bau. Sie stürmten gegen ihn, um ihn zu zertrümmern, und die Stücke nach Willkür zu vertheilen. Da erhob sich unsere tapfere Armee, und rief den hunderttaufenden von heranrückenden Feinden ein donnerndes "Halt" entgegen. Und die Armee trotzte mit unerschütterlicher Festigkeit und Ausdauer tausendfältigen Gefahren und Hemmnissen, und als die gespannte Welt schon das Todesglöcklein über.. Österreich jeden Augenblick zu vernehmen glaubte, ertönte wider Erwarten eine Kunde über die andere von glänzenden Siegen und bewunderungswürdigen Thaten. Österreich, das hart bedrängte Österreich war gerettet.  Und wieder erhob sich innerhalb der Grenzen des weiten Reichs ein verräterischer Feind, der durch Bosheit und Waffengewalt die Gesamtmonarchie in Stücke zerreiben wollte Und abermals erhob sich die Armee, und mit dem lauten Rufe: "Wir wollen ein einiges Österreich, wir leben und sterben für Österreich!,, zog sie in der herbsten, vererblichsten Jahreszeit gegen den Feind. Die tapferen Krieger, aus den verschiedenartigsten Völkerstämmen hervorgegangen, zogen in brüderlicher Einigkeit in den Kampf für ihren Kaiser und das geliebte Vaterland. Einige Wochen  und der meineidige Feind war gedemüthiget; war durch die Tapferkeit unserer Brüder gedemüthiget. Solcher Heldenmuts, solche Hingebung, solche Begeisterung konnte unmöglich ohne Wirkung bleiben Es äußerte sich diese Wirkung auf vielfache Weise, in der Nähe und in der Ferne, innerhalb und außerhalb der Marken unseres Staatsgebietes. Daß die heroische Tugend unserer Armee auch auf uns gewirkt, das haben wir bei einem schönen Vorgange vor einigen Tagen erfahren. Im raschen Laufe der Weltbegebenheiten, im Drange der Zeitereignisse haben wir zufällig vergessen, daß unsere Brüder in Italien sich an der Wahl für den constituirenden Reichstag nicht betheiligt hatten. Sich dessen erinnernd, stellte ein geehrtes Mitglied dieser Versammlung vor einigen Tagen einen Antrag, über den wir gegenwärtig verhandeln sollen. Der Antrag wurde, wie bekannt, fast einhellig unterstützt. Wissen Sie, meine Herren, was uns von unseren Sitzen emporgehoben, als der Herr Präsident die Unterstützungsfrage stellte? Es war ein zweifaches Gefühl: das der Gerechtigkeit, und das der Notwendigkeit einer Sühne. In Bezug auf Gerechtigkeit erkennen wir jedoch, daß das Recht nicht allein für einen Theil der Armee, sondern für die gesamte Armee spreche. Weiter stoßen wir in diesem Falle auf bedeutende Schwierigkeiten bei den Wahlen und auf die Aufgabe, wie das Recht des Staatsbürgers in Einklang gebracht werden könne mit dem constitutionellen Principe, daß die bewaffnete Macht, als solche, bei der Gesetzgebung sich nicht betheiligen darf. In der Erhievartung eines dahin zielenden Entwurfes stimme ich gegen den Antrag des Herrn Abg. Zbyszewski. Meine Herren, außer dem Gefühle der Gerechtigkeit bat bei der Unterstützung des Antrages auch noch das Gefühl der Notwendigkeit einer Sühne gewirkt. Ich sage, einer Sühne, im Rückblicke auf die Geschichte unseres parlamentarischen Lebens. Sie wissen, meine Herren, daß unsere tapfere Armee in unserer Versammlung die verdiente Würdigung nicht gründen. (O! O! Ruf: zur Ordnung.) Wir erkennen das, und wollen eine Sühne. Meine Herren, diese Sühne können wir auf eine sehr edle Art vollbringen. Wir dürfen nur mit derselben Aufopferung und mit derselben Begeisterung in unserem Wirkungskreise thun, was die Armee in dem ihrigen vollbringt. Lassen Sie uns, meine Herren, in der Ausübung unseres ernsten Berufes leidenschaftliche Aufwallungen niederkämpfen, national Verstimmungen niederhalten. Lassen Sie uns, meine Herren, im Interesse unserer vaterländischen großen Sache auf eine solche Weise handeln und wirken, daß einst die unparteiische und unerbittliche Geschichte eines ihrer Blätter mit den Worten zu zieren vermag: I n den Tagen der Wiedergeburt des österreichischen Staates hatten Fürst und Volk, Reichstag und Armee nur einen und denselben Gedanken, nur eines und dasselbe Ziel: Ein großes, freies und mächtiges Österreich!

