Pondìlí 29. ledna 1849

Officielle stenographische Berichte über die Verhandlungen des österr. Reichstages.

Achtzigste (XXVIII.) Sitzung des österreichischen constituirenden Reichstages in Kremsteir am 29. Jänner 1849.

Tagesordnung.

I. Ablesung des Sitzungsprotokolles vom 26. Jänner 1849.

II. Zweite Lesung der Grundrechte. 

Vorsitzender: Präsident S m o l k a. 

Die Ministerplätze leer.

Anfang: 3/4 11 Uhr.

Präs. Die zur Eröffnung der Sitzung erforderliche Anzahl der Herren Abgeordneten ist anwesend. Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Herr Schriftführer Zwickle wird das Protokoll der letzten Sitzung vorlesen.

Schriftführer Zwickle (liest das Protokoll der Sitzung vom 26. Jänner vor.)

Präs. Wünscht Jemand bezüglich der Fassung dieses Protokolle das Wort zu ergreifen? Nachdem gegen die Fassung dieses Protokolles nichts eingewendet wird, so erkläre ich es als richtig aufgenommen.  Der Herr Abg. Schneider hat sich als unpäßlich angemeldet. Ich habe einige Urlaube bewilligt, u. z. den Herrn Abg. Bauer auf drei Tage, dem Herrn Abg. Ganzwohl auf vier Tage von heute angefangen, ferner den Abg. Jachimovicz und Prokopczyc ausmacht Tage, dem Herrn Abg. Szaszkiewicz auf vier Tage von gestern angefangen, und endlich dem Herrn Abg. Neuberg auf acht Tage von morgen an gerechnet.

Es ist ein neugewählter Abgeordneter eingetroffen, nämlich der Herr Abg. Franz Rodeschegg für Marburg in Steiermark, er ist gewählt anstatt des Herrn Abg. Schmiederer; derselbe wurde der vierten Abtheilung zugelost.  Es hat sich der Herr Abg. Deym mit dem Wahlzertifikate heute ausgewiesen.

Der Herr Vorstand des Finanzausschusses ersucht die Mitglieder dieses Ausschusses, heute Nachmittags um 5 Uhr zusammen zu treten.  Es sind in mehreren Gouvernements die Wahlen für den Ausschuß zur Vorlage der Gemeindeordnung vorgenommen worden. Der Herr Secretär Ullepitsch wird sie lesen.

Schriftf. U l l e p i t sch (liest). Für Niederösterreich: Schuselka, Schmitt, Steininger. Für Oberösterreich: Kreil, Peitler, Brandl. Für das Küstenland: Cerne Joseph, Vidulich, Pitteri. Für Galizien: Helcel, Popiel, Smarzewski. Für Tirol: Haßlwanter, Zwickle, Festi. Für Steiermark: Gleispach, Forcher, Sturm. Für Jllirien: Ovjiazh, Janesch, Lanner. Für Böhmen: Strobach, Wiežnicky, Stamm.

Präs. Die Herren Abgeordneten für Mähren und Schlesien ersuche ich, behufs der Vervollständigung der Wahlen in diesen Ausschuß morgen um halb 10 Uhr zusammenzutreten in dem gewöhnlichen Locale. Ebenso ersuche ich die Herrn Abg. für Dalmatien, heute Nachmittags um 5 Uhr zusammenzutreten, und diese Wahl vorzunehmen.

Abg. Lomnicki. In Betreff dieser Wahlen habe ich eine Interpellation an den Herrn Präsidenten zu stellen. In der letzten Reichstagssitzung hat die hohe Kammer beschlossen, daß für den Ausschuß der zu entwerfenden Gemeindeverfassung aus jedem Gouvernement mit Berücksichtigung der Nationalitäten 3 Mitglieder gewählt werden. Insoweit ich richtig den Geist dieses Kammer  Beschlusses aufgefaßt habe, meine ich, daß in diesem Falle der Wunsch und der Wille der, eine Nationalität repräsentierenden Abgeordneten berücksichtiget werden soll. widrigenfalls immer die in der Majorität vertretene Nationalität gegen die in der Minorität vertretene den Ausschlag gäbe, und so würde nicht die gehörige Erörterung gepflogen werden, z. B. wenn für Deutschböhmen die Böhmen einen Deutschböhmen, oder für Welsch Tirol, die Deutsch Tiroler einen Welsch Tiroler wählen würden, jedoch gegen ihre Ansicht und gegen ihren Willen.

Im Gouvernement Galizien wurde der Herr Deputirte Popiel für den genannten Ausschuß gewählt. Wiewohl ich nun gegen die Ehrenhaftigkeit dieses Deputirten nichts einwenden will und kann, muß ich dennoch mit Bedauern offen erklären, daß die Stimmung der ruthenischen Abgeordneten in diesem speziellen Falle nicht für Popiel war; was sich durch den Vorgang bewährt hatte, indem nach vernommener Stimmung der Majorität der galizischen Deputirten Seitens der polnischen Nation, die ruthenischen Reichstags  Abgeordneten sich bei dieser Wahl nicht betheiligen wollten. Dennoch würde der Abg. Popiel für diesen Ausschuß durch die Majorität der polnischen Deputirten gewählt. Soll nun der besagte Kammerbeschluß nicht zu einem bloß illusorischen gemacht werden, so ersuche ich den Herrn Präsidenten, diese Wahl als nichtig zu erklären, und falls der Herr Präsident nicht in der Lage wäre, diese Erklärung abzugeben, darüber die hohe Kammer einzunehmen (Es melden sich mehrere Abg. zum Worte.)

Präs. Ich bitte, meine Herren, ich glaube über diesen Gegenstand keine Debatte zulassen zu können, weil, in so weit mir das Wahlprotokoll vorliegt, ich entnehme, daß alle Formalitäten beobachtet wurden. Es sind nämlich 58 Stimmgebende anwesend gewesen, demnach mehr als die Hälfte der Abgeordneten. Von diesen erhielt der Abg Herr Popiel 53, Herr Smarzewski 48, Herr Helcel 47 Stimmen: demnach muß ich der Form nach die Wahl als gültig anerkennen, um so mehr als der Abg Herr Popiel ein Ruthene ist. Indessen bleibt es diesen Herren unbenommen, wenn sie mit der Wahl nicht zufrieden sind, einen Antrag einzubringen, der gleich allen anderen Antragen geschäftsordnungsmäßig behandelt werden wird. (Bravo)

Es sind einige Interpellationen angemeldet, und zwar eine vom Herrn Abg Duniewicz Ich fordere diesen Herrn Abgeordneten auf, ob er diese Interpellation selbst verlesen will.

Abg. Duniewicz (liest).

Interpellation an das hohe Ministerium der Finanzen:

Der Mangel an klingender Münze läßt sich in Galizien noch mehr, als in den andern Provinzen fühlen. Die geringen, im Lande noch vorhandenen Überreste von gemuhtem Silber sind in den Händen einiger Wenigen, und werden wahrscheinlich noch durch längere Zeit dein Verkehrfremd bleiben.

Papiergeld ist wohl im Umlauf, doch findet dieses erst bei Auszahlungen von wenigstens 1 fl C. M seine Anwendung Vorzugsweise ist in dieser Hinsicht der östliche Theil Galiziens in einer mißlichen Lage. Während derselbe bis an die Strypa unter russischer Herrschaft war, kamen daselbst Silberrubeln, polnische und russische Scheidemünzen in Umlauf, und verblieben als die allgemeinste und beliebteste Geldsorte, auch nach Wiederbesetzung dieses Landstriches von Seite Österreichs.  Erst in neuester Zeit, als die russischen Scheidemünzen außer Curs gesetzt wurden, und die Rubeln und polnischen Guldenstücke rar zu werden anfingen, kamen Zwanziger und Banknoten in Verkehr.

Die Banknote wird vom Landmanne, obwohl mit Mißtrauen angenommen, jedoch nur dann, wenn dieselbe ganz und unbeschädigt ist. Halbirte oder gar geviertheilte anzubringen, ist keine Möglichkeit. Da auch Kupfermünze nicht in der Menge circulirt, daß sie den geringeren Verkehr decke, so werden Auszahlungen unter 1 fl. C. M. beinahe unmöglich, und daß die Folge hievon die Unmöglichkeit der Bestellung größerer Wirthschaften sein wird, ist einleuchtend.

Wird diesem Übelstande nicht durch in Curssetzung einer hinlänglichen Summe Kupfergeldes, Emittierung von Noten im Werthe von höchstens 20 kr. C. M. oder allenfalls durch andere Mittel schleunigst abgeholfen, so ist der Verfall der größeren Wirtschaften, welche nur mit Hilfe von Taglöhnern bestellt werden können, mit Sicherheit voraus zu sehen.