Präs. Als nächst eingeschriebener Redner hat der Abg. Borkowsi das Wort.

Abg. S c h m i t t. Ich bitte ums Wort. P r ä s. Dafür oder dagegen?

Abg. Schmitt. Dafür.

Abg. Borkowski. Ich werde die Aufmerksamkeit der hohen Kammer nur auf einen kurzen Augenblick in Anspruch nehmen, und zwar um zu zeigen, warum ich für den Antrag des Abgeordneten für Lutowisko sprechen will, wenn ich auch die Gründe, die der verehrte Herr Antragsteller sowohl im Antrage selbst, als auch bei Begründung desselben geltend gemacht hat, nicht stichhältig finde. Die Armee ist ein Theil des Volkes; ist also das Volk vertreten, so ist es auch die Armee. Der Umstand, daß sich sehr viele Wahlfähige in der Armee zur Zeit der Wahl außerhalb der Grenzen des hier vertretenen Länderkomplexes befanden, kann sie unmöglich berechtigen zur Bildung neuer Wahlbezirke untereinander. Sie waren ja ohnehin in ihren betreffenden Wahlbezirken in der Bevölkerung mitgerechnet, und wenn sie sich auch der Entfernung wegen weder als Urwähler, noch als Wähler betheiligen konnten, so konnten sie doch als Deputirte gewählt werden, und zwar um so mehr, als das Vertrauen der Wähler öfters der Offenbarung gleicht, und Beispiele lassen sich aufweisen, daß nicht nur sehr entfernte, sondern sogar den Wahlmännern ganz unbekannte Individuen gewählt wurden. Ungeachtet dieser Einwendungen finde ich es doch wünschenswerth und ersprießlich, daß die Armee, als solche, ihre Vertreter zwischen die Vertreter des Volkes schicke, um gemeinschaftliche Sache zu machen, und auf diese Weise alle bis jetzt absichtlich getrennten Kräfte der Nation im Interesse der Freiheit und der staatsbürgerlichen Pflicht gemäß innigst zusammenzuschmelzen, wozu sie durch die Natur und Vernunft immer angewiesen wurden, worin sie aber durch die Politik immer gehindert waren. (Beifall.) Es soll nicht auffallen, daß ich hier zwischen Volk und Armee einen Unterschied mache; denn dieser Unterschied, wie sehr er auch zu bedauern ist, besteht in der Wirklichkeit als eine traurige Folge eines Systems, über welches wir schon Alle, ich glaube, ohne Ausnahme den Stab gebrochen haben. Die Politik des Absolutismus, welche man bis jetzt vielleicht noch nicht gänzlich hat fahren lassen, ist meiner Ansicht nach nicht nur der Volksfreiheit hinderlich, sondern auch dem Bestehen des Staates gefährlich. Ich gestehe aufrichtig, daß ich besorge, damit diese Politik ja nicht in einer veränderten Gestalt, in einem etwas zeitgemäßeren Gewande sich wiederum Luft mache. Sie bestand darin, daß man alle noch so kleinen Unterschiede in politischen und religiösen Ansichten, im Interesse, und sogar in der Eitelkeit und anderen Schwachheiten der Menschen sorgfältig ausgesucht, gepflogen, bevorwortet und bekräftiget hat, um sie dann als feindliche Elemente entgegen zu stellen, und auf diese Art die Kraft des Volkes, welche in der Einigkeit besteht, zu zersplittern, und durch Druck von oben teilweise zu brechen. Die Devise dieser Politik ist allgemein bekannt: divide et impera. Ich befürchte, meine Herren, und seit der gestrigen Beantwortung einiger Interpellationen befürchte ich es noch mehr, damit man unter dem großmütigen Titel der Gleichberechtigung der Nationalitäten, wie hinter einem Herkulesschilde nicht neuerdings das Grab für die Freiheit bereite. Dieser glänzende Grundsatz in seiner bisherigen Durchführung kömmt mir wie ein blendendes Licht vor, mehr geeignet, zu blenden, als zu erleuchten; seit der Zeit, als dieses viel versprechende, und wie ein Chamäleon vielfarbige Wort im ministeriellen Programme ausgesprochen wurde, sehen wir, wie Hauptstädte nach einander bombardiert (Ruf: zur Sache), die Errungenschaften des Volkes mit Füßen getreten, und sogar ganze Länder in Belagerungszustand versetzt werden; nur die finstere Seite der Gleichberechtigung ist bis jetzt wirklich zur That geworden, sie stellt einen gleichen Druck und eine gliche Knechtschaft für alle in Aussicht. (Bravo.) Geben Sie also Acht, meine Herren, damit man das Heiligthum der Nationalität nicht mit frevelhafter Hand entweihe, und zu eigennützigen Zwecken ausbeute, damit man nicht im Namen der Nationalitäten Kreuzzüge gegen die Freiheit unternehme, so wie man schon im Namen Gottes den ewigen Hunger der sogenannten heiligen Inquisition sättigte. Das Ministerium Doblhoff hat mit einem Erlasse, ich glaube, vom 22. September vorigen Jahres in der Stadt, welche ich vertrete, und in unserem ganzen Lande an den Gymnasien und an der Universität die Landessprache einzuführen anbefohlen.  (Ruf: zur Sache.) Meine Herren, es gehört zu der Sache.