Bei dieser Lage meiner Provinz halte ich es für meine Pflicht, an das hohe Ministerium die Frage zu stellen: Ob Anordnungen getroffen wurden, dem Mangel an kleinerer Münze in Galizien abzuhelfen, und falls dies bis nun nicht geschehen wäre, ob und welche Maßregeln das hohe Ministerium zu ergreifen gesonnen sei, um diesen Mißstand zu beseitigen?

Kremster am 27. Janner 1849.

P r a s. Diese Interpellation wird dem Finanzministerium übermittelt werden  Eine weitere Interpellation ist die des Abg. Schmitt Wollen der Herr Abg. dieselbe selbst vorlesen?

Abg. Schmitt. Ja wohl (Liest)

Interpellation an den Herrn Minister des Handels.

Im Monate September v. I. würde der hohen Reichsversammlung von benannten Anklägern eine schwere Verdächtigung gegen Männer vorgelegt, deren Leistungen auf dein Felde der öffentlichen Bauten und in manchen Zweigen der vaterländischen Industrie die allgemeine Bekanntheit ihres Namens bewirkt haben Es sind dieß die Eisenbahnbauunternehmer Gebrüder Klein. Ein Mitglied der hoben Versammlung hat in dem, an ihm wohl gekannten und von mir geehrten Eifer für die Interessen der Gesammtheit bei der Wichtigkeit des Gegenstandes über die vorgebrachte Anklage eine strenge, die Unparteilichkeit vollkommen wahrende Untersuchung beantragt, deren baldigste Vornahme von dem damaligen Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten dem hohen Hause zugesagt worden ist.

Die Öffentlichkeit der Verhandlungen des Reichstages war die Veranlassung, daß die damalige Presse den Namen und die Ehre der Beschuldigen noch vor der Untersuchung, sohin ganz voreilig verurteilend, auf eine gröblich verletzende Weise angegriffen hat.

Dem Vernehmen nach soll diese Untersuchung und zwar auf die angedeutete Weise, d. i. mit Wahrung voller Unparteilichkeit und mit Zuziehung des Anklägers vorgenommen worden und bereits beendet sein, zugleich aber den gänzlichen Ungrund der Verdächtigung der Gebrüder Klein nachweisen. Die Ehre, die Fleckenlosigkeit des Namens und Rufes ist das heiligste Gut des Mannes und Bürgers. Der schimpflichste Angriff auf die Ehre ist aber die Beschuldigung der Unredlichkeit aus niedriger Gewinnsucht.

So heilig das Gut ist, welches angegriffen wurde, so heilig soll auch die Verpflichtung zur Sühnung im Falle eines nicht gerechtfertigten Angriffes sein.

Die beantragte Untersuchung geschah eben so im Interesse des Staates als in jenem der Beschuldigten,  und so wie dem Staate sein Recht werden mußte, falls die Beschuldigung begründet befunden worden wäre, so muß auch dein Beschuldigten sein Recht, d. i. die Ehrenrettung werden, wenn sich die Anklage als grundlos erwies.

Von der Stelle, von welcher die Beschuldigung in die Öffentlichkeit gelangte, soll und muß auch die Ehrenrettung der Öffentlichkeit übergeben werden.

Ich bin in der Lage, über den Charakter der Gebrüder Klein Zeugniß ablegen zu können, indem ich durch vielfältige geschäftliche Berührungen volle Gelegenheit hatte, ihre Gesinnung und Handlungsweise kennen zu lernen. Es sind Männer, aus der sogenannten untern Schichte des Volkes entsprossen, die als ein bemerkenswertes Beispiel des unserem Volke innewohnenden kräftigen Willens und einer vielversprechenden Tüchtigkeit, halb noch als Kinder mit ihrem redlichen Vater den heimatlichen Herd verließen, um als Teichgräber ihr Brod in der Welt zu suchen.

Ein beharrliches, durch mehr als dreißig Jahre mit unermüdeter Thätigkeit, mit praktischem Verstande, mit voller Kenntniß ihres Faches fortgesetztes Wirken hat diese Männer aus dem Volke höchst beträchtliche und gemeinnützige Leistungen auf dem Felde der öffentlichen Bauten hervorbringen lassen. Zwei Eigenschaften waren es aber vorzugsweise, die ihrem Wirken eine so große Ausdehnung und lohnendes Gedeihen verschafft und gesichert haben: erstens das redliche Streben, die übernommenen Verpflichtungen bestens und pünktlich zu erfüllen, und zweitens die stete Beachtung des Grundsatzes, human im vollen Sinne des Wortes gegen die Arbeiter zu sein, deren Kräfte sie zur Führung ihrer Unternehmungen verwendeten.

Mehr als 30 Tausend Arbeiter würden seit Jahren von ihnen beschäftiget und erhalten.  je der trat gerne bei ihnen in Arbeit; denn sie wurden nie im Lohne gedrückt, sie wurden bei Erkrankungen gepflegt und versorgt,  sie wurden zur Zeit der Noth von ihnen nie verlassen.

Der Segen, der ihrer angestrengten Thätigkeit als das Ergebniß 30jähriger großartiger Leistungen zufloß, wurde nicht bloß als wucherndes Geldkapital angehäuft;  es wurde in mannigfaltige Industrieanlagen und Bauführungen verwendet, worin abermals Taufende tüchtiger Arbeiter redlichen, guten Erwerb fanden.

Kurz, es sind Männer aus dem Volke und für das Volk;  es sind Männer der Arbeit und für die Arbeit.

Man zähle die Meilen der durch sie erbauten und meist durch sie erhaltenen Straßen,  man zähle die Meilen der durch sie hergestellten Eisenbahnstrecken,  man zähle die Brücken, die Gebäude, die sie aufgeführt,  man messe die Länge der durch sie regulirten Flüsse, und berechne das Capital, welches durch 30 Jahre bei ihren Bauten in Umlauf kam, und man wird selbst bei Annahme des geringsten bürgerlichen Geschäftsnutzens die Erwerbung eines nahmhaften Vermögens begreiflich finden, ohne zu der in der besprochenen Anklage enthaltenen Verdächtigung seine Zuflucht nehmen zu müssen.

Indem ich durch das Gesagte meinem Gefühle für die Heiligkeit der bürgerlichen Ehre nur pflichtmäßig entsprochen zu haben glaube, stelle ich an das hohe Ministerium des Handels, welchem gegenwärtig auch das Eisenbahnwesen zugewiesen ist, die Frage: ob die im Monate September v. J. beantragte Untersuchung der gegen die Gebrüder Klein vorgebrachten Anschuldigung bereits vollendet sei?  und stelle, wenn dieß der Fall ist, das Ersuchen das Ergebniß baldigst dem Reichstage mitzutheilen, und die Acten zur Einsichtsnahme vorzulegen. 

Kremsier, den 28. Jänner 1849.

Präs. Auch diese Interpellation wird in gehöriger Weise dem betreffenden Ministerium zugemittelt werden.  Der Herr Schriftführer Ullepitsch wird einen die Diäten eines Herrn Abgeordneten betreffenden Gegenstand vortragen.

Schriftf. Ullepitsch. Der Herr Abgeordnete Karl Clementi für den Wahlbezirk Pergine in Tirol hat nach der unterm 22. November 1848 neuerlich erfolgten Einberufung des Reichstages nach Kremsier, mit einer unterm 15. December v. I. an den Reichstags  Vorstand gelangten Eingabe demselben angezeigt, daß er durch Krankheit gehindert sei, die Reise nach Kremsier anzutreten, daß er jedoch zuverlässig hoffe, binnen längstens 14 Tagen seinen Platz im Reichstage einnehmen zu können. Dieser Eingabe liegt ein Krankheitszeugniß ddo 9. Dezember v. I. bei, in welchem bekräftigt wird, daß der Herr Abgeordnete Clementi durch Krankheit gehindert, die Reise vor 15 Tagen nicht werde antreten können. Der Herr Abgeordnete langte jedoch erst am 11. Jänner laufenden Jahres in Kremsier an, und es handelt sich nunmehr um die Bemessung der ihm für die Zeit seiner Abwesenheit gebührenden Diäten.

Dießfalls muß nun bemerkt werden, daß dein besagten Herrn Abgeordneten die Diäten für die zweite Hälfte des Monates November unbezweifelt gebühren, daß hingegen die Zeit der Abwesenheit während des Monats December v. I. bis zum 11. Jänner l. I. nach Maßgabe des §. 27 der früher in Wirksamkeit gestandenen Geschäftsordnung zu behandeln komme, wonach dem besagten Herrn Abgeordneten kein Anspruch auf den Bezug der Diäten zusteht, weil derselbe durch fast 2 Monate ohne Urlaub abwesend war, und die Gefchäftsordnung die Bestimmung nicht enthält, daß für eine die Dauer eines halben Monates überschreitende, wenn auch durch Krankheit entschuldigte Abwesenheit der Diätenbezug gebühre, und übrigens das beigebrachte Krankheitszeugniß sich nicht auf die ganze Dauer der Abwesenheit des Herrn Abgeordneten bezieht. Von Seite des Reichstagsvorstandes, welcher sich nur strenge an die Bestimmungen der Geschäftsordnung halten kann und muß, wurde daher dem besagten Herrn Abgeordneten der Bezug der Diäten, für die besprochene Zeit nicht zugestanden. Da jedoch der Herr Abgeordnete sich mit diesem Beschlusse nicht zufrieden stellt, und für denselben durch das beigebrachte Krankheitszeugniß immerhin Billigkeitsrücksichten begründet erscheinen, so beschloß der Reichstagsvorstand, den Fall der hohen Kammer zur Entscheidung vorzulegen.