Präs. Wenn das nicht zur Begründung des Antrages gehört, werde ich bitten, davon abzugehen. 

Abg. Borkowski. Im Gegentheile, es gehört zur Begründung des Antrages, und am Schlusse, meine Herren, werden Sie sehen, daß das ganz zur Sache gehört, und die Begründung des Antrages des Abg. Zbyszewski ist.

Präs. Also bitte ich fortzufahren.

Abg. Borkowski. Also, das Ministerium Doblhoff hat die Landessprache in Lemberg einzuführen anbefohlen; das Ministerium Schwarzenberg hat diesen Erlaß aufgehoben unter dem Vorwande, daß die dortige Nationalität sich mehr gegen die polnische als gegen die deutsche Sprache sträubt. Wie kommt es, daß die Vertreter der Stadt Lemberg von diesem Sträuben nichts wissen, wir sind ja die einzigen legalen Organe, bestimmt, en Willen und die Wünsche der Bevölkerung, die wir vertreten, kund zu geben; Alles, was auf anderem Wege zukommt, ist antikonstitutionell, gesetzwidrig, ist alter, verrufener, bureaukratischer Natur. Wie viele neue Unterschiede wird man noch zur Nationaleitelkeit aufblasen, wie viele Nationalitäten wird man noch erfinden, um sie mit trügerischen Hoffnungen zu nähren, zur gegenseitigen Aufreibung und Unterdrückung aller Regungen nach Freiheit wie ein blindes Werkzeug zu gebrauchen, und sie zuletzt eine nach der anderen wie eine ausgepresste Zitronenschale hinwegzuwerfen und zu vergessen. Eine solche politische Gaukelei scheint mir für unsere Zeit unpassend und unpolitisch zu sein. Das positive, das historische Recht, welches man bei der Unterethansfrage zur Verteidigung des Privateigentums so sehr in Anspruch genommen hat, schiebt man auf die Seite, wenn es sich um das historische National  Eigenthum handelt; also der kleine Kommunismus ist ein Verbrechen, aber der große Communismus bekommt ein ganz anderes Gesicht, und heißt bald Tapferkeit, bald politische Klugheit. Nicht genug, daß man aus Verschiedenheiten in der Aussprache einiger Buchstaben, daß man aus dem Unterschiede zwischen der Volkssprache und Schriftsprache, aus dem Unterschiede zwischen den runden und viereckigen Mützen (Ruf: zur Sache!) neue Nationalitäten schmiedet, so hat man auch den Unterschied verschiedener Berufe im Staate benützt, um Nationen zu spalten.