Präs. Wünscht Jemand über diesen Gegenstand das Wort zu ergreifen?

Abg. Borrosch. Ich glaube, daß gar kein Zweifel in dieser Beziehung obwalten kann, denn wenn die Krankheit nachgewiesen ist, so ist sie doch ein unverschuldetes Unglück, dieses noch bestrafen wollen, verstoße gegen alle Billigkeit, ich erinnere nur an den analogen Fall, wenn nämlich ein Staatsbeamter erkrankt, und frage, ob nicht sein Gehalt während dieser Zeit fortgeht?

P r ä s. Wenn Niemand mehr das Wort ergreift, so werde ich den Gegenstand zur Abstimmung bringen.

Diejenigen Herren, welche dem von dem Vorstandsbureau ausgesprochenen Billigkeitsgrunde beipflichten, und glauben, daß die Diäten ausgezahlt werden sollen, mögen aufstehen. (Majorität) Die fraglichen Diäten werden demnach dem Abg. Clementi ausgezahlt werden.

Als nächster Gegenstand der Tagesordnung erscheint die 2. Lesung der Grundrechte, namentlich die Fortsetzung der Debatte über den § 6; als nächster eingeschriebener Redner für den Paragraph erscheint der Abg. Thiemann. (Der Abg. Thiemann cedirt das Wort dem Abg. Umlauft.)

Abg. Umlauft. "Die Todesstrafe muß fallen!" In diesem Ausspruche haben sich von dieser Tribune herab die Männer der verschiedensten politischen Ansicht der mannigfachen Parteien dieses Hauses geeinigt, und ich sehe darin eine lebendige Bürgschaft für die Vollendung unseres begonnenen Werkes; ich sehe darin (namentlich in dem Aussprüche wie er uns hier im Paragraphe vorliegt, daß die Todesstrafe für politische Verbrechen abgeschafft sei)  ich sehe darin den Beweis, daß der Drang der Einigung, der Gedanke der "Brüderlichkeit" in unserer Versammlung bereits zur Wahrheit geworden ist, daß er jene lebendige Kraft erhalten hat, welche es nunmehr unmöglich machen wird, die Verdächtigungen, die Versuche zur Zwietracht, welche von außen her gegen dieses Haus stürmen, im Inneren Wurzel fassen zu lassen.

Wenn es wahr ist, daß es Gesetze der Entwicklung, der Fortbildung gibt, welche sowohl in der physischen, wie in der geistigen Weltordnung gleichmäßig herrschen, und daß es gleich unvernünftig ist, ihre Kraft aufhalten oder überflügeln zu wollen, so muß es andererseits als eine der größten Aufgaben des menschlichen Geistes erkannt werden, die Stadien zu erforschen, auf welche sich der Weltorganismus in jedem gegebenen Momente kraft dieser Gesetze befindet, und auf dieser Basis gerade wieder harmonisch mit jenen Gesetzen die Consequenzen fortzubilden und aufzubauen. Das ist es, was man mit dem Ausdrucke: "Seine Zeit begreifen"  bezeichnet. Wenn es nun schon nahe an die hundert Jahre geht, seitdem B e c c a r i a die Rechtmäßigkeit der Todesstrafe angegriffen hat, und wir gleichwohl noch immer nicht die Resultate dieses Gedankens, der doch in tausend Köpfen und Herzen zündete, practisch geworden sehen, so kann uns dieß ein Fingerzeug sein, endlich den starren Rechtsboden, auf welchem die Abschaffung der Todesstrafe bis hierher stets siegreich bekämpft worden ist, zu verlassen, und einen Schritt weiter zu gehen, um der jedenfalls den innersten Regungen der Menschennatur entsprechenden Idee reale Geltung zu verschaffen.

Meine Herren! Mit diesem Schritte gelangen wir auf den Standpunkt der Humanität, er ist der Standpunkt unseres Jahrhunderts. Keiner von Ihnen wird es leugnen, daß wir uns im Schwingdingspunkte einer doppelten Bewegung befinden, einer politischen und einer socialen. Fordert die politische Bewegung den Aufbau des Rechtsstaates, so verlangt die sociale die Gründung des humanen Staates. Ja, meine Herren, der humane Staat ist die Forderung, die unabweisliche, laute Forderung unserer Zeit! und, ich sage es mit freudigem Bewußtsein, die erleuchteten Männer, die unserem Constitutionsausschusse angehören, haben diese Forderung erkannt, ihr Rechnung getragen, und den Beweis davon nicht nur in dem hier vorliegenden Paragraphe, sondern auch in anderen Paragraphen unserer Grundrechte niedergelegt. Hier heißt es:

"Die Strafen der öffentlichen Arbeit, der öffentlichen Ausstellung, der körperlichen Züchtigung, der Brandmarkung, des bürgerlichen Todes und der Vermögenseinziehung dürfen nicht angewendet werden." Dieser Grundsatz entspricht ganz dem Grundsatze der Humanität. Es gibt freie Staaten, welche diesem Grundsatz noch nicht Rechnung getragen haben; sie nennen sich frei, sind frei, aber sie stehen nicht auf jenem Höhepunkt der Humanität, welcher der unserer Zeit ist. Wir haben gesehen, der Absolutismus herrschte durch Schrecken; wohlan! lassen wir die Völker sich selbst durch Milde regieren. Aus der Geschichte spricht zu uns die tausendfach wiederholte Erfahrung, daß Völker niemals durch rohe Gesetze gebessert, durch rohe Gesetze auf den Pfad der Milde, auf den Pfad der Sittlichkeit geführt werden. Wenn der Ausspruch des römischen Dichters: "artes emolliunt mores" wahr: ist, so ist gewiß noch mehr der Ausspruch wahr: "leges emolliunt mores" und es hat schon letzthin ein von mir sehr geehrter Redner denselben Grundsatz geltend gemacht, er hat darauf hingewiesen, daß wir aus einem ewigen Cirkeltanz nicht hinauskommen würden, wenn wir nicht anfangen, mit der Milderung des Gesetzes auch die Milderung der Sitten unseres Volkes vorzubereiten.

Es ist das erste Mal, daß die Völker Österreichs durch uns sich ihre Gesetze geben. Meine Herren, fassen wir diesen Gedanken in seiner vollen Großartigkeit auf, denken wir uns hier als das verkörperte Bewußtsein des Volkes, und geben wir dem Volke ans diesem Bewußtsein heraus das Zeugniß, welches ihm ein edler Fürst schon vor siebenzig Jahren gab: das Volk fühle sich frei, fühle sich menschlich, um auch menschenwürdig behandelt zu werden. Zünden Sie auch tausend Kerzen der weisesten ausgeklügeltesten, Gesetze an, sie werden nicht die Kraft haben, welche die eine große Sonne der Humanität hat, wenn sie alle Sphären des Lebens mit ihren belebenden Strahlen durchdringt. Meine Herren! Es ist eine Thatsache der Geschichte, daß das innere Leben des Staates von der äußeren Staatsform abhänge; wie die Form des Staates, so auch die Bildung der Familie, der Schule, der Kirche. In einem Staate, wo der Despotismus die Staatsform ist, da wird auch die Familie, die Schule, die Kirche despotisch sein. Sprechen wir also, was wir wollen, klar und deutlich aus, und ich empfehle Ihnen, meine Herren, den Antrag meines Freundes Oheral zur Annahme, worin es ausdrücklich heißt: "Das Strafsystem gründet sich auf die Principien der sittlichen Besserung." Dieses ausgesprochen, wird den leuchtenden Gedanken der Humanität unserer Strafgesetzgebung voranstellen!

Ich komme speciell auf die Todesstrafe zurück. In dem ersten Entwurfe unserer Grundrechte würde bekanntlich die absolute Abschaffung der Todesstrafe beantragt. Was die hochherzigen Männer des Ausschusses veranlaßt hat, in einer Art Zaghaftigkeit von diesem früheren Ausspruche zurückzukommen, weiß ich nicht. Ich finde aber, daß es im Principe mit dem ausgesprochenen Grundgedanken des Paragraphes nicht vereinbaulich ist, wenn die Todesstrafe bloß für politische Verbrechen abgeschasst werden soll.

Meine Herren! Fassen wir den Grundsatz der Humanität fest ins Auge, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, daß jede Strafe die Menschenwürde achten muß, daß sie achten und anerkennen muß die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des "Menschenseins." Eine Strafe aber, welche die Bedingungen des Menschenseins geradezu aufhebt, wie die Todesstrafe, kann unmöglich in ein System ethischer Weltanschauung passen.