Jetzt werden Sie, meine Herren, sehen, daß dieses Alles, was ich gesprochen habe, zur Sache gehört (Bravo!), denn auf diese Weise hat sich eine beinahe ganz eigentümliche militärische Nationalität entwickelt und ausgebildet. (Bravo!) Sie unterscheidet sich durch Tracht, durch Sitten, durch Gebräuche, durch Begriffe und Tendenzen von der Nationalität, aus welcher sie hervorgegangen ist, folglich hat sie nach dem Grundsatze der Gleichberechtigung gleichen Anspruch, um hier vertreten zu werden. (Bravo! Heiterkeit.) Die Forderung des Kastengeistes das ist das Räthsel des vorigen Regierungssystems, die Ausgabe des hohen Reichstages ist eine entgegengesetzte; so wie der Absolutismus nach Spaltung und Zwietracht, so sollen wir nach Einigung und Verständigung trachten. (Bravo.) Die Kraft des Absolutismus liegt in der Schwäche des Volkes, die Kraft eines constitutionellen Staates kann nur in der Stärke des Volkes sein. (Bravo.) Ich bin überzeugt, daß unsere Armee eben so sehr für politische Freiheit und constitutionelle Institutionen eingenommen ist, wie wir selbst; offen liegt ja vor den Augen der Vorzug eines freien Staatsbürgers über einen servilen Söldling, der jeder Zeit bereit ist, sein Blut und Leben blindlings zu verkaufen; ein solcher Heroismus der Sklaven kann zwischen Gebildeten nimmermehr bestehen. Wenn sich die Armee zu reaktionären Zwecken gebrauchen ließ, war sie dazu immer im Namen der Freiheit, Ordnung und Ruhe aufgefordert. Es ist nicht ihre Schuld, wenn unter ihren Schritten das constitutionelle Leben erstirbt, die zarte Blume der Pressfreiheit erbleicht, die persönliche Sicherheit gefährdet wird, und sogar alle Gesetze aufhören. Das ist nicht ihre Schuld, denn sie verfügt nicht über die Früchte ihrer Siege (Bravo), sie darf nicht urtheilen und unterscheiden zwischen einem Befehl und einem Gesetz, zwischen aufrichtigem, wohlgemeinten Auftritte und zwischen einer schön geblümten, politischen Intrige. 

Nun, so sollen die Vertreter der Armee zu uns kommen, um sich an der Quelle des künftigen Staatslebens, der künftigen Verfassung mit dem Geiste der neuen Ordnung der Dinge vertraut zu machen, um sich zu überzeugen, daß der höchste Ruhm des Soldaten, seine heiligste Pflicht in dem Zusammenhalten mit dem Volke, im Einschreiten für die Rechte und Freiheit des Volkes besteht (Bravo), um sich zu überzeugen, daß wir ihre Tapferkeit und Aufopferung zu würdigen wissen, aber zugleich die Verwendung ihrer Fähigkeit, ihrer Kraft und ihres Blutes oft tief und von ganzem Herzen bedauern. Wir dürfen es auch nicht vergessen, daß, wenn die Vertheidiger des Vaterlandes sich um das Wohl desselben mit uns gemeinschaftlich betheiligen werden, die Armee auch an unseren Verhandlungen ein lebhafteres Interesse nehmen wird, und ich bin dieser Meinung, daß unsere Verhandlungen manchmal von größerer Bedeutung sind, und einen höheren Werth haben, als die Beschlüsse selbst.