Auf dem Standpunkte der Culturentwicklung, auf welchem sich die Gegenwart befindet, ergeben sich zwei wesentlich verschiedene Systeme der Weltanschauung, die materialistische und spiritualistische. Nun denn, meine Herren, die Anhänger der materialistischen Weltanschauung, die Leugner der Unsterblichkeit, sie müssen die Todesstrafe unbedingt verdammen, denn ihnen ist die Hinrichtung eines Menschen seine Vernichtung.

In beinahe gleichem Falle sind jene Spiritualisten, welche der pantheistischen Anschauung huldigen, welche sagen, die Seele kehre nach dem Tode in die Weltseele zurück. Auch für sie gibt es nach dem Tode kein "Menschensein" mehr. Und wie? meine Herren, die strengen Anhänger des Glaubens an die Unsterblichkeit, an die persönliche Fortdauer nach dem Tode, sie sollten eine laxere Moral predigen als jene? Nie und nimmermehr. Meine Herren! Ich spreche es aus, auch für sie hat mit dem Tode das "Menschensein" aufgehört; denn eben so wenig als der auf der Bahre liegende Leichnam der Mensch genannt werden kann, eben so wenig kann es die Seele, die losgelöst von den Banden des Leibes in ein unbekanntes Jenseits übergeht. Mögen wir uns diesen Zustand jenseits denken, wie wir wollen, es ist ein persönliches Fortleben, welches jedenfalls unter ganz anderen Bedingungen stattfindet, als das irdische; ein Fortleben, welches auf eine uns unbegreifliche Weise das Erdenleben mit Bewußtsein fortsetzt, aber doch jedenfalls, da eben jene Werkzeuge der sinnlichen und intellectuellen Anschauung, auf welchen die Wechselwirkung des complicirten menschlichen Organismus beruht, fehlen  das, sage ich, ein der Einfachheit der Seele entsprechendes, ein ganz anderes Leben sein müsse, als das unter den Bestimmungen der Körperlichkeit. Kurz ich finde, daß zufolge jeder Anschauungsweise das eigentliche "Menschensein" unbedingt mit dem Tode aufgehört habe. Nun frage ich, wenn das wahr ist: Kann sich der Staat anmaßen, über das Menschensein hinaus in jenes unbekannte Jenseits auch noch seine mächtige Hand auszustrecken; kann er sich anmaßen, den Menschen mitten in seinem Entwicklungsgange von dieser Erde zu vertilgen, und ihn gewaltsam in jenes unbekannte Jenseits zu versetzen, in einem andern Entwicklungsmoment, als welchen er in Folge der natürlichen Gesetze erreicht haben würde? Ich glaube, nicht!

Antworten wir nun auf einige Einwürfe der Juristen. Ja, sagen sie, mit dem Beweise, daß die Handlung unmoralisch sei, ist noch nichts gewonnen, denn es kann Fälle geben, und sie behaupten es, wo geringere ethische Pflichten gegen größere zurückstehen müssen. Ja wohl, meine Herren, das ist wahr. Allein ich behaupte, es wird aus solchen Handlungen niemals eine irdische Zwangspflicht gemacht werden können. Denken wir an die That der Judith. Sie gab ihren Leib Preis, um Holdfernes zu todten, um das Vaterland zu retten, das Judenvolk pries sie als eine Heldin. Ihre That war offenbar moralisch, aber eben so wenig, als sie jemals zur Zwangspflicht gemacht werden könnte, eben so wenig wird Jemand behaupten können, daß man je die Preisgebung des Leibes zu einer Strafart machen könne. Was die Menschenwürde in ihrem innersten Wesen verletzt, kann niemals als zulässige Strafe anerkannt werden. Kommen wir nur endlich einmal aus der Befangenheit unserer gangbaren Begriffe heraus! Wir alle stimmen heut zu Tage darin überein, daß die Leibeigenschaft, die Sclaverei nie und nimmermehr geduldet werden könne, auch nicht als Strafe (wie sie es doch früher war). Warum? weil sie die Persönlichkeit aufhebt; und die Todesstrafe, welche die Persönlichkeit vernichtet, sollte zulässig sein? Ich denke, es ist besser, daß wir an unserer Unfehlbarkeit zweifeln, als uns in die Gefahr bringen, ein so unersetzliches Gut, als das Leben ist, in die Schanze zu schlagen. Die Geschichte gibt uns doch so lehrreiche Vorbilder, wie vielfältig man von Ideen, vor Glaubenssätzen, welche Jahrhunderte lang als wahr gegolten haben, welche mit Gut und Blut vertheidigt worden sind, endlich abgegangen ist. Denken wir an die Menschenopfer, an die Tortur, an die Hexenprocesse. Meine Herren, wir haben längst den Stab über diese Verirrungen des Menschenverstandes gebrochen, wollen wir uns hüten, daß man nicht auch einst über uns den Stab breche, wenn wir so hartnäckig an der Beibehaltung der Todesstrafe hängen, und sie als ein notwendiges Übel unserer Gesellschaft hinstellen. Aber gehen wir näher auf den juridischen Standpunkt ein, so ist offenbar, daß der Zweck der Strafe nur ein doppelter sein könne: die Sicherstellung der Gesellschaft vor verbrecherischen Angriffen und die Wiederherstellung des frühern normalen Rechtszustandes. Nun denn, die Wiederherstellung, insofern sie die materielle Störung des Rechtszustandes betrifft, gehört ohne dieß nicht in die Strafgesetzgebung. Sie betrifft die Genugtuung, die Schadloshaltung, und gehört also dem Privatrechte an. Die Aufhebung der intellectuellen Störung aber bezieht sich entweder auf den Thäter selbst, denn in ihm ist die rechtswidrige Willensrichtung vorhanden, welche sich durch das Verbrechen geäußert hat, oder sie bezieht sich auf die andern Staatsbürger, von denen man voraussetzen kann, daß durch das böse Beispiel des Verbrechens auch bei ihnen eine rechtswidrige Willensstimmung erzeugt worden ist. Dem ersten Moment entspricht die Besserung, die Besserung, hoffe ich, in dem Sinne, wie ich sie als Grundlage jeder vernünftigen Strafgesetzgebung festgehalten wissen will. Nun frage ich aber, in welcher Verbindung kann überhaupt die Todesstrafe mit der Besserung stehen? Es ist schon vielfach hier gesagt worden daß die Todesstrafe natürlich jede Besserung unmöglich mache, und selbst die Vertheidiger der Todesstrafe, welche sagen, man nimmt vom Verbrecher an, er sei unverbesserlich, die gestehen eine große Ohnmacht des Staates zu, wenn er sich selbst das beschämende Geständnis machen muß, daß er mit dem Verbrecher nichts Besseres mehr anzufangen wisse, als eben ihn aus dieser Welt zu schaffen. In Bezug auf die bei andern Staatsbürgern etwa vorauszusetzende böse Willensrichtung, die durch einen Verbrecher hervorgerufen werden kann, so soll hier die Anwendung der Strafe als Abschreckungsmittel dienen; aber es ist bereits bewiesen worden, daß die Todesstrafe durchaus, geschichtlichen Zeugnissen nach, nicht als wirkliches Abschreckungsmittel gelten könne, denn es sind mit und ohne Todesstrafe so ziemlich in gleichen Zeiträumen die gleiche Anzahl von Verbrechen vorgekommen. Die Todesstrafe hat in dieser Richtung sich nicht als wirksam bewiesen. Wollte man aber zugeben, daß die Todesstrafe schon in der Androhung nur durch ihre Härte wirken könne, so würde man behaupten müssen, daß durch fortwährende Permanenzerklärung des Standrechtes alle möglichen Verbrechen hintangehalten werden könnten. Wo ist aber da ein vernünftiger Maßstab, der doch in jedem verständigen Strafsystem auch von den Juristen zugegeben werden muß. Einst im Mittelalter waren die kleinsten Verbrechen mit den härtesten Strafen belegt, aber wir haben hierin die Grausamkeit des Zeitalters erkannt, und längst über dieses Strafsystem das Todesurtheil gesprochen. Aber, meine Herren, die Todesstrafe ist auch, um so mehr vom humanen Standpunkte aus, höchst ungerecht. Ich will nicht auf die materialistischen Anschauungen der Phrenologen eingehen, welche ganz und gar die Imputabilität bei Verbrechern zu läugnen sich den Anschein geben; aber ich glaube, wir können doch der Erfahrung keinesfalls aus dem Wege gehen, daß bei Verbrechern häufig Störungen des Geistes durch körperliche Einflüsse wirklich vorkommen, daß es Monomanien, daß es überhaupt krankhafte Seelenzustände gebe, in welchen selbst auf dem bisher festgehaltenen Standpunkte der Strafgesetzgebung der Verbrecher als


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