Diese Gründe haben mich bewogen, für den Antrag des Abgeordneten für Lutowisko zu stimmen mit dem einzigen Unterschiede, damit die Armee als solche ihre Vertreter an dem constituirenden Reichstage habe. Ich muß noch bemerken, daß in dem zweiten §. des Abg. Zbyszewski, nämlich: "diese Wahl gilt nur für diesesmal, aus Rücksicht auf die außerordentlichen Umstände; es dürfen aus derselben für die Zukunft keine Folgerungen und keinerlei Ansprüche gemacht werden "daß ich diesen §. im Antrage eines Gesetzentwurfes für überflüssig glaube. Der constituirende Reichstag ist ja nur einmal, und für die Zukunft wird er selbst Beschließen, ob die Armee als solche ihre Vertreter im gesetzgebenden Reichstage haben solle oder nicht. (Beifall links und rechts.)

Präs. Es hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Jos. Neumann.

Abg. Neumann Jos. Indem ich das erstemal vor Ihnen erscheinend, das Wort ergreife, verkenne ich die besondern Schwierigkeiten derjenigen Lage, in die ich mich gekracht habe, als ich gegen den vorliegenden Antrag sprechen zu wollen erklärte, nicht. Vorerst ist mir wohl bekannt, daß an dem Tage, wo der Antrag zuerst gestellt wurde, die Reichsversammlung wie Ein Mann sich erhoben, um ihn zu unterstützen. Hier also ist mein erster Versuch, Sie anzusprechen, von dem Bedenken umgeben, als wollte ich gegen eine mit so allgemeiner Zustimmung beurkundete Ansicht auftreten. Auf der ändern Seite gefährdet mich die mögliche Verdächtigung, als wäre ich nicht geneigt. die hohen Verdienste unserer siegreichen, überall mit Ruhm gekrönten Armee anzuerkennen. Allein, meine Herren, weder die eine noch die andere Rücksicht durfte mich bestimmen, zurückzutreten von meiner Aufgabe. Ich stehe hier, nicht in meinem, sondern in dein Rechte derer, die mich gesandt, ich stehe hier in meiner von mir übernommenen Pflicht, ich will sie üben Vorerst erlaube ich mir was für den Antrag heute gesprochen würde, einer nähern Würdigung zu unterziehen.

Begonnen hat der Herr Sprecher vor mir mit Gründen, die geradezu das Gegenteil von dem beweisen, was zu beweisen er sich zur Aufgabe gemacht. Ganz richtig wurde von dem bemerkt, daß unsere Armee nicht unvertreten sei, und weiteres fügte er bei, es handle sich hier darum, die Armee als solche zu vertreten. Zur Unterstützung dieser von dem Antrage abweichenden, weil in eine andere Form gehüllten Ansicht wurden Gründe vorgebracht, deren ich mich bemächtigen muß, nicht bloß um sie zu widerlegen, sondern auch um nachzuweisen, daß sie den Zweck, den sie hatten, zu erfüllen nicht geeignet sind. Man hat in einem Atemzuge die Arme gelobt, und hat sie zugleich als Werkzeug hingestellt für die Untergrabung der Volksfreiheit (Oho) Meine Herren, wer hat Österreich gerettet nach Außen wie nach Innen? Die Armee und niemand Anderer, und wie wurde der Armee gelohnt? Ich hatte nicht die Ehre, diesem Haufe anzugehören, als es sich darum handelte, der Arme die wohlverdiente Anerkennung aufzusprechen. (Beifall aus dem Centrum.) Allein, meine Herren, so viel nur weiß ich, daß sie nicht ausgesprochen worden ist, diese Anerkennung, und ich fand darin eine bedauerliche Verneinung ohne Beispiel in der Geschichte, denn wo auch Völker und ihre Vertreter tagen, immer wird sich eine Verschiedenheit der Ansichten ergeben über diejenigen Schritte, die die Regierung des Landes vollbringt, und über diejenigen Zwecke, die das Kriegshandwerk verfolgt, aber welche Ansichten auch z B in Englands Parlamente bestehen mögen über die Zweckinäßigkeit oder Unzweckmäßigst des Krieges, wenn eine Aimee ihre Pflicht gehen, dann wird sie von allen Parteien ausnahmslos als würdig aber kann des Dankes und des Lobes der Volksvertreter, und alle vereinigen sich wie ein Mann Dort ist der Ort, sich zu vereinbaren, das ist der Moment, der dazu gegeben ist, und ich frage, welche Armee der Jetztzeit, und wann hat die Armee in der Vergangenheit irgend Größeres vollbracht, als die unfertige? (Bravo) Es ist notwendig, daß ich mich darüber so ausspreche, wie ich Änderwarts gethan, es ist nothwendig, daß ich daran erinnere, auf daß ich verstanden werde, es ist notwendig, daß ich daran er innere, daß unter den unzähligen Beschwerden, umgeben von Verrath ohne gleichen, unsere ruhmgefronte Armee von Sieg zu Sieg eilte, um das Vaterland, um seine Ehre zu retten (Beifall), es ist aber auch höchst bedauerlich, kränkend und demütigend, hinzufügen zu müssen, daß es geduldet worden, wie der greise Feldherr, dessen Lebensabend nur dem Vaterlande noch gewidmet ist, verschmäht würde laut und öffentlich, und wie wir es auch nur geduldet (Bei fall) Indem ich diese Vorgange berühre, möge mir Niemand absprechen das Recht, zu behaupten, daß ich in der dankbaren Anerkennung der hohen Verdienste, die sich die Armee um unser Gesamtvaterland erworben hat, weder in diesem Hause, noch auch außer demselben von Niemand übertroffen werden kann Und dennoch bekämpfe ich den Antrag. Es ist, meine Herren, zur Unterstützung des Antrages gesagt worden, Einigung gebe Stärke. Es ist gesagt worden, daß diejenigen Belagerungen, die wir durchzumachen haben, eine die Volksfreiheit gefährdende Erscheinung, daher auf dem beantragtem Wege unmöglich zu machen seien Ja, meine Herren, Sie haben mit Ihrem Beifalle gelohnt die hieran geknüpfte Bemerkung, daß die Einigung Kraft gibt, allein sie gibt Kraft so zum Guten, wie zum Schlechten. Sorgen wir dafür, daß die Einigung nur zu edlem, zu löblichem, zu redlichem Zwecke erfolge, und daß sie überall in allen Theilen des Gesamtvaterlandes sich heranbilde zur Forderung des Staatsbürgertums in seiner vollsten Entwicklung, und allerdings auch zur Förderung der errungenen Volksfreiheit. Der Herr Sprecher vor mir, der der Einigung Erwähnung gethan, er kommt aus einem Lande, wo ich selbe zu meinem großen Bedauern noch vermisse (Große Aufregung Häufiger Ruf: zur Sache Zur Ordnung) 

Präs Ich finde mich veranlaßt, den Herrn Redner zur Ordnung zu rufen.

Abg Neumann Jos Mich fügend dem Auspruche, dessen Gewicht ich schwer empfinde, weil er mich getroffen bei meinem ersten Worte, das ich in diesem Hause genommen, möge man mich der finden, der durch uns geschaffenen Autorität diesmal nie immer zu gehorchen, sollte es auch um den Preis sein, daß meine redliche Überzeugung mich allein nur fortgerissen und nicht irgend ein unakuterer Wille  So wende ich mich denn zu dem Antrage selbst in seiner Formulierung und in seinem Wesen. Der Antrag, meine Herren, wie er hier vorliegt, ist zuerst ein mangelhafter, dann aber ist er ein solcher, der Verderben seit oder ein solches zu säen uns an droht Zuerst ist er ein mangelhafter, denn nur die Armee in Italien wird in demselben aufgenommen, meine Herren, es gibt keine italienische, ich kenne nur eine österreichische Armee, wo auch die ein zelten Armeecorps stehen mögen, sie sind unseres Gesamtvaterlandes Österreich, im Vereine aller Nationalitäten, eine österreichische Armee und dieses zu sein, hat sie zur Rettung unserer Zukunft bewiesen, sie bündelte ohne Rucksicht auf ihre Zusammensetzung überall in gleichem Einklange, und vollbrachte überall gleichmassig ihre Pflicht. Wie nun, so frage ich, um die Mannhaftigkeit des Antrages bemerkbar zu machen, kömmt es, daß der Antrag, der nur für die Armee in Italien gestellt ist, von einer Seite ausgeht, wo früher die Anerkennung der hohen Verdienste der Armee nicht zugestanden worden ist?! (Große Unruhe. Ruf von der Rechten und Linken: zur Ordnung! Allgemeine tumultuarische Bewegung.)

Abg. Fischhof. Ich bitte, die Unterschriften dieses Antrages dem Redner zu zeigen.

Abg. Schuselka. Es sind lauter Officiere der Armee unterschrieben. (Fortwährende Bewegung und wiederholter Ruf: zur Ordnung.)

Präs. Ich finde nicht, daß diese Ausehrung des Herrn Redners derartig sei, daß ich ihn zur Ordnung rufen kann, es war nur auf eine gewisse Seite des Hauses hingewiesen, offenbar aus Irrthum, indem der Herr Redner den Antrag und die Herren Antragsteller nicht genau zu kennen scheint.

Abg. Pinkas. So soll er nicht reden, wenn er den Antrag nicht kennt. (Unter fortwährender Bewegung und Unruhe Ruf von der Linken: Herunter von der Tribune.)

Präs. (Sucht durch wiederholten Gebrauch der Glocke die Ruhe wieder herzustellen.) Ich bitte, den Redner nicht weiter zu stören, und ersuche ihn, fortzufahren.

Abg. Strobach. (Ergreift inmitten der allgemeinen Bewegung das Wort) Ich bitte, Herr Präsident, entweder dem Redner die Redefreiheit zu wahren, oder die Sitzung auf eine halbe Stunde zu unterbrechen. (Ja, ja.)

Präs. Ich bitte, den Redner nicht Leiter zu stören, die Redefreiheit muß gewahrt werden, ansonst ich bemüßigt sein würde, die Sitzung zu unterbrechen. (Zum Redner.) Ich bitte fortzufahren.

Abg. Neumann J o f. Meine Herren, jeder Theil der österreichischen Armee hat seine Aufgabe zu vollbringen verstanden, und es dürfte die große Frage sein, die zu beantworten ich mich nicht getraue: ob jener Theil der österreichischen Armee, der die hereingebrochene Anarchie, die Zerstörung alles bürgerlichen Daseins, die Schändung der heiligeren Interessen und des Familienherdes zu bekämpfen und niederzuhalten hatte, ob jener Theil der Armee nicht mit einer noch schwierigeren, ich behaupte aber, daß er jedenfalls mit einer viel bittereren Aufgabe betraut war, als der den äußeren Feinden gegenüber stehende. Will man also der Armee eine Vertretung gewähren, dann muß der Antrag auf alle Theile der österreichischen Armee ausgedehnt werden.

Ich nenne den Antrag aber auch einen Verderben fänden, und in dieser Beziehung, meine Herren, erlaube ich mir auf den Antrag selbst hinzuweisen. Die Armee in Italien soll bloß in ihrer Eigenschaft als ein Inbegriff von österreichischen Staatsbürgern wählen; die ungarischen, kroatischen und italienischen Truppen aber sollen sich bei der Wahl der Abgeordneten nicht betheiligen dürfen. Wohlan, meine Herren, Sie finden hier ein Scheiden der einzelnen Angehörigen in der italienischen Armee selbst beantragt. Die italienische Armee aber steht vor dem Feinde, sie steht in einem Lande, wo sie umgeben ist von einem besiegten, darum auch erbitterten Seinde, und ich, der ich jedenfalls weniger als die Herren Antragsteller von der Lage einer Armee verstehe, muß es ihnen überlassen, diejenigen Zweifel mir zu heben, welche mich besorgnisvoll durchdringen bei einer solchen Ausscheidung der kroatischen, ungarischen und italienischen Truppen, ohne die Armee im Angesichte des Feindes zu gefährden. Dann aber will dieser Antrag die Armee bloß in ihrer Eigenschaft als Inbegriff von Staatsbürgern zur Wahl von Vertretern berufen. Meine Herren, eine österreichische Armee, wo immer sie steht, hört nie auf, ein Inbegriff von österreichischen Staatsbürgern zu sein. Es ist, indem man in dieser Eigenschaft etwas anderes sehen will, als was man Armee betitelt, eine Begriffsverwechslung Unterlaufen, die nicht täuschen darf. Es käme nach diesem Wortlaute, wie nach den vor mir gemachten Bemerkungen dahin, die Armee als solche wählen zu lassen. Dieß wurde klar und bestimmt hier ausgesprochen. Nun aber, meine Herren, wurde nirgends, wo das constitutionelle Leben, wo die Freiheit der Völker berathen und gebildet worden, daran gezweifelt, daß bewaffnete Körper in politische Erörterungen sich nicht einlassen dürfen, daß sie als solche nicht zur Berathung berufen sind. Ja, meine Herren, Sie selbst haben im Entwurfe der Grundrechte. §11 die Bestimmung aufgenommen, welche für mich und meine Meinung das Wort führen möge. Es heißt in dem Entwürfe: "Keine Abtheilung der Volkswehr" (und dazu wird doch wohl auch die ruhmgekrönte italienische Armee zu zählen sein)  "Keine Abtheilung der Volkswehr darf als solche über politische Fragen berathen und einen Beschluß fassen. " (Bravo.) Meine Herren, sehen Sie Ihrer Aufgabe kurz und klar ins Gesicht. Dieses hohen Hauses Beruf darf nicht sein, einen Antrag hinzuwerfen, und dort, wo die Schwierigkeit der Ausführung beginnt, sich zurückzuziehen. Dieses hohen Hauses folgerichtiger Beruf und seiner allein würdig ist, seine Aufgabe entweder ganz durchzuführen oder eine bloß theilweise Vollbringung derselben zu unterlassen, was geschehen muß, wenn es sich nicht getraut, sie ganz bis zu Ende zu vollbringen.

Der Antrag sagt: Das Ministerium soll auf eine mit den Armeeeinrichtungen bestens sich vertragende Weise die Wahlen und die Adaptierung des provisorischen Wahlgesetzes vom 9. Mai v. I. zu Stande bringen; dieß aber heißt nichts sonst, als jenen Bedenken ausweichen wollen, derentwegen ich den Antrag einen Verderben bringenden genannt habe. Meine Herren, wir haben die Wahlen dort, wo bereits Wahlen zum constituirenden österreichischen Reichstage vorgekommen sind. in zureichender Menge kennen gelernt. Was ich davon gesehen habe, ist nicht geeignet, mich zu beruhigen


Související odkazy



Pøihlásit/registrovat se do ISP